Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.02.2007, Az.: 322 Ss 24/07 (Owi)
"Unnatürlich geschlechtsbetonte" Bilddarstellung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 9 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV); Tragweite des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Bußgeldtatbeständen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.02.2007
- Aktenzeichen
- 322 Ss 24/07 (Owi)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 16079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0213.322SS24.07OWI.0A
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- JMS-Report 2007, 72 (Volltext)
- MMR 2007, 316-317 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- NStZ 2007, IX Heft 10 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Ordnungswidrigkeit nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Amtlicher Leitsatz
Eine unter § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV unterfallende Bilddarstellung liegt inbesondere dann vor, wenn beim Betrachter der Eindruck eines sexuell anbietenden Verhaltens in einer Weise erweckt wird, die dem jeweiligen Alter der dargestellten Person nicht entspricht. Nicht erforderlich ist, dass die minderjährige Person nackt oder auch nur teilweise entkleidet dargestellt wird, wenn sich schon allein aus der Körperhaltung oder eingenommenen Pose die unnatürliche Geschlechtsbetontheit ergibt.
In der Bußgeldsache
gegen A. U., geboren am ####### in O./C., wohnhaft K.str., H.,
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######,
den Richter am Oberlandesgericht ####### und
die Richterin am Landgericht #######
am 13. Februar 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts H. - Abt. 262 - vom 15. September 2006 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG).
Die Liste der angewandten Vorschriften wird um § 20 OWiG erweitert, so dass sie lautet: §§ 24 Abs. 1 Ziff. 1 lit. i, 4 Abs. 1 Nr. 9 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), § 20 OWiG.
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht H. hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in zwei Fällen zu Geldbußen von 3.000 EUR und von 7.000 EUR verurteilt, weil er Darstellungen von Kindern und Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung im Internet (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV) angeboten hatte.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Die von dem Betroffenen ins Internet gestellten Fotos unterfallen § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV. Damit werden solche Bilddarstellungen erfasst, die zwar noch nicht die Schwelle der Pornographie erreichen, jedoch als Einstieg für entsprechende Angebote genutzt werden (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV Kommentar, Bd. III, § 4 JMStV unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag). Das angefochtene Urteil stellt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu Recht darauf ab, dass die vom Betroffenen im Internet angebotenen Bilder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen. Solch eine Abbildung liegt insbesondere dann vor, wenn beim Betrachter der Eindruck eines sexuell anbietenden Verhaltens in einer Weise erweckt wird, die dem jeweiligen Alter der dargestellten Person nicht entspricht. Hierbei sind auch die dargestellte Situation und der konkrete Gesamteindruck der Darstellung im Einzelfall zu berücksichtigen (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 4 JMStV Rdn. 45). Nicht erforderlich ist, dass die minderjährige Person nackt oder auch nur teilweise entkleidet dargestellt wird, wenn sich schon allein aus der Körperhaltung oder eingenommenen Pose die unnatürliche Geschlechtsbetontheit ergibt. Erfasst werden mit Blick auf den Schutzzweck unter Umständen auch Abbildungen von Kindern und Jugendlichen in Reizwäsche, übermäßiger Schminke oder sonstigen aufreizenden Bekleidungen (Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 163. Ergänzungsliefe-rung, § 15 JuSchG, Rdn. 47).
Bei den von dem Betroffenen ins Internet gestellten Fotos, die in dem angefochtenen Urteil beschrieben und auf deren bei der Akte befindlichen Ausdrucke in zulässiger Weise gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird, handelt es sich nicht um spontane, im Rahmen von Alltagssituationen entstandene Fotografien von Kindern oder Jugendlichen, sondern um bewusst gestellte Aufnahmesituationen, bei denen insbesondere der Brust- oder Schrittbereich der allenfalls leicht bekleideten Mädchen im Mittelpunkt steht. Dabei vermitteln die Bilder dem Betrachter den Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Minderjährigen.
Die im Urteil im Einzelnen beschriebenen und zutreffend in Bezug genommenen Bilddateien des Betroffenen fallen damit unter § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV. Diese Vorschrift unterliegt auch, anders als die Rechtsbeschwerde meint, keinerlei Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Bestimmtheit. Danach müssen auch Bußgeldtatbestände so formuliert sein, dass sie ihrer Aufgabe, eine zulässige und feste Grundlage für die Rechtsprechung zu bilden, gerecht werden können (vgl. Tröndle/Fischer, StGB und Nebengesetze, 54. Aufl., § 1 Rdn. 5). Dies steht hier nicht in Frage. Soweit die Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, sind diese von der Rechtsprechung auszulegen und die jeweilige Fallgestaltung darunter zu subsumieren.
Der Vorstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV bezieht sich auch, wie das Amtsgericht zu Recht ausführt, auf die durch den Betroffenen eingerichtete Verweisung per Link auf Internetseiten anderer Anbieter. Angebote im Sinne der JMStV sind auf elektro-nischem Weg übermittelte Inhalte (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 3 Rdn. 5) und damit auch die Verweisung auf andere Internetseiten. Damit übernimmt der Anwender deren Inhalt und macht ihn sich zu eigen.
Auch die Höhe der in dem angefochtenen Urteil verhängten Geldbußen ist durch das Rechtsbeschwerdegericht in keiner Weise zu beanstanden.
Soweit das Amtsgericht § 20 OWiG bei den nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 5 StPO aufzuführenden gesetzlichen Vorschriften nicht aufgenommen hat, hat der Senat dies auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nachgeholt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.