Amtsgericht Hannover
Urt. v. 07.08.1989, Az.: 548 C 4513/89
Rückerstattung der Gutachterkosten bei Mangelhaftigkeit des Gutachtens; Folgen der fehlenden Nachvollziehbarkeit von Gutachten; Anforderungen an die Explorationsdarstellung in Gutachten
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 07.08.1989
- Aktenzeichen
- 548 C 4513/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 16445
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:1989:0807.548C4513.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB
- § 634 BGB
- § 465 BGB
- § 467 BGB
- § 346 BGB
- § 398 BGB
Verfahrensgegenstand
Rückzahlung von Gutachtenkosten
Das Amtsgericht Hannover, Abt. 548 hat
im schriftlichen [xxxxx]
auf den [xxxxx]vom 7. 8. 89
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 517,10,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.08.1988 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, in die Wandlung des mit Herrn ..., abgeschlossenen Gutachtensvertrags betr. eine medizinisch-psychologische Untersuchung in der Untersuchungsstelle ... Verz.-Nr. ... einzuwilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin, Herr ..., hat von der durch die Beklagte betriebenen medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle in ... Gutachten anfertigen lassen. Bezüglich des Inhalts dieses Gutachtens wird auf Bl. 21-29 der Akte verwiesen. Die Untersuchungskosten in Höhe von 517,10,00 DM hat Herr ... am 12.08.1988 per Postzahlkarte vorab an die Beklagte bezahlt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.11.1988 verweigerte er die Abnahme des Gutachtens wegen mangelhafter Erstellung und verlangte zugleich die Erstellung eines neuen Gutachtens durch einen anderen Psychologen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.11.1988 Mängel am erstellten Gutachten verneint und die Erstellung eines neuen Gutachtens verweigert. Dabei hat sie zugestanden, daß Herr ... die im Gutachten enthaltene Angabe "nicht mehr als etwa einen Liter Bier zu trinken" (Bl. 3 d. Gutachtens) so nicht abgegeben hat. Herr ... hat alle seine Ansprüche gegenüber der Beklagten an seine Ehefrau abgetreten. Diese verlangt nunmehr mit der Klage die Rückzahlung der Gutachtenkosten.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß Gutachten sei mangelhaft, insbesondere behauptet sie, daß die mündlichen Angaben des Herrn ... anläßlich seiner Untersuchung teilweise falsch, rudimentär, bzw. gar nicht im Gutachten wiedergegeben seien. Sie ist der Ansicht, daß diese Exploration wörtlich hätte wiedergegeben werden müssen, um eine Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Untersuchungsergebnisses zu bewirken. Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 517,10,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.08.1988 zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, in die Wandlung des mit Herrn ..., abgeschlossenen Gutachtenvertrages betr. eine medizinisch-psychologische Untersuchung in der Untersuchungsstelle ... (MPI-Verz.-Nr. ...) einzuwilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, daß wegen der abwehrenden, oberflächlichen und pauschalisierenden Darstellung des Herrn ... ein beständiges Rück- und Nachfragen, bzw. Unterbrechungen und Konfrontationen, erforderlich gewesen sei. Aus diesem Grund sei eine wörtliche Wiedergabe der Exploration im vorliegenden Fall entbehrlich. Darüber hinaus seien die Angaben des Herrn ... vollständig und korrekt wiedergegeben worden. Die Beklagte ist der Ansicht, daß das Gutachten nachprüfbar und nachvollziehbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückerstattung der Gutachtenkosten aus §§ 631, 634, 465, 467, 346, 398 BGB.
Bei dem zwischen Herrn ... und der Beklagten abgeschlossenen Gutachtervertrag handelt es sich um einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB. (vgl. Palandt-Thomas Einf. v. § 631 Anm. 5)
Das erstellte Gutachten ist mangelhaft, da die durchgeführte Exploration nicht im Wortlaut wiedergegeben wurde. Dies ist grundsätzlich erforderlich, um den Weg zu überprüfen, auf dem der Gutachter sein Ergebnis erlangt hat. (vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot Führerscheinentzug, 5. Aufl., S. 295; VG Berlin DAR 80, S. 254). Schließlich soll das Gutachten die Entscheidung der Verwaltungsbehörde unterstützen, nicht hingegen ersetzen. Eine auszugsweise Darstellung, etwa in indirekter Rede, genügt nicht, auch sind Unterbrechungen, Pausen, etc. zwischen zwei Äußerungen des Probanden kenntlich zu machen, um scheinbare Widersprechungen oder scheinbar mißverständliche Erklärungen desselben zu vermeiden. (vgl. Himmelreich/Hentschel S. 295 f) Ein Gutachten, daß nicht über Einzelheiten der Exploration Auskunft gibt, ist mangels Nachvollziehbarkeit wertlos. (vgl. Himmelreich/Hentschel S. 288; VG Berlin a.a.O.) Die im erstellten Gutachten angefertigte Exploration ist lediglich in indirekter Rede erfolgt, die auch von der Beklagten zugestandenen Unterbrechungen und Konfrontationen sind nicht erwähnt worden. Es ist nicht auszuschließen, daß manche Angabe des Probanden im Zusammenhang mit der Fragestellung einen anderen Sinngehalt bekommt. Jedenfalls kann das Ergebnis des Gutachtens so nicht nachgeprüft werden, da eine Bewertung der Äußerungen ohne die Fragestellungen nicht möglich ist. Der Vortrag der Beklagten, daß wegen der abwehrenden, oberflächlichen und pauschalisierenden Darstellung des Herrn ... eine wörtliche Wiedergabe entbehrlich sei, ist in dieser Kürze zu unsubstantiiert. Jedenfalls kann hieraus keine Ausnahme hergeleitet werden.
Darüber hinaus ist auch die erfolgte Darstellung der Angaben des Probanden in indirekter Rede mangelhaft. Die Beklagte hat zugestanden, daß die angegebene Äußerung "nicht etwa mehr als einen Liter Bier zu trinken" nicht vom Probanden abgegeben wurde. Darüber hinaus wird ohne Über die Erkenntnisquelle Auskunft zu geben behauptet, daß Herr ... nicht zwischen Blutalkohol und Alkoholwert eines Getränkes sicher unterscheiden kann. (Bl. 3 d. Gutachtens) Hier ist eine Nachprüfbarkeit, bzw. Nachvollziehbarkeit des Gutachtens von vornherein unmöglich.
Eine Nachbesserungsfristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist gem. § 634 II BGB, wegen der Weigerung der Beklagten die Mängel anzuerkennen, entbehrlich, mithin der Wandlungsanspruch der Klägerin gegeben.
Der Anspruch der Klägerin auf Einwilligung in die Wandlung des Gutachtervertrages ergibt sich aus §§ 631, 634, 465 BGB.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 631, 634, 467, 347 S. 3, 246 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen leiten sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO her.