Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 18.11.2009, Az.: 3 B 75/09
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 18.11.2009
- Aktenzeichen
- 3 B 75/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 44224
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2009:1118.3B75.09.0A
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, wendet sich gegen die Anforderung von Straßenausbaubeiträgen.
Er ist Eigentümer eines Grundstückes in Stiepelse. Stiepelse ist eine Ortschaft in der Gemeinde Amt Neuhaus. Das Gebiet gehörte früher zur DDR und ist jetzt Teil des im alten Bundesgebiet gelegenen Landkreises Lüneburg.
Im Bereich von Stiepelse wurde ein Vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, darauf aufbauend sollte dann eine Dorferneuerung stattfinden. Die rechtlichen Wirkungen der Flurbereinigungspläne traten im Dezember 2004 ein. Im Rahmen der damit verbundenen Dorferneuerung wurden die Straßen in Stiepelse erneuert und verbessert. Der erste Bauabschnitt erfasste die Elbstraße von der Buswendeschleife am Ortseingang, abknickend an der Kirche, durch den Ort in nordwestliche Richtung hindurch bis zu dem schon wieder außerorts gelegenen Wendeplatz. Die Baumaßnahme wurde im August 2000 abgenommen. Ein weiterer Bauabschnitt erfasste den Buswendeplatz am Anfang des Ortes sowie die Zufahrtsstraße vor dem Ortseingang. Der Busplatz bestand schon zu DDR-Zeiten und wurde neu hergerichtet. Die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt wurden im Mai 2004 abgenommen.
Die Gemeinde erhielt für die Ausbaumaßnahmen Zuschüsse nach den Dorferneuerungsrichtlinien. Die Antragsgegnerin ermittelte die Kosten für den Ausbau. Dabei bildete sie zwei Abrechnungsgebiete:
Zum einen den Buswendeplatz und die innerörtliche Elbstraße in nordwestliche Richtung bis zum beidseitigen Eintritt in den Außenbereich. Diesen Bereich sah die Antragsgegnerin als eine im Innenbereich liegende einheitliche Anbaustraße an, und die hier ermittelten Kosten verteilte sie auf die anliegenden Grundstücke.
Zum anderen den Bereich der Elbstraße nach ihrem beiderseitigen Eintritt in den Außenbereich (im Nordwesten des Ortes) bis hin zum Wendeplatz. Diesen Bereich sah die Antragsgegnerin als eine im Außenbereich liegende Straße an.
Der Antragsteller wurde für den Ausbau der Innenbereichsstraße mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. November 2008 zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 766,89 EUR herangezogen.
Dagegen hat der Antragsteller am 22. Dezember 2008 Klage erhoben. Am 14. Oktober 2009 hat der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes beantragt, nachdem die Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Hierzu trägt der Antragsteller vor, die Straßen seien dem öffentlichen Straßenverkehr nicht gewidmet worden. Das Abrechnungsgebiet sei fehlerhaft, und die Beitragsforderung sei wegen Fertigstellung der Straße schon im Jahre 2000 jetzt verjährt.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet. An der Rechtmäßigkeit der Festsetzung und der Anforderung des Straßenausbaubeitrages bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Heranziehungsbescheid ist die Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin (1.). Abrechnungsstrecken in Stiepelse sind einerseits die Elbstraße als Innenbereichsstraße vom Buswendeplatz bis zum beidseitigen Eintritt in den Außenbereich, sowie andererseits die weiterführende Strecke im Außenbereich bis zum Wendeplatz als Außenbereichsstraße; der Buswendeplatz am Ortseingang gehört nicht zur Innenbereichsstraße (2.). Die so umschriebenen Straßen sind "öffentliche" Straßen, da sie gewidmet sind (3.). Es ist davon auszugehen, dass alle Teileinrichtungen der beiden öffentlichen Straßen auf der gesamten Länge erneuert und verbessert worden sind (4.). Der beitragfähige Aufwand für diese Straßen war im Jahre 2001 berechenbar, so dass die Beitragspflicht in diesem Jahr entstanden und Ende des Jahres 2005 verjährt ist (5.). Das Flurbereinigungsverfahren im Gebiet von Stiepelse schiebt die Verjährungsfrist nicht hinaus (6.).
1. Rechtsgrundlage für den Heranziehungsbescheid ist die Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2003 - SABS -. Nach § 1 SABS kann für die Verbesserung und Erneuerung öffentlicher Straßen ein Beitrag erhoben werden. Bei Anliegerstraßen im Innenbereich - ebenso wie bei sog. Wirtschaftswegen im Außenbereich - haben die Anlieger 75 von Hundert des beitragsfähigen Aufwandes zu tragen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 8 SABS). Die Verteilung des Aufwandes richtet sich nach der Größe des Grundstückes und nach ihrer Ausnutzbarkeit (§§ 5 ff SABS). Eine solche Verteilungsregel ist üblich und nicht fehlerhaft.
2. Öffentliche Straße, die in Stiepelse zur Abrechnung kommt, ist zum einen die Innenbereichsstraße vom Buswendeplatz, die sich vom Ortseingang um die Kirche herum in nordwestliche Richtung weiterzieht und aus Rechtsgründen ihr Ende findet mit dem beidseitigen Eintritt in den Außenbereich. Zum anderen ist öffentliche Straße der Bereich der Elbstraße ab ihrem beiderseitigen Eintritt in den Außenbereich (im Nordwesten des Ortes) bis hin zum Wendeplatz, dieser Bereich ist eine im Außenbereich liegende Straße.
Die Straße von der Kirche südwärts auf dem Deich ist eine eigene öffentliche Einrichtung, die kein Bestandteil der beiden abrechenbaren Straßen ist. Der Buswendeplatz gehört ebenfalls nicht zu einer der abgerechneten Straßen.
Straße im Sinne des Straßenausbaubeitragssatzung und im Sinne des § 6 Abs. 1 NKAG, die selbstständig von anderen Straßen abzurechnen ist, ist jeder Straßenzug, den der unbefangene Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbstständiges, von anderen Straßen abgegrenztes Element des gemeindlichen Straßenverkehrsnetzes ansieht. Maßgebend für die natürliche Betrachtungsweise sind vor allem Straßenlänge, Straßenbreite, Straßenführung, Straßenausstattung und die äußere Gestaltung der Verkehrsanlage (Nds. OVG, Beschl. v. 12.03.2004 - 9 ME 45/04 -, NVwZ-RR 2004 Seite 605). Dabei kommt es auf die Verhältnisse nach dem durchgeführten Ausbau an und nicht auf die Verhältnisse vor dem durchgeführten Ausbau. Eine Straße endet im Rechtssinne mit ihrem Eintritt in den Außenbereich, so dass das sonst maßgebliche tatsächliche Erscheinungsbild der Anlage keine ausschlaggebende Bedeutung mehr hat (Nds. OVG, Beschl. v. 19.12.2008 - 9 LA 99/06 -). Auch nach der Rechtsprechung der Kammer endet eine Innenbereichsstraße im rechtlichen Sinne dann, wenn sie "endgültig" in den Außenbereich übergeht, damit ihre Eigenschaft als Innerortsstraße i.S.d. § 47 Nr. 1 NStrG verliert, und sich als Straße im Außenbereich etwa im Sinne des § 47 Nr. 3 NStrG - als Wirtschaftsweg - fortsetzt (Beschl. d. Kammer v. 20.05.2009 - 3 B 93/08 -).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall:
a) Danach kommen Stiepelse zwei Straßen zur Abrechnung: Innenbereichsstraße in Stiepelse i.S.d. § 47 Nr. 1 NStrG ist die Strecke vom Buswendeplatz, die sich vom Ortseingang um die Kirche herum in nordwestliche Richtung weiterzieht, diese Innenbereichsstraße endet aus Rechtsgründen im Nordwesten des Ortes mit dem beidseitigen Eintritt in den Außenbereich. Daran schließt sich eine Außenbereichsstraße an, die ein Wirtschaftsweg im Sinne des § 47 Nr. 3 NStrG ist, der Wendeplatz im Nordwesten des Ortes ist Teil dieses Wirtschaftsweges.
b) Die Strecke von der Kirche in Richtung Südosten ist nach natürlicher Betrachtungsweise eine eigene Straße und steht rechtlich nicht im Zusammenhang mit den hier abgerechneten Straßen. Sie verläuft auf dem Deich, sie ist nur einseitig anbaubar und unterscheidet sich in Ausbau und nach natürlicher Betrachtungsweise - soweit das aufgrund der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilder beurteilt werden kann - grundlegend von den Strecken, die Gegenstand der Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen gewesen sind. Dies gilt besonders im Hinblick auf die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nach dem Abschluss der durchgeführten Ausbauarbeiten, denn auf der Deichkrone ist die dort befindliche Beton-Lochplatten-Befestigung unverändert liegen geblieben, die ein Überbleibsel der Grenzbefestigung ist.
c) Der Buswendeplatz gehört nicht zu einer der abgerechneten Straßen. Der Buswendeplatz ist auch keine gesonderte eigene öffentliche Einrichtung in der Straßenbaulast der Antragsgegnerin, die Aufwendungen für den Ausbau können deshalb nicht auf die Anlieger umgelegt werden.
aa) Dass der Buswendeplatz kein Bestandteil der abgerechneten Innenbereichsstraße in Stiepelse ist, ergibt sich schon aus tatsächlichen Gründen aufgrund der im Straßenausbaubeitragsrecht maßgeblichen natürlichen Betrachtungsweise. Nach den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos ist der Buswendeplatz deutlich abgesetzt von der Straße. Die Straße besteht am Ortseingang aus einer bituminierten Fahrbahn, die links und rechts durch dreireihige Pflastersteine eingefasst ist. Die Buswendeschleife hat eine Pflasterung und führt um eine mit Gras und Bäumen bepflanzte Mittelinsel herum. Die Mittelinsel hat eine Größe, die über die Größe des ortsüblichen Begleitgrüns weit hinaus geht. Ausgehend von den Fotos in den Verwaltungsvorgängen drängt es sich bei natürlicher Betrachtungsweise auf, dass ein Verkehrsteilnehmer, der auf dem Buswendeplatz steht, sich nicht mehr auf der Straße befindet, sondern im Bereich einer anderen Einrichtung.
bb) Auch aus Rechtsgründen ist der Buswendeplatz kein Bestandteil der Innenbereichsstraße, aber auch keine sonstige öffentliche Einrichtung i.S.d. § 6 NKAG, für die die Anlieger zu Beiträgen herangezogen werden können.
Allerdings gehören "Haltestellenbuchten" für den Linien- und Schulbusverkehr zu der öffentlichen Straße, an der diese Buchten liegen. Dies folgt aus § 16 NStrG. Diese Vorschrift lautet:
Wenn eine Straße wegen der Art des Gemeingebrauchs durch einen anderen aufwendiger hergestellt oder ausgebaut werden muss, als es dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entspricht, hat der andere dem Träger der Straßenbaulast die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung zu vergüten und ihm hierfür auf Verlangen angemessene Vorschüsse oder Sicherheiten zu leisten. Das gilt nicht für Haltestellenbuchten für den Linien- und Schulbusverkehr.
Nach dem Sinn dieser Vorschrift hat der Straßenbaulastträger mit dem ihm obliegenden Straßenausbau nur das regelmäßige Verkehrsbedürfnis zu erfüllen. Muss eine Straße aufgrund eines besonderen Verkehrsbedürfnisses einzelner Benutzer kostspieliger hergestellt oder ausgebaut werden, als dies sonst für den normalen Verkehr erforderlich wäre, gibt § 16 NStrG die Möglichkeit, die Veranlasser dieser Maßnahmen zu den Mehrkosten heranzuziehen. Dies gilt allerdings nach Satz 2 der genannten Vorschrift nicht für Haltestellenbuchten. Haltestellenbuchten - die optisch regelmäßig als "Verbreiterungen der Fahrbahn" wahrgenommen werden - dienen der notwendigen Entflechtung des Verkehrs, um den den Bussen nachfolgenden Verkehr auf der Fahrbahn nicht zu behindern oder zu erschweren. Busse schwenken in die Bucht ein und der übrige Verkehr kann ungehindert weiterfließen. Die Anlage von Haltestellenbuchten entspricht somit dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis, so dass die Kosten für diese Einrichtungen vom Träger der Straßenbaulast zu übernehmen sind.
Jedoch gilt § 16 Satz 2 NStrG nur eben für "Haltestellenbuchten", nicht aber für "Busbahnhöfe" oder sonstige Haltestelleneinrichtungen, die nicht mehr als "Buchten" angesehen werden können. Denn die Ausnahmevorschrift in § 16 Satz 2 NStrG ist eng auszulegen. Demgemäß lässt sich § 16 Satz 2 NStrG auf Buswendeplätze nicht anwenden, da diese Betriebsanlagen der Verkehrsunternehmen sind und dem allgemeinen Verkehr nicht zur Verfügung stehen. Die Kosten für ihre Herstellung hat deshalb der Unternehmer zu tragen, der über § 16 Satz 1 NStrG herangezogen werden kann (vgl. hierzu Wendrich, NStrG, 4. Aufl. 2000, § 16 Rn. 3; Nds. MBl. 1962 S. 216, 223 f).
Aufgrund der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Ausbaupläne und der vorgelegten Fotos ergibt sich, dass am Ortseingang von Stiepelse keine bloße "Haltestellenbucht" angelegt worden ist, sondern ein größer dimensionierter Buswendeplatz. Der Buswendeplatz wurde auch als gesonderte Baumaßnahme unabhängig vom Ausbau der Innenbereichsstraße verwirklicht und ist Gegenstand von besonderen Zuwendungsbescheiden gewesen. Der Umstand, dass wegen der besonderen örtlichen Gegebenheiten in Stiepelse eine bloße Haltebucht nicht angelegt werden konnte - Stiepelse liegt verkehrsmäßig in einer "Sackgasse" - und für den Busverkehr aufgrund der Sicherheitsbedürfnisse eine Wendeschleife zwingend angelegt werden musste, gibt keinen Anlass, den Buswendeplatz rechtlich als Teil der Innenbereichsstraße anzusehen. Denn in Anbetracht des eindeutigen Wortlautes des § 16 Satz 2 NStrG kann der Begriff der "Haltestellenbucht" nicht unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten des Ortes unterschiedlich ausgelegt werden.
3. Die Innenbereichsstraße vom Buswendeplatz, um die Kirche herum bis zu ihrem beidseitigen Eintritt in den Außenbereich im Nordwesten des Ortes und die sich daran anschließende Außenbereichsstraße sind "öffentliche" Straßen, da sie gewidmet sind.
Da nach § 6 Abs. 1 NKAG Straßenausbaubeiträge nur für "öffentliche Einrichtungen" festgesetzt und angefordert werden dürfen, setzt das Entstehen der Beitragspflicht eine Widmung der Straße zu öffentlichen Verkehrszwecken voraus. Fehlt es an der Öffentlichkeit einer Straße, das heißt an einer Widmung, ist die Beitragspflicht noch nicht entstanden, do dass auch eine Verjährung nicht eintreten kann.
Die Widmung einer Straße ist ein Hoheitsakt, wodurch die Straße dem Gemeingebrauch zur Verfügung gestellt, das heißt der allgemeinen Nutzung zugeführt wird. Nach dem heutigen niedersächsischen Recht ist die Widmung ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die rechtliche Verfügungsbefugnis des Straßenbaulastträgers über das Straßengrundstück voraussetzt, zudem ist die Widmung öffentlich bekannt zu machen (vgl. im Einzelnen § 6 NStrG). Das DDR-Recht hingegen kannte den Begriff der Widmung nicht. Es gab deswegen keine förmlichen Widmungsakte von DDR-Behörden. Maßgeblich für die Einstufung als öffentliche Straße war nach DDR-Recht die Freigabe für die öffentliche Nutzung durch die zuständigen Stellen. In der Regel genügte ein tatsächlicher Anschluss an das übrige öffentliche Straßennetz (BVerwG, Urt. v. 30.10.2002 - 8 C 24/01 - unter Hinweis auf die Straßenverordnungen der DDR von 1957 und 1974). Aus der Zeit vor Gründung der DDR konnte die Öffentlichkeit eines Weges historisch begründet werden, nämlich durch das Institut der "unvordenklichen Verjährung": Die Öffentlichkeit einer Straße, deren Entstehung und ursprüngliche rechtliche Verhältnisse im Dunkeln liegen, kann angenommen werden, wenn die Straße seit langer Zeit ("schon immer") als öffentliche Straße tatsächlich benutzt worden ist. Dies gilt gerade dann, wenn die Straße von der Gemeinde unterhalten worden ist, um eine gefahrlose Nutzung der Straße durch die Allgemeinheit zu sichern, ohne dass es jemals Zweifel an der Öffentlichkeit der Straße aufgekommen sind oder das allgemeine Nutzungsrecht bestritten worden ist. Die "unvordenkliche Verjährung" als Rechtsfigur wurde bereits in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes anerkannt (grundlegend zu dem Rechtsinstitut unvordenklicher Verjährung PrOVG, Urt. v. 21.3.1904, in PrOVGE Band 45, S. 247), sie kann (erst) angenommen werden, wenn ein allgemeines Einverständnis über die Öffentlichkeit der Straße seit mindestens 80 Jahren besteht (OVG Magdeburg, Urt. v. 09.04.1997 - A 4 S 5/97 -).
Hiervon ausgehend liegt eine Widmung der beiden abgerechneten Straßen durch unvordenkliche Verjährung vor. Die Straßen dienen dem öffentlichen Verkehr seit es Stiepelse gibt. Stiepelse ist bereits in der Preußischen Landesaufnahme von 1881 enthalten, ebenso in der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1776. Ernsthafte Zweifel daran, dass die Straßen durchgehend dem öffentlichen Verkehr gedient haben, sind daher nicht angebracht. Ob und inwieweit eine Öffentlichkeit des Buswendeplatzes angenommen werden kann, mag unentschieden bleiben, da - wie ausgeführt - dieser Platz kein Bestandteil der öffentlichen Innenbereichsstraße von Stiepelse ist.
4. Bei summarischer Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse aufgrund des Vorbringens der Beteiligten - ist davon auszugehen, dass alle Teileinrichtungen der beiden öffentlichen Straßen auf der gesamten Länge erneuert und verbessert worden sind.
a) Allgemein gilt: Nach § 6 Abs. 1 NKAG ist der für das Entstehen des Beitragsanspruchs maßgebliche Grundtatbestand die Herstellung, Erneuerung oder Verbesserung der "öffentlichen Einrichtung". Für das Straßenausbaubeitragsrecht bedeutet das, dass nach der zwingenden landesgesetzlichen Vorgabe für die Gemeinden der Ausbaubeitrag grundsätzlich erst mit Abschluss der Verbesserungsarbeiten oder Erneuerungsarbeiten an der öffentlichen Einrichtung insgesamt, d. h. an der öffentlichen Straße auf ihrer gesamten Länge und mit all ihren Teileinrichtungen, entstehen kann. Will eine Gemeinde abweichend vom Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 NKAG einen Ausbaubeitrag für den Ausbau nur einer Teileinrichtung oder mehrerer Teileinrichtungen erheben, so bedarf es, weil die öffentliche Einrichtung nicht insgesamt ausgebaut wird, gem. § 6 Abs. 2 und Abs. 6 NKAG eines Aufwandsspaltungsbeschlusses, um den Ausbaubeitrag zum Entstehen zu bringen. Wird nur eine Teilstrecke ausgebaut, bedarf es eines Abschnittsbildungsbeschlusses gem. § 6 Abs. 4 und 6 NKAG (vgl. grdl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 1.2.1987 - 9 B 122/86 -, KStZ 1987 S. 151; seitdem ständ. Rspr.).
Während eine Verbesserung i.S.d. § 6 Abs. 1 NKAG dann anzunehmen ist, wenn sich der Zustand der Teileinrichtung nach Durchführung der Straßenausbaumaßnahme in irgendeiner Hinsicht von dem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf die Nutzbarkeit hat, ist eine Erneuerung i.S.d. § 6 Abs. 1 NKAG gekennzeichnet durch das Ersetzen einer nicht mehr voll funktionsfähigen Teileinrichtung durch eine neue Teileinrichtung, die im Wesentlichen mit der ursprünglichen Teileinrichtung vergleichbar ist.
b) Daraus folgt für den vorliegenden Fall:
aa) Es ist davon auszugehen, dass es eines Aufwandsspaltungsbeschlusses gem. § 6 Abs. 2 und Abs. 6 NKAG nicht bedurfte, um den Beitragsanspruch zum Entstehen zu bringen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass nicht alle Teileinrichtungen der beiden Straßen im Innenbereich und im Außenbereich von den Verbesserungs- und Ausbaumaßnahmen erfasst worden sind.
bb) Weiter ist davon auszugehen, dass es auch keines Abschnittsbildungsbeschlusses gem. § 6 Abs. 4 und 6 NKAG bedurfte. Der Vortrag der Beteiligten hat keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die beiden Straßen im Innenbereich und im Außenbereich nicht auf ganzer Länge ihrer Teileinrichtungen von den Ausbaumaßnahmen erfasst worden sind. Gründe, in diesem nur auf eine summarische Prüfung der Tatsachen ausgelegten Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz eine weitere Sachaufklärung zu betreiben, sieht das Gericht nicht.
cc) Es ist gegenwärtig davon auszugehen, dass Maßnahmen der Verbesserung oder Erneuerung auf den beiden abgerechneten Straßen vorgenommen worden sind. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass es rechtlich nur um Unterhaltungsarbeiten oder Instandsetzungsarbeiten handelt und nicht um eine Verbesserung oder Erneuerung i.S.d. § 6 Abs. 1 NKAG, hat der Vortrag der Beteiligten nicht geliefert.
5. Der beitragsfähige Aufwand für die Innenbereichsstraße in Stiepelse und die Außenbereichsstraße am nordwestlichen Ende des Bebauungszusammenhangs des Ortes ist im Jahre 2001 berechenbar gewesen, so dass die Beitragspflicht in diesem Jahr entstanden und Ende des Jahres 2005 verjährt ist.
Im Straßenausbaubeitragsrecht entsteht die Beitragspflicht nicht mit Abschluss der technischen Baumaßnahme und Vollendung des Bauprogramms. Vielmehr entsteht die Beitragspflicht erst mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung. Denn erst nach Kenntnis aller Rechnungen ist der Aufwand berechenbar, und erst dann ist der Gemeinde die Geltendmachung des Beitragsanspruches möglich (Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2001 - 9 LA 481/01 -).
a) Im vorliegenden Fall lässt sich für den Bauabschnitt Nr. 800 - der die Innenbereichsstraße, aber auch die Außenbereichsstraße im Nordwesten des Ortes betrifft - feststellen, dass die Baumaßnahme am 21. August 2000 abgenommen worden ist, was sich aus einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 5. Dezember 2007 ergibt. Nach den weiteren Aufstellungen sind die Kostenrechnungen - bis auf eine Ausnahme - alle im Jahr 2000 erstellt worden, die letzte Rechnung aus diesem Jahr ist diejenige der Fa. Elektro-Mai vom 13. Dezember 2000. Allerdings ist noch eine Rechnung über einen Hausanschluss ergangen am 18. Januar 2001. Es handelt sich um die Rechung der WEMAG Schwerin über einen Betrag von 1 983,60 EUR. Stellt man auf diese Rechnung ab, war der Aufwand im Jahr 2001 berechenbar.
b) Der Bauabschnitt 802, der später hergestellt worden ist - die Bauabnahme hat erst im Mai 2004 stattgefunden - schiebt die Verjährung wegen des insoweit auch späteren Eingangs der letzten Unternehmerrechnung nicht hinaus. Denn der Bauabschnitt 802 erfasst keinen Bestandteil der Innenbereichsstraße in Stiepelse.
Es ist davon auszugehen, dass die Innenbereichsstraße, aus dem Ort herauskommend, ihr Ende findet in Höhe des Sandweges, der an der Busschleife Richtung Nordwesten abgeht und parallel zur Elbstraße verläuft. Dies ist die Grenze zwischen den Baumaßnahmen 800 und 802. Alle Grundstücke bzw. Grundstücksteile nordöstlich des Sandweges sind Außenbereichsgrundstück, so dass die Innenbereichsstraße in Höhe des Sandweges endet und sich die Straße von dort an als Außenbereichsstraße fortsetzt in Richtung Landesstraße. Diese Wertung ergibt sich aufgrund der Planlage, der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos und der geografischen Übersicht in Google maps. Danach sind die in die Verteilung eingestellten Grundstücke 1, 44 und 45 Außenbereichsgrundstücke. In den Verwaltungsvorgängen ist zum Grundstück Nr. 1 (Eigentümer: Peter Guhl) angemerkt, eine Teilfläche sei zwar im Flächennutzungsplan als Innenbereichsfläche dargestellt, jedoch könne eine Baugenehmigung nicht erteilt werden, so dass es als Grünland zu bewerten sei. Dieses Grundstück ist nicht bebaut, ebenso nicht die gegenüberliegenden Grundstücke Nr. 44 und 45 aus der Verteilungsliste. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den Standort des Ortseingangsschildes an, da dieses für die Abgrenzung des Innenbereichs und des Außenbereichs von vornherein ohne Belang ist. Die Grundstücke Nr. 44 und 45 liegen auch nach dem Flächenutzungsplan nicht innerorts, sondern außerorts. Die so gefundene Abgrenzung der Innenbereichsstraße von der Außenbereichsstraße wird bestätigt durch die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos und der Auswertung der Planlage nach Google maps. Danach ist der Bereich nordöstlich des Sandweges unbebaut bis auf die weitab vom Ortseingang am Sandweg liegende Scheune. Das in relativer Nähe zur Elbstraße gelegene Gebäude, das sich nach Google maps hinter den herangezogenen Grundstücken Nr. 44 und 45 befindet, hat keine organische Verbindung zum übrigen Ort und macht die Straßenstrecke nordöstlich des Sandweges nicht zur Innenbereichsstraße, weil dieses Gebäude - wenn es noch existieren sollte - keine innenbereichsprägende Wirkung besitzt. Die Einschätzung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsstrecke wird verstärkt durch die Stellungnahme des Amtes für Agrarstruktur zur Vereinfachten Flurbereinigung Stiepelse. Dort ist auf Seiten 48 - 50 ausgeführt, dass sich der Buswendeplatz (Baumaßnahme 801) "unmittelbar vor der Ortseinfahrt" befindet, und dass die Baumaßnahme Nr. 802 die rund 310 m lange Zufahrt von der Landesstraße "bis zur Ortseinfahrt" betrifft.
c) Die Berechenbarkeit des Aufwandes im Jahr 2001 ändert sich nicht wegen der Zuwendungen, die die Antragsgegnerin für die Ausbaumaßnahmen erhalten hat. Allerdings kann, wenn eine Kommune keine Festbetragszuwendung bekommt, sondern eine "Anteilsfinanzierung", der umzulegende Aufwand endgültig erst berechnet werden, wenn mit der zuschussgebenden Stelle aufgrund der vorliegenden Unternehmerrechnungen der endgültige öffentliche Zuschuss abgerechnet werden kann. In einem solchen Fall, in dem zusätzlich die Zuwendungen auch den Beitragspflichtigen zu Gute kommen muss - denn nur auf die Berechenbarkeit des auf die Anlieger entfallenden Aufwandes kommt es rechtlich an - kann möglicherweise erst mit dem abschließenden Bescheid der Zuwendungsstelle die Beitragspflicht berechenbar sein.
Im vorliegenden Fall kann von vornherein nur der Zuschuss für den Bauabschnitt 800 maßgeblich sein, da der Bauabschnitt 801 - die Buswendeplatz betreffend - nicht die Innenbereichsstraße betrifft und der Bauabschnitt 802 ebenfalls nicht den Innenbereichsteil der abgerechneten Straße in Stiepelse erfasst. Im Hinblick auf den Bauabschnitt 800 ist vom Amt für Agrarstruktur mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 eine "nicht rückzahlbare Zuwendung in der Form der Festbetragsfinanzierung" gewährt worden, so dass die Berechenbarkeit des Aufwandes im Hinblick auf die Zuwendungen nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden ist.
d) Die Festsetzungsverjährung beträgt nach § 11 NKAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit dem Abschluss des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Daraus folgt: Ist die Beitragspflicht im Jahre 2001 entstanden, endete die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2005, und Beitragsansprüche sind seit dem 1. Januar 2006 verjährt. Der Erlass des Beitragsbescheides erst im November 2008 liegt außerhalb der Verjährungsfrist. Dies macht den Beitragsbescheid rechtwidrig. Der Ablauf der Verjährung ist im öffentlichen Recht von Amts wegen zu berücksichtigen, im Übrigen ist auf die Verjährung aber auch bereits in der Klageschrift hingewiesen worden.
6. Das Flurbereinigungsverfahren im Gebiet von Stiepelse schiebt die Verjährungsfrist nicht hinaus.
Mit dem Flurbereinigungsbeschluss des Amtes für Agrarstruktur Lüneburg vom 22. Dezember 1993 wurde das Vereinfachte Flurbereinigungsverfahren im Gebiet von Stiepelse angeordnet. Nach der Begründung sollen durch Neuordnung des Eigentums an den landwirtschaftlichen Flächen die Arbeits- und Produktionsverhältnisse für die landwirtschaftlichen Betriebe verbessert bzw. überhaupt erst geschaffen werden. Durch öffentliche Bekanntmachung des Amtes (Amtsblatt des Landkreises Lüneburg vom 6.12.2004) treten die rechtlichen Wirkungen der Flurbereinigungspläne mit dem 21. Dezember 2004 ein.
Für das Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch wird vertreten, eine Beitragspflicht könne nicht entstehen, solange Grundstücke zu der nach § 55 Abs. 1 BauGB vereinigten "Umlegungsmasse" gehörten, da die im Umlegungsverfahren befindlichen Grundstücke gleichsam "sterbende" Grundstücke seien und es deshalb an der Dauerhaftigkeit des beitragsrechtlichen Vorteils fehle (so OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.09.2004 - 8 A 10380/04 -). Für das Flurbereinigungsverfahren wird Entsprechendes angenommen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 19 Rn. 8).
Die Übernahme dieser Rechtsansicht hätte im vorliegenden Verfahren zur Folge, dass die Beitragspflicht nicht schon mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung im Jahre 2001 entstanden wäre, sondern erst mit Abschluss des Umlegungsverfahrens im Jahre 2004, sodass der angegriffene Beitragsbescheid von 2008 noch innerhalb der Verjährungsfrist ergangen wäre.
Der dargestellten Rechtsansicht ist für das Flurbereinigungsverfahren im Bereich von Stiepelse jedoch nicht zu folgen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Das Flurbereinigungsverfahren dient der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, die nicht gleichzusetzen ist mit dem Untergang des Eigentums an dem vom Flurbereinigungsverfahren erfassten Grundstück. In einem Flurbereinigungsverfahren sind die Eigentümer der zu dem Gebiet gehörenden Grundstücke beteiligt, die Teilnehmer bilden eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes (§§ 10, 16 FlBG). § 15 FlBG sieht vor, dass derjenige, der ein Grundstück aus dem Gebiet erwirbt, das Verfahren gegen sich gelten lassen muss. Dies zeigt, dass der Grundstücksverkehr nicht eingeschränkt wird (so schon BVerwG, Beschl. v. 01.11.1976 - 5 B 82.84 -). Das Flurbereinigungsverfahren ist durch den so genannten Surrogationsgrundsatz bestimmt (§§ 61 ff FlBG). Mit der Unanfechtbarkeit der flurbereinigungsrechtlichen Ausführungsanordnungen tritt an Stelle des alten Grundstücks die sogenannte Landabfindung. Die Rechtsverhältnisse an dem alten Grundstück bleiben bestehen und setzen sich an der Landabfindung fort. Die gegebenenfalls neue im Flurbereinigungsplan ausgewiesene reale Grundstücksfläche tritt als Surrogat (Ersatz) an Stelle des alten realen Grundstücks mit der Folge, dass an ihr dieselben Rechtsverhältnisse bestehen, die an dem alten Grundstück bestanden. Das Eigentum an den alten Grundstücken ist mit dem an seine Stelle getretenen Abfindungsgrundstück identisch (OLG Rostock, Beschl. v. 11.07.2007 - 7 W 61/06 -). Mit anderen Worten tritt das Abfindungsgrundstück in dieselben Rechtsverhältnisse ein, die an dem alten Grundstück bestanden. Örtlich gebundene öffentliche Lasten, die auf den alten Grundstücken ruhen, gehen auf die in deren örtlicher Lage ausgewiesenen neuen Grundstücke über (§ 68 Abs. 1 FlBG). Die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes regeln insoweit nicht mehr als den Eintritt in die Rechtsverhältnisse des ursprünglichen Grundstücks (BVerwG, Urt. v. 25.04.2007 - 8 C 13/06 -).
Für die Annahme, alle in einem Flurbereinigungsverfahren liegenden Grundstücke seien "sterbende" Grundstücke, was den Erlass von Beitragsbescheiden verbiete, besteht kein Bedürfnis, und sie lässt sich systematisch nicht rechtfertigen. Im Erschließungsbeitragsrecht können Beiträge gem. §§ 131 und 133 BauGB festgesetzt werden, wenn das bundesrechtliche Bebauungsrecht und das landesrechtliche Bauordnungsrecht eine bauliche Nutzung des Grundstücks erlauben (BVerwG, Urt. v. 26.02.1993 - 8 C 35.92 -, DÖV 1993 Seite 716), wenn für das Grundstück wegen der hergestellten Straße eine Baugenehmigung erteilt werden kann (Nds. OVG, Beschl. v. 30.10.2002 - 9 ME 409/02 -). Die Erteilung einer Baugenehmigung aber kann nicht für die Zeit einer Flurbereinigung ausgesetzt werden. Dies hätte im vorliegenden Fall die Konsequenz, dass für die gesamte Zeit des Flurbereinigungsverfahrens von 1993 bis 2004 - damit über 11 Jahre hinweg - Baugenehmigungen nicht erteilt werden könnten. Im Straßenausbaubeitragsrecht kommt es für die Beitragserhebung gem. § 6 Abs. 1 NKAG darauf an, ob den Grundstückseigentümern "die Möglichkeit der Inanspruchnahme" der Straße besondere wirtschaftliche Vorteile bietet, und die Beitragspflicht entsteht nach § 6 Abs. 6 NKAG mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße durch einen Grundstückseigentümer ist nicht erst mit Abschluss eines Flurbereinigungsverfahrens gegeben, sondern schon vorher, und die beitragsfähigen Maßnahmen sind ebenfalls früher beendet. Auch die Berechnungsfaktoren wie Aufwand und vorteilhabende Grundstücke stehen schon längst fest. Denn die tatsächlichen Verhältnisse an einem Grundstück - etwa Eigentum oder Zuschnitt und Größe - werden durch ein Flurbereinigungsverfahren nicht ansatzweise berührt. Ein Grundstück "stirbt" nicht, wenn es in einem Flurbereinigungsgebiet liegt, es besteht lediglich die - entfernte - Möglichkeit, dass es durch ein Abfindungsgrundstück ersetzt wird. Es gibt viele Grundstücke, die durch die Flurbereinigung unverändert bleiben, was gerade bei Wohngrundstücken anzunehmen ist.
Die Flurbereinigung bezieht sich schwerpunktmäßig zumeist auf landwirtschaftliche Flächen. Das zeigt sich gerade im vorliegenden Fall: Nach der Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses von 1993 sollen durch Neuordnung des Eigentums an den landwirtschaftlichen Flächen die Arbeits- und Produktionsverhältnisse für die landwirtschaftlichen Betriebe verbessert bzw. überhaupt erst geschaffen werden. Zudem ist das Beitragsrecht - sowohl das Erschließungsbeitragsrecht als auch das Straßenausbaubeitragsrecht - nicht von einer zeitraumbezogenen Betrachtung geprägt, sondern von einer zeitpunktbezogenen Betrachtung. Bei Entstehen der Beitragspflicht - mithin bei Berechenbarkeit des Aufwandes - ist allein diejenige Grundstückssituation maßgeblich, wie sie sich in diesem "Zeitpunkt" darstellt. Es kommt rechtlich nicht darauf an, ob sich diese Grundstückssituation und die daran bestehenden Eigentumsverhältnisse auch in Zukunft so fortsetzen oder nicht und ob sich die Verhältnisse durch die Flurbereinigung nach einem mehr oder minder langen Zeitraum etwa ändern. Eine "Dauerhaftigkeit" der grundstücksbezogenen Vorteilslage ist im Beitragsrecht allgemein oder eine "Dauerhaftigkeit" der Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße im Straßenausbaubeitragsrecht im besonderen ist nicht erforderlich, vielmehr kommt es seit jeher - etwa bei den Eigentumsverhältnissen, Grundstücksgrößen, aber auch bei anderen Maßstabskomponenten wie einem Gewerbezuschlag - stets allein und ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht an.
Eine zeitliche Grenze, mit deren Überschreitung erst von einer Dauerhaftigkeit eines Vorteils ausgegangen werden kann, ist bislang von der Rechtsprechung - zu Recht - nicht entwickelt worden. Es ist vielmehr stets als unerheblich angesehen worden, ob ein Grundstück, das im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht mit einem Gewerbezuschlag versehen werden muss, auch in Zukunft weiterhin "dauerhaft" gewerblich genutzt wird. Selbst wenn die gewerbliche Nutzung nicht von Dauer ist, gebieten es allein die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht, einen Gewerbezuschlag anzusetzen. Es ist auch seit jeher als unerheblich angesehen worden, wenn ein veranlagtes Grundstück nach der Veranlagung geteilt und etwa zur halben Größe verkauft wird und ein Eigentumsübergang stattfindet. Wenn in diesem Zusammenhang vertreten wird, erst im Zeitpunkt des Abschlusses des Flurbereinigungsverfahrens sei die Größe der erschlossenen oder bevorteilten Grundstücke hinreichend bestimmbar, ist dieser Ansatz nicht zutreffend. Vielmehr kommt es - wie dargelegt - allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht an. Der Flurbereinigungsbeschluss ändert am Eigentum und an sonstigen Rechten des Grundstückes nichts. Belastungen an den Flächen gehen entsprechend den Bestimmungen des Flurbereinigungsgesetzes gegebenenfalls auf Ersatzgrundstücke über. Ein irgendwie gearteter "Stillstand einer Abgabenerhebung" während des Flurbereinigungsverfahrens ist weder interessengerecht noch rechtlich geboten. Andernfalls hätte das im vorliegenden Fall die Konsequenz, dass für die gesamte Zeit des Flurbereinigungsverfahrens von 1993 bis 2004 - damit über 11 Jahre hinweg - Beitragsansprüche nicht geltend gemacht werden könnten, obwohl die Grundstückseigentümer ungeschmälert die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Straße haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.