Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 25.11.2005, Az.: 6 A 126/04

Abschlag; Abschlagszahlung; Ausgleich; Beschwer; Entfallen; Erlös; Erlösausgleich; Festsetzung; Genehmigung; Genehmigungsbedürftigkeit; Gesamtbetrag; Gesetzeslücke; Krankenhaus; Krankenhausträger; Mehrerlösausgleichsbetrag; Mindererlösausgleichsbetrag; Nichtgenehmigung; Pflegesatz; Rechtsgrundlage; Rechtsmissbräuchlichkeit; Rechtsschutzbedürfnis; Schiedsstelle; Schiedsstellenfestsetzung; Zahlung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
25.11.2005
Aktenzeichen
6 A 126/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51055
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Aus § 3 Abs. 6 KHEntgG ergibt sich keine Verpflichtung zu Abschlagszahlungen auf Mehr- oder Mindererlösausgleichsbeträge.

2. Auch der Gesamtbetrag nach § 3 KHEntgG ist nach § 14 KHEntgG genehmigungsbedürftig.

3. Die Klage gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Nichtgenehmigung einer Schiedsstellenfestsetzung abgelehnt wird, ist wegen fehlender Beschwer unzulässig.

Tatbestand:

1

Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Allgemeinkrankenhaus in H. (Landkreis I.). Da sich die Vertragsparteien (§ 18 KHG) über die Krankenhausentgelte 2004 nicht einigten, stellte sie bei der Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze Niedersachsen am 21.05.20004 den Antrag, das Budget für das Jahr 2004 in bestimmter Höhe festzusetzen. Dabei machte sie u. a. einen vorläufigen Belegungsausgleich nach § 3 Abs. 6 KHEntgG für das Jahr 2003 in Höhe von 497.000 € geltend, für den sie einen Abschlag in Höhe von 248.712 € (50 %) abzüglich des endgültigen Belegungsausgleichs für 2002 in Höhe von 43.620 € beanspruchte.

2

Die Klägerin trat dem wie folgt entgegen: Der Erlösausgleich könne frühestens mit dem Budget des Jahres 2005 erfolgen, da das Krankenhaus zur Ermittlung der Mehr- oder Mindererlöse eine vom Jahresabschlussprüfer bestätigte Aufstellung vorzulegen habe. § 3 Abs. 6 KHEntgG sehe keinen vorzeitigen Erlösausgleich vor.

3

Durch Beschluss vom 05.07.2004 setzte die Schiedsstelle u. a. einen Betrag in Höhe von 200.000 € als Abschlag für Ausgleiche und Berichtungen aus dem Jahre 2003 fest. Zur Begründung wurde ausgeführt: Zwar enthalte der das Ausgleichsverfahren regelnde § 3 Abs. 6 KHEntgG dafür keine entsprechende Vorschrift. Insoweit sei jedoch § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV entsprechend anzuwenden. Dieser Vorschrift, die für den Pflegesatzbereich beibehalten worden sei, sei § 3 Abs. 6 KHEntgG nachgebildet. Es seien keine sachlichen Gründe erkennbar, im Bereich der Krankenhausentgelte trotz gleicher Problemlage keine Abschläge vorzusehen. Es sei von einer unbeabsichtigten Regelungslücke auszugehen, die durch entsprechende Anwendung der pflegesatzrechtlichen Bestimmung zu schließen sei. Dem Krankenhaus sei jedoch nur ein Teilbetrag zugebilligt worden, da sein Vorbringen und die vorgelegten Unterlagen keinen höheren Betrag rechtfertigten.

4

Die Klägerin beantragte beim Beklagten die Nichtgenehmigung der Schiedsstellenentscheidung und machte zur Begründung geltend:

5

Im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV sei in § 3 Abs. 6 KHEntgG die Verpflichtung zur Vereinbarung eines Ausgleichsbetrages als Abschlagszahlung im Falle eines im Zeitpunkt der Verhandlung noch nicht endgültig feststehenden Ausgleichs nicht mehr vorgesehen. Im vorliegenden Falle haben es bei den Kostenträgern an dem erforderlichen Einigungswillen gefehlt.

6

Einer entsprechenden Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV stehe der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. Dass die bisherige Regelung in § 3 Abs. 6 KHEntgG nicht mehr enthalten sei, bedeute nicht, dass eine Regelungslücke vorliege.

7

Die Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle beziehe sich nur auf Gegenstände, über die eine Vereinbarung getroffen werden müsse oder solle.

8

Durch Bescheid vom 26.08.2004 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Nichtgenehmigung des Schiedsstellenbeschlusses ab. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) erging unter dem 04.10.2004 ein entsprechender Genehmigungsbescheid. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen der Schiedsstelle verwiesen und ergänzend u. a. ausgeführt: Das KHEntgG enthalte keine Ausschlussregelung, die der Schiedsstelle die Entscheidung über einen Abschlagsbetrag für einen noch nicht genau ermittelbaren Ausgleich versage. Vielmehr übernehme das KHEntgG für die budgetneutrale Einführung des neuen Vergütungssystems das bisherige System und halte weiterhin an einer prospektiv zu schließenden Entgeltvereinbarung fest. Demzufolge seien Mehr- oder Mindererlöse gegenüber dem vereinbarten Gesamtbetrag im folgenden Pflegesatzzeitraum - hier 2004 - auszugleichen; Abschläge seien angebracht. Dies sei dem Krankenhauspflegesatzrecht immanent.

9

Die Klägerin hat gegen den Ablehnungsbescheid am 22.09.2004 Klage erhoben und diese mit Schriftsatz vom 20.10.2005 - eingegangen am 01.11.2004 - auf den Genehmigungsbescheid erweitert. Zur Begründung macht sie geltend:

10

Die Beigeladene sei bereits 2003 auf das sog. DRG-System umgestiegen mit der Folge, dass seitdem anstelle der BPflV das KHEntgG zur Anwendung gekommen sei. Im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV sei in § 3 Abs. 6 KHEntgG die Verpflichtung zur Vereinbarung einer Abschlagszahlung auf den noch nicht endgültig feststehenden Ausgleich nicht mehr vorgesehen. Für die von der Schiedsstelle vorgenommene analoge Anwendung sei angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts kein Raum. Für die Annahme einer unbeabsichtigten Regelungslücke fehle jeder Anhaltspunkt.

11

Zwar bestehe die Möglichkeit der freiwilligen Vereinbarung eines Ausgleichsabschlages. Den fehlenden Einigungswillen könne die Schiedsstelle jedoch nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzen. Diese habe - auch nach der Rechtsprechung des BVerwG - insoweit keinen Ermessens- und Interpretationsspielraum.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Bescheide des Beklagten vom 26.08.2004 und 04.10.2004 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt aus den Gründen der angefochtenen Bescheide,

15

die Klage abzuweisen.

16

Ergänzend macht er geltend:

17

Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Nichtgenehmigung sei zwar im Gesetz nicht vorgesehen, habe sich jedoch als Handlungsform zur Erlangung von Rechtsschutz etabliert. Allerdings sei fraglich, ob an der Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2004 neben der Anfechtung des Genehmigungsbescheides noch ein Rechtsschutzinteresse bestehe.

18

Der Wortlaut des § 3 Abs. 6 KHEntgG sei nicht in dem von der Klägerin vertretenen Sinne eindeutig. Zum einen bleibe die Frage offen, in welchem Jahr der Erlösausgleich durchgeführt werde. Zum anderen werde in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass die Frage, wie der Ausgleich zu erfolgen habe, in § 3 Abs. 6 KHEntgG „vergessen“ worden sei.

19

Das KHEntgG bilde ein neues Regelwerk, das allerdings für die sich auf die Jahre 2003 und 2004 erstreckende sog. budgetneutrale Phase mit der BPflV verknüpft sei, etwa in § 3 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Ansonsten halte § 11 Abs. 1 KHEntgG an dem überkommenen Modus der prospektiv abzuschließenden, grundsätzlich dem Jährlichkeitsprinzip unterliegenden Entgeltvereinbarungen fest. Danach bestehe zwischen der Abschlagsregelung in § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV und § 3 Abs. 6 KHEntgG nicht notwendig ein Gegensatz. Vielmehr spreche mehr für ein „Vergessen“ (s.o.). Darauf deuteten auch die Gesetzesmaterialien hin.

20

Ferner stehe die Regelung des § 3 Abs. 6 Satz 10 KHEntgG einem Ausgleichsabschlag nicht entgegen. Die danach erforderliche Bestätigung gelte nur für den endgültigen Ausgleich. Die Klägerin stelle nicht in Frage, dass Mindererlöse im Jahr 2003 angefallen seien und der festgesetzte Abschlag das Verhältnis wahre. Im übrigen vertrete sie selbst die Auffassung, dass die Vereinbarung eines Abschlags auf den Ausgleich zulässig und damit zugleich genehmigungsfähig sei, ohne einen Ausschlusstatbestand anführen zu können, nach dem es an der entsprechenden Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle fehle.

21

Schließlich entspreche der Abschlag auf den Ausgleich dem Gesetzeszweck der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und passe zur Budgetneutralität in den Jahren 2003 und 2004.

22

Die Beigeladene zu 1. macht sich den Schiedsstellenbeschluss zu eigen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Ergänzend macht sie geltend, dass beide gesetzlichen Regelungen nebeneinander weiterbestünden und damit anzuwenden seien.

23

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert.

24

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

1. Soweit sich die Klägerin gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 04.10.2004 wendet, ist ihre Klage zulässig.

26

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt der Klägerin nicht deswegen, weil die Höhe des von ihr und den Beigeladenen zu 2. bis 5. zu leistenden Erlösausgleichs nunmehr endgültig feststeht, sich demzufolge die Frage der Zahlung von Abschlägen insoweit nicht mehr stellt. Die mit dem angefochtenen Genehmigungsbescheid verbundene Beschwer ist dadurch nicht entfallen. Zwar könnte die Klägerin nicht die Erstattung des streitigen Abschlagsbetrages verlangen, da rechtsmissbräuchlich handelt, wer auf strikter Erfüllung eines Rückabwicklungsanspruchs besteht, obwohl er das Erlangte alsbald wieder zurückgeben müsste (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Die Beigeladene zu 1. hat jedoch dadurch einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, dass ihr ein Teilbetrag des von den Leistungsträgern geschuldeten Erlösausgleichs vorzeitig zugeflossen ist. Im Falle der Aufhebung des Genehmigungsbescheides entfällt zugleich der genehmigte Schiedsstellenbeschluss als maßgebliche Rechtsgrundlage mit der Folge, dass sich für die Klägerin ein entsprechender Ausgleichs- bzw. Erstattungsanspruch ergibt. Dass dieser nicht im vorliegenden Verfahren als Folgenbeseitigungsanspruch nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO, sondern nur unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung bzw. des enteignungsgleichen Eingriffs oder der Aufopferung geltend gemacht werden kann, da es sich um die Beseitigung nur mittelbarer Folgen des angefochtenen Genehmigungsbescheides handelt (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 113 Rn. 90), lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage unberührt, da sich erst mit der Aufhebung des Genehmigungsbescheides entsprechende Anspruchsgrundlagen ergeben, im übrigen der Klägerin die Möglichkeit eröffnet würde, im Rahmen der wieder aufzunehmenden Vertragsverhandlungen einen entsprechenden Ausgleich zu verlangen.

27

Die Klage ist insoweit auch begründet.

28

Einschlägige Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid ist § 14 des Krankenhausentgeltgesetzes - KHEntgG - in der ursprünglichen Fassung vom 23.04.2002 (BGBl. I S. 1412 <1422>); die durch das 2. Fallpauschalenänderungsgesetz - 2. FPÄndG - vom 15.12.2004 (BGBl. I S. 3429) erfolgte Änderung kommt nicht zur Anwendung, da es sich vorliegend um eine Anfechtungsklage handelt, für deren rechtliche Beurteilung auf die im Zeitpunkt des angefochtenen Genehmigungsbescheides geltende Rechtslage abzustellen ist. Danach ist die Genehmigung der vereinbarten oder von der Schiedsstelle festgesetzten krankenhausindividuellen Basisfallwerte, der Entgelte nach § 6 KHEntgG und der Zuschläge nach § 5 KHEntgG von einer der Vertragsparteien bei der zuständigen Landesbehörde zu beantragen. Im vorliegenden Falle geht es um den Gesamtbetrag nach § 3 KHEntgG. Auch insoweit handelt es sich - über den Gesetzeswortlaut hinaus - um ein genehmigungsbedürftiges Substrat, da nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift alle Vereinbarungen und Festsetzungen, die sich auf die in Rede stehenden oder künftigen Krankenhausentgelte auswirken, wie dies für den hier in Rede stehenden Ausgleich von Mindererlösen zutrifft, der Kontrolle durch die Genehmigungsbehörde unterliegen (vgl. Tuschen/Trefz, KHEntgG, 1. Aufl. 2004, Erl. zu § 14 [S. 311]; Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand: Juni 2005, KHG § 18 Anm. V 4; BVerwG, U. v. 21.01.1993 - 3 C 66/90 - BVerwGE 91, 363 = NJW 1993, 2391).

29

Das Genehmigungserfordernis nach § 14 KHEntgG dient ausschließlich der Rechtskontrolle und eröffnet der Genehmigungsbehörde keine Befugnis zu einer von den Vereinbarungen der Vertragsparteien oder den Festsetzungen der Schiedsstelle abweichenden Gestaltung oder zur Erteilung einer Teilgenehmigung. Vielmehr ist die Genehmigung, wenn einzelne von den Vertragsparteien oder der Schiedsstelle zugrundegelegten Positionen nicht den rechtlichen Vorschriften entsprechen, in vollem Umfang zu versagen, eine gleichwohl erteilte Genehmigung in vollem Umfang aufzuheben, um den Vertragsparteien die Möglichkeit zu eröffnen, in erneute Verhandlungen einzutreten. Eine Teilbarkeit der Genehmigungsentscheidung in dem Sinne, dass sich die Genehmigung nur auf Teile des vereinbarten oder festgesetzten Gesamtbetrages erstreckt oder zusätzliche Beträge, die weder vereinbart noch festgesetzt sind, ggf. im Wege eines Verpflichtungsbegehrens einbezogen werden könnten, ist mit § 14 KHEntgG bzw. § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG nicht vereinbar. Den Rahmen für die Genehmigungsentscheidung bestimmen vielmehr allein die antragstellenden Parteien. Die Genehmigungsbehörde hat daher keine Befugnis, einen unzutreffend bemessenen Gesamtbetrag „nachzubessern“ (vgl. BVerwG, aaO [zu § 18 Abs. 5 KHG]).

30

Die Genehmigung des Schiedsstellenbeschlusses verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Festsetzung eines Abschlages auf den Mindererlös im Jahre 2003 einer Rechtsgrundlage entbehrt.

31

Gemäß § 3 Abs. 1 bis 3 KHEntgG ist für die Jahre 2003 und 2004 ein Gesamtbetrag in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 1 BPflV zu vereinbaren. Wie dabei mit Mehr- oder Mindererlösen in 2003 bzw. 2004 zu verfahren ist, regelt im einzelnen § 3 Abs. 6 KHEntgG. Danach werden, wenn im Jahr 2003 oder 2004 die Summe der auf das Kalenderjahr entfallenden Erlöse des Krankenhauses nach Absatz 3 Satz 4 von dem um die Ausgleiche und Berichtigungen für Vorjahre veränderten Gesamtbetrag (Abs. 3 Satz 5) abweicht, Mindererlöse im Jahr 2003 zu 95 v. H. und im Jahr 2004 zu 40 v. H. ausgeglichen (Sätze 1 und 2). Mehrerlöse aus Fallpauschalen, die infolge einer veränderten Kodierung von Diagnosen und Prozeduren erzielt werden, werden vollständig, sonstige Mehrerlöse im Jahr 2003 zu 75 v. H. und 2004 zu 65 v. H. ausgeglichen (Sätze 3 und 4). Abschließend heißt es in Satz 10 der Vorschrift, dass der Krankenhausträger zur Ermittlung der Mehr- oder Mindererlöse eine vom Jahresabschlussprüfer bestätigte Aufstellung über die Erlöse nach Absatz 3 Satz 4 vorzulegen hat.

32

Zwischen den Vertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass die Beigeladene zu 1) im Jahr 2003 von den Sozialleistungsträgern als Vertragsparteien auszugleichende Mindererlöse mindestens in der von der Schiedsstelle festgesetzten Höhe von 200.000 € erzielt hat. § 3 Abs. 6 KHEntgG enthält indessen keine Regelung, nach der der Leistungsträger verpflichtet ist, auf den Mindererlös einen Abschlag in bestimmter Höhe zu zahlen, bevor der endgültige Ausgleichsbetrag feststeht. Letzteres war hier im Zeitpunkt der Verhandlungen nach § 11 KHEntgG nicht der Fall, da es jedenfalls an der gemäß § 3 Abs. 6 Satz 10 KHEntgG erforderlichen Bestätigung des Jahresabschlussprüfers fehlte. Demzufolge war auch die Schiedsstelle nicht zu einer entsprechenden Festsetzung befugt.

33

§ 3 Abs. 6 KHEntgG ist nicht in dem Sinne auslegungsfähig, dass die Berücksichtigung von Teilbeträgen des Ausgleichsbetrages als Abschlagszahlung zu erfolgen hat. Dazu bedürfte es einer ausdrücklichen Regelung mit entsprechendem Inhalt, weil davon die Rechtsposition des Ausgleichspflichtigen betroffen ist, dessen Leistungspflicht grundsätzlich Fälligkeit der Ausgleichsforderung voraussetzt. Letztere tritt nach der gesetzlichen Regelung erst dann ein, wenn der Mehr- oder Mindererlös der Höhe nach feststeht und von einem Abschlussprüfer bestätigt worden ist. Eine Leistungspflicht vor Fälligkeit lässt sich aus § 3 Abs. 6 KHEntgG nicht herleiten. Dies gilt auch in Ansehung der Fußnote 1 (2. Spiegelstrich) zum Formblatt E1 gemäß Anlage 1 zu § 11 Abs. 4 KHEntgG, auf die sich die Beigeladene zu 1. in diesem Zusammenhang beruft. Danach hat die Aufstellung der Fallpauschalen für das Krankenhaus für das laufende Kalenderjahr die Ist-Daten nach dem DRG-Katalog des laufenden Jahres u. a. zur Ermittlung der vorläufigen Erlösausgleiche zu enthalten. Zum einen ist diese Regelung erst durch Art. 2 2. FPÄndG in das KHEntgG aufgenommen worden, mithin im vorliegenden Falle für die rechtliche Beurteilung noch nicht anzuwenden (s.o.). Zum anderen lässt diese Fußnote nicht erkennen, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 6 KHEntgG von Abschlagszahlungen auf noch nicht endgültig feststehende Erlösausgleiche ausgegangen sei, zumal sie das laufende Jahr, hier also 2004, betrifft, während für das hier betroffene abgelaufene Jahr (2003) Fußnote 1 einschlägig ist, in der als Ziel der Aufstellung u. a. die Feststellung der endgültigen Erlösausgleiche genannt ist.

34

Ein Anspruch auf Abschlagszahlung ergab sich für die Beigeladene auch nicht aus § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV. Dessen unmittelbaren Anwendung steht entgegen, dass die BPflV mit Wirkung vom 01.01.2003 bei den Krankenhäusern, die - wie die Beigeladene zu 1. - dem neuen DRG-Vergütungssystem nach § 17b KHG unterliegen, durch das KHEntgG ersetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 14/6893 [S. 38]). Seit dem 01.01.2004, also für den streitgegenständlichen Entgeltzeitraum, gilt sie ohne Ausnahme nur noch für die Vergütung der voll- und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser und Krankenhausabteilungen, die nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KHG nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen sind. Dabei handelt es sich um die psychiatrischen Krankenhäuser sowie die selbständigen, gebietsärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern. Dass das KHEntgG vereinzelt auf Regelungen der BPflV verweist, bedeutet nicht, dass letztere generell ergänzend anzuwenden wäre. Vielmehr ergibt sich im Wege des argumentum e contrario, dass die BPflV nur in den Fällen gilt, in denen der Gesetzgeber darauf bzgl. einzelner Vorschriften ausdrücklich Bezug nimmt. Dies betrifft etwa die in § 3 Abs.1 bis 3 KHEntgG für entsprechend anwendbar erklärten Regelungen der §§ 5, 6 BPflV. Eine Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV findet sich demgegenüber weder in § 3 Abs. 6 KHEntgG noch in anderen Vorschriften des KHEntgG.

35

Dass in § 1 KHEntgG als für die Vergütung der in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallenden Leistungen maßgebliche Rechtsvorschriften auch das Krankenhausfinanzierungsgesetz genannt ist, bedeutet nicht etwa, dass damit auch die auf dessen Grundlage erlassene BPflV zur Anwendung käme. Die Einbeziehung des KHG erfolgte durch das FPÄndG vom 17.07.2003 (BGBl. I S. 1461). Damit sollte lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das KHG grundsätzliche Vorschriften enthält, die sowohl für die das DRG-Vergütungssystem anwendenden als auch für solche Krankenhäuser von Bedeutung sind, für die die BPflV gilt (vgl. Tuschen/Trefz, aaO, Erl. zu § 1 KHEntgG [S. 173]). In der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 15/614 [S. 8) heißt es dazu:

36

Das Krankenhausentgeltgesetz regelt die Vereinbarung und Abrechnung der stationären Krankenhausentgelte für Krankenhäuser, die dem neuen DRG-Vergütungssystem unterliegen. Nummer 1 stellt klar, dass auch für diese Krankenhäuser weiterhin die allgemeinen Vorgaben des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, z. B. zur dualen Finanzierung, zur Abgrenzung der pflegesatzfähigen Kosten, zur Ausbildungsfinanzierung und zur Prüfung der Abrechnung der Pflegesätze, gelten.

37

Zu dem in diesem Sinne grundsätzlichen Bereich gehören die (nicht im KHG selbst geregelten oder vorgegebenen) Abschlagszahlungen auf Erlösausgleiche nicht. Diese entsprechen auch nicht etwa allgemeinen, vom Gesetzgeber vorausgesetzten Grundsätzen der Vergütungsfestsetzung oder des Vereinbarungsverfahrens.

38

Aus vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch der Weg für eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV im Rahmen des DRG-Vergütungssystems nach dem KHEntgG verschlossen ist. Dies würde einen durch Auslegung zu ermittelnden, unklaren Sinn des § 3 Abs. 6 KHEntgG voraussetzen. Daran fehlt es. Wenn dort Abschlagszahlungen nicht vorgesehen sind, kann dies vom Wortsinn her nur bedeuten, dass solche auch nicht zu leisten sind. Dass kein sachgerechter Grund ersichtlich ist, psychiatrische Krankenhäuser und Abteilungen einerseits und sonstige Krankenhäuser andererseits hinsichtlich Abschlagszahlungen unterschiedlich zu behandeln, rechtfertigt keine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV im Rahmen des KHEntgG. Zum einen könnte dieser Unstimmigkeit auch in der Weise begegnet werden, dass die Abschlagsregelung der BPflV ersatzlos entfällt und nicht das KHEntgG um eine solche ergänzt wird. Zum anderen wäre, sofern ein unbeabsichtigtes Versäumnis des Gesetz- oder Verordnungsgebers vorliegen sollte, eine Angleichung beider Regelungsbereiche in einem gewaltengliedernden Rechtsstaat allein Sache des Normgebers, da sie die Veränderung eines Rechtssatzes gegen dessen klaren Wortlaut und Sinn beinhaltet (vgl. dazu Wolff/Bachof/-Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, § 28 V 3, Rn. 58).

39

Angesichts der vorstehend beschriebenen Schranken kommt auch eine telelogische Interpretation des § 3 Abs. 6 KHEntgG in dem Sinne, dass auf Mehr- oder Mindererlösausgleiche Abschläge zu zahlen sind, nicht in Betracht. Hinsichtlich der Zweckbestimmung einer Abschlagsregelung gilt im übrigen, dass damit im Verhältnis zwischen Krankenhaus- und Sozialleistungsträger ein kurzfristiger finanzieller Ausgleich herbeigeführt werden soll, ohne den die sozialpolitische Zielsetzung der Ausgleichsregelung nicht etwa nachhaltig beeinträchtigt wird, da es sich regelmäßig um begrenzte Zeiträume handelt und mit Abschlagszahlungen zudem ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand verbunden ist. Diese Gesichtspunkte konnten für den Gesetzgeber sachgerechter Anlass gewesen sein, von einer Abschlagsregelung in § 3 Abs. 6 KHEntgG - abweichend von § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV - abzusehen.

40

Es handelt sich vorliegend nicht um eine ergänzungsbedürftige Gesetzeslücke. Eine offene Lücke liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 6 KHEntgG lediglich eine Abschlagsregelung nicht getroffen. Unabhängig davon, ob dem eine entsprechende Regelungsabsicht zugrunde liegt, bedeutet dies, dass der Gesetzgeber die Zahlung von Abschlägen auf ausgleichspflichtige Mehr- oder Mindererlöse nicht vorgesehen hat, ohne dass es sich dabei - wie dargelegt - um eine nach dem Gesetzeszweck nur im gegenteiligen Sinne regelungsfähige Frage handelte. Ohne Abschläge erweist sich die Ausgleichsregelung nicht als „unvollständig“. - Ferner liegen auch die Voraussetzungen für die Annahme einer verdeckten Gesetzeslücke nicht vor. Diese setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, welche darauf beruht, dass entweder eine anfängliche Regelungsnotwendigkeit vom Gesetzgeber übersehen wurde oder sich nachträglich eine Entwicklung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben hat, die der Gesetzgeber nicht bedenken konnte (vgl. Wolff/Bachof/Stober, aaO, § 28 V 5, Rn. 66; BVerwG, U. v. 26.10.1995 - 3 C 11/94 - BVerwGE 99, 362). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wenn der Gesetzgeber in § 3 Abs. 6 KHEntgG Abschlagszahlungen nicht vorgesehen hat, liegt darin keine Planwidrigkeit der Regelung, da der Ausgleich von Mehr- oder Mindererlösen auch dann seinen Zweck erfüllt, wenn darauf keine Abschläge zu zahlen sind (s.o.). Dass für die inhaltliche Divergenz zu § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist, lässt noch keine verdeckte Gesetzeslücke im dargelegten Sinne entstehen, weil sich daraus keine Regelungsnotwendigkeit im Sinne einer Abschlagsregelung auch im Rahmen des § 3 Abs. 6 KHEntgG ergibt. Angesichts der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung würde dies zu einer Normergänzung selbst dann nicht berechtigten, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung im KHEntgG „schlicht vergessen“ haben sollte. Ungeachtet dessen, dass sich letzteres nicht verlässlich feststellen lässt, wäre es nach der vom Grundgesetz vorgegebenen Gewaltengliederung allein Sache des Gesetzgebers, entweder einem etwaigen Versäumnis durch Ergänzung des § 3 Abs. 6 KHEntgG abzuhelfen oder die Unstimmigkeit beider Regelungen im Verhältnis zueinander durch eine Anpassung des § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV zu beseitigen. Sollte es sich in § 3 Abs. 6 KHEntgG um eine bewusste Lücke in dem Sinne handeln, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift auf eine Abschlagsregelung absichtlich verzichtet hat, wäre diese (erst recht) hinzunehmen, da der Richter nicht eindeutige Entscheidungen des Gesetzgebers nach eigenen rechtspolitischen Vorstellungen verändern darf. Dies folgt aus dem Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 03.04.1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6 <13>).

41

Schließlich stehen weitere verfassungsrechtliche Gründe entgegen, § 3 Abs. 6 KHEntgG - nach dem Vorbild des § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV - um eine Abschlagsregelung zu ergänzen (vgl. Wolff/Bachof/Stober, aaO, Rn. 66). Damit ist für den Krankenhausbetreiber eine Einschränkung seiner durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit verbunden, sofern sie diesen zur Zahlung von Abschlägen auf Mehrerlöse an die Krankenkassen verpflichtet. Diesbezüglich bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, so dass sich eine Normergänzung als unzulässig erweist, soweit es - zu Lasten des Grundrechtsträgers - um Abschläge auf Mehrerlöse geht (vgl. dazu BVerfG, aaO). Lediglich auf Mindererlöse zu zahlende Abschläge scheiden nach der Gesetzeslage (ebenfalls) aus. Eine entsprechende Rechtspflicht der Sozialleistungsträger berührt die Belange der in der gesetzlichen Krankenversicherung zusammengeschlossenen Solidargemeinschaft. Der sich daraus ergebende Bezug zum Sozialstaatsgrundsatz gemäß Art. 20 Abs. 1 GG, welcher bei der Gesetzesauslegung zu beachten ist (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, 7. Aufl., Stand: Aug. 2003, Art. 20 Rn. 271), bedeutet im vorliegenden Fall, dass auch eine auf den Mindererlösausgleich beschränkte Abschlagsregelung jedenfalls einer gesetzlichen Grundlage bedarf, welche in diesem Sinne auslegungsfähig ist, einer Normergänzung mithin auch insoweit gleichermaßen verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen.

42

2. Soweit sich die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 26.08.2004 wendet, ist ihre Klage wegen fehlender Beschwer unzulässig. Erst die Genehmigung einer Schiedsstellenentscheidung führt zu deren Verbindlichkeit für die Beteiligten. Solange keine Vertragspartei einen entsprechenden Antrag stellt, verbleibt es bei den bisher geltenden Entgelten. Es bleibt den Vertragsparteien unbenommen, nach einer Schiedsstellenentscheidung in erneute Verhandlungen einzutreten und von der Einleitung eines Genehmigungsverfahrens abzusehen. Dass sich, wie der Beklagte ausgeführt hat, der Antrag auf Nichtgenehmigung als Handlungsform etabliert hat, verleiht dem darauf ergehenden Ablehnungsbescheid keine in der Sache beschwerende Wirkung. Eine gesetzeskonforme Reaktion der Genehmigungsbehörde hätte darin zu bestehen, dass diese einen solchen Antrag als unzulässig ablehnt und den Antragsteller auf den gegen einen etwaigen Genehmigungsbescheid gegebenen Rechtsschutz verweist. Die gleichwohl erfolgende inhaltlich begründete Entscheidung über einen (präventiv gestellten) Ablehnungsantrag ist rechtlich unbeachtlich, da sie vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist und keinerlei Bindungswirkung bezüglich der Bescheidung eines Genehmigungsantrages entfaltet. Sie ersetzt letztere auch nicht, beinhaltet insbesondere keine vorweggenommene Regelung bezüglich der - einen darauf gerichteten Antrag voraussetzenden - Genehmigung einer Schiedsstellenentscheidung. Letztere kann auch von einer Vertragspartei, die einen die beantragte Nichtgenehmigung ablehnenden Bescheid hat bestandskräftig werden lassen, noch im Klagewege angegriffen werden.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Einer Beteiligung der Beigeladenen zu 1. an den Gerichtskosten steht die fehlende Antragstellung entgegen (§ 154 Abs. 3 VwGO). - Was die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. betrifft, entspricht es nicht der Billigkeit i.S. des § 162 Abs. 3 VwGO, auch diese den Beklagten tragen zu lassen, da die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf Veranlassung des Krankenhausträgers ergangen ist, dieser damit gleichermaßen auf der Seite der Unterlegenen steht. Anders verhält sich dies bei den übrigen Beigeladenen. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

44

Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da der Rechtssache für die Frage, ob § 3 Abs. 6 KHEntgG die Festsetzung von Abschlägen für Mehr- oder Mindererlöse aus dem Jahr 2003 durch die Schiedsstelle zulässt, grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.