Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 08.09.2004, Az.: 3 U 118/03
Klage des Anlegers auf Rückzahlung seiner Einlagen als atypischer stiller Gesellschafter wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gegen die Gesellschaft und Verletzung der Aufklärungspflicht gegen den Vermittler; Grundzüge der Aufklärungspflicht bei Geldanlagen; Behördenentscheidungen und staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren als mitteilungspflichtige Umstände; Begriff des Erfüllungsgehilfen bei Anlagegeschäften; Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf die atypische Gesellschaft und Erweiterung der Haftung bei vorvertraglichem Aufklärungsverschulden
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 08.09.2004
- Aktenzeichen
- 3 U 118/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 17710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2004:0908.3U118.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 15.05.2003 - AZ: 2 O 553/02
Rechtsgrundlagen
- § 235 Abs. 1 HGB
- § 230 HGB
- § 278 BGB
Fundstellen
- BKR 2005, 36 (red. Leitsatz)
- DStR 2005, XIV Heft 6 (Kurzinformation)
- NJW 2005, X Heft 8 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 2005, 341-342 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2004, 561-563
- ZBB 2005, 57-58 (amtl. Leitsatz)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der Anlageninteressent ist über die Gefahren aufzuklären, die ihm bei der Zeichnung der Anlage typischerweise drohen. Maßstab für die Aufklärungstiefe ist dabei, was die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im konkreten Fall erwarten durfte. Auch bei der Vermittlung einer Anlage in Form der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter müssen jene Umstände deutlich werden, die den Vertragszweck gefährden und vereiteln können.
- 2.
Zu den mitteilungspflichtigen Umständen gehören auch behördliche Entscheidungen und staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren, die die Anlage berühren, da sie als wesentliche Umstände für den Entschluss eines Beitrittswilligen anzusehen sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Ansicht der Behörde im Ergebnis rechtlich unzutreffend ist.
- 3.
Ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von vorvertraglichen Pflichten wird nicht durch die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft beschränkt, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts im Sinne des § 230 HGB aufgrund eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens verpflichtet ist, den Gesellschafter so zu stellen, als hätte er sich nicht beteiligt.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 15.05.2003 abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.425,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2002 zu zahlen, die Beklagte zu 1. Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte im Zusammenhang mit dem Beteiligungsverhältnis Vertragsnummer ....
Es wird festgestellt, dass das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. durch außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 07.05.2002, der Beklagten zu 2. zugegangen am 11.05.2002, beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin - jeweils beider Instanzen - haben die Beklagten zu 76 Prozent als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 2. zu weiteren 24 Prozent allein zu tragen. Ihre sämtlichen außergerichtlichen Kosten haben die Beklagten jeweils selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert wird für den Berufungsrechtszug
- a)
für den Zeitraum bis zum 26.07.2004 einschließlich auf 30.188,60 EUR,
- b)
für die Zeit danach auf 29.690,09 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin zeichnete am 21.09.2000 eine Beteiligung an der Beklagten zu 2. als atypisch stille Gesellschafterin in Form einer Einmaleinlage in Höhe von 40.000,00 DM sowie einer Rateneinlage (300,00 DM / 360 Monate). Für die Einzelheiten des Zeichnungsscheins zu Vertragsnummer ... wird auf dessen Ablichtung (Anlage K 1/Anlagenband I) Bezug genommen. Die Beklagte zu 1. hatte die Beteiligung vermittelt. Der Umstand, dass sich die Beklagte zu 2. sowie deren Verantwortliche noch im Jahre 2000 strafrechtlichen Vorwürfen seitens des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (im Folgenden kurz: BAKred) ausgesetzt sahen, war der Klägerin im Rahmen der Vermittlungsgespräche nicht mitgeteilt worden. Auf die Anlage zahlte die Klägerin insgesamt 22.763,02 EUR ein und erhielt gewinnunabhängige Entnahmen in Höhe von 337,45 EUR.
Das Landgericht Göttingen hat die Klage mit Urteil vom 15.05.2003, auf dessen tatsächliche Feststellungen und rechtliche Bewertungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen das dem Klägervertreter am 19.05.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 17.06.2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 21.07.2003 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:
Zum Zeitpunkt der Anwerbung der Klägerin sei das System der Beklagten zu 2. bereits so weit gekippt gewesen, dass für die Klägerin keine nur halbwegs realistische Chance bestanden habe, ihr Geld jemals wiederzusehen. Deshalb sei die Beteiligung bei der Beklagten zu 2. keine taugliche Wertanlage, sondern in seiner tatsächlichen Ausprägung und Handhabung sittenwidrig gewesen.
Bereits im Vorgängersegment (gemeint ist VI) sei nichts mehr investiert worden. Die Darstellung S. 43 des Gutachtens - Anlage KB 3 - sei insofern irrelevant. Allein 437,3 Mio. DM setzten sich aus den Positionen Investitionskostenersatz und ausstehende Einlagen zusammen, die aber nicht als Investitionen, sondern als Liquidität bezeichnet werden müssten, und nicht zur Verfügung gestanden hätten. Die nachgewiesenen Vermögenswerte hätten im Wesentlichen aus Anteilen an der Beklagten zu 2. selbst bestanden und seien mit Fantasiewerten angesetzt worden. Die Bewertung der stillen Reserven sei ebenfalls willkürlich und spiegele den Börsenwert nicht wieder. Umsätze seien im Wesentlichen innerhalb des Konzerns erwirtschaftet, d. h. von den atypisch stillen Gesellschaftern bezahlt worden. Ausweislich des vorgenannten Gutachtens sei - die stillen Reserven außer Betracht gelassen - selbst bei voller Berücksichtigung der Anschaffungswerte ein Betrag von weniger als 220 Mio. DM und damit bestenfalls 43 Prozent investiert worden. Im Übrigen stelle der Erwerb von Aktien eines Tochterunternehmens nicht das dar, was den Kunden versprochen worden sei, sondern eine bloße Verschiebung von Liquidität im Konzern.
Erst recht sei im Segment VII kein Geld mehr für sinnvolle Investitionen vorhanden gewesen. Für dieses Segment seien per 31.12.2000 ausweislich einer in dem Verfahren des Landgerichts Göttingen zu 2 O 356/01 vorgelegten Aufstellung "Investitionen" in Höhe von 69 Mio. DM vorgenommen worden, wobei es sich aber offensichtlich um Kapitalverschiebungen innerhalb des Konzerns gehandelt habe. Zwischenzeitlich werde nichts mehr investiert. Vielmehr dienten die Zahlungen der atypisch stillen Gesellschafter einzig dazu, die Forderungen der P.-Insolvenzverwaltung und des laufenden Betriebs zu decken. Mit den noch ausstehenden und zum Teil sehr langfristig fließenden Mitteln ein Vermögen aufzubauen, welches der Befriedigung der Gesellschafter sowie eine angemessene Verzinsung erlaube, sei nicht möglich.
Ferner ist die Klägerin der Auffassung, sie hätte vor Zeichnung darauf hingewiesen werden müssen, dass das BAKred die Verantwortlichen der Beklagten zu 2. für unzuverlässig gehalten habe und im Jahre 2000 keine fristgerechte Hauptversammlung mehr stattfinden werde.
Auch hinsichtlich der vom Landgericht abgelehnten Haftung der Beklagten zu 1. werde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verkannt. So seien die vorgenannten Umstände anlagerelevant und der Beklagten zu 1. auch bekannt oder zumindest fahrlässig unbekannt gewesen. Gleiches gelte für den Umstand, dass der damalige Präsident des BAKred ein Ermittlungsverfahren erzwingen wollte, weil bei Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Bonität des Unternehmens gelitten hätte. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Unschuldsvermutung, weil auch solche Gesichtspunkte für die Anlageentscheidung maßgeblich seien. Wenn die Klägerin vollständig aufgeklärt worden wäre, hätte sie die Beteiligungen nicht gezeichnet.
Im Übrigen nimmt die Klägerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Die Klägerin hat den ursprünglich weitergehenden Berufungsantrag zu 1. (vgl. dazu die Berufungsbegründung, Bl. 308) hinsichtlich der Hauptforderung um 498,51 EUR unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten zu 2. bezüglich der Höhe der Klagforderung (vgl. S. 2 der Berufungserwiderung vom 10.11.2003) zurückgenommen. Sie beantragt nunmehr:
- 1.
Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.425,57 EUR nebst 5 Prozent über dem Basiszinssatz aus 21.474,26 EUR seit dem 30.10.2000 und aus dem Gesamtbetrag seit 01.07.2001 zu zahlen, gegenüber der Beklagten zu 1. Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte im Zusammenhang mit dem Beteiligungsverhältnis Vertragsnummer ....
- 2.
Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. bestehende Gesellschaftsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 07.05.2002, der Beklagten zu 2. zugegangen am 11.05.2002, erloschen ist.
Hilfsweise:
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, der Klägerin das Auseinandersetzungsguthaben per 31.12.2001 zu errechnen und im Wege der Stufenklage den sich daraus ergebenden Betrag an die Klägerin auszuzahlen.
Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1. erwidert im Wesentlichen:
Soweit die Klägerin ihr Vorbringen hinsichtlich einer abgeblichen Sittenwidrigkeit der Anlageform "aktualisiert" habe, handele es sich um unzulässigen neuen Vortrag. Das Landgericht habe zutreffend eine Verletzung der Aufklärungspflicht verneint. Insofern nimmt die Beklagte zu 1. auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Die Beklagte zu 2. nimmt ebenfalls auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug und trägt ergänzend im Wesentlichen vor:
Das Klägervorbringen zu einer fehlerhaften Risikoaufklärung sei weiterhin unsubstantiiert. Der Vortrag zu einem unterbliebenen Hinweis auf ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren sei neu und deshalb nicht zuzulassen. Im Übrigen sei nicht gegen die Beklagte zu 2., sondern gegen deren Organmitglieder ermittelt worden, und zwar zum Teil ohne Kenntnis der Betroffenen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei kein Jahresabschluss überfällig gewesen. Für den Abschluss 1999 habe lediglich das Testat gefehlt. Über Risiken aus einer negativen Berichterstattung sei auf S. 115 des Prospektes informiert worden.
Die Angaben der Klägerin zur Berechnung von Investitionsquoten würden bestritten. So habe das Gutachten keine Relevanz für diesen Rechtsstreit, da es sich nicht mit der Beklagten zu 2. beschäftige. Hinsichtlich der Investitionen verweist die Beklagte zu 2. auf die Feststellungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig im Rahmen ihrer Einstellungsverfügung sowie auf ihre Darstellung im Rahmen der Klageerwiderung und das Sachverständigengutachten der B. vom 14.02.1996 nebst Nachtrag vom 20.05.1998. Auch mit der Berufung werde nicht substantiiert vorgetragen.
Die Bewertung der Unternehmensbeteiligungen sei falsch. Die Unternehmenswerte lägen bei den im Gutachten dargestellten Anlagen - insbesondere in Bezug auf die Beklagte zu 2. - teilweise über, teilweise unter den Anschaffungskosten, insgesamt aber darüber. Nur bei Einstellung der für Investitionen verwendbaren, ausstehenden Einlagen und des Emissionskostenersatz in die Bilanz werde die zeitliche Verschiebung eliminiert, die dadurch entstehe, dass im Rahmen des Steigermodells die Emissionskosten sofort anfallen, der Ersatz für "Steiger" und Einzahlungen stiller Gesellschafter aber erst wesentlich später. Eine rein stichtagsbezogene Betrachtung liefere deshalb eine falsches Bild, weise insbesondere eine viel zu hohe Kostenbelastung auf. Auch seien in erheblichen Umfang Immobilien und Beteiligungen an Unternehmen erworben worden, die nicht zum Konzern der ... gehörten. Die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht veröffentlichten Quoten habe diese aufgrund von Zahlen errechnet, die nicht von der Beklagten zu 2. stammten. Im Übrigen habe die Anstalt für das Segment VII eine Deckungsquote von 75 Prozent ermittelt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25.08.2004 verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig und in ganz überwiegendem Umfang auch begründet.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz in zuerkannter Höhe wegen Verschuldens bei Vertragsschluss - hinsichtlich der Beklagten zu 2. in Verbindung mit § 278 BGB -, weil seitens der Beklagten zu 1. im Rahmen der Vermittlung der Beteiligungen vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt wurden.
Im Einzelnen:
a)
Die Klägerin ist vor Zeichnung ihrer Beteiligungen an der Beklagten zu 2. nicht ausreichend aufgeklärt worden.
Eine Aufklärungspflicht bestand hinsichtlich der Vorwürfe des Präsidenten des BAKred und der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig, und zwar auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zeichnung im September 2000.
Der Anlageinteressent ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Gefahren aufzuklären, die ihm bei der Zeichnung der Anlage typischerweise drohen. Maßstab für die Aufklärungstiefe ist dabei, was die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im konkreten Fall erwarten durfte (BGH NJW 1989, 763, 764 [BGH 13.07.1988 - VIII ZR 224/87]; NJW-RR 1991, 439, 440) [BGH 13.12.1990 - III ZR 333/89]. Auch bei der Vermittlung einer Anlage in Form der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter, mithin einer unternehmerischen Beteiligung, müssen jene Umstände deutlich werden, die den Vertragszweck gefährden und vereiteln können, so dass sich der Anlageinteressent die Risiken zumindest in groben Zügen veranschaulichen kann (vgl. zum Maßstab der Aufklärungspflichten zuletzt das noch nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 19.07.2004 zu II ZR 354/02).
Daher sind Behördenentscheidungen - wie im vorliegenden Fall die Vorwürfe des damaligen Präsidenten des BAKred und die damit verbundenen staatsanwaltlichen Ermittlungen -, die die Anlage berühren, grundsätzlich als für den Entschluss eines Beitrittswilligen wesentliche Umstände anzusehen und ihm mitzuteilen (vgl. BGH WM 1988, 48, 50; OLG Köln WM 1982, 23, 24; OLG Düsseldorf, MDR 1985, 1024 [OLG Düsseldorf 18.04.1985 - 8 U 162/84]; Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 4. Auflage, vor § 275 Rn. 137 für Bedenken der Finanzverwaltung), und zwar selbst dann, wenn die Ansicht der Behörde im Ergebnis rechtlich unzutreffend ist.
Zwar war zum Zeitpunkt der Zeichnung die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Vorwürfen des damaligen Präsidenten des BAKred bereits nachgegangen und am 10.11.1999 nach Auswertung von Prüfberichten und gerichtlicher Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verdacht, der zu weiteren Ermittlungen berechtige, nicht bestehe (vgl. Antwort der Landesregierung vom 26.06.2000, LT-Drucksache 14/1738, Anlage B 3 / Anlagenband II). Wie sich aus der vorgenannten Antwort der Landesregierung jedoch auch ergibt, sind die (Vor-) Ermittlungen anschließend aufgrund eines Schreibens des Präsidenten des BAKred vom 18.01.2000 und der darin enthaltenen neuen Tatsachen zunächst fortgesetzt worden.
Dass die Ermittlungen schließlich mit Verfügung vom 20.09.2002 erneut eingestellt worden sind, lässt keine andere rechtliche Bewertung zu. Zum einen ist die Tatsache, dass strafrechtlich relevanten Vorwürfen in Bezug auf die betreffende Anlagekonzeption weiter nachgegangen wird, für den Anleger grundsätzlich von Bedeutung. Zum anderen soll der Anleger durch eine Aufklärung über die Ermittlungen gerade in die Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden, ob er die Tatsache zum Anlass nehmen will, von einer Zeichnung Abstand zu nehmen.
Der Vortrag der Klägerin zu den betreffenden Vorwürfen ist bereits in erster Instanz hinreichend substantiiert worden. Es hat sich um auch für die Beklagten bekannte tatsächliche Zusammenhänge gehandelt, zu denen sie sich haben erklären können und erklärt haben (vgl. S. 16 f. der Klageerwiderung der Beklagten zu 2.). Im Übrigen hat auch das Landgericht den betreffenden Vortrag S. 42 der Klageschrift zutreffend zugeordnet und im Rahmen des angegriffenen Urteils rechtlich gewürdigt. Mit ihrem klarstellenden, ergänzenden Vortrag im Rahmen der Berufung ist die Klägerin nicht ausgeschlossen.
b)
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin hätte sie die Beteiligungen nicht gezeichnet, wenn sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Im Übrigen spricht die Lebenserfahrung dafür, dass die fehlerhafte Aufklärung auch ursächlich für die Anlageentscheidung geworden ist (vgl. BGH NJW 2000, 3346, 3347 [BGH 29.05.2000 - II ZR 280/98] m.w.N. für Prospektfehler).
c)
Die Beklagte zu 2. muss sich die im Sinne des § 276 BGB schuldhafte - nämlich fahrlässige - Pflichtverletzung der Beklagten zu 1. gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.
Als Erfüllungsgehilfe im Sinne der Norm ist anzusehen, wer nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (BGH NJW 1996, 451 f. [BGH 24.11.1995 - V ZR 40/94]). Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass jeder Schuldner für seinen Geschäfts- und Gefahrenkreis gegenüber seinen Gläubigern verantwortlich ist und dass hierzu auch die Tätigkeit seiner Hilfspersonen gehört (BGHZ 62, 119, 124) [BGH 08.02.1974 - V ZR 21/72]. Wer den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, soll auch deren Nachteile tragen, nämlich das Risiko, dass der an seiner Stelle handelnde Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt (BGHZ 95, 128, 132) [BGH 27.06.1985 - VII ZR 23/84].
Dies gilt auch im Hinblick auf die Tätigkeit der Beklagten zu 1. bei der Vermittlung der hier streitgegenständlichen Verträge.
d)
Die Klage ist bezüglich der Hauptforderung in zuerkannter Höhe begründet. Die Klägerin kann verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie die Beteiligungen an der Beklagten zu 2. nicht gezeichnet hätte, ohne dass es darauf ankommt, ob die Investition tatsächlich werthaltig ist (vgl. zuletzt BGH, S. 5 des Urteils vom 19.07.2004 zu II ZR 354/02).
aa)
Bislang ist der Senat in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf die atypisch stille Gesellschaft Anwendung finden, und zwar mit der Folge, dass den Gesellschaftern bei Fehlern anlässlich der Begründung der Mitgliedschaft lediglich ein Anspruch auf eine Beendigung der Gesellschaft bzw. eine gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung nach § 235 Abs. 1 HGB zusteht, nicht jedoch ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlagen (vgl. insbesondere die Urteile vom 03.09.2003 zu 3 U 252/02, abgedruckt in OLGR Braunschweig 2004, 16 ff., sowie zu 3 U 140/02, abgedruckt u.a. in ZIP 2003, 1793 ff. [OLG Braunschweig 03.09.2003 - 3 U 140/02]).
Dabei hat sich der Senat insbesondere auch von der Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24.05.1993 - abgedruckt in NJW 1993, 2107 f. - leiten lassen. Dort heißt es u.a.: "Der Kläger wird auch nicht durch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für alle Formen der stillen Gesellschaft gelten (...), an der sofortigen Geltendmachung dieses Rückgewähranspruchs gehindert. Diese Grundsätze verbieten lediglich eine rückwirkende Auflösung des Vertragsverhältnisses, hindern aber nicht seine sofortige Abwicklung nach außerordentlicher Kündigung. (...); er kann vielmehr die sofortige Auseinandersetzung nach § 235 HGB verlangen."
bb)
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nun - unter Bezugnahme auf seine vorgenannte Entscheidung - mit Urteil vom 19.07.2004 festgestellt, dass ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von vorvertraglichen Pflichten jedenfalls dann nicht durch die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft beschränkt wird, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Inhaber des Handelsgeschäfts im Sinne des § 230 HGB aufgrund eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens verpflichtet ist, den Gesellschafter so zu stellen, als hätte er sich nicht beteiligt (S. 7 des genannten Urteils).
cc)
Die Klägerin hat danach Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der von ihr gezahlten Einlagebeträge inklusive des Agios abzüglich der Entnahmen, mithin insgesamt 22.425,47 EUR. Dem entspricht die mit der Klage nun noch geltend gemachte Hauptforderung, nachdem die Klage in der Berufungsinstanz unter Berücksichtigung von Einwendungen der Beklagtenseite zur Höhe zum Teil zurückgenommen worden ist.
2.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Verzugszinsen folgt in zuerkanntem Umfang aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Hinsichtlich der Zinsforderung ist die Klage im Übrigen unbegründet und die Berufung zurückzuweisen. Es fehlt Vortrag der Klägerin zu einem weitergehenden Verzugsschaden. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es insofern nicht, da nur die Nebenforderung betroffen ist, § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO.
3.
Antragsgemäß ist die Verurteilung der Beklagten zu 1. nur Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungsrechte auszusprechen.
4.
Außerdem ist festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. bestehende Gesellschaftsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 07.05.2002, der Beklagten zu 2. zugegangen am 11.05.2002, beendet worden ist. Auf die Ausführungen zu Ziffer II.1 wird Bezug genommen. Aufgrund der mangelhaften Aufklärung vor Zeichnung der Anlage war die Klägerin berechtigt, außerordentlich zu kündigen.
III.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 100 ZPO. Die Klage hat im Wesentlichen Erfolg, soweit sie nicht bereits zurückgenommen worden ist. Für den Umfang der jeweiligen Kostenhaftung ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich der Feststellungsantrag zu 2. nur im Verhältnis zur Beklagten zu 2. werterhöhend auswirkt.
2.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
3.
Der Gebührenwert ist nach § 14 Abs. 1 GKG festzusetzen. Für den Antrag zu 1. bestimmt er sich nach dem jeweils geforderten Betrag (22.924,08 EUR bzw. 22.425,57 EUR). Bezüglich des Feststellungsantrags zu 2. ist zu differenzieren. Hinsichtlich der Einmaleinlage ist der Wert mit einem Pauschalbetrag von 500,00 EUR zu bemessen. Soweit darüber hinaus auch eine Ratenzahlungsverpflichtung besteht, ist der Wert nach § 9 GKG zu bestimmen (161,06 EUR x 42 = 6.764,52 EUR). Der Hilfsantrag führt nicht zu einer Erhöhung des Wertes, da § 19 Abs. 1 S. 3 GKG Anwendung findet.
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen.
Nachdem der Bundesgerichtshof mit seinem bereits dargestellten Urteil vom 19.07.2004 über die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entschieden hat, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung, die keine Rechtsfrage betrifft, die nicht bereits geklärt ist.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin - jeweils beider Instanzen - haben die Beklagten zu 76 Prozent als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 2. zu weiteren 24 Prozent allein zu tragen. Ihre sämtlichen außergerichtlichen Kosten haben die Beklagten jeweils selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert wird für den Berufungsrechtszug
- a)
für den Zeitraum bis zum 26.07.2004 einschließlich auf 30.188,60 EUR,
- b)
für die Zeit danach auf 29.690,09 EUR festgesetzt.