Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 18.12.2023, Az.: 4 A 227/21

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.12.2023
Aktenzeichen
4 A 227/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 54550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Verwaltungsrechtssache
Herr A.
,
A-Straße, A-Stadt
Staatsangehörigkeit: bosnisch-herzegowinisch,
vertreten durch
a) Herr C.,
C-Straße, B-Stadt
b) Frau G.,
G-Straße, B-Stadt
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.,
B-Straße, B-Stadt - -
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Außenstelle Friedland -,
Heimkehrerstraße 16, 37133 Friedland - -
- Beklagte -
wegen Asylrecht (Bosnien-Herzegowina)
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schneider als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Staates Bosnien und Herzegowina vorliegt.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2021 wird hinsichtlich der in den Ziffern 5, 6 und 7 getroffenen Regelungen und hinsichtlich Ziffer 4 aufgehoben, soweit dort das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint wurde.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der 1956 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger vom Volk der Roma. Er reiste nach eigenen Angaben am 30.06.2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18.10.2021 einen Asylantrag. Seine persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte am 03.11.2021. Er legte dem Bundesamt einen Bericht über ein diagnostisches Gespräch in der Praxis für Psychotherapie Dr. med I., B-Stadt, vom 20.11.2021 vor. Dort wurden ihm u.a. eine schwere depressive Episode mit akuter Suzidialität und der Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Mit Bescheid vom 26.11.2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1. bis 3.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4.), forderte den Kläger unter Fristsetzung und Abschiebungsandrohung zur Ausreise auf (Ziffer 5.) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 und 7 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Zifferrn 6. und 7.). Die Verneinung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG wurde damit begründet, dass die vorgetragenen Erkrankungen nicht die Annahme rechtfertigten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr aufgrund seiner Erkrankungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohen könnte. Die Erkrankungen des Klägers seien in Bosnien und Herzegowina behandelbar und auch bereits behandelt worden. Dem Kläger sei auch eine entsprechende ärztliche Versorgung zugänglich. Wegen der weiteren Einzelheiten der ablehnenden Entscheidung wird auf die Begründung im Bescheid vom 26.11.2021 Bezug genommen.

Gegen den Bescheid hat der Kläger am 23.12.2021 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Seinen Klageantrag hat er auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt. Er beruft sich unter Vorlage einer Vielzahl von Arztberichten darauf, dass seiner Abschiebung gesundheitliche Gründe entgegen stünden.

Er beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26.11.2021, zu verpflichten, festzustellen, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich im wesentlichen auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.

Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit Beschluss vom 03.02.2022 abgelehnt (4 B 228/21).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid vom 26.11.2021 ist aufzuheben, soweit er diesem Anspruch entgegensteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Einzelrichterin ist davon überzeugt, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Satz 3 AufenthG hinsichtlich Bosnien und Herzegowina vorliegt. Aus den vorgelegten Unterlagen des Asklepios Fachklinikums B-Stadt und der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. I. ergibt sich, dass der Kläger psychisch schwer erkrankt ist. Hierdurch ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Satz 3 AufenthG begründet

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist von der Abschiebung in einen anderen Staat abzusehen, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Hier besteht eine solche individuelle erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben des Klägers im Falle einer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina aufgrund seines Gesundheitszustandes. Nach den vorliegenden stimmigen und überzeugenden fachärztlichen Stellungnahmen des Asklepios Fachklinikums B-Stadt über stationäre Aufenthalte des Klägers vom 20.11.2021 bis 22.12.2021, 11.03.2022 bis 21.04.2022, 22.04.2022 bis 07.07.2022, 17.08.2022 bis 15.09.2022 und 04.01.2023 bis 09.02.2023 ist der Kläger mindestens seit November 2021 psychisch schwer erkrankt. Das Asklepios Fachklinikum hat dem Kläger durchgehend schwere psychische Erkrankungen, u.a. regelmäßig eine schwere depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Auch im aktuellsten vorläufigen Entlassungsbrief über den stationären Aufenthalt vom 04.01.2023 bis zum 09.02.2023 wurden dem Kläger weiterhin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD 10: F33.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F43.1) und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD 10: F45.41) diagnostiziert. Die schwere psychische Erkrankung des Klägers wird auch in den vorgelegten Arztberichten von Dr. med. I., die den Kläger regelmäßig ambulant betreut, bestätigt. Auch sie diagnostiziert dem Kläger in ihren Berichten vom 20.11.2021, 12.03.2022, 10.08.2022, 19.01.2023, 22.04.2023, 21.07.2023 und 27.10.2023 durchgehend eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F43.1) und depressive Episoden, überwiegend gegenwärtig schwergradig (ICD 10: F32.2), und darüber hinaus eine Benzodiazepin-Abhängigkeit (ICD 10: F13.2). Aus den vorgenannten Berichten ergibt sich zudem, dass der Kläger immer wieder suizidale Gedanken hat und in der Vergangenheit wegen akuter Suizidalität notfallmäßig in das Asklepios Fachklinikum B-Stadt eingewiesen werden musste. Eine Suizigefahr bestand für den Kläger auch schon in seinem Herkunftsstaat. Der Kläger hat angegeben, dass es auch in der Vergangenheit bereits zu Suizidversuchen und Selbstverletzungen gekommen sei. Vor 5-6 Jahren habe er sich mit einem Messer ins Bein gestochen. Vor ca. zweieinhalb Jahren sei ein Suizidversuch mit Tabletten erfolgt. Vor einem Jahr habe er sich Schnitte am linken Unterarm zugefügt (s. Vorläufiger Entlassungsbrief Asklepios Fachklinikum B-Stadt vom 09.02.2023).

Was die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung anbetrifft, so ergibt sich aus den vorgelegten Arztberichten, dass die Traumatisierung des Klägers auf Erlebnisse in der Kindheit (körperliche Misshandlung durch seinen Vater) und Kriegserlebnisse während des Jugoslawienkriegs zurückzuführen ist. Hierzu wird insbesondere auf die fachärztliche Stellungnahme von Dr. med I. vom 10.03.2022 verwiesen, wo im einzelnen dargelegt wird, welche tatsächlichen Umstände für die fachliche Beurteilung maßgebend waren, nach welcher Methode die Tatsachenerhebung erfolgte und welche Krankheitssymptome der getroffenen Diagnosen beim Kläger festgestellt werden konnten. Damit entspricht insbesondere diese Stellungnahme den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG, welche Vorschrift hier gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entsprechend anzuwenden ist. Der Stellungnahme ist auch zu entnehmen, dass der Kläger aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankungen im Falle einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde. Denn zur prognostischen Einschätzung heißt es dort, für den Fall einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina würde der Kläger aufgrund der schlechten Situation für Roma in seinem Heimatland erneut traumatisiert. Hierdurch würden die bereits erlebten Traumatisierungen reaktualisiert und die Traumafolgesymptomatik (Intrususionen, Albträume, erhöhtes Risiko für impulsives Verhalten) würde zunehmen. Es sei mit einem Wiederauftreten akuter Suizidalität und erneutem selbstverletzenden Verhalten zu rechnen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger aktuell - zwar niedrig dosiert aber regelmäßig - Benzodiazepine (wie Lorazepan) einnehme. Sollte diese für den Kläger dringend erforderliche antidepressive und sedierende Medikation aus finanziellen Gründen wegfallen, bestehe ein hohes Risiko eines Benzodiazepin-Entzugssyndroms, das wegen der bestehenden Abhängigkeit zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie zum Beispiel Blutdruckentgleisungen, epileptischen Krampfanfällen oder EntzugsDelir führen könne. Aus psychiatrischer Sicht sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die fehlende Möglichkeit einer Inanspruchnahme der dringend indizierten medizinischen Behandlung für den Kläger eine Gefahr für Leib und Leben darstelle. Weiter heißt es zum Behandlungsbedarf, um den Gesundheitszustand auf dem status quo zu erhalten, also eine Verschlechterung zu vermeiden, sei für Menschen - wie den Kläger - mit einer posttraumatischen Belastungsstörung in erster Linie ein sicheres Lebensumfeld erforderlich, in dem die Grundbedürfnisse (u.a. Ernährung, Wohnung, medizinische Versorgung) sichergestellt seien und eine kontinuierliche medikamentöse Versorgung mindestens unter Einsatz eines Antidepressivums und regelmäßiger Gabe eines Benzodiazepin gesichert sei, um z.B. erneute suizidale Handlungen zu verhüten. Zur Stabilisierung sei zusätzlich eine Benzodiazepin-Entzugsbehandlung im Rahmen einer mehrwöchigen stationären Behandlung erforderlich. Um den Gesundheitszustand zu verbessern, wäre eine spezifische traumafokussierte Psychotherapie erforderlich, die u.a. die Distanzierung von belastenden Erlebnissen, die Ressourcenaktivierung und gegebenenfalls traumakonfrontative Techniken fokussieren würde. Eine solche Therapie sei jedoch ausschließlich dann durchführbar, wenn - wie zuvor beschrieben - ein sicheres Lebensumfeld bestehe, in dem erneute Traumatisierungen ausgeschlossen seien und wenn keine aktive (Alkohol - oder Benzodiazepin)-Abhängigkeit mehr bestehe.

Dies zugrunde gelegt ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass die für den Kläger diagnostizierte schwerwiegende Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung sich im Falle einer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wesentlich, wenn nicht sogar in lebensbedrohlicher Weise verschlechtern würde, weshalb von seiner Abschiebung abzusehen ist.

Unter Berücksichtigung des niedrigen Standards der medizinischen Versorgung in Bosnien und Herzegowina kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die dem Kläger drohende Gefahr im Falle einer Rückkehr durch eine medizinische Versorgung in Bosnien und Herzegowina abgewendet werden könnte. Im "Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG"(Stand: Juni 2023) des Auswärtigen Amtes vom 25.07.2023 (im Folgenden: Bericht) heißt es zur medizinischen Versorgung u.a.:

"Insgesamt sind viele - insbesondere staatliche - medizinische Einrichtungen, vor allem außerhalb von Sarajewo, in einem schlechten Zustand. Ärzte und Pflegepersonal wandern zunehmend ins Ausland ab, vorwiegend nach Deutschland. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist vorwiegend wegen ineffizienten Mitteleinsatzes unzureichend. Aufgrund fehlender Medikamente sind einige Behandlungen (HIV- und Krebserkrankungen, Hepatitis B/C, Versorgung nach Organtransplantationen und anderen schwerwiegenden operativen Eingriffen, bei frühgeburtlichen Komplikationen, etc.) nur in eingeschränktem Umfang durchführbar..."

"Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden...."(Bericht,S. 19).

...

"Zur Behandlung psychisch Kranker und traumatisierter Personen fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten/Ärztinnen und an klinischen Psychologen/Psychologinnen und Sozialarbeitern/Sozialarbeiterinnen. Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben. Nur einige wenige NROs bieten psychosoziale Behandlung in Form von Gesprächs- und Selbsthilfegruppen und Beschäftigungsinitiativen an. Eine adäquate Therapie Traumatisierter ist weiterhin nur unzureichend möglich."(Bericht S. 19).

Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger hinsichtlich der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Retraumatisierung und Suizidgefahr im Falle seiner Rückkehr in der von Dr. I. für notwendig befundenen Art und Weise medizinisch und therapeutisch versorgt werden kann. Darüber hinaus dürfte es sich bei den vom Kläger eingenommenen Medikamenten nicht ausschließlich um gängige Medikamente handeln, die von der Krankenversicherung erstattet werden. Hinzu kommt, dass für viele Gesundheitsleistungen ein hoher Eigenanteil an den Kosten zu erbringen ist, was zu einer eingeschränkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistung führen kann (Bericht, S. 18). Letzteres dürfte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch auf den Kläger zutreffen. Es ist davon auszugehen, dass sowohl der Kläger als auch seine ebenfalls rückkehrpflichtige Ehefrau in Bosnien und Herzegowina auf Sozialleistungen angewiesen wären. Soweit die Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit durch den Verkauf von Kleidung auf Märkten etwas hinzu verdienen konnte (s. hierzu Beschluss vom 03.02.2022 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren des Klägers, Az.: 4 B 228/21), hält die Einzelrichterin die Fortsetzung dieser Verkaufstätigkeit in Anbetracht des Alters der Ehefrau (65 Jahre) für eher ausgeschlossen. Da die Sozialhilfe in Bosnien und Herzegowina lediglich 20 % des ohnehin geringen monatlichen Durchschnittslohns beträgt, oftmals aber gar nicht ausgezahlt wird (s. hierzu Bericht, S. 18), drängt es sich geradezu auf, dass der Kläger nicht in der Lage sein wird, die für ihn notwendigen Spezialmedikamente zu finanzieren und den hohen Eigenanteil zu Medikamenten zu leisten. Auch dies hat zur Folge, dass er im Falle einer Rückkehr in lebensbedrohlicher Weise gefährdet wäre. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Lebensbedingungen in Bosnien-Herzegowina ist darüber hinaus höchst fraglich, ob der Kläger und seine Ehefrau überhaupt in der Lage wären, ihren Lebensunterhalt - selbst auf auf niedrigem Niveau - sicherzustellen. Im Ergebnis fehlt es im Falle einer Rückkehr an dem von Dr. I. für den Kläger aus gesundheitlichen Gründen für zwingend notwendig befundenem sicheren Lebensumfeld.

Da für das Gericht feststeht, dass dem Kläger in kürzester Zeit im Falle einer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina eine konkrete erhebliche Gefährdungslage für Leib und Leben wegen Suizidgefahr und unzureichender medizinischer Versorgung droht, kann der Kläger sich auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien und Herzegowina berufen. Die Beklagte ist daher unter entsprechender Aufhebung des angegriffenen Bescheids zu der betreffenden Feststellung zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Schneider