Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.09.1988, Az.: 4 VA 1/88

Befreiung von der Verpflichtung zur Vorlage eines türkischen Ehefähigkeitszeugnisses; Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses des türkischen Konsulats bezüglich eines zur Volksgruppe der Yeziden zugehörigen Türken; Echtheit vorgelegter Auszüge aus dem türkischen Melderegister

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.09.1988
Aktenzeichen
4 VA 1/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 24281
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1988:0902.4VA1.88.0A

Fundstellen

  • IPRspr 1988, 63
  • NJW-RR 1989, 774-775 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses

In der Justizverwaltungssache
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 2. September 1988
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag der Antragsteller wird der Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. März 1988 verpflichtet, den Antragstellern für die von ihnen beabsichtigte Eheschließung Befreiung von der Verpflichtung zur Vorlage eines türkischen Ehefähigkeitszeugnisses zu erteilen.

Der Geschäftswert für das Verfahren wird auf 6.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragsteller sind Türken kurdischer Abstammung, die sich zum yezidischen Glauben bekennen. Der am xxx geborene Antragsteller hat im August 1985 Antrag auf Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik gestellt, über den noch nicht endgültig entschieden ist. Seit dem 26. September 1985 hält er sich ununterbrochen in xxx auf. Die am xxx geborene Antragstellerin ist seit dem xxx in xxx gemeldet. Sie hat am 6. Mai 1987 Asylantrag gestellt, hinsichtlich dessen eine endgültige Entscheidung ebenfalls noch aussteht.

2

Im Hinblick auf die von ihnen beabsichtigte Eheschließung haben die Antragsteller Ende August 1987 darum gebeten, ihnen gemäß § 10 Abs. 2 EheG Befreiung von der Verpflichtung zu erteilen, ein türkisches Ehefähigkeitszeugnis vorzulegen. Sie haben dazu neben einigen eidesstattlichen Versicherungen und sonstigen Erklärungen auch Auszüge aus dem an ihrem xxx geführten Melderegister (nüfus) vorgelegt. Ein Ehefähigkeitszeugnis des türkischen Konsulats haben sie nicht eingereicht. Zur Begründung haben sie angeführt, die Volksgruppe der Yeziden werde in der Türkei verfolgt. Ein Erfolg ih- res darin begründeten Asylbegehrens würde durch eine Kontaktaufnahme mit türkischen Behörden in Frage gestellt; zudem müßten sie im Fall einer Ablehnung ihres Asylantrags nach Rückkehr in die Türkei mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen, wenn ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik als Asylbewerber den Behörden des Landes bekannt sei. Der Aufforderung des Antragsgegners, die ihnen zu diesem Zweck zurückgegebenen Melderegisterauszüge durch die deutsche Botschaft in Ankara legalisieren zu lassen, sind die Antragsteller nicht nachgekommen. Sie haben darauf hingewiesen, daß ihr Schreiben an die deutsche Botschaft den türkischen Behörden bekannt werden könne, wie auch eine Kontaktaufnahme der Botschaft mit türkischen Behörden im Zusammenhang mit der Legalisation diesen die Kenntnis- von ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik - und dessen Grund - vermitteln könne. Es sei denn nach einer Rückkehr in die Türkei mit den schon erwähnten Schwierigkeiten zu rechnen.

3

Durch den Bescheid vom 18. März 1988, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle die Legalisation der Melderegisterauszüge, so daß ihre Echtheit nicht feststehe (§ 438 Abs. 1 ZPO). Die Antragsteller hätten nicht hinreichend deutlich gemacht, inwiefern ihnen durch die Legalisation Nachteile entstehen könnten.

4

Gegen diesen den Antragstellern am 24. März 1988 zugestellten Bescheid richtet sich ihr am 25. März 1988 bei dem Oberlandesgericht eingegangener Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

5

Der Antrag ist statthaft gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG und auch im übrigen zulässig. Er hat in der Sache Erfolg.

6

Die Antragsteller haben gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 und 3 EheG Anspruch darauf, von der Verpflichtung zur Vorlage eines türkischen Ehefähigkeitszeugnisses (§ 10 Abs. 1 EheG) befreit zu werden. Der Senat geht mit dem Antragsgegner davon aus, daß von den Antragstellern als Asylbewerbern yezidischen Glaubens die Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses des türkischen Generalkonsulats nicht erwartet werden kann. Die demnach zu prüfende Frage, ob der beabsichtigten Eheschließung nach dem Recht des Heimatstaates der Antragsteller ein Hindernis entgegensteht, das auch in der Bundesrepublik zu beachten ist (BGHZ 56/180, 183), verneint der Senat. Nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilrechtsverfahren (Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderartikel "Türkei", S. 15) sind nach türkischem Internationalem Privatrecht für die Beurteilung der Ehefähigkeit und der Voraussetzungen der Eheschließung von türkischen Staatsangehörigen die türkischen Gesetze maßgebend. Es sind daher die Artikel 88 ff. des türkischen Zivilgesetzbuches (tZGB) zu beachten. Hinsichtlich der Identität und Heiratsfähigkeit der Antragsteller bestehen nach den vorgelegten Unterlagen keine Bedenken. Die gemäß Art. 90 Abs. 1 tZGB erforderliche Einwilligung der Eltern der minderjährigen Antragstellerin ist, wie die zu den Akten gegebenen Unterlagen zeigen, von ihnen am 31. August 1987 zu Protokoll des Notars in ihrem Heimatort xxx erklärt worden, wobei die Zeugen xxx und xxx zugegen waren. Für das Vorliegen sonstiger Ehehindernisse - abgesehen von dem Ledigenstatus - finden sich keine Anhaltspunkte. Sie werden auch von dem Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid nicht geltend gemacht. Erhält vielmehr lediglich für nicht erwiesen, daß die Antragsteller nicht schon mit einem jeweils anderen Partner verheiratet, sondern ledig sind (Art. 93 tZGB). Auch insoweit sind jedoch Zweifel nicht gerechtfertigt. Vielmehr steht die Ledigkeit der Antragsteller bereits fest.

7

Diese Überzeugung des Senats gründet sich auf die vorgelegten Auszüge aus dem türkischen Melderegister ("nüfus"), deren Echtheit und inhaltliche Richtigkeit - in diesem Punkt - durch weitere Beweismittel bestätigt und durch die Umstände nahegelegt werden.

8

Schon durch die zu den Akten gelangten Melderegisterauszüge für den Antragsteller vom 11. Juni 1987 und für die Antragstellerin vom 11. Juni 1987 sowie 31. August 1987 (Original) wird einiger Beweis dafür erbracht, daß die Antragsteller nicht bereits anderweitig verheiratet sind. Mit Recht mißt der Antragsgegner ihnen als Personenstandsurkunden für die Feststellung der insoweit maßgebenden Tatsachen erhebliche Bedeutung bei, weil sie ihre Grundlage in den in der Regel verläßlichen Eintragungen haben, die darüber in einem Register der Heimatbehörde vorgenommen worden sind. Die daraus resultierende besondere Beweiskraft kann derartigen Urkunden aber natürlich nur zukommen, wenn sie wirklich von der zuständigen Behörde stammen und also echt sind. Hier kann die Echtheit der Melderegisterauszüge nicht schon entsprechend § 438 Abs. 2 ZPO festgestellt werden. Weder hat ein Konsul oder Gesandter der Bundesrepublik ihre Echtheit bestätigt (Legalisation), noch weisen die die Apostille (Echtheitsbescheinigung der zuständigen türkischen Behörde) auf, die in Art. 4 des Übereinkommens zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1965 II S. 875, 877) vorgesehen ist. (Das erwähnte Abkommen ist für die Türkei seit dem 29. September 1985 in Kraft - BGBl. 1985 II S. 1108 -.) Die Echtheit der Auszüge ergibt sich für den vorliegenden Sachverhalt aber aus "den Umständen des Falles" (§ 430 Abs. 1 i.Vb.m. § 286 ZPO), so daß gemäß § 418 Abs. 1 ZPO auch die Ledigkeit der Antragsteller bewiesen ist (BVerwG in NJW 1987/1159; Zöller-Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 438 Nr. 1 und 2). Die von ihnen eingereichten Melderegisterauszüge besagen übereinstimmend, daß die Antragsteller zur Zeit der Ausstellung ledig waren. Soweit die Urkunden sich nur noch in Ablichtung bei den Akten befinden, ergeben sich daraus keine Bedenken, weil die Originale jedenfalls dem Standesbeamten vorgelegen haben, der sie nach seinem Vermerk am 1. Dezember 1987 zur Herbeiführung der Legalisation den Antragstellern zurückgegeben hat. Weder aus dem äußeren Bild der Auszüge noch aus ihrem Inhalt lassen sich Zweifel an ihrer Echtheit herleiten. Etwas anderes macht auch der Antragsgegner nicht geltend.

9

Bestätigt wird die Echtheit der Auszüge durch die von den Antragstellern eingereichten Ausweispapiere, aus denen allerdings nur der Familienstand zur Zeit ihrer Ausstellung verläßlich zu entnehmen ist. In dem am 4. Dezember 1984 - also nur wenige Monate vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik - ausgestellten Personalausweis des Antragstellers wird dieser als ledig bezeichnet. In seinem vor dem Sommer 1985 ausgestellten Reisepaß sind Angaben über eine Ehefrau sowie deren Photo und Unterschrift - obwohl vorgesehen - nicht enthalten. Die Antragstellerin wird in den am 2. Juni bzw. am 26. November 1986 ausgestellten Personalausweisen übereinstimmend als ledig ("bekar") bezeichnet.

10

Die von den Antragstellern eingereichten eidesstattlichen Versicherungen sind geeignet, weiteren Beweis dafür zu erbringen, daß sie nicht anderweitig verheiratet und damit die Auszüge echt sind (§ 5a Abs. 2 S. 2 PStG). In der Zeit von Anfang bis Mitte Dezember 1987 haben sowohl Verwandte des Antragstellers als auch der Antragstellerin in "zur Vorlage beim Standesamt" bestimmten schriftlichen Erklärungen an Eides statt erklärt, daß die Antragsteller nach ihrem sicheren Wissen ledig sind. Die Versicherungen von insgesamt sechs Personen sind auch deshalb von besonderem Gewicht, weil sie sämtlich in der Bundesrepublik leben und sich also im Fall unrichtiger Angaben der Gefahr aussetzen würden, deswegen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Schließlich wird der Schluß, daß die Antragsteller ledig sind, auch durch die Umstände nahegelegt. Das gilt in besonderem Maße für die Antragstellerin. Da sie am xxx geboren worden ist, konnte sie nach Art. 88 Abs. 1 tZGB - abgesehen von dem Fall einer richterlichen Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 88 Abs. 2 tZGB - nicht vor xxx 1986 heiraten. Weil sie sich seit spätestens Ende Januar 1987 ständig in der Bundesrepbulik aufhält, stand ihr vorher nur etwa ein Jahr für eine Eheschließung zur Verfügung. Wenn sie dennoch in sehr jugendlichem Alter geheiratet hätte, wäre schwer verständlich, warum sie sich dann alsbald von ihrem Ehemann hätte trennen sollen und können, und dies zu dem Zweck, einen weiteren Mann zu heiraten. Ferner hätten die Eltern der Antragstellerin sicherlich nicht ihre Zustimmung zu einer Eheschließung mit einem zweiten Mann gegeben. Auch der am xxx geborene Antragsteller, der nach Art. 88 tZGB im Normalfall nicht vor dem xxx 1982 heiraten konnte, war noch sehr jung, als er - spätestens - am 26. September 1985 in die Bundesrepublik übersiedelte. Ihm haben daher nur etwa zweieinhalb Jahre für eine Eheschließung zur Verfügung gestanden. Bei ihm würde sich ebenfalls die Frage stellen, was ihn dazu hätte bewegen sollen, eine erste Frau bald nach der Heirat zu verlassen, um in der Bundesrepublik - entgegen dem türkischen Recht - eine andere Frau türkischer Staatsangehörigkeit zu heiraten. Besondere Vorteile, die über die durch die Eheschließung ermöglichte Familienzusammenführung hinausgingen, konnte er sich davon nicht versprechen.

11

Nach alledem kann schon auf Grund der vorliegenden Beweise festgestellt werden, daß ein Ehehindernis gemäß Art. 93 tZGB nicht besteht. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob eine Legalisation von den Antragstellern trotz der Art. 2 und 9 des oben erwähnten Abkommens verlangt werden kann. Ebenso kann offenbleiben, ob von ihnen als Asylbewerbern yezidischen Glaubens die Beibringung der Apostille gemäß Art. 4 des Abkommens erwartet werden könnte. Der Senat hielt es nicht für angemessen, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen (§ 30 Abs. 2 AEGGVG).