Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.03.2023, Az.: 3 Ws 37/23

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.03.2023
Aktenzeichen
3 Ws 37/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 15480
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 09.03.2023 - AZ: 22 KLs 5423 Js 60636/12

Fundstellen

  • StRR 2023, 2
  • StV 2023, 585
  • StraFo 2023, 323-324

Amtlicher Leitsatz

Auch nach Inkrafttreten der Vorschriften § 143 Abs. 3 StPO ist die Aufhebung der Bestellung als Pflichtverteidiger durch diesen selbst grundsätzlich nicht anfechtbar

In der Strafsache
gegen C. B. u.a.,
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs pp.
Hier: sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt B. N. aus H.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 27. März 2023 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt B. N. aus H. gegen die Entscheidung des Vorsitzenden vom 9. März 2023 wird als unzulässig verworfen.

Rechtsanwalt N. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Rechtsanwalt B. N. aus H. wendet sich mit der von ihm erhobenen sofortigen Beschwerde vom 13. März 2023 gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden der Strafkammer 11 - 3. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 9. März 2023, mit welcher die Bestellung von Rechtsanwalt B. N. zum weiteren Pflichtverteidiger (Sicherungsverteidiger) des Angeklagten S. mit der Begründung zurückgenommen wurde, die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Sicherungsverteidigers lägen jedenfalls nicht mehr vor, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass bzw. an welchen der abgestimmten Hauptverhandlungstermine Rechtsanwalt K. aus H. verhindert sei.

II.

Die nach §§ 144 Abs. 2 Satz 2, 142 Abs. 7 Satz 1 StPO an sich statthafte und rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt B. N. ist unzulässig. Denn gegen die Aufhebung seiner Pflichtverteidigerbestellung steht dem Verteidiger ein eigenes Beschwerderecht nicht zu, weil insoweit ein schützenswertes Rechtsschutzinteresse nicht ersichtlich ist (BGH NJW 2020, 3331 [BGH 18.08.2020 - StB 25/20]; MK-StPO-Kämpfer/Trävers, 2. Aufl., § 143 Rn. 9; Graf/Krawzyk, StPO, 4. Aufl., § 143 Rn. 16; KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 143 Rn. 6; § 143a Rn. 16; BeckOK-StPO/Krawzyk, § 143a Rn. 42; Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 64. Aufl., § 143a Rn. 9). Das Interesse des Verteidigers an der Fortführung der Verteidigung ist damit grundsätzlich nicht durchsetzbar (vgl. schon BVerfGE 39, 238 [BVerfG 08.04.1975 - 2 BvR 207/75]; BVerfG NStZ-RR 1997, 202; OLG Hamburg, NJW 1998, 621 [OLG Hamburg 17.11.1997 - 2 Ws 255/97]). Dies gilt auch für die (bis dahin in § 143 StPO enthaltene) zum 13. Dezember 2019 eingeführte Regelung des § 143 a Abs. 4 StPO, die ein eigenes Beschwerderecht des Verteidigers nur im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 vorsieht (Graf/Krawzyk, § 143a Rn. 42), der vorliegend aber nicht einschlägig ist.

Rechtsanwalt B. N. hat die sofortige Beschwerde gegen seine Entpflichtung selbst und nicht im Namen des Angeklagten S. eingelegt. Zwar kann es in Betracht kommen, nach Maßgabe von § 300 StPO eine sofortige Beschwerde als im Namen des Angeklagten erhoben umzudeuten (vgl. LR/Jahn, StPO, 27. Aufl., § 140 Rn. 145 m.w.N.), was schon im Hinblick auf die abweichenden Anfechtungsmöglichkeiten aber voraussetzt, dass das entsprechende Rechtsschutzinteresse des Verteidigers auch dargetan oder zumindest erkennbar wird. Anhaltspunkte für eine solche Annahme sind vorliegend aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als Rechtsanwalt B. N. sich im Hinblick auf seine Entpflichtung als Pflichtverteidiger auf das Vorliegen von Willkür beruft. Eine eigene Beschwerde des aus dem Verfahren "eskamortierten" Pflichtverteidigers kommt insoweit nämlich und allenfalls dann in Betracht, wenn die Aufhebung nach Lage der Dinge willkürlich erfolgte (LR/Jahn, StPO, 27. Aufl., § 140 Rn. 145; Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 64. Aufl., § 143a Rn. 36). Dies ist nach den verfassungsrechtlichen Prüfkriterien aber nur dann gegeben, wenn die Entscheidung schlechterdings unverständlich, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und damit unhaltbar ist (LR/Jahn a.a.O:), selbst wenn schwerste Verfahrensfehler vorlagen (vgl. BVerfG 29, 49; BVerG NStZ 1998, 46). Dies ist entgegen der Einschätzung des Verteidigers aber nicht der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

IV.

Gegen diesen Beschluss ist nach § 304 Abs. 4 StPO ein Rechtsmittel nicht eröffnet.