Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 16.07.2020, Az.: 8 U 114/18
Schadensersatz aus übergegangenem Recht wegen einer Pflichtverletzung aus einem Notrufdienstleistungsvertrag; Nichteingreifen einer Beweislastumkehr; Anscheinsbeweis für eine rechtzeitige Verfolgung und Ergreifung von Tätern samt Beute
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 16.07.2020
- Aktenzeichen
- 8 U 114/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 35469
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2020:0716.8U114.18.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 13.09.2018 - AZ: 8 O 250/17
Rechtsgrundlage
- § 286 ZPO
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die im Rahmen eines Notrufdienstleistungsvertrages begründete Pflicht des Bewachungsunternehmens, die Polizei über die Wegnahme einer Geldkassette aus einem Geldautomaten zu benachrichtigen, dient nicht nur dem Zweck, den Diebstahl der Geldkassette zu verhindern, sondern auch den bereits begonnenen Einbruchsdiebstahl zu entdecken und die Täter zu verfolgen und zu ergreifen.
- 2.
Die Beweislastumkehr gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB analog greift nicht zugunsten des Vertragspartners des Bewachungsunternehmens ein, wenn durch die Alarmanlage nicht der Zugang zum Geldautomaten verhindert, sondern die Polizei nur über die stattgefundene Wegnahme des Gelds informiert werden soll.
- 3.
Gelingt es dem Vertragspartner des Bewachungsunternehmens zu beweisen, dass die Einsatzkräfte der Polizei durch das Unterbleiben der Alarmierung am Erreichen des Tatortes zu der Zeit gehindert wurden, zu der sich die Täter mit der Beute noch vor Ort befanden und hätten ergriffen werden können, so streitet der Anscheinsbeweis dafür, dass die rechtzeitige Verfolgung und Ergreifung der Täter samt Beute erfolgt wäre.
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 13.09.2018 - Az.: 8 O 250/17 -, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 79.495,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2017 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Inanspruchnahme der Rechtsanwälte H. & Collegen in Höhe von 1.752,90 € freizustellen.
- 3.
Die weitere Klage wird abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin 17 % und die Beklagte 83 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Wert des Streitgegenstandes im Berufungsrechtszug wird auf die Wertstufe bis 110.000,- € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Klägerin macht Schadensersatz aus übergegangenem Recht wegen einer Pflichtverletzung aus einem Notrufdienstleistungsvertrag geltend.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (LGU Seiten 2 - 5, Bl. 57 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus § 86 VVG i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 611 BGB zustehe. Der Beklagten sei zwar eine Pflichtverletzung des zwischen ihr und der V.-Bank bestehenden Notrufdienstleistungsvertrages zur Last zu legen, da sie es unterlassen habe, die Polizei nach der um 03:48 Uhr empfangenen Meldung zu alarmieren. Allerdings habe es die Kammer nicht vermocht, mit der nach § 286 ZPO gebotenen Überzeugung festzustellen, dass der der Klägerin entstandene Schaden adäquat kausal auf der Pflichtverletzung der Beklagten beruht habe. Es stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Polizei nach Weiterleitung der um 03:48 Uhr abgesetzten Alarmmeldung die Täter auf frischer Tat ertappt und daran hätte hindern können, mit der Beute zu fliehen. Dabei seien die Schäden an dem Gebäude und der Inneneinrichtung außer Betracht zu lassen, weil sie zum Großteil bereits im Zuge des Einbruchs und damit zwingend zeitlich vor dem Absetzen der Alarmmeldung durch den Geldautomaten entstanden seien und auch nicht durch ein zeitnahes Eintreffen der Einsatzkräfte der Polizei hätten verhindert werden können. Im Hinblick auf das gestohlene Bargeld bestehe zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die Polizei bei einer Weiterleitung der Alarmmeldung von 03:48 Uhr noch rechtzeitig am Tatort eingetroffen wäre und die Täter angetroffen hätte. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Polizei bei ihrer (späteren) Alarmierung durch den Lkw-Fahrer nur 5 Minuten gebraucht habe, um zum Tatort zu gelangen. Diese Wahrscheinlichkeitsbetrachtung stelle aber keine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeitsprognose dar. Man müsse die offenkundige Professionalität der Täter berücksichtigen, die innerhalb weniger Augenblicke vom Tatort hätten fliehen können. Auch bestehe eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die Täter es bei einer früheren Alarmierung der Polizei hätten schaffen können, mit einem Teil bzw. mit dem gesamten entwendeten Bargeldbestand zu entkommen. Auch sei nicht auszuschließen, dass der vom Lkw-Fahrer beschriebene Mittäter, der in dem Fluchtfahrzeug gewartet habe, die Beute bereits in seinem Besitz gehabt habe und mit ihr vor dem Eintreffen der Polizei hätte entkommen können. Auch könne es nicht als feststehend angenommen werden, dass die Polizei auch nach einer zeitnahen Alarmierung nach dem Eingang der Meldung von 03:48 Uhr rechtzeitig am Tatort erschienen wäre. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Einsatzfahrzeuge zu diesem Zeitpunkt räumlich weiter entfernt von dem späteren Tatort aufgehalten haben könnten als zu dem Zeitpunkt der Absetzung des Notrufes durch den Lkw-Fahrer um 04:04 Uhr. Dies sei zu berücksichtigen, da es auf jede einzelne Minute angekommen sei. Außerdem sei auch dem Mitarbeiter der Beklagten eine gewisse Reaktionszeit zuzubilligen gewesen. Diesem hätte es nach dem Leistungskatalog des Notrufdienstleistungsvertrages auch freigestanden, zuerst nicht die Polizei, sondern einen Mitarbeiter der V.-Bank zu informieren. Zu Gunsten der Klägerin streite auch kein Anscheinsbeweis. Es liege kein typischer Geschehensablauf vor. Eine Alarmierung der Polizei nach erfolgter Inbesitznahme der Beutegegenstände habe nicht ganz typischerweise zur Folge, dass die am Tatort eintreffenden Polizeibeamten die Beute noch sicherstellen können. Im Übrigen komme auch ein alternativer Sachverhalt ernsthaft in Betracht, so dass ein Anscheinsbeweis nicht infrage komme. Auch könne die Rechtsprechung nicht herangezogen werden, wonach bei Verletzung von sog. "Kardinalpflichten" aus Bewachungsverträgen bei nachfolgenden Diebstahlsschäden aus Billigkeitsgründen ein Anscheinsbeweis zugunsten des Geschädigten anzunehmen sei. Diese Entscheidungen hätten jeweils Konstellationen betroffen, die im Vergleich zum streitgegenständlichen Fall anders gelagert seien. So sei es bei der Entscheidung des OLG München vom 10.06.1958 (4 U 71/58) um einen Bewachungsdienst gegangen, welcher nächtliche Rundgänge durchzuführen gehabt habe. Bei derartigen Rundgängen hätten die Täter tatsächlich vor der Inbesitznahme der Beute überrascht werden können, was hier nicht der Fall gewesen sei. Es sei zu berücksichtigen, dass einem Notrufdienstleistungsvertrag ein vergleichsweise niedriges Schutzniveau zukomme, da sich regelmäßig ein sehr kurzer Zeitraum ergebe, um den endgültigen Schadenseintritt abwenden zu können, da die Inbesitznahme der Beute zum Zeitpunkt des Empfangs der Alarmmeldung des Geldautomaten bereits stattgefunden haben müsse. Bei einer derart strukturierten und zu vergütenden Dienstleistung könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Diebstahlsschaden in jedem Fall bei korrekter Weiterleitung der Meldung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet werden könne. Das OLG Hamburg habe in seiner Entscheidung vom 21.11.2001 (8 U 12/01) zwar auch über eine Pflichtverletzung wegen einer nicht weitergeleiteten Alarmmeldung zu entscheiden gehabt - es habe seine Entscheidung aber auf eine analoge Anwendung des damals noch geltenden § 282 BGB a. F. gestützt. Diese Norm sei aber im Rahmen der Schuldrechtsreform ersatzlos gestrichen worden. Auch eine Beweislastumkehr aufgrund der möglicherweise groben Verletzung einer Berufspflicht des Mitarbeiters der Beklagten komme nicht in Betracht. Insoweit sei eine Beweislastumkehr von der Rechtsprechung einzig bei der Schädigung von Körper und Gesundheit angewendet worden, welche als Rechtsgut einen höheren Rang innehätten als das Vermögen als solches. Zudem sei es in diesen Fällen um die Haftung von Ärzten bzw. Rechtsanwälten gegangen, die hochspezialisierte Tätigkeiten ausübten, welche von der Komplexität her deutlich von denen der Beklagten abwichen.
Gegen dieses ihr am 20.09.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.10.2018, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 16.11.2018, beim Oberlandesgericht ebenfalls eingegangen am selben Tag, begründet hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil rechtsfehlerhaft sei und sie in ihren Rechten verletze. Sie meint, dass das Landgericht von einer unrichtigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen sei. Vorliegend greife zugunsten der Klägerin der Anscheinsbeweis ein. Dies sei im Fall der Verletzung von Pflichten aus einem Bewachungsvertrag jedenfalls dann anzunehmen, wenn Kardinalpflichten verletzt worden seien. Außerdem könne im vorliegenden Fall ein typischer Geschehensablauf bejaht werden. Vorliegend habe die Beklagte ihre Kardinalpflicht - Überwachung der Alarmmeldungen und Alarmierung der Polizei - verletzt. Dabei habe es sich um den Hauptzweck des Überwachungsvertrages gehandelt. Das Landgericht habe einen typischen Geschehensablauf unter Verkehrung der Voraussetzungen des Anscheinsbeweises verneint und sei dabei einem grundlegenden Missverständnis in der Frage unterlegen, welcher Sachverhalt als "typisch" anzusehen sei. Während das Landgericht die Typizität des Inhalts verlange: "Alarmmeldung - Ergreifen der Täter / Sicherstellung der Beute" sei auf folgende Typizität abzustellen: "Unterlassen der Alarmierung - Entkommen der Täter / Schäden durch Verlust der Beute". Es müsse eine Typizität zwischen der vorgeworfenen Handlung und dem schädigenden Erfolg vorliegen und nicht eine Typizität zwischen gefordertem Verhalten und der Verhinderung des Schadenseintritts. Entgegen der Ansicht des Landgerichts beträfen die von der Klägerin zitierten obergerichtlichen Entscheidungen auch nicht einen wesentlich abweichenden Sachverhalt. Es sei nicht entscheidend, ob ein Wachmann vor Ort sei oder - wie hier - in der Einsatzzentrale gesessen habe. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass Wachmänner vor Ort Täter auf frischer Tat ertappen und überraschen würden. Regelmäßig würden die Wachleute lediglich beim Bemerken des Einbruchs die Polizei alarmieren, beobachten und ggf. Fahrzeugkennzeichen der Täter notieren. Ein eigenmächtiges Eingreifen von Wachleuten sei zu riskant und gefährlich, insbesondere wenn es sich um mehrere professionelle Täter handle. Zudem müsse ein Wachmann vor Ort überhaupt erst feststellen, ob eine Straftat vorliege - er würde nicht bei jedem verdächtigen Geräusch die Polizei rufen. Im Gegensatz dazu entfalle dieser Entscheidungsprozess im Falle einer Alarmüberwachung, denn hier sei es zum Zeitpunkt der Alarmmeldung bereits klar, dass eine bestimmte Reaktion erfolgen müsse. Daher sei dem Mitarbeiter der Beklagten auch keine Reaktionszeit zuzubilligen, da er sofort und unverzüglich zu reagieren gehabt habe. Auch hätte der Mitarbeiter der Beklagten um 3:48 Uhr in der Nacht nicht einen Mitarbeiter der V.-Bank, sondern direkt die Polizei anrufen müssen, auch wenn er laut Vertrag ein Ermessen dahingehend gehabt habe, wer zuerst von der Alarmierung informiert werde. Der Anscheinsbeweis werde dabei keineswegs durch einen alternativen Sachverhalt erschüttert. Dies würde voraussetzen, dass Tatsachen feststünden, aus denen sich ein atypischer Geschehensablauf ergebe oder ernsthaft in Betracht zu ziehen wäre. Solche feststehenden Tatsachen lägen hier aber nicht vor. Es sei lediglich eine Spekulation des Landgerichts über mögliche alternative Geschehensabläufe, die nicht ernsthaft in Betracht kämen. Auch die vom Landgericht getroffene Billigkeitsüberlegung sei nicht richtig. Das Landgericht habe zudem übersehen, dass das von ihm an die Beweislast der Klägerin angelegte Maß schlechterdings nicht zu erfüllen sei. Denn wenn das Landgericht in einem Fall, in dem die kurze Reaktionszeit der Polizei aktenkundig sei, vom Vorliegen der Kausalität nicht überzeugt sei, wäre diese in der großen Mehrzahl der Fälle noch schwieriger zu beweisen - wenn etwa überhaupt keine Polizei gerufen worden wäre. Es sei unmöglich, eine konkrete Reaktionszeit darzulegen und zu beweisen, so dass der Geschädigte als Vertragspartner des unstreitig schuldhaft handelnden Bewachungsunternehmens regelmäßig beweisfällig bleiben müsste, obwohl unstreitig eine Kardinalpflicht des Bewachungsvertrages verletzt worden sei. Umgekehrt hätte die Beklagte lediglich Tatsachen darlegen und beweisen müssen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes ergebe, was eine wesentlich geringere Beweislast darstelle.
Die Klägerin beantragt,
Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 13.09.2018 - Az.: 8 O 250/17 - abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 95.065,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der Inanspruchnahme der Rechtsanwälte H. & Collegen in Höhe von 1.973,90 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin für sich keine Beweiserleichterung in Form eines Anscheinsbeweises in Anspruch nehmen könne. Das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs sei zu verneinen. Auch bestehe keine Parallele zu einem Bewachungsvertrag. Dieser sei auf das Ziel ausgerichtet, die Einbrecher nicht an das Diebesgut gelangen zu lassen. Gelangten die Diebe trotzdem an das Diebesgut, könne es gerechtfertigt sein, zu Lasten des Bewachungsunternehmens den Anscheinsbeweis eingreifen zu lassen. Bei einem Notrufdienstleistungsvertrag liege der Fall aber anders. Denn der Vertrag sei nicht auf das Ziel ausgerichtet, den Zugriff auf die Geldkassette in einem Geldautomaten zu verhindern. Durch den Notruf solle allenfalls die Bergung der Beute erschwert werden, da die Alarmmeldung erst erfolge, wenn die Geldkassette bereits im Besitz des Täters sei. Damit gehe es nicht um eine schadensbedingte Beweislage der Kausalität, sondern um die Rückgängigmachung des Schadens durch Ergreifung der Täter samt Beute. Der Zugriff auf die Geldkassette sei außerhalb des Gefahrenkreises der Beklagten erfolgt. Damit fehle die erforderliche Typizität zwischen der unverzüglichen Alarmierung der Polizei und der Ergreifung der Täter bzw. Sicherstellung der Beute. Dies gelte umso mehr, als im Polizeikommissariat H. in der Nacht nur zwei Streifenwagen zur Verfügung gestanden hätten. Die Polizeiwachen in D. und A. seien nicht besetzt gewesen, und Streifenwagen aus der PI G. hätten eine Anfahrt von ca. 20 Minuten gehabt. Es sei reine Spekulation, dass ein um 03:49 Uhr alarmierter Streifenwagen fünf Minuten später vor Ort gewesen wäre, wenn der um 04:04 Uhr alarmierte Streifenwagen um 04:09 Uhr eingetroffen wäre. Es stehe gar nicht fest, wo sich der Streifenwagen um 03:49 Uhr befunden habe. Auch stehe nicht fest, was passiert wäre, wenn die Besatzung eines einzelnen Streifenwagens die Täter noch im Gewerbegebiet an der B 3 in S. angetroffen hätte. Es sei nicht bekannt, ob die Täter dann noch mit dem Pkw geflüchtet wären oder hätten gestellt werden können. Es sei auch denkbar, dass sich die Täter aufgeteilt hätten und teilweise zu Fuß geflüchtet wären. Unter Umständen hätten die Täter die Beute vielleicht mit Waffengewalt verteidigt oder sie in der Dunkelheit versteckt und später abholen lassen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass aus dem Geldautomaten Bargeld in Höhe von 79.495,- € entwendet worden sei. Die Beschädigung der Einrichtungsgegenstände sei zeitlich vor dem Zugriff auf die Geldkassette und damit vor der Alarmmeldung erfolgt, so dass sie nicht kausal auf die etwaige Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen sei. Im Übrigen sei die Art der Sicherung durch die Versicherungsnehmerin der Klägerin "suboptimal" gewesen. Das System habe eine Flut von unnützen Meldungen übersandt, die keine Reaktion der Leitstelle erfordert hätten, so dass es für den in der Leitstelle tätigen Mitarbeiter der Beklagten schwer zu erkennen gewesen sei, welches die relevante Meldung gewesen sei. Außerdem seien die Meldungen bei der Beklagten ohne weiteres akustisches und optisches Signal eingegangen. Außerdem sei der Geldautomat nur dahingehend gesichert gewesen, dass die Alarmierung erst bei der Entnahme der Geldkassette erfolgt sei, was einen relativ schwachen Schutz darstelle.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.02.2020 (Bl. 133 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen Ü., P. und M.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senats vom 04.06.2020 (Bl. 159 ff. d. A.) Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, während die Berufung im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen war.
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 79.495,- € aus übergegangenem Recht nach § 86 VVG i. V. m. §§ 280, 611 BGB zu.
1.
Die Klägerin hat als Versicherer der V.-Bank (nachfolgend Versicherungsnehmerin) deren Schaden aus dem streitgegenständlichen Einbruchsdiebstahl ersetzt, so dass die der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzansprüche gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen sind.
2.
Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten hat ein sog. Notrufdienstleistungsvertrag vom 20.06.2014 bestanden (vgl. Anlage K 3, Anlagenband). Dabei handelt es sich um einen Dienstvertrag (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.12.2006 - 3 U 105/16 -, NZM 2017, 598 [OLG Stuttgart 07.12.2016 - 3 U 105/16], Tz. 26).
3.
Die Beklagte hat die ihr aus diesem Vertrag obliegende Pflicht verletzt.
a.
Nach dem vorgenannten Vertrag war die Beklagte verpflichtet, beim Empfang bestimmter Alarmmeldungen Maßnahmen nach einem Leistungskatalog einzuleiten, was in jedem Fall die Alarmierung der Polizei über die Notrufnummer 110 beinhaltete.
aa.
Dabei bestand die Alarmierungspflicht nicht in Bezug auf die um 02:46:19 Uhr empfangene Meldung mit dem Inhalt: "Der GAA ...... (.... - GAA S. NCR .... mit Chip und BGA) ist geschlossen!". Denn nach dem Leistungskatalog des streitgegenständlichen Notrufdienstleistungsvertrages hatte eine Alarmierung nur bei der Meldung "Bei GAA .../... ... (...-GAA Name Geschäftsstelle + Bezeichnung des GAA) ist geschlossen! (GKS X fehlt; GKS X fehlt)" zu erfolgen. Die vorliegend von der Beklagten um 02:48 Uhr empfangene Meldung ist mit der im Leistungskatalog angegebenen Meldung nicht identisch. Es fehlt vielmehr der Klammerzusatz (GKS X fehlt), so dass keine Pflichtverletzung der Beklagten dadurch vorgelegen hat, dass sie die vorstehend genannte Meldung nicht zum Anlass genommen hat, die Polizei zu alarmieren.
bb.
Dagegen ist die Beklagte verpflichtet gewesen, beim Empfang der um 03:48:15 Uhr eingegangenen Meldung "Bei GAA ...... (....-GAA S. NCR .... mit Chip und BGA) fehlt die Geldkassette Nr. 1! Bitte dringend ueberpruefen (GKS 2 fehlt, Geldausg. Prüfen, Geldtransport prüfen)" die Polizei zu alarmieren. Die empfangene Meldung entspricht der im Leistungskatalog aufgeführten Meldung: ""Bei GAA .../... ... (...-GAA Name Geschäftsstelle + Bezeichnung des GAA) fehlt die Geldkassette Nr. X! Bitte dringend ueberpruefen". Zwar enthielt die von der Beklagten empfangene Meldung zusätzlich zu der im Vertrag aufgeführten Meldung einen weiteren Klammerzusatz. Dies ändert allerdings nichts an der Alarmierungspflicht der Beklagten, da die im Leistungskatalog enthaltene Meldung vollständig wiedergegeben wurde. Die weitere als Klammerzusatz angefügte Meldung kann daher außer Betracht bleiben.
Die Beklagte hat die empfangene Meldung unstreitig übersehen und keine Benachrichtigung an die Polizei abgesandt. Damit liegt eine Pflichtverletzung des streitgegenständlichen Vertrages vor.
4.
Die Pflichtverletzung der Beklagten ist für das Entwenden des im Streit stehenden Geldbetrages auch kausal gewesen.
a.
Die Kausalität ist grundsätzlich gegeben, wenn der Schaden bei pflichtgemäßer Erfüllung der vertraglichen Pflichten vermieden worden wäre, wobei die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2017 - III ZR 60/16 -, VersR 2018, 614, Tz. 15). Nach diesem Maßstab ist es der Klägerin nicht möglich, den Kausalitätsbeweis zu führen, da Unwägbarkeiten und Unklarheiten einen hypothetischen Geschehensablauf beeinträchtigen können, so dass die hinreichende Überzeugung des Gerichts nicht gebildet werden könnte.
b.
Die Klägerin kann zu ihren Gunsten auch keine Beweislastumkehr in Anspruch nehmen. Diese wird in den Fällen angenommen, in welchen der Schuldner eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht grob vernachlässigt, andere vor Gefahren vor Leben und Gesundheit zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2017 - III ZR 60/16 -, VersR 2018, 614, Tz. 23 f.). Diese Rechtsprechung kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da es hier gerade nicht um die Verletzung von Pflichten geht, die dazu dienen, andere vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu bewahren.
c.
Auch die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB analog greift vorliegend nicht zugunsten der Klägerin ein.
Ist eine dem Schuldner obliegende ausdrücklich bestimmte Schutzmaßnahme unterblieben, ist gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB analog neben dem Fehlverhalten des Schuldners auch dessen Ursächlichkeit für den Schaden zu vermuten, so dass sich der Schuldner gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten muss (vgl. Staudinger / Schwarze, BGB, Neubearbeitung 2019, § 280, Rn. F 41). Das wäre allerdings nur dann der Fall, wenn die vertragliche Pflicht der Beklagten dazu dienen würde, den Diebstahl des Bargeldes aus dem Geldautomaten zu verhindern. Indes soll durch die streitgegenständliche Alarmanlage nicht der Zugang zum Geldautomaten verhindert werden, sondern die Polizei soll über die stattgefundene Wegnahme des Geldes informiert werden. Damit soll nicht der Diebstahl verhindert, sondern die Rückführung der Beute soll ermöglicht werden. Daher greift die Beweislastumkehr gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB analog nicht ein.
d.
Die Klägerin kann sich aber auf die Beweiserleichterung nach den Grundsätzen des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweises) berufen. Der Anscheinsbeweis greift ein, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.1988 - IVa ZR 278/86 -, NJW 1988, 2040, Tz. 12).
In einem Fall, bei dem ein Wachmann dem Verdacht, Unbefugte seien in die bewachte Lagerhalle eingedrungen, nicht nachgekommen ist und die Lagerhalle sodann in Brand gesetzt wurde, hat das OLG Hamm ausgeführt (vgl. Urteil vom 09.12.204 - 21 U 58/04 -, VersR 2005, 1074 [OLG Hamm 09.12.2004 - 21 U 58/04], Tz. 53):
"... kann für den hiesigen Fall ein typischer Geschehensablauf bejaht werden. Ein solcher wird von der Rechtsprechung etwa bei einem Verstoß gegen Schutzgesetze, technische Normen (z.B. DIN-Vorschriften), Feuerverhütungsvorschriften oder Verkehrssicherungspflichten vielfach angenommen, wenn sich die Gefahr realisiert, die durch die Schutzmaßnahme gerade verhindert werden sollte. Hier sind wesentliche Pflichten, die sich aus dem Bewachungsvertrag ergaben, verletzt worden. Diese Pflichten dienten gerade der Verhinderung von Schäden, wie sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung eingetreten sind. Wenn einem offensichtlichen Verdacht, Unbefugte seien in eine mit zum Diebstahl geeigneten Waren gefüllte Halle eingedrungen, nicht nachgegangen wird, besteht typischerweise nicht nur die Gefahr, dass ein Diebstahl zunächst unentdeckt bleibt, sondern auch, dass durch Vertuschungsmaßnahmen der Täter weitere Schäden entstehen. In einem solchen Fall kann es nicht angehen, dass ein Schuldner, dessen vertragliche Verpflichtung gerade darin besteht, einen bestimmten Schaden durch seine Tätigkeit möglichst zu verhindern, sich nach Eintritt des Risikos trotz einer gravierenden Pflichtverletzung darauf zurückziehen kann, die Kausalität könne auf Grund der schadensbedingten Beweislage nicht mehr festgestellt werden."
Das OLG München hat in dem Fall, in dem es um einen Wachmann ging, der nächtliche Rundgänge und Kontrollen des Bewachungsobjekts vorzunehmen hatte, dies aber versäumt hat, so dass in das bewachte Objekt eingebrochen wurde, Folgendes ausgeführt (vgl. Urteil vom 10.06.1958 - 4 U 71/58 -, MDR 1960, 224):
"Die Gefahr eines Diebstahlschadens, die jeden einzelnen in gleicher Weise gerade zur Nachtzeit bedroht, soll aber gerade durch den Bewachungsvertrag herabgesetzt werden. Zu diesem Zweck verpflichtet sich der Bewacher in dem Revierbewachungsvertrag zu den nächtlichen Rundgängen und Kontrollen des Bewachungsobjekts gegen ein entsprechendes Entgelt. Diese Rundgänge sollen dem dienstberechtigten Kunden einen zusätzlichen persönlichen Schutz seines Eigentums vermitteln. Zu diesem persönlichen Schutz ist der Bewacher kraft Vertrag verpflichtet. Der vertragsgemäß gewährte Schutz bietet zwar keine absolute Garantie gegen Einbruchsschäden, da ja zwischen den einzelnen Rundgängen des Wachmannes zeitlich viel Gelegenheit für die Durchführung von Einbruchsvorhaben gegeben ist. Trotzdem werden solche Einbruchsvorhaben durch zeitlich nicht festgelegte Rundgänge eines Wachmannes erfahrungsgemäß häufig verhindert oder erschwert. Vor allem führen die ordnungsgemäß durchgeführten Rundgänge zu frühzeitiger Entdeckung eines bereits ausgeführten Einbruchs und damit zu rechtzeitiger Verfolgung und nicht selten (jeweils (Unterstreichung durch den Senat) zu Ergreifung der Täter. Verletzt der Bewacher nun seine vertragliche Bewachungspflicht, gehen dem dienstberechtigten Kunden im Falle eines Einbruchsdiebstahls alle diese zusätzlichen Sicherungen seines Eigentums verloren. Mutet man ihm nun zu, zu beweisen, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Bewachungspflicht der Diebstahl nicht ausgeführt oder mindestens zur Ergreifung der Täter geführt hätte, zwingt man ihn in aller Regel gleichzeitig praktisch, grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzungen der Bewachungspflicht ersatzlos hinzunehmen und auf die Vorteile einer ordnungsgemäßen Bewachung zu verzichten. Dieses unbillige Ergebnis kann nur vermieden werden, wenn auch beim Bewachungsvertrag von der echten Umkehrung der Beweislast ausgegangen wird. Es muss deshalb bei einer Verletzung der Pflichten eines Bewachungsvertrages durch den Bewacher ebenfalls davon ausgegangen werden, dass der Bewachungsunternehmer, der seine Vertragspflichten schuldhaft nicht erfüllt hat, den Gegenbeweis zu führen hat, dass der Einbruchsschaden auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Bewachungspflichten entstanden wäre."
Der streitgegenständliche Fall unterscheidet sich indes nicht maßgeblich von dem Sachverhalt, den das OLG München zu beurteilen hatte. Es geht in der zitierten Entscheidung nicht lediglich um die Verhinderung eines Diebstahls, sondern auch um die Entdeckung eines bereits begonnenen Einbruchdiebstahls und um die Verfolgung und Ergreifung des Täters. Genau zu diesem Zweck wurde auch vorliegend die Alarmierungspflicht der Beklagten vertraglich begründet. Dabei handelte es sich nicht nur um eine wesentliche, sondern um die einzige vertragliche Pflicht der Beklagten. Damit sollte zu Gunsten der Versicherungsnehmerin die Möglichkeit geschaffen werden, durch Unterrichtung der Polizei die Vollendung eines Diebstahls zu verhindern und die Rückführung der Beute zu erreichen. Angesichts des Umstandes, dass die Alarmierung der Polizei nicht bereits beim Aufbrechen des Geldautomaten, sondern erst beim Wegnehmen der Geldkassette erfolgen sollte und damit der Schutz der Versicherungsnehmerin von vornherein darauf reduziert war, etwaige Täter am Entkommen mit der Beute zu hindern, können die vorstehend dargelegten Grundsätze nicht bereits dann eingreifen, wenn die Unterrichtung der Polizei unterblieben ist. Denn eine tatsächliche Möglichkeit zur Ergreifung der Täter und zur Rückführung der Beute kann vorliegend erst dann angenommen werden, wenn die Einsatzkräfte der Polizei den Tatort zu der Zeit erreichen, in der die Täter noch nicht entkommen sind. Nur dann kann die rechtzeitige Verfolgung und Ergreifung der Täter samt Beute erfolgen, was die Parteien des streitgegenständlichen Notrufdienstleistungsvertrages mit der Vereinbarung der streitgegenständlichen Alarmierungspflicht auch bezweckt haben. Nach dem Vorstehenden kann ein typischer das Eingreifen des Anscheinsbeweises auslösender Geschehensablauf für den Fall angenommen werden, dass die Einsatzkräfte der Polizei durch das Unterbleiben der Alarmierung am Erreichen des Tatortes zu der Zeit gehindert werden, zu der sich die Täter mit der Beute noch vor Ort befinden und ergriffen werden können.
e.
Das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen hatte die Klägerin zu beweisen. Dieser Beweis ist ihr indes gelungen. Dabei geht der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Vorbringen der Parteien vom folgenden zeitlichen Ablauf aus:
Die Alarmmeldung ist bei der Beklagten um 03:48:15 Uhr eingegangen (vgl. Protokollabfrage vom 22.12.2014 - Anlage K4, Anlagenband). Danach ist die Beklagte verpflichtet gewesen, die Polizei zu alarmieren. Aus der Natur eines Notrufvertrages folgt, dass der Beklagten keine substantielle "Reaktionszeit" einzuräumen ist, sondern sie verpflichtet war, die Polizei unverzüglich zu benachrichtigen. Die Polizei war auch vor den zuständigen Mitarbeitern der Versicherungsnehmerin zu alarmieren, da es auf der Hand liegt, dass nur auf diese Weise eine sachgerechte und erfolgversprechende Reaktion möglich gewesen wäre. Dass die zuständigen Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin nicht mit der gleichen Effektivität wie die Polizei hätten Maßnahmen ergreifen können, um die Täter mit der Beute zu fassen, bedarf keiner zusätzlichen Erörterung. Eine zusätzliche Reaktionszeit ergab sich für die Beklagte auch nicht aus dem Umstand, dass das von der Beklagten empfangene Signal nicht akustisch oder optisch hervorgehoben wurde. Es konnte von der Beklagten erwartet werden, dass sie die für sie maßgeblichen Signale ohne zeitliche Verzögerung erkannte und darauf pflichtgemäß reagierte (vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen unter I. 7.). Damit hätte die Beklagte um 03:49 Uhr die Polizei benachrichtigen müssen.
Es steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass die auf dem Revier in H. tätigen Polizeibeamten POK P. und POK M. spätestens 10 Minuten später den Tatort erreicht hätten. So hat der Zeuge P. ausgeführt, dass es - jedenfalls in der Nacht bei leeren Straßen - zwischen 5 - 10 Minuten dauere, bis man vom Revier aus den Tatort erreiche. Dabei müsste zwar mit Verzögerungen bei der Weiterleitung der Alarmmeldung von der Leitstelle in G. und beim Erreichen des Einsatzfahrzeuges gerechnet werden. Was die reine Fahrzeit betreffe, könne man das aber in 5 Minuten schaffen. Auch der Zeuge M. hat bekundet, dass man es von der Wache bis zum Tatort in 5 bis 7 Minuten schaffen könne. Der Senat hat keinen Anlass, die Aussagen der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Angesichts einer Entfernung von ca. 10 km von dem Polizeirevier bis zum Tatort und des Umstandes, dass die Zeugen P. und M. nachts ohne nennenswerten Verkehr auf einer Bundesstraße mit einer erheblichen Geschwindigkeit zum Tatort fahren konnten, steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Einsatzkräfte der Polizei höchstens 10 Minuten benötigt hätten, um nach dem empfangenen Notruf der Beklagten zu der Bankfiliale der Versicherungsnehmerin zu gelangen. Damit hätten die Zeugen P. und M. den Tatort spätestens um 03:59 Uhr erreicht.
Weiter steht es nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass die Täter noch um 04:02 Uhr vor Ort gewesen sind. Dabei stützt sich der Senat auf die Aussage des Zeugen Ü. und auf den Inhalt der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Göttingen 43 UJs 40884/14. Ausweislich des Tatbefundberichtes vom 22.12.2014 in der Ermittlungsakte sowie entsprechend der Feststellung im unstreitigen Teil des Tatbestands im landgerichtlichen Urteil hat der Zeuge Ü. den Notruf an die Leitstelle der Polizeiinspektion G. um 04:04 Uhr getätigt. Der Zeuge Ü. hat zudem ausgesagt, dass er beim Erreichen des N.-Marktes den Pkw nebst zumindest einer maskierten Person entdeckt habe. Diese Person habe etwas hektisch in den Kofferraum des Fahrzeuges geworfen. Anschließend sei der Zeuge zur Rückseite des Supermarktes an die Entladerampe weitergefahren. Dabei fahre er so routiniert, dass es nicht länger dauere, als bei einem normalen Pkw-Fahrer. Die Fahrt zur Rampe habe 2 bis 3 Minuten in Anspruch genommen. Von der Rampe aus habe der Zeuge sofort die Polizei angerufen. Die Aussage des Zeugen erscheint dem Senat glaubhaft. Es ist nachvollziehbar, dass der Zeuge aus Selbstschutz nicht sofort beim Erkennen der Täter den Notruf gewählt hat, sondern zunächst bis zur Laderampe gefahren ist. Ebenfalls erscheint es aber plausibel, dass der Zeuge die Polizei sogleich angerufen hat, da die Situation keinen Aufschub duldete. Nach der Schilderung des Zeugen von den örtlichen Gegebenheiten geht der Senat davon aus, dass der Zeuge höchstens 3 Minuten benötigt hat, um zur Laderampe zu gelangen und von dort aus den Notruf zu wählen. Da der Zeitpunkt, zu dem der Zeuge Ü. den Notruf gewählt hat, bekannt ist (04:04 Uhr), hat der Zeuge die Täter spätestens um 04:01 Uhr vor der Bank angetroffen. Dabei waren die Täter noch nicht unmittelbar abfahrbereit, da sie ausweislich des Tatbefundberichtes in der Ermittlungsakte vom 22.12.2014 noch diverses Einbruchswerkzeug in ihren Pkw einzuladen gehabt hätten.
Nach alledem steht es nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass die Zeugen P. und M. beim Erreichen des Tatorts um spätestens 03:59 Uhr die Täter noch vor Ort angetroffen hätten. Danach greift zugunsten der Klägerin der Anscheinsbeweis, wonach es der Polizei gelungen wäre, die angetroffenen Täter zu stellen bzw. die Beute zurückzugewinnen.
Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht, da keine konkreten Hinweise darauf hindeuten, dass es den Tätern gelungen wäre, mit der Beute zu entkommen.
5.
Dagegen fehlt es an der Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für die weiteren Schäden der Klägerin. Es geht dabei um folgende Schadenspositionen:
Beschädigung des Geldautomaten: | 11.965,- € |
---|---|
Beschädigung der Überwachungskamera: | 1.427,- € |
Beschädigung der Übertragungseinrichtung der Überwachungskamera: | 358,- € |
Anpassung der Verkleidung: | 167,- € |
Beschädigung des Bodenbelages: | 562,- € |
Eigenleistungen der Klägerin bei der Schadensbeseitigung: | 600,- €. |
All diese Positionen sind entstanden, bevor das Alarmsignal ausgelöst wurde, so dass die Schäden auch dann entstanden wären, wenn die Beklagte ihrer Alarmierungspflicht nachgekommen wäre. Dass die Täter gefasst und die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche gegen die Täter hätte durchsetzen können, hat sie nicht dargetan.
Auch hinsichtlich der weiteren Schadensposition "Mehrkosten zur Fortführung des Geschäftsbetriebes" in Höhe von 500,- € ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen, welche Kosten damit gemeint sind und ob diese Kosten ohne die Pflichtverletzung der Beklagten nicht ebenfalls entstanden wären. Es ist davon auszugehen, dass etwaigen Mehrkosten bereits durch den Einbruchsversuch und die dadurch verursachten Schäden bedingt wurden und nicht durch das Entkommen der Täter mit der Beute.
Insoweit ist die Klage damit zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat.
6.
Die Höhe des aus dem Geldautomaten der Versicherungsnehmerin entwendeten Geldbetrages betrug 79.495,- €. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts im unstreitigen Teil des Tatbestandes des angefochtenen Urteils. An diese tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts ist der Senat gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2007 - II ZR 334/04 -, NJW-RR 2007, 1434, Tz. 11). Das aus dem angefochtenen Urteil ersichtliche Parteivorbringen erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der ersten Instanz. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen "tatbestandlichen" Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der "Tatbestand" vor. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge oder einer entsprechenden Gegenrüge behoben werden (vgl. BGH, a.a.O.).
7.
Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Das Verschulden der Beklagten, welches vorliegend gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird, stand auch erstinstanzlich nicht im Streit. Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass es für den in der Leitstelle der Beklagten tätigen Mitarbeiter unübersichtlich und schwer zu erkennen gewesen sei, welche Meldungen seine sofortige Reaktion erfordert hätten, vermag damit das Verschulden ihres Mitarbeiters, für das sie nach § 278 BGB einzutreten hat, weder ausgeschlossen noch gemindert zu werden. Nach dem mit der Versicherungsnehmerin geschlossenen Vertrag hatte die Beklagte bei zwei bestimmten Meldungen in der Zeit zwischen 19:00 Uhr und 07:00 Uhr die Polizei zu benachrichtigen. Diese Aufgabe erfordert zwar eine gewisse Konzentration, die aber von der Beklagten als einem Fachunternehmen durchaus erwartet werden konnte. Es hätte der Beklagten oblegen, ihren Verantwortungsbereich so zu organisieren, dass die übernommenen Aufgaben fehlerfrei erledigt werden konnten.
8.
Auch ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin liegt nicht vor. Dieses ergibt sich weder aus der Art der Sicherung des Geldautomaten noch aus der Art und Weise, wie die Meldungen an die Beklagte übermittelt wurden. Die Beklagte hat mit der Versicherungsnehmerin den Notrufdienstleistungsvertrag zu den ihr bekannten Konditionen abgeschlossen. Daraus, dass sich die Versicherungsnehmerin vertragsgerecht verhalten hat, kann sich kein Mitverschulden ergeben.
9.
Die Zinsforderung steht der Klägerin nach Maßgabe der §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB zu.
Die Beklagte schuldet zudem im Rahmen ihrer Schadensersatzverpflichtung die Freistellung der Klägerin von den ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die nach der Maßgabe der begründeten Klageforderung zu berechnen sind und 1.752,90 € betragen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1, 2. Alt ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze handelt.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO.