Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.09.2020, Az.: 1 Ss (OWi) 116/20
Regelmäßige Unbeachtlichkeit des Eintritts der Tilgungsreife während Rechtsbeschwerdeverfahren; Berücksichtigung der Tilgungsreife durch Beschwerdegericht bei durchgreifenden Rechtsfehlern
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 10.09.2020
- Aktenzeichen
- 1 Ss (OWi) 116/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 69597
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2020:0910.1SS.OWI116.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 02.03.2020 - AZ: 62 OWi 384 Js 23775/19 (160/19
Rechtsgrundlagen
- § 337 StPO
- § 79 Abs. 6 OWiG
- § 29 StVG
- § 79 Abs. 3 OWiG
Amtlicher Leitsatz
Tritt Tilgungsreife während des Rechtsbeschwerdeverfahrens ein, bleibt das regelmäßig unberücksichtigt. Anders ist nur zu verfahren, wenn das Rechtsbeschwerdegericht wegen eines durchgreifenden Rechtsfehlers von § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch macht.
Tenor:
In dem Rechtsstreit
...
Wegen ordnungswidrigen Verhaltens im Straßenverkehr
wird die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 2. März 2020 - auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verteidigers - auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG) als unbegründet i. S. d. § 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG verworfen.
[Gründe]
Die Gegenerklärung vom 6. August 2020 gibt Anlass zu der Bemerkung, dass die Rechtsbeschwerde ebenso wie ihr Vorbild, die strafrechtliche Revision, keinen neuen Tatsachenrechtszug eröffnet (Franke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 1; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., Rn. 6 vor § 79). Auf der Basis der Feststellungen nimmt das Tatgericht eine Bemessung des Bußgelds vor, die das Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Fehler überprüft (Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 17 Rn.34). Daraus folgt zwangsläufig, dass der Eintritt der Tilgungsreife während des Rechtsbeschwerdeverfahrens regelmäßig unberücksichtigt bleibt. Kein anderes Ergebnis folgt aus den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle (3 Ss (OWi) 15/94, juris, Rn. 12 = NZV 1994, 332) und Braunschweig (1 Ss (OWi) 126/17, unveröffentlicht). Sie sind durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass das Rechtsbeschwerdegericht jeweils von der Sonderregelung des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht hat (vgl. zu dieser Vorschrift: Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., Rn. 9 vor § 79). Eine Neubemessung der Geldbuße auf der Basis dieser Vorschrift setzt aber einen Aufhebungsgrund, also regelmäßig einen durchgreifender Rechtsfehler (Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 79 Rn. 155, 158), voraus, woran es hier gerade fehlt.