Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.06.2014, Az.: 11 UF 179/13

Anfechtungsausschluss bei Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung; Feststellung des Willens zur rechtlichen Vaterschaft i. R. einer Fremdsamenspende

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.06.2014
Aktenzeichen
11 UF 179/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 29182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:0630.11UF179.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bad Iburg - 25.11.2013 - AZ: 5 F 365/13 AB

Fundstellen

  • FamRZ 2015, 67
  • FuR 2015, 176-177
  • StAZ 2015, 146

In der Familiensache
betreffend die Abstammungsangelegenheit der Beteiligten zu 1)
Beteiligte:
...
hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
...
am 30. Juni 2014
im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 27.6.2014
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Iburg vom 25.11.2013 geändert.

Der Antrag auf Feststellung, dass der Antragsteller nicht der Vater der Beteiligten zu 1) ist, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass er nicht der Vater der Beteiligten zu 1) ist.

Der Antragsteller ist mit der Beteiligten zu 2) verheiratet, lebt jedoch von ihr getrennt. Der Antragsteller leidet unter eine Minderbegabung und stand zum Zeitpunkt der Zeugung der Beteiligten zu 1) unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt.

Er hat vorgetragen, er sei zeugungsunfähig und die Beteiligte zu 1) sei im Wege der Fremdbefruchtung gezeugt worden. Die Antragsgegnerin sei am 07.Juli 2012 zu einem " " gefahren, um dort eine Fremdbefruchtung vorzunehmen. Der Antragsteller hat ferner behauptet, die Antragsgegnerin habe mit dem Mann geschlechtlich verkehrt. Sie habe ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung über das Internet den Samenspender gesucht.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass er nicht der Vater der Beteiligten zu 1) ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Antragsteller habe seine Einwilligung in die Fremdbefruchtung erteilt, die künstlich erfolgt sei, so dass er mit einem Anfechtungsrecht ausgeschlossen sei.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Abstammungsgutachtens über die Vaterschaft des Antragstellers und Vernehmung von Zeugen mit dem in Bezug genommenen Beschluss vom 25.11.2013 festgestellt, dass der Antragsteller nicht Vater der am 20.03.2013 geborenen Beteiligten zu 1) ist. Es sei nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass der Antragsteller seine Einwilligung zur Fremdzeugung gegeben habe. Auf die weitere Begründung im Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Das Amtsgericht habe die Zeugenaussagen nicht richtig gewertet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Iburg vom 25.11.2013 zu ändern und den Antrag abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe seiner Erwiderung.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2013 Zeugen vernommen und ein Gutachten über die Abstammung der Beteiligten zu 1) von dem Zeugen R ... W ... eingeholt. Auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich nach Vorlage des Sachverständigengutachtens vom 16.05.2014 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller ist mit einem Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 5 BGB ausgeschlossen.

Der Antragsteller gilt gemäß § 1592 Nr. 1, 1600c Abs. 1 BGB als Vater der Beteiligten zu 1), weil er bei der Geburt der Beteiligten zu 1) mit der Mutter verheiratet war. Aufgrund der von den Beteiligten nicht angegriffenen gerichtlich eingeholten Abstammungsgutachten vom 13.11.2013 und 16.05.2014 des Sachverständigen Dr. med. S .... steht zwar fest, dass der Antragsteller nicht der Vater des Kindes M ... M .... ist, sondern der als Zeuge vernommen R .... W ... . Gleichwohl ist der Antragsteller mit einem Anfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 5 BGB ausge

schlossen, weil das Kind M ... M .... mit Einwilligung des Antragstellers und der Antragsgegnerin künstlich mittels einer Samenspende gezeugt worden ist.

Der Gesetzgeber hat in Fällen, in denen sich Eheleute und nicht miteinander verheiratete Paare bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung entscheiden, die Erforderlichkeit des Anfechtungsausschlusses in "der Verantwortung der beteiligten Eltern für das auf diese Weise gezeugte Kind" gesehen (BT-Drucks. 14/2096, Seite 7). Danach bildet die bewusste Entscheidung der Eltern die Grundlage für die Zurechnung der künstlichen Befruchtung zu dem in diese einwilligenden Ehemann. Die Verantwortung trifft den Einwilligenden - anders als bei einer natürlichen Zeugung - aufgrund seiner Entscheidung dann, wenn sein Wille über die reine Zeugung hinaus auch darauf gerichtet ist, Vater zu werden. Da eine biologische Vaterschaft im Fall der Fremdsamenübertragung ausscheidet, kommt insoweit lediglich der Wille zur rechtlichen Vaterschaft in Betracht (Roth, JZ 2002, 651 f.). Die Einwilligung des Mannes ist damit - auch wenn sie nicht unmittelbar statusrechtliche Folgen nach sich zieht - zumindest mittelbar auf die Rechtswirkungen der Vaterschaft gerichtet. Darüber hinaus führt sie als weitere Rechtsfolge gemäß § 1600 Abs. 5 BGB zum Ausschluss der Anfechtbarkeit der Vaterschaft. Die Einwilligung erfüllt damit als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens die Merkmale einer Willenserklärung.

Eine besondere Form für die Einwilligung sieht das Gesetz nicht vor. Erforderlich ist jedoch - als wesentliches Merkmal einer Willenserklärung - ein Rechtsbindungswille des Einwilligenden (Staudinger/Rauscher, BGB, § 1600 Rn. 78; Spickhoff, Festschrift Schwab, Rn. 13; zur Frage der Form im Ergebnis auch OLG Hamm, FamRZ 2008, 630).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Beteiligte zu 1) im Wege einer künstlichen Befruchtung gezeugt worden ist, der Antragsteller in die künstliche Befruchtung eingewilligt hat und insoweit auch einwilligungsfähig war. Der Befruchtung seiner Ehefrau hat der Antragsteller im Ergebnis auch zustimmt, selbst wenn er sich zunächst über die Idee nicht begeistert gezeigt hat. Die Gespräche fanden im März statt, während die Reise nach Tirol zum Treffen mit dem Zeugen W .. im Juli 2012 war.

Der Zeuge R .. W .. hat für den Senat glaubhaft angegeben, dass sowohl er als auch die Antragsgegnerin im Internet inseriert und sich so über ein Samenspendeportal im Internet gefunden haben. Die Antragsgegnerin habe dann in einem Hotel in D .. gewohnt. Er sei morgens vor der Arbeit und abends nach der Arbeit dort hingefahren und habe ihr einen Becher mit seinem Samen gebracht. Der Samen habe erst eine Stunde stehen müssen, damit er flüssig wurde und fertig zum Einführen war. Das habe er gewusst, weil man es so auch an der Samenbank mache. Der Zeuge hat für den Senat glaubhaft bekundet, dass er mit der Antragsgegnerin geschlechtlich nicht verkehrt habe. Dazu hat er ausgeführt, dass er schon häufiger Samen gespendet habe, so z.B. für ein Ehepaar in der Nähe von M .... , welches keine Kinder bekommen konnte. Manchmal bekomme er Geld dafür, manchmal auch nicht, aber meist nicht mehr als 100,- €. Er mache das mit der Samenspende, weil er mal eine Freundin gehabt habe, die keine Kinder hätte haben wollen und er sich dann gedacht habe, dass es doch schön sei, Vater zu sein, auch wenn er keinen Kontakt zu den Kindern habe.

Aufgrund der anschaulichen und glaubhaften Angaben des Zeugen hat der Senat auch keine Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit.

In diese künstliche Befruchtung hat der Antragsteller auch zuvor wirksam eingewilligt. Auch das steht zur Überzeugung des Senats fest. Der Antragsteller hat in seiner Anhörung vor dem Senat angegeben, dass er gerne Vater werden wollte zusammen mit seiner Frau. Als es nicht klappte und festgestellt wurde, dass er zeugungsunfähig ist, habe er über eine künstliche Befruchtung nachgedacht. Er sei mit seiner Frau in einer Klinik in M .. gewesen, wo man ihnen gesagt habe, dass man verheiratet sein müsse für eine künstliche Befruchtung. Daraufhin hätte er seine Frau geheiratet und sie hätten einen erneuten Versuch in der Klinik in M .. unternommen. Zweimal habe es nicht geklappt. Die Antragsgegnerin habe dann eine Samenspende vorgeschlagen. Er habe nichts dabei gefunden, weil dies "tausend andere" auch machten. Weil eine Samenspende von der Samenbank zu teuer gewesen sei, habe seine Frau versucht, einen Samenspender über das Internet zu finden. Das habe er gewusst. Er sei aber zwiegespalten gewesen und es sei ihm viel zu spät bewusst geworden, was es bedeute, wenn der Samen gar

nicht von ihm sei.. Er habe gerne Vater sein wollen, aber das Kind habe doch von ihm sein sollen. Das sei ihm aber viel zu spät bewusst geworden. Wann genau, das wisse er nicht mehr. Als seine Frau gesagt habe, dass sie schwanger sei, habe er sich gefreut, aber dann auch wieder nicht. Ihm sei ist dann bewusst geworden, dass das Kind nicht von ihm stamme. Er habe auch nicht so genau gewusst, wann seine Frau nach Bayern gefahren sei und warum.

Demgegenüber hat jedoch die Antragsgegnerin erklärte, dass man gemeinsam Vor- und Nachteile einer Samenspende überlegt habe und aufs Internet gekommen sei. Gemeinsam habe man die "berühmten Tage" ausgerechnet. Über das Internet habe sie R .. gefunden. Sie habe sogar den Antragsteller gefragt, ob er mit nach Bayern fahren wolle, das habe er aber abgelehnt. Er habe ihr aber sein Auto gegeben. Sie habe ihm von der Zugspitze sogar noch Bilder geschickt. Er sei derjenige gewesen, der unbedingt ein Kind haben wollte. Sie habe es für ihren Mann gemacht, denn sie selber habe schon drei Kinder, die allerdings bei Oma und Opa und in einer Pflegefamilie leben. Ihr Mann habe keinen Spender aus H .. haben wollen, da man ihm mal habe begegnen können. Also sollte der Spender von weiter weg kommen. Als sie ihrem Ehemann gesagt habe, dass die Samenspende geklappt habe und sie schwanger sei, habe er sogar geweint und sich gefreut. Dann erst sei er gleichzeitig traurig gewesen, weil es nicht sein Samen gewesen war.

Bestätigt wurden die Angabe der Antragsgegnerin teilweise auch von den weiteren vernommenen Zeugen. Die Zeugin S .. hat glaubhaft ausgesagt, dass anlässlich des Geburtstages der Antragsgegnerin am 25.03.2012, über eine künstliche Befruchtung mittels Samenspende gesprochen worden sei. Dort habe sich der Antragsteller ausdrücklich mit einer Samenspende einverstanden gezeigt. Sie wisse noch, dass sie zu ihm gesagt habe: "Du weißt aber, was das bedeutet" und er habe "ja" gesagt. Er habe sie dann noch gefragt, wie sie dazu stehe. Sie habe ihm dann gesagt, dass sie da nichts bei finde. Er habe später auch überall erzählt, "hurra ich bin Vater geworden".

Auch die Zeugin Z .. hat glaubhaft bestätigt, häufiger mit den Eheleuten gesprochen zu haben, insbesondere aber auch mit dem Antragsteller. Nach den Fehlversuchen der künstlichen Befruchtung hätten sie Gespräche über eine Fremdsa

menspende gehabt. Es sei durchaus der Wille des Antragstellers gewesen. Er sei sehr verzweifelt gewesen, weil es mit der künstlichen Befruchtung nicht geklappt habe. Er habe sich noch Vorwürfe gemacht, dass es nicht geklappt haben könnte, weil er etwas getrunken oder auch mal etwas geraucht habe. Sie habe ihm gesagt, dass es doch egal sei, wer der Erzeuger sei. Denn tatsächlich sei es doch so, dass er der Vater sei und das Kind aufwachsen sehe und ein wirklich echter Vater sein könne. Das Gespräch sei definitiv nach dem Versuch in M .. und vor der Reise der Antragsgegnerin nach Bayern gewesen. Der Antragsgegner habe so gerne ein Kind gewollt, dass er mit der Samenspende einverstanden gewesen sei.

Der Antragsteller war insoweit auch einwilligungsfähig. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einwilligung geschäftsunfähig war. Dem steht auch nicht entgegen, dass für ihn eine gerichtliche Betreuung mit Eiwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten bestanden hatte. Bei der Zeugung eines Kindes handelt es sich um einen höchstpersönlichen Akt. Gleiches muss aber auch für die Zustimmung zur Fremdsamenspende gelten, auch wenn diese unmittelbare vermögensrechtliche Folgen haben kann in Form von Unterhaltsverpflichtungen. Das gleiche gilt nämlich auch für den realen Zeugungsakt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG.