Anhang 3. GlüÄndStV - Erläuterungen:
Bibliographie
- Titel
- Dritter Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag - 3. GlüÄndStV)
- Amtliche Abkürzung
- 3. GlüÄndStV
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21013
A. Allgemeines
I. Ausgangslage
Der Glücksspielstaatsvertrag sieht seit 1. Juli 2012 die Zulassung privater Anbieter von Sportwetten vor; das staatliche Wettmonopol ist während einer Experimentierphase von sieben Jahren suspendiert. Eine Begrenzung des Angebots durch eine Kontingentierung der Konzessionen ist nach der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ebenso verfassungsgemäß wie das Konzessionsverfahren mit abschließender Entscheidung durch das Glücksspielkollegium als Gemeinschaftseinrichtung aller Länder (BayVerfGH, E. v. 25.9.2015; OVG Hamburg, U. v. 22.6.2017, BVerwG, U. v. 26.10.2017). Der Staatsvertrag kann jedoch weiterhin nicht umgesetzt werden, weil die hessischen Verwaltungsgerichte die Erteilung der Konzessionen bis zu einer zeitlich nicht abschätzbaren Entscheidung in der Hauptsache aufgeschoben haben (HessVGH, B. v. 16.10.2015).
II. Lösung
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat mit Beschluss vom 18. April 2019 gemäß § 35 Absatz 1 Glücksspielstaatsvertrag die Befristung der Experimentierklausel in § 10a Glücksspielstaatsvertrag aufgehoben. Die Erteilung von Konzessionen an Veranstalter von Sportwetten ist insoweit rechtlich nunmehr möglich für die gesamte Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages bis zum 30. Juni 2021. Durch eine hieran anknüpfende ergänzende punktuelle Änderung des Staatsvertrages wird das Modell der Experimentierphase weiterentwickelt und Klarheit für die Anbieter und beteiligte Dritte (Zahlungsdienstleister, Medien, Sportvereine und -verbände) geschaffen; zugleich wird den Glücksspielaufsichtsbehörden der Weg zur flächendeckenden Untersagung nicht erlaubter Angebote eröffnet. Damit wird die fortschreitende Erosion des Ordnungsrechts beendet. Die dazu notwendigen Änderungen des Staatsvertrages erschöpfen sich in folgenden Punkten:
Es wird klargestellt, dass die Experimentierphase für die Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages bis zum 30. Juni 2021 anwendbar ist.
Die Kontingentierung der Sportwettkonzessionen wird für die Dauer der Experimentierphase aufgehoben.
Da ein Auswahlverfahren (§ 4b Absatz 5) nicht mehr erforderlich ist, sind die auf die Durchführung dieses Verfahrens abzielenden Regelungen anzupassen.
Bei der Behördenorganisation bleibt es für das Konzessionsverfahren bei der ländereinheitlichen Entscheidung. Das ländereinheitliche Verfahren vermeidet ein Nebeneinander von 16 Erlaubnissen für jedes einzelne Land, das weder sachgerecht noch den Anbietern oder der Öffentlichkeit zu vermitteln wäre. Es erfordert jeweils die Übertragung von Aufgaben und die Mitwirkung aller Länder an der Entscheidung.
Das Bundesstaatsprinzip steht dem nicht entgegen. Die bundesstaatliche Garantie der Eigenstaatlichkeit der Länder und eines Kerns eigener Aufgaben richtet sich in erster Linie gegen den Bund. Ob sie der staatsvertraglichen Selbstbindung der Länder überhaupt eine Grenze zieht, hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen. Jedenfalls wird sie durch die Übertragung eines Ausschnittes - wie hier der glücksspielaufsichtlichen - Aufgaben nicht berührt (s. BVerfGE 87, 181, 196 f.).
Wenn die Konzession für alle Länder gilt, müssen diese sämtlich an der Willensbildung beteiligt werden. Anders lässt sich die erforderliche demokratische Legitimation für alle Länder nicht begründen (BayVerfGH, E. v. 25.9.2015). Diese Konsequenz des Demokratieprinzips wird auch in anderen in Staatspraxis und Rechtsprechung anerkannten Einrichtungen der Länder, wie der ZVS bzw. der Stiftung für Hochschulzulassung oder dem Deutschen Institut für Bautechnik, nach den gleichen Grundsätzen praktiziert.
Dass durch Staatsvertrag errichtete gemeinschaftliche Einrichtungen der Länder, in denen mit Mehrheit entschieden wird, weder gegen das Bundesstaats- noch gegen das Demokratieprinzip verstoßen, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits vor langem entschieden (s. BVerwGE 22, 299, 309 f.) und geklärt, dass dies erst recht gilt, wenn die Länder - ohne eine gemeinschaftliche Einrichtung zu errichten - nur die Behörde eines Landes mit der Aufgabenwahrnehmung betrauen, sich dabei aber ein Mitwirkungsrecht ausbedingen (s. BVerwGE 23, 194, 197; s. a. BVerfGE 90, 60, 104: Eine staatsvertraglich begründete Mehrheitsentscheidung kann mit dem Ziel einer Minderung des Vetopotentials, das in der Einstimmigkeit liegt, begründet werden; Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1996, S. 116, 145 m. w. Nachw.).
B. Zu den Bestimmungen im Einzelnen
Zu Artikel 1
Zu Nummer 1 (§ 4a)
Durch die Änderung des § 4a Absatz 1 wird klargestellt, dass § 10 Absatz 6 derzeit ausschließlich in den Fällen der Experimentierklausel nach § 10a nicht anwendbar ist. Der bisherigen offeneren Formulierung bedarf es daher nicht.
Durch die Änderung des § 4a Absatz 2 wird geregelt, dass die Dauer der Konzession zu beschränken ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich weiterhin um eine zeitlich befristete Experimentierphase handelt. Die Dauer der Konzession ist nicht vorgeschrieben. Die Konzession kann daher durch die zuständige Behörde in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens auch für einen kürzeren Zeitraum als bis zum Auslaufen der Experimentierklausel erteilt werden. Die Notwendigkeit, die Dauer der Konzession bereits in der Bekanntmachung nach § 4b Absatz 1 verbindlich festzulegen, ist durch den Wegfall der Kontingentierung der Sportwettkonzessionen entfallen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 4b Absatz 1).
§ 4a Absatz 3 wird dahingehend geändert, dass für die Dauer der Experimentierphase keine Beschränkung der Zahl der Konzessionen mehr erfolgt. Insofern entfällt auch die Notwendigkeit eines Auswahlverfahrens. Das trägt den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen Rechnung, die auf Anträge von Konkurrenten vorbeugend bereits die Erteilung von Konzessionen unterbunden und damit eine rechtliche Ordnung des Sportwettenmarktes in absehbarer Zeit unmöglich gemacht haben. Die befristete Abweichung vom Grundsatz der Begrenzung der Zahl der Konzessionen ist daher als Ausnahme zu verstehen, die dem Verlauf der Gerichtsverfahren geschuldet ist. Die insbesondere in § 4a Absatz 4, § 4b Absatz 1 bis 4 und § 4c normierten Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession bleiben ebenso anwendbar wie die Konzessionspflichten und aufsichtlichen Befugnisse (s. v. a. § 4e).
Zu Nummer 2 (§ 4b)
In § 4b werden die erforderlichen Folgeänderungen vorgenommen, die dem Umstand Rechnung tragen, dass die Anzahl der Konzessionen nicht mehr beschränkt ist, so dass keine Auswahl unter den Bewerbern erfolgen muss.
In der Folge entfällt auch die Erforderlichkeit, eine bestimmte Frist für die Einreichung von Bewerbungen festzulegen. Dieser bedurfte es bislang, weil zu einem bestimmten Termin die Auswahlentscheidung zwischen mehreren geeigneten Bewerbern nach § 4b Absatz 5 der bisherigen Fassung zu treffen war. Ein solches Verfahren erfordert die Festlegung einer Bewerbungsfrist. Sind die Konzessionen nicht kontingentiert, kann die Bewerbung um die Konzession und die Prüfung der Bewerbung hingegen jederzeit - d.h. auch zu einem späteren Zeitpunkt - erfolgen.
An einer (einmaligen) Bekanntmachung der Möglichkeit, sich um eine Konzession zu bewerben, im Amtsblatt der Europäischen Union unter Angabe der einzureichenden Unterlagen (§ 4b Absatz 1 Satz 2) wird festgehalten, um die Marktteilnehmer über die geänderten Bedingungen der Konzessionserteilung zu informieren.
Da es der Durchführung eines Auswahlverfahrens nicht mehr bedarf, entfällt der bisherige § 4b Absatz 5, der die Kriterien für die Durchführung des Verfahrens vorsah.
Die bislang verwendeten Begriffe wie "Konzession", "Bewerbung" und "Bewerber" werden aus rein redaktionellen Gründen nicht angepasst, um die textlichen Eingriffe am bestehenden Staatsvertrag gering zu halten. In der Sache handelt es sich in der Neufassung um Antragsteller in einem Erlaubnisverfahren.
Zu Nummer 3 (§ 5 Absatz 4 Satz 1)
In § 5 Absatz 4 Satz 1 wird klargestellt, dass die Werberichtlinie als gesetzesauslegende Vorschrift der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Zu Nummer 4 (§ 9a Absatz 5 Satz 2)
§ 9a Absatz 5 Satz 2 stellt in der neuen Fassung heraus, dass dem Glücksspielkollegium als Organ der Exekutive keine Rechtsetzungsbefugnisse verliehen werden sollen.
Zu Nummer 5 (§ 10a)
In § 10a Absatz 1 wird die bisher nur in hier nicht erheblichen Teilbereichen tatsächlich laufende Experimentierphase bis 30. Juni 2021 erstreckt. Diese Regelung berücksichtigt den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, die Befristung der Experimentierklausel nach dem bisherigen § 35 Absatz 1 aufzuheben. Aufgrund des vorgenannten Beschlusses ist die (bisherige) Experimentierklausel auch über den 30. Juni 2019 hinaus anwendbar mit der Modifikation, dass die Zahl möglicher Konzessionen nunmehr nicht mehr begrenzt ist.
Die bislang in § 10a Absatz 3 festgelegte Höchstzahl der Konzessionen wird als Konsequenz der Änderung des § 4a Absatz 3 ersatzlos gestrichen.
Zu Nummer 6 (§ 29 Absatz 1 Satz 3)
Die Übergangsregelung in § 29 Absatz 1 Satz 3 ist obsolet geworden und kann daher aufgehoben werden.
Zu Artikel 2
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten zum 1. Januar 2020. Sollten bis dahin nicht alle Ratifikationsurkunden hinterlegt sein, wird der Staatsvertrag gegenstandslos.