Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.05.1981, Az.: 1 OVG A 235/80

Baugenehmigung für eine Garage; Verletzung des Abwägungsgebotes durch Festsetzungen eines Bebauungsplanes; Nachträgliche Änderung eines Bebauungsplans; Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BBauG 1976/1979 ; Wegfall eines "Sichtdreiecks"

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.05.1981
Aktenzeichen
1 OVG A 235/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 12949
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1981:0512.1OVG.A235.80.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - AZ: 8 A 319/79

Verfahrensgegenstand

Erteilung einer Baugenehmigung.

Prozessführer

des Kaufmanns ...

Prozessgegner

den Landrat des Kreises ...

Sonstige Beteiligte

Gemeinde ...

Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts
für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 1981 in ...
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz und
Petter
sowie die ehrenamtlichen Richter Gebel und
Kraft in Westerland
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - VIII. Kammer - vom 5. September 1980 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 1979 und sein Widerspruchsbescheid vom 5. November 1979 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Baugenehmigung entsprechend dem Bauantrag vom 3. Februar 1979 zu erteilen.

Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegenüber dem Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Hohe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger, der Eigentümer des ca. 60 qm großen Eckgrundstücks Flurstück 61/119 der Flur 8 Gemarkung ... in ... ist, begehrt die Baugenehmigung für eine Garage auf diesem Grundstück.

2

Das Baugrundstück liegt auf der Nordseite der in offener Bauweise mit Wohnhäusern bebauten ... Straße, die von der ... Straße nach Osten abzweigt, hinter dem Grundstück des Klägers rechtwinklig nach Norden abknickt und ringförmig zurückführt. Westlich vom Grundstück des Klägers liegen fünf Garagen mit einer ca. 17 m langen Front zur Straße, die einen Abstand von 6,2 m im Westen bis zu 4,2 m im Osten von der Straße einhalten. Die ... Straße, die eine Fahrbahnbreite von ca. 3,4 m mit 1 m breitem Gehweg aufweist, ist nur für den Anliegerverkehr freigegeben und Einbahnstraße in Östlicher Richtung (vor dem Grundstuck des Klägers). 60 m nördlich vom Grundstück des Klägers liegt an der ringförmig verlaufenden ... Straße eine knapp 38 m lange Garagenzeile mit neun Garagen.

3

Für das Grundstück des Klägers ist im Bebauungsplan Nr. 3 der beigeladenen Gemeinde die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern festgesetzt. Die übrigen Grundstücke an der ... Straße sind entsprechend der vorhandenen Bebauung als reines Wohngebiet, bzw. Gemeinschaftsgaragen festgesetzt. Unter der Überschrift "Gestaltung: der baulichen Anlagen" setzt der Bebauungsplan weiter folgendes fest:

Auf den Grundstücken mit Reetdachbebauung und festgesetzter maximaler Grundfläche sind nur Erdgaragen zulässig. Sie dürfen einschließlich der Erdabdeckung nicht mehr als einen Meter über die festgelegte Gebäudeoberfläche hinausragen und sind seitlich anzuschütten.

4

1976 beantragte der Kläger einen Vorbescheid für die Errichtung einer Garage. Der Beklagte versagte die Genehmigung, weil vor der Garage ausreichender Stauraum fehle und die Garage in der Innenkurve die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtige. Mit Urteil vom 24. Oktober 1978 (I OVG A 143/77) hat der Senat den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, den Antrag des Klägers nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, weil die Garage bodenrechtlich zulässig sei, und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtige, der Beklagte aber noch nicht geprüft habe, ob eine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GarVO vom Erfordernis eines 6 m tiefen Stauraumes gewährt werden könne.

5

Mit Bauantrag vom 3. Februar 1979 beantragte der Kläger die Baugenehmigung für eine 5,5 m lange und 3 m breite Garage, die um ca. 1 m hinter die Front der vorhandenen Garagenreihe zurückspringt. Die Garage soll einen Abstand von 3 m bis 3,5 m von der Straße einhalten. Mit Bescheid vom 30. Mai 1979 versagte der Beklagte die Baugenehmigung, weil der Planungsverband Insel ... für den Bereich des künftigen Bebauungsplanes Nr. 3 eine Veränderungssperre beschlossen habe und das Vorhaben den Festsetzungen des künftigen Planes widerspreche. Den Widerspruch des: Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 1979 zurück.

6

Mit der am 4. Dezember 1979 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, im Zeitpunkt der Antragstellung hätte ihm die Genehmigung nach § 34 BBauG erteilt werden müssen. Der ursprüngliche Bebauungsplan habe sein Grundstück nicht als Grünfläche ausgewiesen. Diese Festsetzung sei erst später aus prozeßtaktischen Gründen in den Bebauungsplan aufgenommen worden.

7

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 1979 und seinen Widerspruchsbescheid vom 5. November 1979 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Baugenehmigung gemäß dem Bauantrag vom 3. Februar 1979 zu erteilen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er hat entgegnet, der ausgelegte Entwurf des Bebauungsplanes habe das Grundstück des Klägers als Grünfläche festgesetzt. Diese Festsetzung schließe die Zulassung einer Garage aus.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 5. September 1980, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

11

Gegen das ihm am 14. Oktober 1980 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. November 1980 eingegangene Berufung des Klägers. Er hält daran fest, daß die Festsetzung für sein Grundstück nachträglich geändert worden sei. Die Pflicht zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern sei sinnlos, Weil das Seeklima derartige Anpflanzungen nicht zulasse. Die ... Straße sei aber auch so weitläufig bebaut, daß eine zusätzliche einzelne Grünfläche von 60 qm keinen Sinn habe.

12

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.

13

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er entgegnet, der Bebauungsplan sei wirksam. Wegen der Festsetzung der ... Straße als Einbahnstraße im Bebauungsplan könne auf ein Sichtdreieck verzichtet werden. Im übrigen seien in diesem Gebiet Garagen nur als Erdgaragen zulässig.

15

Die beigeladene Gemeinde schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

16

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Der Senat hat das Grundstück des Klägers und seine Umgebung besichtigt. Auf das Protokoll über die Ortsbesichtigung vom 12. Mai 1981 wird Bezug genommen.

17

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg, weil die Festsetzung des Bebauungsplanes für das Grundstück des Klägers unwirksam ist.

18

Die Rügen des Klägers zur formellen Gültigkeit des Bebauungsplanes greifen nicht durch: Die Behauptung, der Bebauungsplan sei "nachträglich" zu Ungunsten des Klägers geändert worden, läßt nach den vorgelegten Erklärungen des Herrn ... und der Frau ... keinen Verfahrensfehler erkennen. Beide haben nämlich bekundet, daß der nach § 2 a Abs. 6 BBauG 1976 ausgelegte Entwurf des Bebauungsplanes das Grundstück des Klägers als Grünfläche festsetzte, während ein im Gemeindebüro an der Wand hängender Plan diese Festsetzung nicht enthalten haben soll. Da es für die Frage des ordnungsgemäßen Verfahrens nicht auf interne Arbeitsunterlagen ankommt, sondern nur auf die Festsetzungen des ausgelegten Bebauungsplanentwurfs, läßt sich ein Verfahrensfehler aus diesem Sachverhalt nicht herleiten.

19

Die Festsetzung des Bebauungsplanes für das Grundstück des Klägers widerspricht aber dem Abwägungsgebot, so daß die Frage offenbleiben kann, ob die Begründung des Bebauungsplanes Auskunft über seine Ziele und Zwecke gibt oder sich nur in der textlichen Wiedergabe der zeichnerischen Festsetzungen erschöpft. Nach § 1 Abs. 7 BBauG 1976, der die vom Bundesverwaltungsgericht zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze komprimiert wiedergibt, sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Abwägungsverbot verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie hätte eingehen müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - 4 C 105/66 - BVerwGE 34, 301; Urt. v. 05.07.1974 - 4 C 50.72 - DVBl 1974, 767[BVerwG 05.07.1974 - IV C 50/72]; Urt. v. 01.11.1974 - 4 C 38.71 - DVBl 1975, 492). Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belanges entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 und 01.11.1974, a.a.O.).

20

Es kann offenbleiben, ob die Festsetzung des Grundstücks des Klägers im Bebauungsplan eine Reaktion des Planungsverbandes Insel ... auf die Bauvoranfrage des Klägers war; denn es ist grundsätzlich nicht zu mißbilligen, wenn der Planungsträger Bauwünsche zum Anlaß nahm, einen Bebauungsplan mit anderer Zielsetzung zu erlassen.

21

Den Verfahrensakten über den Bauleitplan läßt sich allerdings nicht entnehmen, warum für das Grundstück des Klägers die Festsetzung "Pflicht zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern" getroffen worden ist. Daß die Begründung des Bebauungsplanes zu der Festsetzung für das Grundstück des Klägers keine Aussage trifft, ist allerdings unschädlich, weil die Begründung - sowohl des Planentwurfs als auch des als Satzung beschlossenen Bebauungsplanes - nur zu den zentralen Regelungen des Bebauungsplanes die gemeindliche Motivation darzulegen braucht (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1971 - 4 C 76.68 - DVBl 1971, 759/762; Urt. v. 05.07.1974, a.a.O.). Umsomehr hätte freilich erwartet werden dürfen, daß die Antwort des Planungsverbandes Insel ... auf die Bedenken des Klägers in seinem Schreiben vom 5. Dezember 1977 einen begründenden Hinweis enthält und sich nicht in der Feststellung erschöpft, "die Anpflanzungspflicht auf dem Flurstück 61/119 bleibt bestehen". Der Kläger hatte in seinen Bedenken unter anderem darauf hingewiesen, daß angesichts der Durchgrünung des Wohngebietes an der Bremer Straße kein öffentliches Interesse an einer ca. 60 qm großen Grünanlage bestehe und daß der Bebauungsplan im übrigen auch keine vergleichbare Grünanlage aufweise.

22

Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BBauG 1976/1979 sollen es ermöglichen, einem Baugebiet einen bestimmten Charakter zu geben oder Wohngebiete vor Immissionen abzuschirmen oder einen angemessenen Übergang zur freien Landschaft zu gewährleisten (vgl. Kohlhammer/Grauvogel, BBauG, Stand Juli 1980, § 9 Anm. II 25 c; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Stand Juni 1980, § 9 Rdn. 83). Hier kommt nur die erste Zielsetzung in Betracht: Das Wohngebiet der Bremer Straße wird durch eine lockere Reetdachbebauung auf großen Grundstücken geprägt, die mit den auf ... üblichen Friesenwällen eingefriedet und mit niedrigen Kiefern oder Heckenrosen bewachsen sind. In einem solchen gefälligen Wohngebiet kann es grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn eine Garagenzeile durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan "eingegrünt" werden soll. Stünde diese Absicht hinter der Festsetzung für das Grundstück des Klägers, müßten aber beide Garagenzeilen an der Bremer Straße derart eingegrünt werden, weil allein die "Eingrünung" einer Schmalseite von zwei Garagenzeilen für den Charakter des Wohngebietes "nichts bringt". Anders könnte es lediglich sein, wenn die Schmalseite der Garagenzeile zum Grundstück des Klägers besonders störend wirken würde oder auf den anderen Seiten bereits eine entsprechende Eingrünung vorhanden wäre (obgleich dann Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BBauG nahegelegen hätten). Beides ist jedoch nicht der Fall. Bei der Fahrtrichtung der Einbahnstraße Bremer Straße fällt die dem Grundstück des Klägers zugewandte Stirnseite der Garagenzeile am wenigsten auf. Auch für den Fußgänger, der sich auf der Straße bewegt, ist diese Schmalseite am unauffälligsten, weil sie parallel zu der abknickenden ... Straße steht. Unter diesen Umständen erscheint die Festsetzung willkürlich, weil das hinter der Festsetzung stehende Ziel nur punktuell auf dem Grundstück des Klägers verfolgt wird und nicht durch gängig auf den anderen Grundstücken, die an die Garagenzeile grenzen.

23

Es kommt hinzu, daß die Festsetzung "Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern" auf dem Eckgrundstück auch deshalb in hohem Maße unangemessen ist, weil damit für den Verkehrsteilnehmer auf der Innenkurve der ... Straße die Übersicht völlig genommen wird. Gegen die vom Kläger geplante Garage, die ca. 1 m hinter die Garagenreihe zurücktritt, und von der ... Straße im Süden einen Abstand von im Mittel 3,5 m, von der Bremer Straße im Osten einen Abstand von ca. 4 m hält, hat der Beklagte früher - im Widerspruchsbescheid vom 4. November 1976 - Bedenken geltend gemacht, weil durch sie die Sichtverhältnisse an dieser Innenkurve eingeschränkt würden. Der Senat ist im Urteil vom 24. Oktober 1978 dieser Argumentation nicht gefolgt, weil die Garage das Sichtdreieck nur unwesentlich verkleinere. Der Bebauungsplan setzt jedoch für das ganze Grundstück des Klägers bis an die Straße heran die Pflicht zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern fest: damit wird das Sichtdreieck nicht nur eingeschränkt, sondern es fällt völlig weg. Der Hinweis des Beklagten, die Festsetzung der ... Straße als Einbahnstraße habe zu einer Änderung der Rechtslage geführt, greift nicht durch. Abgesehen davon, daß die Bremer Straße bereits damals Einbahnstraße war, findet die entsprechende Festsetzung des Bebauungsplans in § 9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG keine Grundlage. Die Situation wird noch dadurch verschärft, daß der Bebauungsplan hinter der Kurve auf der linken Seite der Straße öffentliche Parkplätze vorsieht, die wenige Meter hinter der - in Fahrrichtung gesehen - Linkskurve die Fahrbahn der ... Straße einengen. Die Parkplätze hinter der Kurve sind für den Benutzer der Bremer Straße bis zur Kurve unsichtbar, wenn die Festsetzung des Bebauungsplanes auf dem Grundstück des Klägers verwirklicht wird. Der Bebauungsplan muß aber den Belangen des Verkehrs Rechnung tragen und kann insoweit sogar die bauliche Ausnutzung der Grundstücke stärker einschränken, als dies allein aus Gründen der Gefahrenabwehr möglich wäre (vgl. zur Problematik des Störers in den "Sichtdreiecksfällen" Urt. d. Sen. v. 24.11.1961 - I OVG A 123/60 - OVGE 17, 447). Der Bebauungsplan darf aber nicht hinter den Anforderungen des Polizeirechts zurückbleiben. Würde - wie hier - mit der Verwirklichung des Bebauungsplanes eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit entstehen, sind die Belange des Verkehrs, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs mit einschließen, bei der Abwägung zu kurz gekommen oder unberücksichtigt geblieben. Dieser Abwägungsfehler betrifft - ebenso wie die "Eingrünung" nur einer Stirnseite einer Garagenzeile - das Abwägungsergebnis, so daß sich die Frage nach der Offensichtlichkeit des Fehlers im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 2. BBauG 1979 nicht stellt.

24

Die textliche Festsetzung des Bebauungsplanes, daß auf den Grundstücken mit Reetdachbebauung und nur Erdgaragen zulässig sind, die nicht mehr als einen Meter über die festgesetzte "Gebäudeoberfläche" (richtig wohl: Geländeoberfläche) hinausragen, ist für das Grundstück des Klägers nicht einschlägig. Der Bebauungsplan gibt das Grundstück des Klägers bereits als selbständiges Grundstück und nicht als Bestandteil eines heute benachbarten Grundstücks als Reetdach wieder. Ob es sich bei dem Grundstück Flurstück 61/119 um ein Buchgrundstück im Sinne des BGB handelt, kann offenbleiben. Sollte es mit dem Hausgrundstück des Klägers ein Buchgrundstück bilden, wäre die Festsetzung - wie der Senat im Urteil vom 29.04.1980 - 1 OVG A 55/79 - dargelegt hat, gleichwohl unwirksam:

"Denkbare Grundlage (der Festsetzung) könnte § 9 Abs. 3 BBauG sein. Sie gestattet aber nur Festsetzungen für einzelne Geschosse einer baulichen Anlage unterhalb der Geländeoberfläche, nicht aber die isolierte Festsetzung einer baulichen Anlage insgesamt unterhalb der Geländeoberfläche. Hiervon abgesehen bedarf es der Rechtfertigung durch besondere städtebauliche Gründe ..."

25

Die Errichtung der vom Kläger geplanten Garage beurteilt sich nach alledem nach § 34 BBauG. Die Zulässigkeit nach dieser Vorschrift hat der Senat im Urteil vom 24. Oktober 1978 dargelegt. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Ausnahme vom Erfordernis eines mindestens 6 m tiefen Stauraums nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Garagenverordnung vom 05.06.1975 (GVOBl. S. 127) für den Fall erteilt hat, daß sonstige rechtliche Hindernisse nicht bestehen, war der Beklagte zur Erteilung einer Baugenehmigung zu verpflichten.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

27

Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil er weder über klärungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet, die revisibel sind, noch von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§§ 132, 137 VwGO).

Streitwertbeschluss:

Beschluß

Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 5. September 1980 für beide Rechtszüge auf 3.000,00 DM festgesetzt.

Schilling Schmaltz Petter

Schilling Schmaltz Petter