Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 10.09.2020, Az.: 15 B 1475/20

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.09.2020
Aktenzeichen
15 B 1475/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die in § 22 Abs. 2 VerpackG vorgesehene Möglichkeit, die Art des Sammelsystems durch Rahmenvorgabe festzulegen, ermächtigt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht zur Anordnung eines Mischsystems von Gelbem Sack und Gelber Tonne nach Wahl des jeweiligen Grundstückseigentümers. Die Organisationsverantwortung für die Sammlung von Verpackungsabfällen aus Privathaushalten ist gesetzlich den Systembetreibern zugewiesen und kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger inhaltlich beschränkt werden. Bei der Regelung eines Wahlrechts des jeweiligen Grundstückseigentümers würde die Auswahl der konkreten Ausgestaltung der Art des Sammelsystems aber weder durch den Systembetreiber noch durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfolgen, sondern auf den Endverbraucher verlagert. Weil dieser seine Entscheidung aber regelmäßig nicht unter Abwägung allgemeiner Vor- und Nachteile, sondern allein aufgrund individueller Vorlieben trifft, wäre eine von der gesetzlichen Regelung vorgesehene möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle nicht sichergestellt.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. April 2020 (15 A 850/20) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. März 2020 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 59.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofort vollziehbare Rahmenvorgabe zur Sammlung von sogenannten Leichtverpackungen (LVP).

Die Antragstellerin ist ein System nach § 3 Abs. 16 des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz – VerpackG). Sie ist eines von derzeit acht bundesweit genehmigten Systemen zur regelmäßigen Abholung von als Abfall anfallenden restentleerten Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher. Als solches kann sie den Herstellern von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen Beteiligungen an dem von ihr betriebenen System zur Erfassung der LVP vermitteln. Der Antragsgegner ist nach § 6 Abs. 1 Niedersächsisches Abfallgesetz (NAbfG) öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. März 2020 erließ der Antragsgegner nach Anhörung der Antragstellerin Rahmenvorgaben im Sinne des § 22 Abs. 2 VerpackG bezüglich der Sammlung restentleerter Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen (LVP) bei privaten Haushalten für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2021.

Bislang erfolgte die Abstimmung der Systeme mit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Bezirk des Antragsgegners aufgrund der Abstimmungsvereinbarung vom 15. Dezember 2003 (Anl. AG 1, GA Bl. 140 ff.), die zuletzt im April 2017 mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wurde. Die damalige Unterzeichnung der Verlängerung der Abstimmungsvereinbarung erfolgte durch die Antragstellerin, die auch bereits zum damaligen Zeitpunkt Verhandlungsführerin der Systeme war. Es wurde vereinbart, dass die Sammlung von LVP in Form eines haushaltsnahen Holsystems in einem Abfuhrturnus während der Monate April bis Oktober 14-tägig, im Übrigen vierwöchig erfolge. Gemäß der Bestandteil der Abstimmungsvereinbarung gewordenen Systembeschreibung (Stand: 27. März 2017, Anl. AG 2, GA Bl. 134) ist die Durchführung der LVP-Erfassung im Bezirk des Antragsgegners - wobei streitgegenständlich nur das Festlandsgebiet ist - bislang nicht einheitlich. Danach wird auf dem Festland unterschieden zwischen dem unmittelbaren Küstenbereich, zu dem die Küstenbadeorte zählen, und dem übrigen Kreisgebiet. Im unmittelbaren Küstenbereich besteht für den jeweiligen Grundstückseigentümer ein Wahlrecht, ob dieser die grundsätzlich zur Verfügung gestellten Gelben Säcke nutzen möchte oder alternativ kostenlos Gelbe Wertstoffbehälter (Tonnen) bereitgestellt erhält. Für das übrige Festland legt die Systembeschreibung als Abfallbehälter Gelbe Wertstoffsäcke fest.

Mit der streitgegenständlichen Rahmenvorgabe des Antragsgegners vom 9. März 2020 (Anl. AS 2, GA Bl. 26 ff. Bd. I) wird abweichend von der bisherigen Abstimmungsvereinbarung u.a. künftig für das gesamte Festlandsgebiet festgelegt, dass hinsichtlich der Abfallbehälter auf Wunsch des Grundstückseigentümers feste Müllgroßbehälter (MGB) 240 l bzw. 1.100 l aufzustellen und zu entleeren sind. Im Übrigen sind Gelbe 90 l-Säcke mit Zugband auszugeben und abzufahren. Die Regelausstattung je Grundstück ist ein 240 l-Behälter. Auf Verlangen des Grundstückseigentümers ist ein zweiter Behälter aufzustellen, sofern mindestens fünf Personen angeschlossen sind oder die Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen, was der beauftragte Entsorger zu prüfen habe. Ab 20 Personen ist ein Behälter 1.100 l zu stellen, ab 40 Personen sind zwei solcher Behälter zu stellen usw. Der Antragsgegner ordnete in dem angefochtenen Bescheid die sofortige Vollziehung der Festlegungen der Rahmenvorgabe an.

Diese Rahmenvorgabe entspricht dem Beschluss des Kreistages des Landkreises zu seinem Abfallwirtschaftskonzept 2019. Die Rahmenvorgabe wurde vom Antragsgegner damit begründet, dass im Landkreis eine außerordentlich hohe touristische Nutzung stattfinde. Diese touristische Nutzung sei zwar überwiegend in den Küstenorten aufzufinden, wirke sich aber auch auf das gesamte Kreisgebiet aus. Da die meisten Übernachtungen und Tagesbesucher in den Frühjahrs- und Sommermonaten stattfinden, solle – wie bislang – nur in den Monaten April bis Oktober ein verkürzter Abfuhrturnus greifen. Für Wohngrundstücke mit bis zu zwei Bewohnern sowie für ausschließlich eigengenutzte Ferienwohnungen, Ferienhäuser, Zweitwohnungen und dergleichen erfolge auf Wunsch des Grundstückseigentümers die Abfallentsorgung mit Abfallsäcken anstatt mit einem festen Restabfallbehälter. Diese Regelung beruhe darauf, dass für die eigengenutzten Ferienwohnungen etc. die Abfälle zeitlich ungleich verteilt anfielen und deshalb die Nutzung von Säcken die geeignetste Lösung darstelle. Eine verpflichtende Nutzung eines festen LVP-Behälters sei auf diesen Grundstücken unangemessen. Eine Beschränkung der LVP-Abfuhr mit Säcken genau auf die Grundstücke, von denen auch der Restabfall mit Säcken entsorgt werde, hätte einen hohen administrativen Aufwand beim LVP-Entsorger zur Folge und zudem, dass bei einer Änderung der Restabfallerfassung die LVP-Erfassung nachzuziehen habe. Es sei deswegen für die Systeme weniger belastend, die Behälterwahl dem Grundstückseigentümer zu überlassen. Da schon die bisherige Systembeschreibung im Küstenbereich die Wahl des Behältersystems dem Grundstückseigentümer überlasse, heiße dies im Ergebnis, dass die bisher im Küstenbereich geltende Regelung nun auf das gesamte Festlandsgebiet des Landkreises ausgeweitet werden solle.

Die Antragstellerin hat im Anhörungsverfahren geltend gemacht, dass die Durchsetzung des vom Antragsgegner begehrten Mischsystems aus Tonne und Gelbem Sack nach Wahl des Grundstückseigentümers, unabhängig davon, ob in einzelnen Gebieten des Landkreises ein entsprechendes Erfassungssystem bereits praktiziert werde, nicht rechtmäßig mittels Rahmenvorgabe erfolgen könne. Zwar hätte die Antragstellerin als gemeinsamer Vertreter der Systeme wohl noch die Umstellung auf Gelbe Tonnen akzeptiert, nicht jedoch eine Umstellung unter zusätzlicher Einführung eines Mischsystems, da sich dieses als zu kostenintensiv herausgestellt habe.

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 6. April 2020 vor dem erkennenden Verwaltungsgericht Klage erhoben (15 A 850/20), über die noch nicht entschieden ist.

Mit ihrem Antrag vom 8. Juni 2020 begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klage. Zur Begründung führt sie an, dass die Rahmenvorgabe formell und materiell rechtswidrig sei. Die Rahmenvorgabe sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 2 VerpackG nicht gedeckt. Die Vorhaltung eines Mischsystems könne nicht zulässigerweise durch eine einseitige Rahmenvorgabe angeordnet werden. Hiergegen spreche bereits die Auflistung der Inhalte einer Rahmenvorgabe in den Nrn. 1-3 des § 22 Abs. 2 VerpackG. Eine solche Regelung sei nicht unter den Tatbestand der Nummer 1 zu fassen, da dieser grundsätzlich eng auszulegen sei. Dies folge daraus, dass ansonsten die Nrn. 2 und 3 des Abs. 2 überflüssig wären, weil auch die Art und Größe der Sammelbehälter und die Häufigkeit und der Zeitraum der Behälterleerung unter den weiten Begriff der Art des Sammelsystems erfasst werden könnte. Aufgrund des im Verpackungsgesetz weiterhin verankerten Kooperationsprinzips verbiete sich jegliche Überschreitung der durch den Wortlaut und der Systematik der Regelung gesetzten Grenzen. Ein Mischsystem aus Gelber Tonne und LVP-Sack nach Wahl des jeweiligen Grundstückseigentümers könne deswegen nicht durch Verwaltungsakt vorgegeben werden, sondern eine solche Kombination könne nur erfolgen durch eine gebietsscharfe Trennung des Entsorgungsgebiets, d. h. durch Aufteilung der Abfuhrbezirke. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die gewünschte Umstellung des bisherigen Erfassungssystems für LVP zu einer Verringerung von Umweltbelastungen führe. Die bloße Behauptung, die Erfassung über den Gelben Sack führe zu Umweltbelastungen aufgrund gerissener, von Nagetieren beschädigter und von Winden verwehter Säcke, sei viel zu pauschal. Zwar sei es zutreffend, dass die Gelben Tonnen stabiler sind als Gelbe Säcke. Für Umweltbelastungen durch zerrissene Säcke kämen jedoch zahlreiche Gründe in Betracht, die nicht in der Sphäre der Antragstellerin lägen, etwa falsche Befüllung durch den Bürger oder eine zu frühe Bereitstellung der Säcke, sodass die Säcke verwehen und dabei zerreißen könnten. Zudem verdeutlichte die Anordnung des Wahlrechts der Grundstückseigentümer zwischen Sack und Tonne, dass dieser Umweltaspekt für den Antragsgegner nicht derartig im Vordergrund stehe, wie in der Begründung zur Rahmenvorgabe ausgeführt. Vielmehr erfolge die Anordnung eines Mischsystems mit Wahlrecht der Grundstückseigentümer aus rein politischer Motivation. Darüber hinaus habe der Antragsgegner offensichtlich nicht geprüft, dass sich durch eine Erhöhung der Anzahl der zu entleerenden Tonnen der Fahrzeugeinsatz verlängere, da die Erfassung von Gelben Tonnen per Schüttung zeitintensiver sei als die Erfassung der Gelben Säcke. Es sei auch nicht belegt, dass die Erfassung in festen Behältern tendenziell höhere pro Kopf-Mengen aufweise, da allein die höhere Erfassungsmenge nichts darüber aussagen, inwieweit sich mit der LVP-Erfassung per Tonne die getrennt erfasste Menge an wertstoffhaltigen Abfällen erhöhe, worauf es allein im Rahmen des Verpackungsgesetzes ankomme. Darüber hinaus sei die Fehlwurfquote bei einer Sammlung per Tonne höher als bei einer Sammlung per Wertstoffsack. Mit Blick auf die notwendige Sortierung führe eine höhere Fehlwurfquote im Bereich der LVP-Erfassung zu höheren Entsorgungskosten der Systeme. Im Übrigen führe ein Nebeneinander von Sammlung mittels Gelber Tonne als auch Gelber Säcke dazu, dass die Bürger die LVP-Abfälle zunächst in einem Gelben Sack oder einem anderen Kunststoffsack sammeln, den sie sodann in der Gelben Tonne entsorgen und die Gelbe Tonne quasi als „Wertstoffsackgarage“ nutzen würden. Eine derartige Doppelnutzung stehe im eklatanten Widerspruch zu dem durch den Umweltgesetzgeber insgesamt verfolgten Ziel der Ressourcenschonung und würde zu überflüssigen Mehrkosten führen. Mit dem beabsichtigten Mischsystem aus Gelbem Sack und Gelber Tonne zur Sammlung des LVP-Abfalls nach freier Wahl des Grundstückseigentümers überschreite der Antragsgegner seinen eigenen festgeschriebenen Entsorgungsstandard. Die Abfallbewirtschaftungssatzung des Antragsgegners lasse nur ausnahmsweise für bestimmte Grundstücke die Nutzung von Restabfallsäcken zu, nämlich für ausschließlich eigengenutzte Ferienwohnungen, Ferienhäuser, Zweitwohnungen und dergleichen, wohingegen die Rahmenvorgabe bei der LVP-Erfassung allen Grundstückseigentümern die Wahl zwischen Sack und Tonne überlasse. Schließlich habe der Antragsgegner bei der Bekanntgabe der Rahmenvorgabe eine vorgeschriebene Jahresfrist missachtet. Dass das Gesetz insofern von einer Änderung der Rahmenvorgabe spreche, nicht jedoch von einer erstmaligen Einführung einer Rahmenvorgabe, entbinde den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht von seiner Verpflichtung, die diesbezüglichen Erwägungen des Gesetzgebers auch bei einem erstmaligen Erlass einer Rahmenvorgabe zu beachten, da die Vorankündigungsfrist der Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes diene. Die Rahmenvorgabe verstoße auch gegen das für den Erlass eines Verwaltungsaktes geltende Bestimmtheitserfordernis (§ 37 Abs. 1 VwVfG). Für die Systeme sei in keiner Weise ersichtlich, wieviele Gelbe Tonnen in welcher Größe innerhalb des Ausschreibungszeitraums auf dem Festland des Landkreises W. aufzustellen seien, da es dem Grundstückseigentümer zur Wahl stehe, für welches Sammlungsbehältnis er sich entscheide. Der Verwaltungsakt weise dementsprechend auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf, da nicht zu erkennen sei, was die Systeme bezüglich der Aufstellung von Gelben Tonnen in unterschiedlichen Größen und alternativ Gelben Säcken konkret umzusetzen hätten. Schließlich sei die Rahmenvorgabe weder zur Erreichung der mit ihr verfolgten Zielsetzung geeignet noch stelle sie diesbezüglich das mildeste Mittel dar und sie sei auch nicht im engeren Sinne der Verhältnismäßigkeit angemessen. Im Übrigen bestehe kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Zwar komme es auf eine echte Interessenabwägung im Sinne einer vollen Betrachtung nicht an, da der Verwaltungsakt bereits materiell rechtswidrig sei, sodass an dessen Vollziehung kein öffentliches Interesse bestehen könne. Selbst wenn man dies anders sähe, würde eine echte Interessenabwägung jedoch zugunsten der Antragstellerin ausfallen, da die sofortige Vollziehung schwerwiegende und unabänderliche Folgen für die Antragstellerin nach sich ziehen würde. Die Erfüllung der streitgegenständlichen Rahmenvorgabe würde zu erheblichen finanziellen Belastungen führen aufgrund der für den Entsorger erforderlich werdenden Anschaffungskosten für die Gelben Tonnen, höherer Sortierkosten wegen des größeren Fehlwurfanteils, zusätzlicher Kosten wegen des längeren Fahrzeugeinsatzes bei der Erfassung und aufgrund des Mischsystems nach Wahl des Grundstückeigentümers. Zudem wären schwerwiegende Folgen in Zusammenhang mit der anstehenden Ausschreibung der Entsorgungsleistungen zu befürchten, was sich bereits manifestiert habe, da die Entsorgungsleistungen in zwei alternativen Losen (nach der bisherigen Abstimmungsvereinbarung und nach der Rahmenvorgabe) durch die Antragstellerin habe ausgeschrieben werden müssen. Im Übrigen fehle es an einer besonderen Eilbedürftigkeit, denn solange die Parteien keine Einigung über die Änderung einer bestehenden Abstimmungsvereinbarung herbeiführen und keine rechtswirksame Rahmenvorgabe vorliege, verbleibe es bei der Abstimmung in der bisherigen Form.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 6. April 2020 (15 A 850/20) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. März 2020 wiederherzu- stellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Ein Mischsystem sei zulässiger Regelungsinhalt einer Rahmenvorgabe. § 22 Abs. 2 Nr. 1 VerpackG betreffe die Entscheidung zwischen Hol- und Bringsystem. Die Beurteilung eines Mischsystems sei deswegen nicht an § 22 Abs. 2 Nr. 1 VerpackG zu messen. Die Anordnung der Verwendung von Säcken oder festen Abfallbehältern unterschiedlicher Größe sei vielmehr in § 22 Abs. 2 Nr. 2 VerpackG (Art und Größe der Sammelbehälter) geregelt. Auch Säcke seien Behälter im Sinne dieser Vorschrift. Der Gesetzeswortlaut des § 22 Abs. 2 Nr. 2 VerpackG ermächtige deswegen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, Festlegungen hinsichtlich der Art und Größe der Sammelbehälter zu treffen, sofern es sich um Standardsammelbehälter handele, was durch die Rahmenvorgabe allein erfolgt sei. Etwas anderes folge auch nicht aus der Gesetzesbegründung, wo festgehalten ist, dass die Festlegung nach den Nrn. 1-3 auch gebietsscharf erfolgen könne, also je nach Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Sammelsysteme, Behältersysteme oder Abfuhrturni zur Anwendung kommen können. Dies werde schon daran deutlich, dass die Nutzung fester Behälter üblicherweise die Größen 240 l und 1.100 l umfasse. Es sei branchenüblich, dass beide Größen nebeneinander zur Anwendung kommen und die konkrete örtliche Ausgestaltung sich an den Gegebenheiten im Einzelfall zu orientieren habe. Nichts anderes werde hier für die Abgrenzung zwischen einem 90 l-Sack und den festen Abfallbehältern in Anspruch genommen. Es werde auch der Entsorgungsstandard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht überschritten. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, dass durch diese Anforderung an die Rahmenvorgabe sichergestellt werden solle, dass den Systemen keine höheren Anforderungen auferlegt werden als der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in seinem originären Verantwortungsbereich selbst zu erfüllen bereit und in der Lage sei. Dabei sei jedoch nicht erheblich, ob einzelne Aspekte des Entsorgungsstandards überschritten würden, sondern, ob die Rahmenvorgabe diesen in ihrer Gesamtheit überschreite. Übersteige deshalb in einzelnen Aspekten der eine Entsorgungsstandard den anderen, während es hinsichtlich anderer Aspekte umgekehrt ist, stelle sich vielmehr die Frage der Kompensation bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung der jeweiligen Entsorgungsstandards. Dies führe vorliegend zu einer Kosteneinsparung bei der LVP-Erfassung gegenüber dem Restmüllstandard, weil zwar einerseits der jeweilige Grundstückseigentümer die freie Wahl hinsichtlich des Behältnisses (Sack oder Tonne) habe, was bei der Restmüllabfuhr nicht gegeben ist; andererseits sollen Leichtverpackungen in den Monaten November bis März in einem verlängerten vierwöchigen Turnus abgefahren werden, während Restabfälle ganzjährig 14-tägig abgefahren werden und somit auf das Jahr gesehen insgesamt 104 Mal (gemeint sein dürfte 26 Mal [365 : 14 = 26]), während bei der LVP-Erfassung nur 74 Mal (gemeint sein dürfte 20 Mal [5 x monatliche Abfuhr + 7 Monate 14-täglich D.]) Abfuhren erfolgen. Darüber hinaus würde ein den Entsorger treffender administrativer Aufwand anfallen, wenn dieser überprüfen müsste, ob auch beim LVP wie beim Restmüll nur Ein- oder Zweipersonenhaushalte und selbstgenutzte Ferienwohnungen etc. die Ausnahmevoraussetzungen für die Verwendung von Säcken erfüllten. Die Rahmenvorgabe sei auch nicht unverhältnismäßig. Nachdem es in der Gesetzesbegründung zum ersten Entwurf des Gesetzes noch lautete, die Rahmenvorgabe müsse erforderlich sein, um eine Erhöhung der getrennt erfassten Menge an wertstoffhaltigen Abfällen zu erreichen (Effektivität) oder um durch die Sammlung regelmäßig verursachte Umweltbelastungen zu verringern (Umweltverträglichkeit), ist in der endgültigen Fassung des Gesetzes letztlich der Erforderlichkeitsvorbehalt durch einen Geeignetheitsvorbehalt ersetzt worden. Die Rahmenvorgabe müsse danach nicht mehr das mildeste Mittel zum Erreichen der vorgegebenen Ziele enthalten, sondern lediglich einen Beitrag zur Sicherstellung einer möglichst effektiven und umweltverträglichen Sammlung leisten. Die streitgegenständliche Rahmenvorgabe sei auch in mehrfacher Hinsicht geeignet, die gesetzlichen Anforderungen an Effektivität und Umweltverträglichkeit zu erfüllen. Sowohl die Umstellung auf feste Behälter für die Grundstückseigentümer, die sich nicht länger über die Nachteile von Säcken ärgern wollen, als auch die Möglichkeit weiterhin Säcke benutzen zu können, wenn dies den persönlichen Bedürfnissen besser entspreche, führten zu einer höheren Akzeptanz des Sammelsystems bei den Bürgern und damit zu einer Steigerung der Effektivität. Auch die Standzeit des Fahrzeugs und damit die in dieser Zeit verursachten Emissionen würden sich bei Nutzung einer 240 l-Tonne gegenüber einer Sackabfuhr eher verringern als erhöhen, da der Inhalt einer 240 l-Tonne schneller in den Laderaum des Fahrzeugs befördert werden könne, als die einer 240 l-Tonne entsprechenden acht Gelben Säcke (die Anzahl von acht resultiere daraus, dass viele Säcke nur zur Hälfte befüllt werden, damit sie nicht reißen, oder Bürger kein 90 l-Müllgefäß in der Küche rumstehen haben möchten und deshalb die Gelben Säcke in einen Abfallbehälter einlegen). Die Einführung der Gelben Tonne als Standardbehälter führe auch zu weniger Standortverschmutzungen gegenüber der Verwendung von Gelben Säcken. Die Auffassung der Antragstellerin, Gelbe Säcke würden in der Regel nur dann reißen, wenn sie falsch befüllt sind, sei nicht lebensnah, da etwa scharfkantige Tetrapackverpackungen oder ein Konservendosendeckel ohne weiteres zum Reißen eines Sackes führe und die an der Küste vorherrschenden Windverhältnisse und die zahlreich vorhandenen Möwen ebenfalls zum Zerreißen der Säcke beitragen würden. Schließlich sei die Verwendung von Säcken für Anfallstellen mit unregelmäßigem LVP-Abfall nach Wahl des Grundstückeigentümers trotz des gleichen Abfuhrrhythmus im Hinblick auf die Mengenflexibilität effektiver zur Erreichung der beabsichtigten Ziele. Bei einer Abfuhr mit festen Behältern sei die Tonne schließlich irgendwann voll und Übermengen könnten dann nur bis zur nächsten Abfuhr aufgehoben werden. Säcke könnten hingegen in fast beliebiger Anzahl herausgestellt werden, bei hohem Mengenanfall entsprechend mehr, in Schwachlastzeiten entsprechend weniger. Die getroffene Regelung sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Es sollten einerseits die Nachteile der Gelben Säcke vermieden werden, andererseits aber dem Bürger kein ungeliebtes System aufgezwungen werden, da dies die Akzeptanz und damit die Effektivität der Sammlung herabsetze. Gerade die freie Wahl des Grundstückeigentümers sei erforderlich, um die Effektivität der Sammlung zu steigern, weil die Gruppe der Befürworter der Sammlung durch den Gelben Sack keineswegs identisch sei mit den Grundstückseigentümern, die beim Restmüll Säcke verwenden. Die durch das Wahlrecht der Grundstückseigentümer zur Verwendung von Säcken statt festen Behältern verursachten Kosten würden auch nicht außer Verhältnis zu dem Ziel des Antragsgegners stehen, da sich durch die Akzeptanz bei den Bürgern die Effektivität der Sammlung erhöhe. Es sei zu erwarten, dass Fahrzeuge mit Seitenladertechnik eingesetzt würden, wodurch gegenüber dem bisherigen Sammelsystem keine oder nur geringfügige Mehrkosten entstehen würden. Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Jahresfrist des § 22 Abs. 2 Satz 4 VerpackG von dem Antragsgegner missachtet worden sei. Die in dieser Norm geregelte Jahresfrist beziehe sich allein auf die Vorankündigung von Änderungen bei bestehenden Rahmenvorgaben, insbesondere im Hinblick auf die Restlaufzeit bestehender Entsorgungsverträge. Demgegenüber habe es der Gesetzgeber nicht für nötig erachtet, auch für den erstmaligen Erlass einer Rahmenvorgabe eine Vorankündigungsfrist, die mindestens einzuhalten sei, festzulegen. Derartige Überlegungen würden sich nicht finden, da bei Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes zum 1. Januar 2019 in den Erfassungsgebieten, in denen die nach der Verpackungsverordnung abgeschlossenen Abstimmungsvereinbarungen bereits zum 31. Dezember 2019 ausliefen, erstmals für den Zeitraum ab dem Jahr 2023 Rahmenvorgaben hätten erlassen werden können. Vorliegend gehe es deswegen allein darum, ob der zeitliche Vorlauf angemessen gewesen ist, den der Antragsgegner der Antragstellerin im Hinblick auf die Restlaufzeit der bestehenden Entsorgungsverträge gewährte. Dies sei hier nicht zu beanstanden, denn der Antragsgegner hat der Antragstellerin bereits Mitte 2019 mitgeteilt, dass man hinsichtlich der anstehenden Verhandlungen zunächst noch abwarten wolle, wie der Kreistag hinsichtlich des Abfallbewirtschaftskonzeptes entscheide. Die Antragstellerin sei somit bereits anderthalb Jahre vor Inkrafttreten der Rahmenvorgabe darüber informiert gewesen, dass es möglicherweise Änderungswünsche des Antragsgegners gegenüber der bestehenden Abstimmungsvereinbarung gebe. Nachdem das Abfallbewirtschaftungskonzept im Dezember 2019 konkretisiert wurde, sei der Antragsgegner unverzüglich auf die Antragstellerin zugegangen in der Annahme, dass die Ausweitung des bereits im Küstenbereich bestehenden Mischsystems auf das gesamte Festlandsgebiet durch eine zu schließende Abstimmungsvereinbarung und eine darauf gestützte Systemfestlegung erfolgen könne. Erst aufgrund der diesbezüglich ablehnenden Haltung der Antragstellerin sei sodann eine einseitige Regelung durch eine Rahmenvorgabe erforderlich geworden. Im Sinne der Planungssicherheit für die Antragstellerin bestehe auch kein Unterschied, ob die Rahmenvorgabe bereits Ende Dezember 2019 erlassen worden wäre oder - wie hier - erst am 9. März 2020, denn bereits Ende März/Anfang April 2020 hätten alle Voraussetzungen zur Durchführung der Ausschreibung durch die Antragstellerin vorgelegen. Im Übrigen seien weitere Verzögerungen, die der Antragsgegner nicht zu vertreten habe, auch nicht relevant, da auch gegenwärtig noch weitere Ausschreibungsführer in den Reihen der Systeme Entsorgungsleistungen für die Zeit ab dem 1. Januar 2021 ausschreiben würden. Die Rahmenvorgabe sei trotz des Wahlrechts des jeweiligen Grundstückseigentümers, sich für ein Sammelbehältnis entscheiden zu können, auch nicht zu unbestimmt. Zum Verhältnis von Tonnen und Säcken gebe es bei bestehenden Mischsystemen Erfahrungswerte, woraus sich die notwendige Anzahl aufzustellender Gelber Tonnen aufgrund der im Bescheid getroffenen Festlegungen bestimmen lasse. Auch die Gleichsetzung einer angeblich fehlenden Bestimmtheit mit fehlender Vollstreckbarkeit sei nicht nachvollziehbar. Bei der Umsetzung der durch die Rahmenvorgabe getroffenen Festlegung handele es sich um Vorgaben zur Ausgestaltung der LVP-Erfassung, die die Antragstellerin nach § 14 Abs. 1 VerpackG durchzuführen habe. Dieser positive Regelungsgehalt beinhalte zugleich eine Unterlassungspflicht, die LVP-Erfassung entgegen den Festsetzungen auszugestalten. Bei Zuwiderhandlung könne ein Zwangsgeld gegen die Antragstellerin festgesetzt werden. Auch eine etwaige Interessenabwägung führe zu einem überwiegenden Vollzugsinteresse zugunsten des Antragsgegners. Eine gerichtliche Klärung der Frage, ob § 22 Abs. 2 VerpackG eine gesetzliche Ermächtigung für die Vorgabe eines Mischsystems enthalte, sei in einem Hauptsacheverfahren zeitlich nicht mehr im Rahmen der aktuellen Ausschreibung für den LVP-Erfassungszeitraum vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen, da der Zuschlag spätestens Anfang September 2020 erfolgen müsse, um dem Entsorger noch entsprechende Vorbereitungen für den Leistungsbeginn zum 1. Januar 2021 zu ermöglichen. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung habe der Antragsgegner eine rechtlich verbindliche Grundlage für das Ausschreibungsverfahren der Entsorgungsleistungen ab dem 1. Januar 2021 geschaffen, da die bisherige Abstimmung zum 31. Dezember 2020 auslaufe und die Antragstellerin keinen Zweifel daran gelassen habe, dass sie eine entsprechende Rahmenvorgabe anfechten würde. Im Falle einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der im Hauptsacheverfahren erhobenen Anfechtungsklage würde der Zuschlag der Antragstellerin im Ausschreibungsverfahren auf die Variante A (Festland LK Gelber Sack, Küstenbereich: Gelber Sack und Gelbe Tonne; Anl. AG 8, GA Bl. 104 ff. Bd. I) erfolgen, mit der Folge, dass der Antragsgegner, unabhängig vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens, für den Erfassungszeitraum bis Ende 2023 keine Möglichkeit hätte, die Antragstellerin zu verpflichten, die Rahmenvorgabe umzusetzen. Demgegenüber trete das Suspensivinteresse der Antragstellerin zurück. Für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung der im Hauptsacheverfahren erhobenen Klage nicht wiederhergestellt werde, sei die Antragstellerin verpflichtet, Anfang September 2020 den Zuschlag auf den Bestbieter auf die Variante B (entsprechend der Rahmenvorgabe) zu erteilen und damit das in der Rahmenvorgabe festgelegte Mischsystemen bis Ende 2023 beizubehalten. Es sei nicht zu erwarten, dass sich der finanzielle Aufwand bei der Variante B gegenüber der Variante A erheblich unterscheide, sodass dies der Antragstellerin bis zur Beendigung des Entsorgungsvertrages am 31. Dezember 2023 auch zuzumuten sei, selbst, wenn die von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage Erfolg hätte, denn ab dem 1. Januar 2024 sei ohnehin eine neue Gestaltung entweder durch einvernehmliche Abstimmungsvereinbarung oder durch erneute Rahmenvorgabe des Antragsgegners vorzunehmen. Angesichts fehlender Kontinuität könne sich die Antragstellerin deswegen nicht darauf berufen, dass mit einer sofortigen Vollziehung der streitigen Rahmenvorgabe vollendete Tatsachen geschaffen würden.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 6. April 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. März 2020 wiederherzustellen, hat Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft. Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der streitbefangenen Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 VerpackG ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sachgerecht.

Der Antrag ist auch begründet.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners entspricht nicht den maßgeblichen Anforderungen.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (VGH BW, Beschluss vom 21. Januar 2010 – 10 S 2391/09 -, NJW 2010, 2821). Diese – dem Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG vergleichbare – Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet; er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle.

Notwendig ist dafür eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Insbesondere muss die Vollziehbarkeitsanordnung erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes genügen nicht. Ebenso wenig reicht es aus, dass sich die Begründung erst aus dem Gesamtzusammenhang eines Bescheids ermitteln lässt, sofern nicht ausnahmsweise die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist vielmehr gesondert zu begründen, wobei die Begründung durchaus knappgehalten sein kann. Aus ihr muss jedoch hervorgehen, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 80 Rn. 247 m.w.N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die Begründung des Sofortvollzuges in der Rahmenrichtlinie vom 9. März 2020 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht.

Zwar wird aus der Begründung noch hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner der Ausnahmesituation der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist. In der Folge der Begründung wird jedoch sodann lediglich einseitig das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung hervorgehoben, ohne dass eine Abwägung mit den Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgte. Etwaige Interessen der Antragstellerin werden vielmehr nicht einmal bezeichnet, obwohl diese durchaus nahegelegen hätten. Denn die vom Antragsgegner angestrebte Änderung hin zu einem Wahlrecht in Bezug auf das Sammlungsbehältnis für nunmehr alle Grundstückseigentümer des gesamten Festlandsgebietes statt, wie bisher, nur für Grundstückseigentümer des unmittelbaren Küstenbereichs, führt für die Antragstellerin zumindest zu einem erheblichen Investitionsaufwand und möglicherweise auch zu weiteren Folgekosten, die entweder von der Antragstellerin selbst zu tragen sind oder über die Ausschreibung an die Entsorger weitergereicht werden, so dass die Erlöse der Antragstellerin unmittelbar oder mittelbar geschmälert werden (Eufach0000000041en, Beschluss vom 10. Juli 2020 – 4 B 135/20 –, juris Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 31. August 2020 - 7 ME 81/20 -). Ausgehend von den Erhebungen des Antragsgegners auf der Umfrageplattform wünschen sich knapp 85 % der Umfrageteilnehmer eine LVP-Tonne, während 15 % wie bisher die Verwendung des Gelben Sacks bevorzugen (Anl. AG 13, GA Bl. 188). Neben den Anschaffungskosten für die Tonnen und ggf. erforderlich werdende Seitenlader sind hier auch die von der Antragstellerseite im gerichtlichen Verfahren näher ausgeführten zusätzlichen Kosten nicht von vornherein von der Hand zu weisen, die entstehen durch die Aufnahme der LVP per Tonnen durch Fahrzeuge, durch die - gerichtsbekannte - teilweise doppelte Nutzung von Gelben Säcken und Gelben Tonnen und durch die Aussortierung einer zu erwartenden größeren Menge an Fehlwürfen, da gerade die Durchsichtigkeit der Gelben Säcke und eine ihnen nicht abzusprechende Instabilität bei zu starker Belastung (und damit auch bei der Befüllung mit Nicht-Leichtverpackungen) die Verbraucher zu einer ordnungsgemäßen Sortierung anhält, was bei stabilen blickdichten Tonnen eher nicht der Fall ist. Weil der Antragsgegner diese finanziellen Interessen der Antragstellerin in der Begründung seiner Vollzugsanordnung bereits nicht benannt hat, ist auch nicht erkennbar, dass er sich dieser Interessen überhaupt bewusst gewesen ist und sie in seine Überlegungen miteinbezogen und gegenüber den von ihm benannten öffentlichen Interessen abgewogen hat.

Der Antragsgegner hat sich mit diesen Aspekten zwar im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Rahmen der Antragserwiderung auseinandergesetzt. Diese Erwägungen konnte die Kammer indes nicht mehr berücksichtigen. Die Kammer folgt insoweit der in der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, nach der ein Begründungsmangel nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht nachträglich heilbar ist, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass diese besondere Begründungspflicht leer läuft und ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO stellt eine abschließende Sonderregelung dar, die eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 2 VwVfG nicht zulässt. (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, a.a.O., § 80 Rn. 249 ff., m.w.N., auch zur im Wesentlichen mit der Prozessökonomie begründeten Gegenansicht).

2. Darüber hinaus überwiegt bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse des Antragsgegners, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen ist.

Inhaltlicher Maßstab der gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine eigenständige umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Ab-wägung sind das private Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öf-fentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass Wider-spruch und Klage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.

Das Gericht prüft im Falle einer solchen Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse der Adressatin des belastenden Verwaltungsakts, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Hierbei sind zunächst die Erfolgsaussichten der Klage von Bedeutung. Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist in der Regel stattzugeben, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Adressaten in seinen Rechten verletzt. Denn in diesem Fall kann ein überwie-gendes Interesse der Öffentlichkeit an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungs-akts nicht bestehen. Umgekehrt wird regelmäßig der Antrag abzulehnen sein, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und der eingelegte Rechtsbehelf daher in der Hauptsache wahrscheinlich erfolglos bleiben wird. Können die Erfolgsaussichten nicht verlässlich beurteilt werden, ist eine offene Abwägung der Interessen vorzuneh-men, die für oder gegen eine sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.

Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Bei summarischer Prüfung der Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin gegen die Rahmenvorgabe der Antragsgegnerin vom 9. März 2020 als offen zu bewerten. Die daher erforderliche allgemeine Abwägung ergibt ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners.

Ob die Rechtsverfolgung der Antragstellerin in der Hauptsache erfolgreich sein wird, erscheint nach summarischer Prüfung als offen. Die Rahmenvorgabe des Antragsgegners erweist sich jedenfalls nicht als offensichtlich rechtmäßig.

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG kann ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber den Systemen festlegen, wie die nach § 14 Abs. 1 VerpackG durchzuführende Sammlung der restentleerten Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen bei privaten Haushaltungen hinsichtlich, erstens der Art des Sammelsystems, entweder Holsystem, Bringsystem oder Kombination aus beiden Sammelsystemen, zweitens der Art und Größe der Sammelbehälter, sofern es sich um Standard-Sammelbehälter handelt, sowie drittens der Häufigkeit und des Zeitraums der Behälterleerungen auszugestalten ist, soweit eine solche Vorgabe geeignet ist, um eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen und soweit deren Befolgung den Systemen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz nicht technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist (Rahmenvorgabe). Nach Satz 2 des § 22 Abs.2 VerpackG darf die Rahmenvorgabe nicht über den Entsorgungsstandard hinausgehen, welchen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen zugrunde legt.

Das Gericht hat deutliche Zweifel daran, dass die Rahmenvorgabe des Antragsgegners vom 9. März 2020 in dem zwischen den Beteiligten einzig streitigen Punkt des für den Bereich des „übrigen Festlandgebiets“ festgelegten Mischsystems nach Wahl des jeweiligen Grundstückseigentümers von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 2 VerpackG gedeckt ist.

Ausgehend von dem Umweltrecht innewohnenden Kooperationsgebot und dessen Verankerung in § 22 Abs. 1 VerpackG (vgl. auch Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 1, 4 f.), nach dem die zur Sammlung verpflichtenden Systeme und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine Abstimmungsvereinbarung zu treffen haben, stellt sich die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rahmenvorgabe als Ausnahme zu dieser Modellvorstellung der Kooperation dar; die durch das Kooperationsgebot und § 22 Abs. 1 VerpackG konstituierte Gleichordnung der Systeme und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wird durchbrochen. Dies zeigt auch die Historie: Bis zur Einführung des Verpackungsgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2019 beinhaltete die Verpackungsverordnung keine entsprechende einseitige Ermächtigungsgrundlage für die Behörde (hierzu Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 6 ff.). Aufgrund dieses Ausnahmecharakters gilt es, die Regelung eng auszulegen, um der gesetzlichen Vorstellung der Kooperation hinreichend Rechnung zu tragen (Nds. OVG, Beschluss vom 31. August 2020 – 7 ME 81/20 -; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 4 K 786/20 -, juris Rn. 28). Weil die Rahmenvorgabe in die Grundrechte der Systeme eingreift und ihre unternehmerische Freiheit erheblich beschränkt (Art. 12, 14 GG), sind die mit ihrem Erlass einhergehenden Wirkungen verhältnismäßig auszugestalten.

Gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG kann der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Systemen Rahmenvorgaben zu der Art des Sammelsystems machen. Laut Gesetzesbegründung (BT Drs. 18/11274, S. 110) kann er „den Systemen vorschreiben, dass die Leichtverpackungssammlung in einem bestimmten Holsystem, zum Beispiel mittels ‚Tonnen‘ oder ‚Säcken‘, in einem bestimmten Bringsystem, zum Beispiel mittels Großsammelbehältern oder über Wertstoffhöfe, oder in einer Kombination aus diesen beiden Sammelsystemen durchzuführen ist“.

a) Es spricht einiges für die Annahme, dass eine von der Entscheidung des jeweiligen Grundstückseigentümers abhängige Kombination von Tonnen- und Sacksystem von der Regelungsbefugnis des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG nicht umfasst ist.

§ 22 Abs. 2 VerpackG regelt Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Organisationsverantwortung für die Sammlung von Verpackungsabfällen aus Privathaushalten vom Gesetz her nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, sondern den Systemen zugewiesen ist. Um ein Leerlaufen der primären Organisationsverantwortung der Systeme zu vermeiden, sind die in § 22 Abs. 2 VerpackG vorgesehenen Ausnahmen eng auszulegen. Der Regelungszweck steht dem nicht entgegen. Denn § 22 Abs. 2 VerpackG ist von vornherein nicht auf die Einräumung möglichst umfassender Einflussmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, sondern als eng begrenzte Ausnahme zum grundsätzlich geltenden „Kooperationsprinzip“ konzipiert (vgl. BT Drs. 18/11274, S. 109; Eufach0000000041en, Beschluss vom 10. Juli 2020 – 4 B 135/20 –, juris; nachgehend: Nds. OVG, Beschluss vom 31. August 2020 - 7 ME 81/20). Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass die Inhalte, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger als zulässigen Regelungsinhalt in Rahmenvorgaben einseitig regeln darf, in § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VerpackG abschließend aufgezählt sind.

Zwar wird im Schrifttum teilweise vertreten, dass auf der Grundlage des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG auch eine Kombination von Tonnen- und Sacksystem möglich sei (Wilden-Beck/Roosen, AbfR 2019, 294 [297]; Gruneberg/Hartwig, AbfR 2019, 2 [13])), wie sie der Antragsgegner einzuführen beabsichtigt. Aber selbst wenn man eine solche Kombination innerhalb desselben Gebietes trotz der engen Auslegung der Vorschrift für zulässig erachtet, setzt diese voraus, dass die Festlegung der Art des Sammelsystems und damit auch die Einführung eines Mischsystems aus Gelbem Sack und Gelber Tonne durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfolgt. Dies ist bei der Umsetzung der streitgegenständlichen Rahmenvorgabe jedoch nicht der Fall. Aufgrund des darin enthaltenen Wahlrechts entscheidet gerade nicht der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, sondern der jeweilige Grundstückseigentümer, ob die Abfuhr mittels Tonnen oder Wertstoffsäcken erfolgt, und damit letztendlich, welches System konkret umgesetzt wird. Die Auswahl der konkreten Ausgestaltung der Art des Sammelsystems in die Hände des Abfallerzeugers statt in die des Entsorgungsträgers zu legen, ist von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt (vgl. auch: Wilden-Beck/Roosen, AbfR 2019, 294 [298]; Gruneberg/Hartwig, AbfR 2019, 2 [13]). Gerade vor dem Hintergrund der auch von dem Antragsgegner gemachten Ausführungen zu den Vor- und Nachteilen der LVP-Abfuhr mittels Tonne bzw. Wertstoffsack, die es seitens des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in seinem konkreten Gebiet gegeneinander abzuwägen gilt, kann die Entscheidung für das eine und gegen das andere - ungeachtet der Möglichkeit von Abstimmungsvereinbarungen, wie sie bisher zwischen den Beteiligten getroffen worden sind - jedenfalls einseitig mittels Rahmenvorgabe nur konkret durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger getroffen werden, da dieser die Vor- und Nachteile abzuwägen in der Lage ist, während sich der jeweilige Grundstückseigentümer allein aufgrund seiner individuellen Vorlieben für die eine oder die andere Variante entscheidet. Damit wäre die Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzung in § 22 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VerpackG, nach der die Rahmenvorgabe geeignet sein muss, um eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen, und deren Befolgung den Systemen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar sein darf, nicht gewährleistet. Diese Variante widerspricht auch dem Grundsatz, dass die Systeme die Organisationsverantwortung für die Sammlung von Verpackungsabfällen aus Privathaushalten haben und sie nur ausnahmsweise in den Fällen des § 22 Abs. 2 VerpackG bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern liegt, da sie die Letztentscheidungskompetenz über die konkrete Ausgestaltung des Sammelsystems weder den Systemen noch dem Entsorgungsträger zubilligt, sondern dem privaten Endverbraucher (vgl. auch Wilden-Beck/Roosen, AbfR 2019, 294 [298]; Gruneberg/Hartwig, AbfR 2019, 2 [13]).

Dabei kommt es nicht darauf an, dass in einem Teilbereich des Bezirks des Antragsgegners, nämlich in dem unmittelbaren Küstenbereich mit den Ortschaften seit vielen Jahren für die LVP-Erfassung ein Mischsystem von Gelber Tonne und Gelben Säcken nebeneinander und entsprechend den Wünschen der Grundstückseigentümer praktiziert wird. Dieses Mischsystem beruht auf den zwischen den Beteiligten getroffenen und in der Laufzeit mehrfach verlängerten Abstimmungsvereinbarungen und somit auf dem Einverständnis beider Beteiligter. Davon zu unterscheiden ist die einseitige Vorgabe durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch Verwaltungsakt, wobei dieser für sein Handeln einer – hier fehlenden - Eingriffsermächtigungsgrundlage bedarf.

b) Es spricht auch einiges für die Annahme, dass der Antragsgegner mit dem von ihm vorgegebenen Mischsystem aus LVP-Sack und Gelber Tonne nach freier Wahl des Grundstückseigentümers gegen seinen eigenen festgeschriebenen Entsorgungsstandard des § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG verstößt. Nach dieser Norm darf die Rahmenvorgabe nicht über den Entsorgungsstandard hinausgehen, welchen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen zugrunde legt. Durch diese Einschränkung soll sichergestellt werden, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Systemen im Wege der Rahmenvorgabe bei der Verpackungsentsorgung keine höheren Anforderungen auferlegt als er selbst bereit und in der Lage ist, im Rahmen der ihm zugeordneten Abfallentsorgung zu erfüllen. Für eine Überschreitung des kommunalen Entsorgungsstandards spricht insbesondere, wenn die Erfüllung der Vorgaben für die Systeme mit höheren Kosten verbunden ist als dies bei einer inhaltsgenauen Kopie des kommunalen Entsorgungsstandards der Fall wäre (Gesetzesbegründung, BT Drs. 18/11274, S. 110).

Nach § 17 Abs. 1 bis 3 der Abfallbewirtschaftungssatzung des Antragsgegners ist zunächst verpflichtend eine Tonnenbenutzung für alle privaten Anfallstellen vorgesehen. In § 17 Abs. 3 Satz 6 der Abfallbewirtschaftungssatzung ist sodann die Nutzung und Abfuhr von Restabfallsäcken statt der Pflicht zur Vorhaltung eines festen Restabfallbehälters ausnahmsweise für bestimmte Grundstücke zugelassen, nämlich für Wohngrundstücke mit bis zu zwei Bewohnern und ausschließlich eigengenutzten Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Zweitwohnungen und dergleichen. Demgegenüber sieht die Rahmenvorgabe des Antragsgegners vor, dass hinsichtlich der LVP-Abfälle jedem Grundstückseigentümer die Wahl zwischen einem Wertstoffsack oder einer festen Gelben Tonne überlassen bleibt. Damit geht die streitgegenständliche Rahmenvorgabe über den Entsorgungsstandard des Antragsgegners hinaus. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Antragsgegners, dass bei der Betrachtung, ob der Entsorgungsstandard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers überschritten wird, nicht erheblich sei, ob einzelne Aspekte des Entsorgungsstandards überschritten würden, sondern, ob die Rahmenvorgabe diesen in ihrer Gesamtheit überschreitet. Die Auffassung des Antragsgegners, es stelle sich die Frage der Kompensation bei einer vorzunehmenden Gesamtbewertung der jeweiligen Entsorgungsstandards, wenn in einzelnen Aspekten der eine Entsorgungsstandard den anderen übersteige, während es hinsichtlich anderer Aspekte umgekehrt sei, führt dazu, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger stets Weiterreichendes von den Systemen fordern könne, als er selbst leistet, wenn er nur in einem – womöglich geringfügigen – Bereich den Systemen entgegenkommt, in dem er insoweit weniger fordert, als er selbst erfüllt. Hinzu kommt, dass der marktwirtschaftliche Wert eines solchen Ausgleichs an anderer Stelle in der Praxis oft schwer zu beurteilen sein wird, was den Anwendungsbereich der Einschränkung des § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG erheblich schmälern würde. Um den Gesetzeszweck der Vorschrift, nämlich sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Systemen im Weg der Rahmenvorgabe bei der Verpackungsentsorgung keine höheren Anforderungen auferlegt als er selbst bereit und in der Lage ist, zu erfüllen, nicht ins Leere laufen zu lassen, wird man daher fordern müssen, dass eine strengere Regelung in einem Teilbereich des § 22 Abs. 2 Satz 1 bis 3 VerpackG nicht einfach durch eine günstige Regelung in einem anderen Teilbereich aufgehoben werden darf, sondern die in den einzelnen Teilbereichen getroffenen Regelungen für sich genommen mit dem vergleichbar sein müssen, was der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger selbst leistet (VG München, Beschluss vom 27. August 2020 – 17 M 20.3110 – Rn. 32). Gerade der von dem Antragsgegner zur vermeintlichen Kosteneinsparung bei der LVP-Erfassung gegenüber dem Restmüllstandard erstellte Vergleich, wonach die Leichtverpackungen teilweise einem anderen Abfuhrrhythmus unterliegen, nämlich einem vierwöchigen Turnus in den Monaten November bis März, während Restabfälle ganzjährig 14-tägig abgefahren werden, macht die Beurteilung der marktwirtschaftlichen Berechnung der vermeintlichen Kompensation schwieriger, als der Antragsgegner vorgibt. So hat der Antragsgegner offensichtlich übersehen, dass bei einer ganzjährigen 14-tägigen Abfuhr nicht 104 Entsorgungsfahrten stattfinden, sondern lediglich 26, während bei der LVP-Erfassung fünfmal eine monatliche Abfuhr stattfindet plus in sieben Monaten eine 14-tägige Abfuhr, womit sich insgesamt 20 Abfuhrfahrten p. a. hinsichtlich des LVP-Abfalls ergeben, sodass die Differenz gerade einmal sechs beträgt und nicht die vom Antragsgegner errechneten 30 Fahrten weniger hinsichtlich der LVP-Erfassung.

c) Ob die Rahmenvorgabe darüber hinaus auch unter den weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten Gesichtspunkten zu beanstanden ist, nämlich in Bezug auf die Einhaltung des Bestimmtheitserfordernisses gem. § 37 Abs. 1 VwVfG, den hinreichenden zeitlichen Vorlauf für die Bekanntgabe der Rahmenvorgabe und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, kann hiernach offen bleiben.

d) Die aufgrund offener Erfolgsaussichten des Klageverfahrens erforderliche allgemeine Abwägung ergibt ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners.

Der Antragstellerin würden wegen der angeordneten Umstellung der Entsorgungsleistungen weg von einer einheitlichen Sammlung mittels Säcken hin zu einer gemischten Sammlung mit Tonnen und Säcken nach Wahl der Grundstückseigentümer erhebliche finanzielle Belastungen entstehen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die zeitnah anstehende Ausschreibung der Entsorgungsleistungen den Zeitraum 2021 bis 2023 umfassen wird. Das Verwaltungsgericht Göttingen hat in einer insoweit vergleichbaren Konstellation hierzu in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2020 (- 4 B 135/20 -, juris Rn. 28) für die Kammer überzeugend ausgeführt:

„Bei einer abschlägigen Entscheidung über den gestellten gerichtlichen Eilantrag hätte die Antragstellerin die Rahmenvorgabe (zunächst) umzusetzen mit der Folge, dass sie die Entsorgungsleistungen in der durch die Antragsgegnerin angeordneten Form einer Sammlung mittels Tonnen auszuschreiben hätte. Es ist aber aufgrund der offen Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens (s.o.) nicht ausgeschlossen, dass im Verlauf des Ausschreibungszeitraums 2021 bis 2023 über die Klage der Antragstellerin zu ihren Gunsten entschieden werden wird. Gleichwohl wäre die Antragstellerin in dieser Konstellation bis Ende 2023 an die Festlegungen der (möglicherweise rechtswidrigen) Rahmenvorgabe de facto gebunden. Dies wäre für die Antragstellerin mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Nachteilen verbunden. Im Gegensatz hierzu hat die Antragsgegnerin bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin zwar weiterhin mit Standortverschmutzungen aufgrund von aufgerissenen Säcken durch Tierverbiss und Verwehungen zu rechnen; gleiches gilt für die von ihr dargestellte hygienische Problematik sowie einer Belastung der Umwelt mit Mikroplastik. Diese für die Antragsgegnerin nachteiligen Folgen im Falle einer stattgebenden Entscheidung im Eilverfahren erreichen jedoch nicht das Gewicht der nachteiligen Folgen für die Antragstellerin im Falle einer Ablehnung ihres Eilantrags.“

Im Ergebnis ist daher die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Rahmenvorgabe des Antragsgegners vom 9. März 2020 wiederherzustellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den geschätzten Kosten für die Umstellung der Sammlung. Die Kammer schätzt die der Antragstellerin entstehenden Kosten in Ermangelung anderweitiger Angaben der Beteiligten auf 59.000,00 €.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betreiber von Systemen gemäß § 3 Abs. 16 VerpackG eine gemeinsame Erfassungsstruktur für die Sammlung von Leichtverpackungen betreiben und die Kosten entsprechend eines Verteilungsschlüssel vornehmen, welcher die sog. Hauptkostenverantwortung des Ausschreibungsführers gemäß § 23 Abs. 2 VerpackG darstellt. Für die Antragstellerin als Ausschreibungsführerin beträgt die Quote rund 58 %. In dem Parallelverfahren der Antragstellerin gegen die Stadt (15 A 3633/19) bezüglich deren Rahmenvorgabe wurde basierend auf einer Behältergestellung von maximal 3.100 Gelben Tonnen von der Antragstellerin die Kostenerhöhung auf 34.000,00 € geschätzt.

Im vorliegenden Fall ist von einer Ausweitung der Behältergestellung um rund 18.500 Gelbe Tonnen auszugehen. Ausgehend von 56.000 Einwohnern des Landkreises bei - laut Zensus 2011 - rund 24.000 Haushalten ergibt sich abzüglich der in rund 2.150 Haushalten lebenden rund 5.000 Einwohnern auf den Inseln sowie in der Küstenregion um die Ortschaften auf dem restlichen Festlandsgebiet des Landkreises die Anzahl von ca. 21.850 Haushalten. Ausweislich der von dem Antragsgegner erhobenen Anschlussquote laut Umfrageplattform von 85 % derjenigen Haushalte, die eine Gelbe Tonne bevorzugen würden, ergibt sich die Ausweitung der Behältergestellung um ca. 18.500 Gelbe Tonnen.

Ausgehend von der Angabe der Antragstellerin im Verfahren 15 A 3633/19, dass für die Neuanschaffung von 3.100 Tonnen Mehrkosten in Höhe von 34.000,00 € entstehen, geht die Kammer bei anzuschaffenden 18.500 Tonnen von Mehrkosten in Höhe von rund 203.000,00 € aus. Bei der anzusetzenden Quote der Antragstellerin als Ausschreibungsführerin (58 %) folgt eine Mehrkostenbeteiligung in Höhe von rund 118.000,00 €. Dieser Wert ist hier im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens auf 59.000,00 € zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, NordÖR 2014, S. 11)