Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.02.2011, Az.: 1 Ws 62/11

Voraussetzungen für ein Entfallen der gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht nach Vollverbüßung der verhängten Freiheitsstrafe wegen Leugnens der Tat durch den Verurteilten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.02.2011
Aktenzeichen
1 Ws 62/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 10645
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0203.1WS62.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 20.12.2010 - AZ: 13 StVK 395/10

Fundstellen

  • BewHi 2011, 285
  • NStZ-RR 2011, 189
  • StraFo 2011, 158-159

Amtlicher Leitsatz

Das Leugnen der Tat durch den Verurteilten verhindert es nicht zwangsläufig, die nach Vollverbüßung der Freiheitsstrafe gesetzlich eingetretene Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 2 StGB entfallen zu lassen.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Osnabrück, Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Lingen, vom 20. Dezember 2010,

durch den angeordnet worden ist, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Lüneburg vom 12. Januar 2010 die - in bestimmter Weise ausgestaltete - gesetzliche Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB eintritt,

aufgehoben. Die Maßregel der Führungsaufsicht entfällt.

Die Kosten des Verfahrens und hierin entstandene notwendige Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 3 S. 1 StPO zulässig und in der Sache begründet.

2

Die Voraussetzungen für ein Entfallen des Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 2 StGB liegen vor. Es ist zu erwarten, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Insoweit ist keine Gewissheit erforderlich, wohl aber eine entsprechende hohe Wahrscheinlichkeit, wobei Zweifel zu Lasten des Verurteilten gehen, vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 68f Rdn. 9 m. w. Nachw..

3

Eine solche Wahrscheinlichkeit sieht der Senat - in Übereinstimmung mit der der Justizvollzugsanstalt LingenDamaschke, der Staatsanwaltschaft Verden und der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg - hier als schon gegeben an, weil der 44jährige Verurteilte außer durch das vollstreckte Urteil des Landgerichts Malaga/Spanien in seinem Leben nie bestraft worden ist und in gesicherten sozialen Verhältnissen mit intakten familiären Bindungen lebt.

4

Der von der Strafvollstreckungskammer demgegenüber hervorgehobene Umstand, dass der Verurteilte die Begehung der in Spanien abgeurteilten Straftat, einer mit massiver Gewalt begangenen Körperverletzung, leugnet, steht hier der positiven Verhaltensprognose nicht entgegen. Zwar ist im Vollstreckungsverfahren wegen der Rechtskraft der - von Deutschland anerkannten - Verurteilung davon auszugehen, dass der Verurteilte die abgeurteilte Tat begangen hat. Das - hier danach unzutreffende - Tatleugnen eines Verurteilten begründet aber als solches nicht zwangsläufig die Besorgnis neuer Straftaten und schließt auch nicht zwingend die Wahrscheinlichkeit eines künftig straftatenfreien Verhaltens aus.

5

Wenn ein die Tat leugnender Verurteilter vorbestraft war oder wenn die begangene Straftat ihrer Art nach oder aus in seiner Person liegenden und fortbestehenden Umständen - etwa einer Sucht oder einem psychischen Defekt - eine Wiederholung möglich erscheinen lässt, wird sich allerdings die Wahrscheinlichkeit eines künftig straftatenfreien Lebens, die für das Absehen von Führungsaufsicht ausreichte, in der Regel nicht feststellen lassen.

6

Dergleichen ist hier indessen nicht gegeben. Bei Würdigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles besteht vielmehr im Sinne von § 68f Abs. 2 StGB die Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war daher anzuordnen, dass die Maßregel der Führungsaufsicht entfällt.

7

Die Kostenentscheidung entspricht § 467 StPO.