Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.01.2005, Az.: 1 A 279/03
Abschiebestopp; Abschiebestopp-Erlass; Abschiebung; Abschiebungsandrohung; Afghanistan; Asyl; Drittstaat; erniedrigende Behandlung; Krankheit; Schutzabkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; unmenschliche Behandlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 25.01.2005
- Aktenzeichen
- 1 A 279/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50859
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 26a AsylVfG
- § 60 Abs 7 S 1 AufenthG
- § 60 Abs 1 AufenthG
- § 77 Abs 1 AsylVfG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt ihre Anerkennung als Asylberechtigte und Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i. d. F. des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) - zuvor § 51 Abs. 1 AuslG - und § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 Satz 1 AufenthG - zuvor § 53 Abs. 1, 2, 4 und 6 Satz 1 AuslG -.
Die am ... in Kabul/Afghanistan geborene Klägerin ist afghanische Staatsangehörige tadschikischer Volkzugehörigkeit und moslemischen Glaubens; sie ist ledig. Nach den von der Beklagten überreichten Asylverfahrensakte hatten sich die Klägerin und ihr in ... lebender Bruder im Oktober 2001 vergeblich um ein Visum für sie bemüht. Nach ihren Angaben reiste sie zwischen dem 13. und 15. Dezember 2001 auf dem Luftweg mit Hilfe von Schleppern und mit einem gefälschten Reisepass mit einer unbekannten Fluggesellschaft von Karachi/Pakistan nach Frankfurt/Main ein, ohne Ausweispapiere und Flugdokumente vorlegen zu können, und stellte am 10. Januar 2002 einen Asylantrag, den sie bei ihrer Anhörung vor dem (früheren) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 16. Januar 2002 im Wesentlichen wie folgt begründete: Sie sei 12 Jahre zur Schule gegangen, habe nach dem Abitur in Kabul studiert und 1991 einen Abschluss als Apothekerin gemacht. Anschließend habe sie in Afghanistan wegen des Bürgerkrieges nicht gearbeitet. Nachdem ihr Haus in Kabul zerstört worden sei, seien sie und ihre Familie nach Islamabad/Pakistan gegangen. Sie hätten für Pakistan für sechs Monate befristete Visa gehabt, die jeweils immer wieder verlängert worden seien. In den Sommermonaten seien sie aber immer wieder nach Kabul zurückgekehrt, wo sie in dem Haus eines ihrer Schwestern und deren Mann gewohnt hätten. Im Jahre 1997 habe sie in Islamabad einen Abschluss als Lehrerin gemacht und dort an einer afghanischen Schule Englisch unterrichtet. In ihrer Zeit in Islamabad an der afghanischen Schule sie ihr nachspioniert worden. Wenn sie in den Sommermonaten in Kabul gewesen sei, habe sie in dem Haus ihrer Schwester die Mädchen auch heimlich unterrichtet. Letztmalig habe sie dies im Sommer 2001 getan. Deshalb sei sie von den Taliban bedroht worden. Die Taliban hätten sie aufgefordert, mit dem Unterricht aufzuhören. Sie sei mit ihrer Schwester A. noch so lange in Kabul geblieben, bis sie gehört habe, dass die Amerikaner die Stadt angreifen wollten. Daraufhin sei sie nach Islamabad zurückgekehrt. Ihre Schwester A. sei nach kurzer Zeit nach Kanada ausgewandert. Ihr Vater sowie einige Geschwister lebten in Deutschland, ihre Mutter sei verstorben, andere Verwandte lebten ebenfalls im Ausland. In Afghanistan habe sie keine Verwandten mehr. Da sie nunmehr sowohl in Afghanistan und Pakistan völlig auf sich gestellt sei und sie als alleinstehende ledige Frau in beiden Ländern nicht leben könne, sei sie nach Deutschland gekommen. In Frankfurt habe sie ihren Bruder B. in Hamburg angerufen, der sie mit dem Auto abgeholt habe.
Mit Bescheid vom 18. August 2003 - zugestellt am 20. August 2003 - lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind. Zugleich forderte es sie zur Ausreise auf und drohte ihr die Abschiebung nach Afghanistan an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, ein Asylanspruch scheitere bereits an Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG, da die Klägerin keinerlei Belege für ihre behauptete Einreise auf dem Luftweg habe vorlegen können und deshalb davon auszugehen sei, dass sie tatsächlich auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sei. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht gegeben, da sich die Lage in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban im November 2001 grundlegend geändert habe und der Klägerin daher keinerlei landesweite Verfolgung drohe. Auch Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG lägen nicht vor. Die Versorgungs- und Sicherheitslage sei jedenfalls in Kabul auch für Frauen hinreichend sicher. Die Klägerin gehöre als gebildete Frau nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien.
Daraufhin hat die Klägerin am 25. August 2003 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihren bisherigen Vortrag und verweist auf die aus ihrer Sicht derzeit desolate Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan gerade und auch für Frauen. Sie sei sehr wohl auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist. Zum Schluss sei ihr Leben auch in Pakistan nicht hinreichend sicher gewesen, da sie nach der Auswanderung ihrer Schwester und deren Ehemanns nach Kanada ohne jeden familiären Rückhalt und insbesondere ohne jeden männlichen Schutz gewesen sei. Auch ihre gelegentliche Arbeit in der Schule in Islamabad habe sie nicht mehr fortsetzen können, weil sie von den dortigen Taliban deswegen immer wieder bedroht worden sei. Ergänzend trägt sie vor, dass in ihrem Fall zumindest die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen. Denn sie leide an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode, assoziiert mit diffusen und gerichteten Angstreaktionen im Rahmen einer neurotischen Entwicklung sowie einer komplexen psychosozialen Belastungssituation, in die sowohl soziokulturelle als auch aktuelle Belastungsmomente einflössen. Zudem leide sie an einer ausgeprägten Migräne, zu deren Behandlung sie das Migräne-Medikament Maxalt und Megräneton erhalte. Sie sei seit 2002 bei dem Nervenarzt Dr. C. in Behandlung gewesen, seit Mai 2002 werde sie wegen der Migräne von Dr. med. D. behandelt, seit September 2004 sei sie zudem in Behandlung bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. med. E. Sie werde derzeit mit unterstützenden therapeutischen Gesprächen sowie dem Antidepressivum Fluoxetin behandelt. Hierzu hat die Klägerin diverse ärztliche Bescheinigungen und Stellungnahmen vorgelegt. Diese Behandlungen seien weiterhin dringend notwendig. Eine Fortsetzung in Afghanistan sei ausweislich des Lageberichtes in Afghanistan und angesichts des Umstandes, dass sie in Afghanistan keine Verwandten mehr habe, nicht gewährleistet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 18. August 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur zum Teil Erfolg.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte (dazu 1.) noch auf die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG (dazu 2.). Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG (dazu 3.) sind nicht gegeben. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in ihrem Fall hinsichtlich Afghanistan vorliegen (dazu 4.). Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung lassen sich daher nur zum Teil beanstanden (dazu 5.).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG.
Denn sie hat für ihre Behauptung, auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingereist zu sein, keinerlei Belege vorgelegt. Wenn - wie hier - der Einreiseweg letztlich unaufklärbar bleibt, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für die Einreise unter Meidung eines sicheren Drittstaates i. S. d. Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG (BVerwG, Urt. v. 29.6.1999 - 9 C 36.98 -, NVwZ 2000, 81). Bei behaupteter Einreise auf dem Luftweg müssen grundsätzlich der Flugschein und etwaige sonstige Flugunterlagen vorgelegt werden. Mangels solcher Dokumente hat der Asylbewerber grundsätzlich bei der Grenzbehörde auf dem Flughafen unmittelbar und unverzüglich nach seiner Einreise seinen Asylantrag zu stellen (VGH München, Beschl. v. 23.7.2002 - 6 ZB 02.30983 -). Diesen Mitwirkungspflichten ist die Klägerin nicht nachgekommen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie habe sich noch eine Woche vor ihrer Ausreise aus Pakistan bei der deutschen Botschaft nachweislich (erfolglos) um ein Visum für Deutschland bemüht und könne in der kurzen Zeitspanne von einer Woche bereits deshalb keine länger dauernde Reise von Pakistan über unbekannte Drittländer auf dem Landweg bewältigt haben. Denn abgesehen davon, dass auch eine derartige Landreise durchaus denkbar und möglich ist, könnte es im Fall der Klägerin auch so gewesen sein, dass sie innerhalb einer Woche von Pakistan mit dem Flugzeug in ein unbekanntes Drittland geflogen und von dort aus auf dem Landweg entweder direkt oder über weitere Drittländer nach Deutschland eingereist ist.
Die im Rahmen des Art. 16 a Abs. 1 GG weiter maßgebliche - vom Gericht bisher verneinte (vgl. etwa Urt. v. 6. Mai 2004 - 1 A 283/03 -) - Frage, ob und inwieweit in Afghanistan inzwischen ein Staat oder staatsähnliche Organisationen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen, vorhanden sind oder nicht, kann daher dahingestellt bleiben. Dies gilt auch für die Frage, ob die Klägerin in Pakistan vor Verfolgung sicher war und ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte deshalb auch gemäß § 27 AsylVfG ausscheidet.
2. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/420 <91>; abgedruckt etwa in GK-AufenthG, Kommentar, Stand: Dezember 2004, bei § 60) entspricht diese Vorschrift inhaltlich der Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG. In Satz 2 dieser Vorschrift wird aus Gründen der Klarstellung auch das Merkmal „Geschlecht“ genannt. Darüber hinaus verdeutlicht § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, dass sich der Schutz des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - anders als bisher - nunmehr auch auf Fälle von nichtstaatlicher Verfolgung erstreckt.
Im vorliegenden Fall droht der Klägerin eine von der afghanischen Regierung des Präsidenten Karzai oder anderen nichtstaatlichen Akteuren ausgehende Verfolgung aus individuellen Gründen oder im Sinne einer Gruppenverfolgung in diesem Sinn nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin selbst in eigener Person politische Verfolgung in dem beschriebenen Sinn erlitten hat oder eine solche im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu befürchten ist, weil ihr in Anknüpfung an abschiebungsschutzerhebliche Merkmale in ihrem Heimatland gezielt intensive und sie aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen zugefügt worden sind, ihr solche Rechtsverletzungen unmittelbar gedroht haben oder ihr bei einer Rückkehr nach Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt drohen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass ausnahmslos jeder Frau, die allein stehend nach Afghanistan zurückkehrt, unmittelbare abschiebungsschutzrelevante Gefahren im Sinne einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung drohen.
3. Ebenso wenig hat die Klägerin einen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG. Diese Vorschriften entsprechen den bisherigen Regelungen in § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG. Insbesondere kann das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, da auch auf der Grundlage ihres Vorbringens keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ihr im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund individueller Umstände eine gezielt auf ihre Person gerichtete unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde. Die von der Klägerin vorgetragene Gefahr, dass sich ihre Krankheit in ihrem Heimatland verschlimmern könnte, weil dort die Behandlungsmöglichkeiten unzureichend seien, kann ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht begründen (vgl. zu § 53 Abs. 4 AuslG BVerwG, Urt. v. 2.9.1997 - 9 C 40.96 -, BVerwGE 105, 187 = NVwZ 1999, 311; Urt. v. 9.9.1997 -9 C 48.96 -, InfAuslR 1998, 125); denkbar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) lediglich ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - bisher § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - (dazu sogleich).
4. Bei der Klägerin besteht aber in Bezug auf Afghanistan ein derartiges individuelles Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 2 dieser Bestimmung werden Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Entscheidungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Hinsichtlich Afghanistan besteht in Niedersachsen zwar ein auf dieser Grundlage ergangener Abschiebestopp (vgl. Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport v. 27.12.2004). Aber unabhängig von der Frage, ob hierdurch ein „gleichwertiger Abschiebungsschutz“ i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gegeben ist und eine Schutzlücke daher nicht vorliegt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 12.7.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 zu § 54 AuslG), steht dieser Abschiebestopperlass im Fall der Klägerin der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Denn der Fall der Klägerin gehört nicht zum Regelungs- und Anwendungsbereich dieses Erlasses. Hierdurch werden nur allgemeine Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erfasst. Um derartige allgemeine Gefahren geht es im Fall der Klägerin jedoch nicht. Denn die Klägerin ist, wie sie mit der Klage vorgebracht und durch Unterlagen belegt hat, im nach § 77 Abs. 1 AuslG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung behandlungsbedürftig erkrankt. In Afghanistan hat sie nach ihren glaubhaften Angaben keinerlei Verwandte mehr und wäre daher in ihrem desolaten Gesundheitszustand, zumal als ledige und kinderlose Frau, völlig auf sich allein gestellt. Unter diesen Umständen droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan konkret eine erhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Die medizinische Versorgung ist ausweislich der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel in Afghanistan und auch in Kabul völlig unzureichend. Die Gefahr, dass sich - wie hier - eine vorhandene Krankheit eines Asylbewerbers in seinem Heimatland verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, stellt ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage nach dem Ausländergesetz BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 48.96 -, a. a. O.; Urt. v. 27.4.1998 - 9 C 13.97 -, NVwZ 1998, 973; Urt. v. 21.9.1999 - 9 C 8.99 -, NVwZ 1999, 206 [VGH Baden-Württemberg 01.10.1998 - 7 S 1819/98]). Dies gilt auch dann, wenn die notwendige medikamentöse und ärztliche Behandlung zwar an sich im Zielstaat allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 -, NVwZ-Beil. 2003, 53).
5. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind dem Grunde nach ebenfalls rechtmäßig, sie finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG, 59 AufenthG (bisher § 50 AuslG). Das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan steht nach § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist die Androhung lediglich dahin zu korrigieren, dass eine Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig ist. Die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen bleibt unberührt (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.