Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.03.1988, Az.: 13 U 238/87

Begründetheit einer Berufung gegen ein Urteil der Zivilkammer des Landgerichts in einer Pressesache; Erledigung der Hauptsache auf Grund Wegfalls des Interesses der Klägerin an alsbaldiger Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses; Anspruch auf Gegendarstellung im Falle einer Betroffenheit der entsprechenden Person durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.03.1988
Aktenzeichen
13 U 238/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 19725
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1988:0317.13U238.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 29.07.1987 - AZ: 6 O 145/87

Fundstelle

  • NJW-RR 1989, 182-183 (Volltext mit amtl. LS)

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1988
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
des Richters am Oberlandesgericht ... und
des Richters am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Juli 1987 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.

Die Hauptsache ist erledigt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Diese kann auch in der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse bestehen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat auf entsprechende Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 6. April 1987 (Bl. 14 f d.A.) versprochen, eine Gegendarstellung in der nächsten Nummer der von ihr verlegten Zeitschrift ... zu veröffentlichen, jedoch zugleich angekündigt, dieser Gegendarstellung eine reaktionelle Anmerkung beizufügen. Darauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 13. April 1987 verlangt, im nämlichen Heft müsse eine Gegendarstellung auch zu der Anmerkung erscheinen. Dieses Verlangen hat die Beklagte zurückgewiesen. Sie hat alsbald mit dem Antrag geklagt,

festzustellen, daß sie nicht verpflichtet sei, die von der Beklagten beanspruchte Gegendarstellung zu ihrer redaktionellen Anmerkung gleichzeitig mit dieser zu veröffentlichen.

2

Im Hinblick darauf, daß zwischenzeitlich in Heft 6/87 ihrer Zeitschrift die erste Gegendarstellung der Beklagten mit redaktioneller Anmerkung, jedoch ohne die von der Beklagten geforderte Gegendarstellung zu dieser Anmerkung veröffentlicht worden war, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1987 die Hauptsache für erledigt erklärt.

3

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen,

4

da die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses von Anfang an unzulässig gewesen sei.

5

Das Landgericht hat mit dem am 29. Juli 1987 verkündeten Urteil die Klage als unzulässig abgewiesen. Gegen diese ihr am 4. August 1987 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 4. September 1987 Berufung eingelegt, welche sie gleichzeitig begründet hat.

6

Die Klägerin tritt der rechtlichen Würdigung des Landgerichts entgegen und beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Hauptsache erledigt ist,

7

hilfsweise:

festzustellen, daß sie nicht verpflichtet gewesen sei, die von der Beklagten geforderte zweite Gegendarstellung zu ihrer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung in Nr. 6/87 ihrer Zeitschrift "..." in derselben Ausgabe zu veröffentlichen.

8

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird im übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Durch Erscheinen von Nr. 6/87 der Zeitschrift ... ist ihr anfänglich zulässiges und begründetes Feststellungsverlangen überholt worden. Ihr nach entsprechender Klagänderung schon im ersten Rechtszug verfolgtes Begehren, die darauf beruhende Erledigung der Hauptsache durch Richterspruch feststellen zu lassen, ist daher begründet.

12

1.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels steht außer Frage. Die Klägerin erstrebt nicht etwa unter Umgehung von § 99 Abs. 1 ZPO nur eine günstigere Kostenentscheidung. Vielmehr wendet sie sich gegen die Beschwer aus dem angefochtenen Urteil, welche darin besteht, daß das Landgericht ihrem auf Feststellung, daß die Hauptsache erledigt sei, gerichteten geänderten Rechtsschutzbegehren nicht entsprochen hat.

13

2.

Daß die Hauptsache erledigt ist, folgt daraus, daß das Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses entfallen ist, sobald in Nr. 6/87 der Zeitschrift "..." die Gegendarstellung mit redaktioneller Anmerkung der Klägerin ohne die von der Beklagten geforderte (zweite) Gegendarstellung erschienen war.

14

a)

Indem die Klägerin vor dem Landgericht von der negativen Feststellungsklage zu dem Antrag übergegangen ist, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, hat sie eine Klagänderung im Sinne von § 264 Nr. 3 ZPO vollzogen, deren Sachdienlichkeit außer Frage steht (§ 263 ZPO).

15

b)

Die geänderte Klage ist begründet, denn das Feststellungsbegehren der Klägerin ist zunächst sowohl zulässig als auch sachlich gefertigt gewesen.

16

aa)

Nachdem die Beklagte sie mit Anwaltsschreiben vom 13. April 1987 mit der Forderung überzogen hatte, die geplante redaktionelle Anmerkung mit einer in derselben Nummer abgedruckten (zweiten) Gegendarstellung zu versehen, hatte die Klägerin ein nicht nur tatsächliches, sondern auch rechtliches Interesse daran, das Nichtbestehen des von der Beklagten in Anspruch genommenen Rechtsverhältnisses alsbald durch richterliche Entscheidung festgestellt zu sehen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Unabhängig davon nämlich, ob der Abdruck noch möglich war oder ob dem der Fortschritt in der Vorbereitung der Ausgabe 6/87 der Zeitschrift "..." entgegenstand, bestand die Beklagte, wie deren Schreiben vom 15. April 1987 (Bl. 20. d.A.) zweifelsfrei erkennen ließ, auf gleichzeitigem Abdruck, weil sie der Auffassung war, daß dieser technisch möglich sei. Daß sich die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich in ihrer Klagerwiderung vom 5. Juni 1987, die Sachdarstellung der Klägerin über den Zeitpunkt der Fertigstellung von Nr. 6/87 der Zeitschrift "..." zueigen gemacht hat, ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses im Zeitpunkt der Einreichung der Klagschrift am 16. April 1987 und ihrer Zustellung am 28. April 1987 unerheblich.

17

bb)

Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist begründet gewesen. Die Beklagte hatte keinen Rechtsanspruch darauf, eine Gegendarstellung zu der ihr mitgeteilten redaktionellen Anmerkung der Klägerin schon in derselben Nummer der Zeitschrift ... veröffentlicht zu sehen, in welcher jene redaktionelle Anmerkung zu der (ersten) Gegendarstellung erscheinen sollte.

18

§ 11 Nds.PresseG gesteht einer Person einen Anspruch auf Gegendarstellung nur dann zu, wenn sie durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. Dort wird demnach vorausgesetzt, daß die einer Gegendarstellung bedürftige Veröffentlichung bereits geschehen ist. Dies folgt im übrigen auch aus Abs. 2, 3 a.a.O. Nichts anderes ergibt sich aus dem Schutzzweck des Rechts auf Gegendarstellung. Wer durch eine von der Pressefreiheit gedeckte und nach bürgerlichem Recht erlaubte Medienäußerung betroffen ist, soll alsbald auch seinerseits zu Wort kommen können. Nach der gesetzlichen Regelung sind die berechtigten Interessen des Betroffenen jedoch gewahrt, wenn seine Gegendarstellung zeitlich später als die zu bekämpfende Pressedarstellung veröffentlicht wird. Eines darüber hinausgehenden presserechtlichen Schutzes bedarf er nicht. Insbesondere wäre es mit der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit nicht zu vereinbaren, wenn Tatsachenbehauptungen in einer periodischen Druckschrift schon gleichzeitig mit ihrer Veröffentlichung durch Gegendarstellung entkräftet werden könnten. Soweit der von einer künftigen Veröffentlichung Betroffene nach bürgerlichem Recht einen Anspruch auf Unterlassung hat, steht es ihm frei, diesen durch einstweilige Verfügung sichern zu lassen. Einer Berichterstattung jedoch, die nicht solchermaßen untersagt werden kann, vielmehr von dem Betroffenen nach bürgerlichem Recht hingenommen werden muß, darf nicht schon gleichzeitig mit ihrer ersten Veröffentlichung durch Gegendarstellung begegnet werden.

19

cc)

Das Interesse der Klägerin an aisbaldiger Feststellung, daß der von der Beklagten gegen sie erhobene Gegendarstellungsanspruch nicht bestehe, ist entfallen, nachdem mit Abschluß und Erscheinen der Nr. 6/87 der Zeitschrift "...", in welcher die (erste) Gegendarstellung der Beklagten mit redaktioneller Anmerkung veröffentlicht war, deren Begehren nach gleichzeitigem Abdruck auch der Gegendarstellung zur redaktionellen Anmerkung obsolet geworden war.

20

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.