Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.11.2017, Az.: 3 Ws 536/17 (MVollz)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.11.2017
Aktenzeichen
3 Ws 536/17 (MVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53777
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller befindet sich im Maßregelvollzug nach § 64 StGB. Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30. Juli 2017 wandte sich ... im Namen des Antragstellers gegen die „Aussetzung“ bewilligter Tagesausgänge am Wochenende.

Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 3. August 2017 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diese - ihm am 4. August 2017 zugestellte - Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde vom 14. August 2017. Er rügt das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Überprüfung auf die schlüssig erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an dieselbe Strafvollstreckungskammer gemäß § 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG.

a) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits unzulässig gewesen sei, weil ... nicht Beteiligte i.S.v. § 111 StVollzG sei und auch nicht habe bevollmächtigt werden können, greift dies nicht durch.

Nach Aktenlage ist mangels gegenteiliger Feststellungen von einer wirksamen Bevollmächtigung der ... durch den Antragsteller auszugehen. In den Akten befindet sich ein auf den 26. Juli 2017 datiertes und augenscheinlich vom Antragsteller unterzeichnetes Schreiben, in dem ... damit bevollmächtigt wird, im Namen des Antragstellers „in allen Instanzen zu handeln“.

In welcher Beziehung ... zu dem Antragsteller steht, ist von der Strafvollstreckungskammer nicht aufgeklärt worden. Selbst wenn hier aber ein Verstoß gegen § 6 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorläge, würde dies das Gericht nicht dazu berechtigten, allein deswegen den Antrag als unzulässig zu verwerfen (vgl. BVerfGK 6, 291). Vielmehr ist ein Prozessbevollmächtigter, der mit seiner rechtsbesorgenden Tätigkeit gegen § 6 RDB verstößt, durch konstitutiven Beschluss vom weiteren Verfahren auszuschließen (vgl. BVerfG aaO; BGH NZI 2004, 510); dieser Beschluss wirkt aber nur für die Zukunft, so dass die bisherigen Prozesshandlungen wirksam bleiben (vgl. Arloth StVollzG 3. Aufl. § 109 Rn. 4 mwN).

b) Der angefochtene Beschluss unterliegt aber deshalb der Aufhebung, weil seine Gründe nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen und dem Senat nicht die Nachprüfung ermöglichen, ob hier die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG erfüllt sind.

In dem Beschluss nach § 115 StVollzG muss das Gericht die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergegeben, dass eine hinreichende Überprüfung des Beschlusses im Rechtsbeschwerdeverfahren möglich ist. Daran hat sich auch durch die Neufassung des § 115 Abs. 1 StVollzG durch das am 1. April 2005 in Kraft getretene Siebte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 930) im Grundsatz nichts geändert; nach wie vor will der Gesetzgeber die vollständige und unschwere Überprüfbarkeit der gerichtlichen Entscheidung in der Rechtsbeschwerdeinstanz sicherstellen (vgl. OLG Celle Nds. Rpfl. 2005, 379; OLG Hamburg NStZ 2005, 592 [OLG Hamburg 12.05.2005 - 3 Vollz(Ws) 28/05]; OLG Nürnberg ZfStrVo 2006, 122 [OLG Nürnberg 21.12.2005 - 1 Ws 1055/05]; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 325 [OLG Karlsruhe 13.03.2007 - 1 Ws 183/06]). Ausdrücklich hat der Gesetzgeber in § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG festgeschrieben, dass der Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammengestellt werden muss. Danach muss der Tatbestand insgesamt eine sowohl für die Beteiligten als auch für außenstehende Dritte verständliche, klare, vollständige und richtige Grundlage der Entscheidung bieten (ebenda). Nur hinsichtlich der Einzelheiten lässt § 115 Abs. 1 Satz 3 die Bezugnahme auf Aktenbestandteile zu. Diese Bezugnahme darf dabei indes nicht allgemein, sondern muss ausdrücklich durch konkrete Bezeichnung der einzelnen Schriftstücke nach Herkunft und Datum erfolgen.

Dem werden die Beschlussgründe nicht gerecht. Ihnen ist nicht hinreichend zu entnehmen, welche konkrete Maßnahme Streitgegenstand ist, wann, auf welche Weise und mit welcher Begründung sie dem Antragsteller bekannt gegeben worden ist und auf welche Tatsachengrundlage sie sich stützt. Soweit die Rede von einer „Aussetzung“ der Lockerungen ist, fehlt insbesondere die Angabe, bis zu welchem Zeitpunkt oder Ereignis die „Aussetzung“ ausgesprochen worden ist. Welche Ermessenerwägungen der Maßnahme zugrunde lagen, wird ebenfalls nicht mitgeteilt.

Schließlich fehlt es an einer differenzierenden Darstellung des streitigen und unstreitigen Sachverhalts sowie an einer Beweiswürdigung. So ist den Beschlussgründen insbesondere nicht zu entnehmen, worauf die Strafvollstreckungskammer ihre Überzeugung stützt, dass die - vom Antragsteller offenbar angegriffene - Atemalkoholmessung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gilt der Untersuchungsgrundsatz. Das Gericht darf seiner Entscheidung nicht den Sachvortrag einer Seite ungeprüft zugrunde legen. Wenn die Vollzugsbehörde Tatsachen vorgetragen hat, die ihre Maßnahme gegenüber dem Antragsteller begründen sollen, dann muss das Gericht aufklären, ob sie zutreffen oder nicht, ehe es sie übernimmt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 1 Ws 268/08 [StrVollz]; ebenso BVerfGE 21, 195 [BVerfG 15.02.1967 - 2 BvR 658/65]; OLG Stuttgart NStZ 1987, 295; Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 6. Aufl. § 115 Rn. 2). Dabei genügt zwar der Freibeweis (vgl. Arloth aaO § 115 Rn. 3); dies macht aber eine Wahrung des rechtlichen Gehörs und nachvollziehbare Darstellung der Überzeugungsbildung nicht entbehrlich.

III.

Angesichts der aufgezeigten Darstellungsmängel kann der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht treffen und hat die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen (§ 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG).