Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 19.02.2020, Az.: 1 A 86/17

Beschlagnahme; Eigentumsverlust; Einziehungsverfügung; Gläubigeraufruf; Harley-Davidson; Hells Angels; Herausgabe; Sachen Dritter; Sicherstellung; Treuhand; Verbotsverfügung; Vereinsvermögen; Verwirkung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
19.02.2020
Aktenzeichen
1 A 86/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72010
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für eine wirksame Einziehung einer Sache Dritter im Sinne des § 12 Abs. 2 VereinsG bedarf es eines Einziehungsbescheides gegenüber dem Dritten.
2. Gegenstände Dritter im Sinne des § 12 Abs. 2 VerinsG fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG, sodass ein Eigentumsverlust nach ordnungsgemäß durchgeführtem Gläubigeraufruf nicht bewirkt wird, auch wenn die Einziehungsbehörde vom Eigentum des Dritten zunächst keine Kenntnis erlangt.
3. Selbst wenn Dritte die eigene Eigentümerstellung gegenüber der Einziehungsbehörde erst nach längerer Zeit (vorliegend etwa zwei Jahre nach Beschlagnahme) anzeigen, sind der Annahme von Verwirkung des Herausgabeanspruchs sehr enge Grenzen gesetzt (hier vereint).

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter Berufung auf ihre (behauptete) Eigentümerstellung die Herausgabe eines Motorrads der Marke Harley-Davidson mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX.

Dieses Motorrad war von ihrem Vater, dem Zeugen A., gekauft und auf die Klägerin zugelassen worden. Der Zeuge A. war Mitglied und sog. „E.“ (F.) des Vereins „G. H. A-Stadt“. Der im September 2011 gegründete Verein wurde mit Verfügung des I. J. vom XX.XX.XXXX verboten und aufgelöst. Außerdem wurden unter anderem das Vereinsvermögen beschlagnahmt und eingezogen sowie Sachen Dritter beschlagnahmt und eingezogen, soweit ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt gewesen sind. Die sofortige Vollziehung des Vereinsverbots und der Beschlagnahme wurde angeordnet.

Gegen die Verbotsverfügung stellte der Verein beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Diesen lehnte das Gericht mit Beschluss vom 20.04.2015 (11 MS 298/14) ab. Auch die gegen das Vereinsverbot erhobene Klage (11 KS 272/14, juris) wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht am 13.04.2016 rechtskräftig ab, wobei das Gericht die Verfügung des I. J. vom XX.XX.XXXX hinsichtlich ihrer Nr. 1 aufhob, soweit darin in Satz 2 festgestellt wurde, dass der Verein „G. H. A-Stadt“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 13.04.2016, a. a. O.).

Am 24.10.2014 durchsuchten Beamte der Beklagten aufgrund des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 22.10.2014 (1 E 205/14) die Wohnungen des Zeugen A. (A-Straße, A-Stadt) und die Geschäftsräume der Firma K. A.. Die Durchsuchung erfolgte im Zuge des Vereinsverbotsverfahrens. Vor der Durchsuchung wurden dem Zeugen A. die Verbotsverfügung sowie der Beschluss des Verwaltungsgerichts A-Stadt übergeben.

Im Rahmen der Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma K. A., L., A-Stadt, wurde u. a. das streitbefangene Motorrad Harley-Davidson nebst Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief sichergestellt. Der Zeuge A. hatte es am 14.10.2013 von einer Frau M. N. aus O. zu einem Kaufpreis von 2.500,00 Euro gekauft. Die Klägerin, auf die das Motorrad zugelassen ist, verfügt nicht über einen Führerschein der Klasse A. Nach dem Erwerb musste das Motorrad zunächst repariert werden, wurde sodann nur Probe gefahren, und zuletzt musste der Vergaser durch den Zeugen A. noch eingestellt werden, was noch nicht geschehen war. Auf dem Motorrad befand sich im Zeitpunkt der Beschlagnahme durch die Polizei ein sog. X-Aufkleber. Neben diesem befanden sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung in den durchsuchten Geschäftsräumen zwei weitere Motorräder, die auf den Zeugen A. zugelassen waren, und zwar eine Harley-Davidson Roadster 1200 mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X XX und eine Buell mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X XXX. Auf diesen befand sich jeweils kein X-Aufkleber.

Nach Durchführung der Durchsuchung wurde dem Zeugen A. ein Sicherstellungsbescheid nebst Durchsuchungsniederschriften ausgehändigt. Dort sind die einzelnen sichergestellten Gegenstände, u. a. das streitbefangene Motorrad, bezeichnet.

Eine gegen den Sicherstellungsbescheid gerichtete und vom Zeugen A. erhobene Anfechtungsklage wies die erkennende Kammer mit rechtskräftigem Urteil vom 22.03.2016 (1 A 237/14) mangels allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig ab. Zur Begründung führte die Kammer aus, das Vermögen des Vereins „G. H. A-Stadt“ sei bereits durch die vollziehbare Verbotsverfügung vom XX.XX.XXXX beschlagnahmt worden. Diese Anordnung werde dadurch umgesetzt, dass die Vollzugsbehörde die Sachen in Gewahrsam nimmt (§ 3 Satz 1 VereinsG-DVO). Befänden sich die beschlagnahmten Sachen im Gewahrsam des Vereins, bedürfe es keiner gesonderten Anordnung der Sicherstellung. Dies sei nur dann der Fall, wenn die beschlagnahmten Sachen im Gewahrsam eines Dritten stünden. Für die Grenzziehung, ob sich die Sache im Gewahrsam des Vereins oder eines Dritten befinde, komme es darauf an, ob der Gewahrsamsinhaber Mitglied des Vorstands und damit für den Verein handelndes Organ sei. Als „P.“ sei der Zeuge A. Mitglied des Vorstands und für den Verein „G. H. A-Stadt“ handelndes Organ gewesen. Damit vermittele er den Gewahrsam an den Verein und sei nicht Dritter i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG. Für die Sicherstellung der Gegenstände habe es deshalb keines Sicherstellungsbescheids bedurft. Sie sei unmittelbar auf Grundlage der in der Verbotsverfügung verfügten Beschlagnahmeanordnung erfolgt.

Ein Sicherstellungsbescheid gegenüber der Klägerin erging nicht.

Mit Bekanntmachung vom 08.05.2016 veröffentlichte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport einen Gläubigeraufruf im Niedersächsischen Ministerialblatt (Bekanntmachung vom 08.06.2016 – 22.22-12202/1.37 –, Nds. MBl. Nr. 26/2016, S. 664). Dort heißt es:

Gläubigeraufruf:

Die Gläubiger des verbotenen Vereins werden nach § 15 Absatz 1 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts aufgefordert,

- ihre Forderungen bis zum 30. September 2016 schriftlich unter Angabe des Betrages und des Grundes beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport, Lavesallee 6, 30169 Hannover, anzumelden,

- ein im Falle der Insolvenz beanspruchtes Vorrecht anzugeben, soweit dieses Voraussetzung für eine vorzeitige Befriedigung nach § 16 Absatz 1 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts ist,

- nach Möglichkeit urkundliche Beweisstücke oder Abschriften hiervon beizufügen.

Es wird darauf hingewiesen, dass Forderungen, die bis zum 30. September 2016 nicht angemeldet werden, nach § 13 Absatz 1 Satz 3 des Vereinsgesetzes erlöschen.“

Mit Schreiben vom 25.01.2017 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und verlangte die Herausgabe des streitbefangenen Motorrads, welches sich weiter in Verwahrung der Beklagten befindet und noch nicht verwertet ist. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 07.03.2017 ab.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 04.04.2017 erhobenen Klage. Sie ist der Auffassung, ihr gegenüber hätte ein gesonderter Sicherstellungsbescheid ergehen müssen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass das Motorrad in ihrem Eigentum stehe. Es erschließe sich nicht, warum von den drei in den Geschäftsräumen des Zeugen A. stehenden Motorrädern gerade das der Klägerin herausgegriffen worden sei und nicht eines der Motorräder im Eigentum vom Zeugen A.. Eine Einbehaltung ohne Sicherstellungsbescheid gegenüber der Klägerin komme einer Enteignung gleich. Sie sei „Dritte“ im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 VereinsG und deswegen fehle ihr gegenüber eine „besondere Anordnung“. Auch die Beschlagnahmeanordnung aus der Verbotsverfügung des I. J. vom XX.XX.XXXX habe keine Regelungswirkung, weil diese nicht in Bezug auf das streitbefangene Motorrad konkretisiert worden sei. Die Klägerin sei nicht bloß Scheineigentümerin gewesen. Der Zeuge A. habe das Motorrad auch nicht für den Verein besessen. Es handele sich nicht um Vereinsvermögen. Das „G. H. A-Stadt“ habe sich grundlegend von anderen Q. unterschieden. Der Besitz eines Motorrads der Marke Harley-Davidson sei nicht vorgeschrieben gewesen, Ausfahrten seien oft mit dem Pkw erfolgt und die Motorräder seien insbesondere nicht zur Verteidigung von Gebietsansprüchen genutzt worden. Zudem sei das Motorrad nicht speziell dem verbotenen R. Q. zuzuordnen. Kennbuchstaben und Kennziffern, insbesondere auch der 1%-Aufkleber, könnten auch ohne irgendwelchen Bezug zu den G. und insbesondere ohne Bezug zum R. Q. vergeben werden. Mit dem Motorrad seien keine strafrechtlich relevanten Zwecke verfolgt worden, insbesondere sei nie eine Drohkulisse aufgebaut worden. Ferner argumentiert die Klägerin, es fehle auch an einem wirksamen Beschlagnahmebescheid, der diese gegenüber der Klägerin anordne. Die Beschlagnahme sei nur gegenüber dem Verein und dessen Mitglied, dem Zeugen A., wirksam angeordnet worden. Ohne die Beschlagnahme sei eine (isolierte) Sicherstellung ohnehin schon rechtswidrig. Darüber hinaus habe die Beklagte keine Bemühungen unternommen, einen Eigentumsübergang zu bewirken, es sei bei der vorläufigen Sicherstellung geblieben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 07.03.2017 zu verpflichten, die Herausgabe des am 24.10.2014 sichergestellten Motorrads Harley-Davidson mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX an die Klägerin zu verfügen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei schon nicht Eigentümerin des streitbefangenen Motorrads. Zudem handle es sich beim streitgegenständlichen Motorrad um Vereinsvermögen, welches allein aufgrund der Beschlagnahmeanordnung in der Verbotsverfügung des I. J. vom XX.XX.XXXX habe eingezogen werden können. Im Übrigen sei aber der Sicherstellungsbescheid jedenfalls nach § 10 Abs. 2 Satz 1, Alt. 1 VereinsG rechtmäßig. Die nach dieser Verfügung konkret sichergestellten Sachen des Vereins im Gewahrsam des Zeugen A. sowie die Gründe, weshalb diese Sachen auf Grund einer vermögensrechtlichen Betrachtung dem Vereinsvermögen zuzurechnen seien, ergäben sich aus dem Bescheid. Entscheidend für die Zuordnung zum Vereinsvermögen sei, dass der Zeuge A. als Vorstand dem Verein den Gewahrsam mittle. Als „E.“ müsse er selbstverständlich im Besitz eines den Gepflogenheiten des Vereins entsprechenden Motorrads sein. Er habe das Motorrad lediglich angeschafft, um aktiv am Vereinsleben zu partizipieren. Das streitbefangene Motorrad sei herausgegriffen worden, weil darauf der 1%-Aufkleber angebracht war. Dabei handele es sich um ein in der Rockerszene beheimatetes Symbol, das in dieser Gemeinschaft für das eine Prozent aller Biker stehe, die Gesetzlose sein wollten, also Mitglieder von „Outlaw Motorcycle Gangs“, wie den G., S. oder T.. Jedenfalls sei aber die Sicherstellungsverfügung dem Zeugen A. gegenüber nach § 10 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 VereinsG rechtmäßig und für die Sicherstellung des Motorrads auch gegenüber der Klägerin ausreichend. Eine Zustellung des Sicherstellungsbescheides an die Klägerin als (unterstellte) Eigentümerin sei entbehrlich gewesen, da es allein auf die tatsächlichen Gewahrsamsverhältnisse ankomme, und die Klägerin habe keinen Gewahrsam gehabt. Denn das Motorrad habe sich in den Geschäftsräumen vom Zeugen A. befunden. Allein darauf abzustellen, sei auch im Sinne einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr nachvollziehbar, um eine meist schwierige tatsächliche Feststellung der Eigentumslage zu vermeiden. Ferner meint die Beklagte, dies gelte auch bei mehreren Gewahrsamsinhabern. Deswegen sei es auch unerheblich, falls die Klägerin Mitgewahrsam gehabt haben sollte. Weil sich das Motorrad im Gewahrsam des Zeugen A. befunden habe und somit der Gewahrsam dem Verein zuzuordnen sei, sei eine gesonderte Anordnung entbehrlich gewesen. Zudem habe sich der verbotene Verein des Motorrads zur Erfüllung der Vereinszwecke bedient. Des Weiteren argumentiert die Beklagte, die Klägerin hätte die hier streitbefangene Herausgabe bis zum 30.09.2016 im Rahmen des im Jahre 2016 erfolgten Gläubigeraufrufs (Nds. Ministerialblatt Nr. 24 vom 24.06.2016, S. 664) anmelden müssen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 sei ihre Forderung nunmehr jedenfalls erloschen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Befragung des Zeugen A.. Zudem wurde die Klägerin informatorisch befragt. Es wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens und des beigezogenen erledigten Klageverfahrens vom Zeugen A. (1 A 237/14) und der dazugehörigen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist bei interessengerechter Auslegung des Antrags (§ 88 VwGO) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (gerichtet auf Herausgabe des streitbefangenen Motorrads) statthaft und auch ansonsten zulässig.

Der die Herausgabe verweigernde Bescheid der Beklagten vom 07.03.2017 ist rechtswidrig, da die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe des streitbefangenen Motorrads hat.

Es kann dahinstehen, ob als Anspruchsgrundlage für das Herausgabeverlangen der Klägerin der allgemeine öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch, ein Folgenbeseitigungsanspruch, ein Anspruch aus § 985 BGB oder ein Anspruch entsprechend § 29 Abs. 1 Satz 2 NPOG in Betracht kommt, da die Beklagte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegenüber der Klägerin als Eigentümerin kein Recht hat, das Motorrad in ihrem Gewahrsam zu behalten. Die Klägerin ist Eigentümerin des Motorrads (dazu 1.). Sie hat das Eigentum nicht aufgrund der Verbotsverfügung des I. J. verloren (dazu 2.). Es ist auch mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Verbotsverfügung kein Eigentumsverlust verbunden (dazu 3.). Auch der Umstand, dass die Klägerin sich nicht auf den Gläubigeraufruf vom 08.05.2016 in der dort genannten Frist gemeldet und ihren Herausgabeanspruch hinsichtlich des Motorrads geltend gemacht hatte, führte nicht zu einem Eigentumsverlust an dem Motorrad (dazu 4.). Schließlich gibt es auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs keine Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Herausgabeanspruchs (dazu 5.).

1.

Ein Herausgabeanspruch scheidet nicht deswegen aus, weil die Klägerin nie Eigentümerin des streitbefangenen Motorrads war, wie die Beklagte meint. Vielmehr hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Beschlagnahme und Sicherstellung des Motorrads dessen Eigentümerin war.

Die Klägerin hat das Motorrad von ihrem Vater, dem Zeugen A., geschenkt bekommen, womit auch die Übereignung nach §§ 929, 930 BGB verbunden war. Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge A. das stark reparaturbedürftige Motorrad, welches er zu einem sehr günstigen Preis in eigenem Namen erwarb, als Geschenk für seine Tochter bestimmt hatte und er ihr dieses auch schenkte und übereignete. Er hat es als Reparaturprojekt erworben und es wiederaufgearbeitet. Während der Aufarbeitung wollte die Klägerin den Führerschein der notwendigen Führerscheinklasse A erwerben.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A.. Daneben erfolgte eine informatorische Befragung der Klägerin.

Die vorstehende Einschätzung stützt die Kammer auf die glaubhaften Einlassungen des Zeugen A.. Dieser bekundete, er habe das Motorrad erworben und es seiner Tochter geschenkt. Deswegen sei sie auch bei der Zulassung in die Fahrzeugpapiere eingetragen worden und das Nummernschild enthalte mit „89“ ihr Geburtsjahr. Er sei Vater von vier Töchtern und motorradbegeistert. Er habe den Wunsch verfolgt, mit einer seiner Töchter sein Hobby zu teilen. Diese Einlassung war in sich schlüssig wie besonders detailreich und enthielt etliche weitere Wahrheitsanzeichen.

Der Zeuge konnte mit dem Verweis auf das Nummernschild und das Geburtsjahr der Klägerin auf ein ungewöhnliches Detail verweisen. Seine Motivation für das großzügige Geschenk schilderte er mit emotionaler Begleitung, insbesondere als er darauf verwies, dass er gern einen Sohn gehabt hätte, mit dem er das Hobby des Motorradfahrens gern geteilt hätte. Die Aussage war ihm offensichtlich peinlich, so dass er sie wieder relativierte und den Wert seiner Töchter hervorhob. Auch gab er unumwunden zu, dass er das Motorrad für die Klägerin letztlich aus Eigeninteresse gekauft hatte und hoffte, die Klägerin würde, wie zwischen beiden vereinbart, die Fahrerlaubnis erlangen, was dann nicht der Fall war, nachdem die Klägerin den Unterricht zwischenzeitlich zunächst begonnen hatte. Mit dem Herausstellen seines Eigeninteresses verwies er auf einen Aspekt seiner Motivation, der ihm auch hätte schaden können. Der Zeuge konnte auch nachvollziehbar erklären, dass er selbst das Motorrad nicht für sich gekauft hätte. Er ist unstreitig Eigentümer zweier auf ihn zugelassener neuerer und leistungsstarker Motorräder, nämlich einer Harley-Davidson Roadster 1200 (schwarz) und einer Buell (Rennmotorrad unter der Lizenz von Harley-Davidson). Mit Hinweis auf diese konnte er auch vermitteln, dass er sich selbst niemals ein weißes Motorrad – das ist die Farbe des streitbefangenen Motorrads – zugelegt hätte. Demgegenüber waren zwar die Angaben der Klägerin in ihrer informatorischen Befragung nicht durchgehend glaubhaft. Sie äußerte sich einerseits wesentlich detailärmer zum Randgeschehen, andererseits aber konkret, ohne Erinnerungslücken zuzugeben, zum Kerngeschehen. So gab die Klägerin an, sie habe das weiße Motorrad selbst gefunden, sich in das Modell verliebt und es schlussendlich zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ihre Angaben zum Zeitpunkt der Schenkung und ihrer Vorgeschichte widersprechen in Teilen der Aussage des Zeugen A.. Dieser bekundete glaubhaft, seine Tochter habe das Motorrad nicht (insbesondere nicht auf Bildern) zuvor ausgesucht. Zudem räumte er ein, sich nicht mehr zu erinnern, dass das Geschenk mit dem Geburtstag der Klägerin als Anlass verbunden gewesen sei. Jedenfalls sei es ihm darauf nicht angekommen. Die Kammer ist zur Überzeugung gelangt, dass die Klägerin ihrem Vater besonders gefallen wollte und deswegen ihren eigenen Wunsch nach der bestimmten weißen Harley-Davidson ausschmückte. Zudem mag der große zeitliche Abstand in der Wahrnehmung der Klägerin eine Rolle spielen. Die Angaben der Klägerin und des Zeugen A. waren aber ersichtlich nicht aufeinander abgestimmt. Übereinstimmend haben beide glaubhaft gemacht, dass das Motorrad ohne Beteiligung der Klägerin durch den Zeugen A. erworben wurde und es im Nachgang repariert worden und während dieser Zeit (Ende 2013 bzw. Anfang 2014) der Klägerin auch als Geschenk gemacht wurde, wobei es weiter in den Geschäftsräumen des Zeugen A. verblieb, um die Reparaturarbeiten abzuschließen.

Gegen die Einschätzung der Kammer spricht auch nicht der durch den Zeugen A. angebrachte X-Aufkleber. Jedenfalls für Deutschland finden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dieser Aufkleber lediglich Mitgliedern von „Outlaw Motorcycle Clubs“ vorbehalten ist und seine Nutzung den Rückschluss auf den Eigentümer zulasse. Vielmehr kann es für Deutschland jedenfalls so sein, wie der Zeuge A. angibt, dass ein solcher Aufkleber frei käuflich sei und als Dekoration und „Ausdruck von Freiheit“ genutzt werde.

2.

Ein Herausgabeanspruch scheidet auch nicht deswegen aus, weil die Klägerin ihr Eigentum am streitbefangenen Motorrad aufgrund der in der Verbotsverfügung des I. J. vom XX.XX.XXXX unter Ziffer 4 und Ziffer 5 enthaltenen Einziehungsanordnungen verloren hat.

a.

Ein Eigentumsverlust trat nicht nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1, Alt. 1, Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG ein. Danach hätte das Motorrad nur wirksam gegenüber der Eigentümerin eingezogen werden können, wenn es sich um Vereinsvermögen gehandelt hat.

Bei der streitbefangenen Harley-Davidson handelt es sich nicht um Vereinsvermögen.

Der Begriff des Vereinsvermögens im Sinne des Vereinsgesetzes ist im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr und insbesondere der Bekämpfung der Vermögenstarnung (vgl. BT-Drs. IV/430, S. 19) nicht im eigentumsrechtlichen, sondern im wirtschaftlichen Sinne und damit weit zu verstehen. Er setzt zivilrechtlich Eigentum des Vereins nicht voraus. Zum Vereinsvermögen gehören alle Sachen und Rechte, die im Eigentum des Vereins stehen oder Treuhändern zu Eigentum übertragen wurden, jedoch mit den Zwecken des Vereins im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und diesem daher zuzuordnen sind. Erfasst ist die Gesamtheit der der Vereinigung wirtschaftlich gehörenden Vermögenswerte, zu denen neben Forderungen und Rechten sämtliche beweglichen oder unbeweglichen Sachen zählen, derer sich der Verein während seines rechtlichen Bestehens zur Erreichung seiner Zwecke bedient hat oder bedienen wollte und deren Einsatz im Wesentlichen von seinem Willen oder dem Willen der Vereinsführung abhing. Maßgeblich ist zudem nicht das rechtliche Verhältnis des Vereins zu dem Gegenstand, sondern das tatsächliche Herrschaftsverhältnis im Sinne eines Vereinsgewahrsams (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 – 1 A 14.16 –, juris, Rn. 26 m. w. N.).

Die Beurteilung, ob Vereinsvermögen treuhänderisch gehalten wird, ist im Einklang damit anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorzunehmen. Das Eigentum des Treuhänders muss mit den Zwecken des Vereins im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Es darf nicht allein den Privatzwecken des Treuhänders zu dienen bestimmt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2018, a. a. O., Rn. 45; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 10 VereinsG, Rn. 7 f.).

Da ein wesentlicher Zweck der Vermögensbeschlagnahme darin besteht, dem Verein die Mittel zur Fortsetzung der als rechtswidrig erachteten Tätigkeit zu nehmen, gehören darüberhinausgehend nicht nur Gegenstände von wirtschaftlicher, sondern auch von ideeller Bedeutung zum Vereinsvermögen. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die sicherzustellenden Vermögensgegenstände im Einzelnen tatsächlich zur Fortsetzung einer kriminellen Tätigkeit verwendet werden können. Denn das Vermögen eines verbotenen Vereins unterliegt ohne Rücksicht auf einen bestimmten Verwendungszweck nach § 11 VereinsG der Einziehung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.10.1988 – 1 A 89.83 –, juris, Rn. 34; Urteil der Kammer vom 14.10.2015 – 1 A 240/14 –, juris, Rn. 34 m. w. N.).

Das Motorrad hat zunächst im ausschließlichen Privateigentum des Zeugen A. und sodann im Eigentum der Klägerin gestanden. Der Zeuge A. hat das Motorrad mit Kaufvertrag vom 14.10.2013 erworben und das Eigentum danach – jedenfalls vor dem Verbot des Vereins – auf die Klägerin übertragen. Insoweit ist das Motorrad im Zeitpunkt des Vereinsverbots der Klägerin und nicht dem Vereinsmitglied, dem Zeugen A., zuzuordnen. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die Harley-Davidson nur der Sphäre der Klägerin zuzuordnen. Der Zeuge A. hat das Motorrad selbst erworben, den Erwerb selbst finanziert und die laufenden Kosten des Unterhalts getragen. Er hat mangels entgegenstehender Hinweise insoweit keinerlei Unterstützung und auch keine Direktive oder Empfehlung seitens des „U. A-Stadt“ erhalten. Es ist nach der Beweisaufnahme ersichtlich, dass wesentlicher Grund für den Erwerb des Motorrads die Schenkung an die Klägerin und das Teilen eines gemeinsamen Hobbys sein sollte.

Außerdem haben weder die Klägerin noch der Zeuge A. das Motorrad zu treuen Händen des „U. A-Stadt“ erworben bzw. in den Verein eingebracht: Die Beklagte hat nicht dargetan und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Einsatz des Motorrads in irgendeiner Weise vom Willen des „U. A-Stadt“ bzw. dessen Vereinsführung abhing. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Zeuge A. Vorstandsmitglied des „U. A-Stadt“ gewesen und den Gewahrsam an Gegenständen des Vereinsvermögens an den Verein vermittelt hat (vgl. so das Urteil der Kammer vom 21.03.2016 – 1 A 241/14 –), ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies auf den Mitgewahrsam (als Verwahrungsschuldner) am streitbefangenen Motorrad erstreckt hätte. Es ist nicht ersichtlich, dass er, auch wenn er Vorstandsmitglied des „U. A-Stadt“ gewesen ist, den Mitgewahrsam am Motorrad anders als vollständig zugunsten der Klägerin (als Verwahrungsgläubigerin) ausübte.

Auch wenn man die Kriterien der erkennenden Kammer im Urteil vom 14.10.2015 (– 1 A 240/14 –, juris, Rn. 34) heranzieht, die zu Gegenständen – insbesondere solche mit ideeller Bedeutung – im Gewahrsam Dritter angelegt worden sind, handelt es sich bei der streitbefangenen Harley-Davidson nicht um Vereinsvermögen des „U. A-Stadt“. Um eine ausufernde Zurechnung zum Vereinsvermögen und einen grundrechtswidrigen Eingriff in die Eigentumsrechte des Betroffenen zu verhindern, ordnet die Kammer in der genannten Entscheidung nur solche Gegenstände dem Vereinsvermögen zu, die – auch für den nicht fachkundigen Betrachter – eindeutig eine Zuordnung zu dem verbotenen Verein und dessen Symbolen zulassen. Eine eindeutige Zuordnung folgt danach aus dem G. Symbol, dem Totenkopf mit Helm und Flügel. Gegenstände, die dieses Symbol mit der Ortsbezeichnung A-Stadt enthalten, stellen deshalb einen unmittelbaren Bezug zu dem verbotenen Verein her und haben aus diesem Grund für jedes Vereinsmitglied einen hohen Stellenwert. Gleiches gilt für Gegenstände mit dem Schriftzug „G. XX A-Stadt“ bzw. „U. A-Stadt“. Insoweit ist auch sofort für jedermann die Zugehörigkeit zu dem Verein „G. XX A-Stadt“ erkennbar. Bei Gegenständen, die weder das G. Symbol mit Ortsbezeichnung A-Stadt noch den vorgenannten Schriftzug enthalten, ist eine Zuordnung zu dem verbotenen Verein „G. XX A-Stadt“ dagegen nicht eindeutig.

Es fehlen für den danach notwendigen Ortsbezug Symbole, aus denen im genannten Sinn eine eindeutige Zuordnung zum Verein folgt. Das Motorrad hat mit dem Kennzeichen XX-XX XX keinen Bezug zu den „U. A-Stadt“. Dieser wird, wie oben ausgeführt, auch nicht durch den 1%-Aufkleber oder sonstige Hinweise hergestellt.

Die Kammer muss sich nach alledem nicht dazu äußern, ob die Motorräder des „U. A-Stadt“ generell – und das streitbefangene Motorrad insbesondere – auch den Zweck hatten, eine Drohkulisse aufzubauen und damit strafgesetzwidrige Bestrebungen des Vereins umzusetzen (vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 30.07.2018 – 5 B 245/18 –, zitiert nach VG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2019 – 18 K 18226/17 –, juris, Rn. 51; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 06.10.2014 – 3 B 147/14 –, juris, Rn. 8, vom 24.10.2016 – 3 A 612/16 –, juris, Rn. 11, vom 19.02.2018 – 3 A 580/16 –, juris, Rn. 18, vom 29.03.2018 – 3 A 810/16 –, juris, Rn. 31, und vom 25.04.2018 – 3 A 868/16 –, juris, Rn. 17; dies in Bezug auf den „U. A-Stadt“ verneinend VG Braunschweig, Urteil vom 13.12.2016 – 5 A 196/14 –, juris, Rn. 29 ff.). Denn diese Frage stellt sich von vornherein nur, wenn es sich um ein durch ein Vereinsmitglied genutztes Motorrad handelt, nicht jedoch, wenn es (wie hier) durch ein nicht mit dem Verein assoziiertes Familienmitglied eines Vereinsmitglieds genutzt wird oder werden soll.

b.

Vor dem dargestellten Hintergrund kommt auch ein Eigentumsverlust nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2, Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 3, 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG nicht in Betracht, da kein Treuhandeigentum vorliegt.

3.

Ein Eigentumsverlust ist auch nicht nach § 12 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 VereinsG eingetreten.

Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 VereinsG gehen die nach den Absätzen 1 bis 3 eingezogenen Gegenstände mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsverfügung auf den Einziehungsbegünstigten über. Nach Abs. 2 werden Sachen Dritter eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.

Bei dem streitbefangenen Motorrad handelt es sich um eine Sache Dritter im Sinne des § 12 Abs. 2 VereinsG. Eine Sache ist eine solche eines Dritten, wenn sie in dessen Eigentum steht (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 07.06.2018 – B 1 K 16.23 –, juris, Rn. 35). Dass hier nicht etwa auf den Gewahrsam abzustellen ist (so wohl aber VG Köln, Beschluss vom 26.01.2018 – 20 L 4644/17 –, juris, Rn. 8 f.), ergibt sich aus dem Wortlaut und bei systematischer Betrachtung im Vergleich zu § 10 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 VereinsG, wo ausdrücklich auf „Sachen im Gewahrsam Dritter“ abgestellt wird. Diese Unterscheidung ist auch zweckmäßig, da im Rahmen der Sicherstellung bei § 10 Abs. 2 VereinsG im Interesse effektiver Gefahrenabwehr auf die tatsächlichen Verhältnisse der Auffindesituation abzustellen ist. Im Gegensatz dazu kann im Rahmen der Einziehung die Eigentumslage Berücksichtigung finden.

Es kann dahinstehen, ob das streitbefangene Motorrad im Sinne des § 12 Abs. 2 VereinsG makelbehaftet ist, da jedenfalls gegenüber der Klägerin nie die Einziehung verfügt worden ist. Unabhängig davon, ob die Verbotsverfügung vom 20.10.2014 samt Einziehungsverfügung von Sachen Dritter in Ziffer 5 des Bescheids noch der Sicherstellungsbescheid vom 24.10.2014 überhaupt die Voraussetzungen des § 14 VereinsG-DVO erfüllen könnte, waren diese Verfügungen schon nicht an die Klägerin gerichtet und damit ihr gegenüber auch nicht wirksam geworden.

4.

Die Klägerin hat nach Ansicht der Kammer auch nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG ihr Eigentum an der streitbefangenen Harley-Davidson verloren. Danach erlöschen Forderungen, die innerhalb der in § 13 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genannten Ausschlussfrist nicht angemeldet werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VereinsG sind Gläubiger, die ihre Forderungen innerhalb der von der Verbotsbehörde oder Einziehungsbehörde gesetzten Ausschlussfrist angemeldet haben, aus der besonderen Vermögensmasse zu befriedigen.

Ergänzt wird § 13 VereinsG durch § 15 VereinsG-DVO, wonach, wenn das Verbot und die Einziehung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 des VereinsG) unanfechtbar geworden sind, die Verbotsbehörde oder die Einziehungsbehörde die Gläubiger des Vereins durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger auffordert, ihre Forderungen bis zum Ablauf eines bestimmten Tages schriftlich unter Angabe des Betrages und des Grundes bei der auffordernden Behörde anzumelden (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG-DVO). In der Aufforderung weist die Behörde darauf hin, dass Forderungen, die innerhalb der Ausschlussfrist nach Absatz 1 Nr. 1 nicht angemeldet werden, nach § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG erlöschen (§ 15 Abs. 2 VereinsG-DVO). Die Ausschlussfrist nach Absatz 1 Nr. 1 muss mindestens drei Wochen betragen. Die Behörde soll die Aufforderung rechtzeitig vor dem Ablauf der Ausschlussfrist in den amtlichen Mitteilungsblättern der Länder nachrichtlich veröffentlichen (§ 15 Abs. 3 VereinsG-DVO).

Mit Bekanntmachung vom 08.05.2016 hat das Niedersächsische V. einen Gläubigeraufruf veröffentlicht, wonach Forderungen gegen den verbotenen Verein „G. H. A-Stadt“ bis zum 30.06.2016 schriftlich beim I. V. anzumelden waren. Das geschah mit dem nach § 15 Abs. 2 VereinsG-DVO vorgesehen Hinweis auf den ansonsten erfolgenden Rechtsverlust. Die Ausschlussfrist betrug zudem auch die regelmäßig erforderlichen drei Wochen.

Die Klägerin musste ihren Herausgabeanspruch aber nicht im Rahmen der Ausschlussfrist anmelden, da ihre Forderung nicht in den Anwendungsbereich der Norm fällt.

Zwar können auch auf Eigentum gestützte Herausgabeansprüche grundsätzlich Forderungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 und 1 VereinsG sein. Der Begriff der anzumeldenden Forderungen ist hier im weiten Sinne aller Rechtsansprüche zu verstehen (vgl. Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, 2014, § 13, Rn. 11 m. w. N.; Groh, in: Nomos-BR, VereinsG, 2012, § 13 Rn. 3 „Vermögensgegenstand“). Er umfasst somit auch Aussonderungsansprüche Dritter, deren Eigentum sich im Gewahrsam des ehemaligen Vereins befand.

Jedoch fällt das streitbefangene Motorrad als Gegenstand Dritter im Sinne des § 12 Abs. 2 VereinsG nicht in die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VereinsG abwicklungsfähige besondere Vermögensmasse. Denn nach § 11 Abs. 2 Satz 1 VereinsG gehören zur besonderen Vermögensmasse, die der Einziehungsbegünstigte erwirbt, nur das Vereinsvermögen und die nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG eingezogenen Gegenstände. Dies erfasst über einen Verweis auf § 10 Abs. 1 Satz 3 VereinsG nur solche, die treuhänderisch gehalten werden, was hier in Bezug auf das Motorrad nicht der Fall ist (s. o. unter 2.a.).

Für diese Auslegung sprechen auch der Wortlaut und die Systematik der Absätze 2 und 4 des § 13 VereinsG, die gerade zwischen der besonderen Vermögensmasse, die nach der Befriedigung der Gläubiger des Vereins bleibt, und den nach § 12 VereinsG eingezogenen Gegenständen differenzieren. Mithin fällt ein Gegenstand, der durch die Einziehungsbehörde als „makelbehaftet“ angesehen wird und als solcher auch – wie hier – sichergestellt wird, als Gegenstand Dritter nicht in die besondere Vermögensmasse.

Eine davon abweichende weite Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG, wonach auch (unerkannte) Sachen Dritter unter diese Norm fallen, d. h. bei der weder die Einziehungs- noch die Verbotsbehörde vom Eigentum Dritter Kenntnis haben, folgt aus Sicht des erkennenden Gerichts auch nicht aus dem mit der Norm verfolgten Zweck.

Zwar hat das Abwicklungsverfahren den Zweck, alle Rechtsbeziehungen des aufgelösten Vereins einschließlich seiner Schulden endgültig zu bereinigen (siehe so ausdrücklich BT-Drs. 4/430, S. 22). Die Abwicklung bereinigt die wirtschaftlichen Verhältnisse des aufgelösten Vereins und setzt den Schlussstrich unter das Verbotsverfahren (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 13, Rn. 1; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, VereinsG, 226. EL August 2019, § 13, Rn. 1; jeweils m. w. N.). Es ist deswegen auch nicht die Aufgabe der Verbots- oder Einziehungsbehörde, die Eigentumsverhältnisse von Amts wegen zu ermitteln (vgl. Seidl, a. a. O., m. w. N.).

Jedoch würde eine derartige Auslegung dem dargestellten Wortlaut und der Systematik derart widersprechen, dass sie nur im Wege einer telelogischen Extension (Einbeziehung der unerkannten Gegenstände Dritter in § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG) möglich wäre. Zwar mag hierfür noch argumentiert werden können, dass der Gesetzgeber das Problem nicht erkannt haben könnte, dass sich Eigentümer etwaig makelbehafteter Sachen erst nach dem Gläubigeraufruf melden. Ein Wille des Gesetzgebers, nach dem solche Gegenstände auch von der Abschlussfunktion des § 13 Abs. 1 Satz 3 VereinsG erfasst sein sollen, findet im Gesetz indes keinen Anknüpfungspunkt. Dies gilt gerade auch angesichts des erheblichen Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 GG und dem in § 13 Abs. 2 VereinsG feststellbaren Willen des Gesetzgebers, derartige Eingriffe bei Vorliegen unbilliger Härten abzumildern. Ob sich der Gesetzgeber bei Erkennen dieses Problems für den Vorrang der Abschlussfunktion und der Rechtssicherheit entschieden hätte, kann offen bleiben.

5.

Die Klägerin hat ihren Herausgabeanspruch schließlich auch nicht etwa verwirkt, weil sie sich erst ca. zwei Jahre und zwei Monate nach der ihr bekannten Beschlagnahme und Sicherstellung unter Berufung auf ihre Eigentümerstellung an die Beklagte wandte und Herausgabe verlangte.

Unabhängig davon, ob hier die Grundsätze prozessualer oder materieller Verwirkung angelegt werden, kann diese vorliegend nicht angenommen werden.

Eine Klagemöglichkeit kann – wie das materielle Recht selbst – verwirkt werden. Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des (Verfahrens-) Rechts längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und dass besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben und damit als illoyal erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.02.1974 – III C 115.71 –, BVerwGE 44, 339, 343 f.; Beschluss vom 12.01.2004 – 3 B 101.03 –, NVwZ-RR 2004, 314). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (so genannte Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (so genannter Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.01.2004, a. a. O., m. w. N.).

Verwirkung kann auch bei dem Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 BGB eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1993 – V ZR 234/91 –, BGHZ 122, 308, 314 zu § 894 BGB; Urteil vom 16.03.2012 − V ZR 279/10 –, NJW 2012, 1796, 1799). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Anspruch Kernbestandteil des Eigentums ist und seine Verneinung wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers bedeutet, weshalb eine Verwirkung nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2012, a. a. O., m. w. N). Die Verpflichtung zur Herausgabe müsste schlechthin unerträglich sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.03.2007 – V ZR 190/06 –, NJW 2007, 2183, 2184).

Unabhängig von der Frage, ob vorliegend überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, steht jedenfalls fest, dass die Beklagte keine vertrauensbasierten Dispositionen getroffen hat. Sie hat tatsächlich nicht darauf vertraut, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Denn die Beklagte hat das streitbefangene Motorrad seit der Sicherstellung in Verwahrung und hat es gerade nicht – was bei Anlegung der Rechtseinschätzung der Beklagten möglich gewesen wäre – nach § 13 Abs. 4 VereinsG verwertet. Dass das Motorrad noch durch die Beklagte verwahrt wird, lässt die deswegen noch ohne weiteres mögliche Herausgabe auch nicht als schlechthin unerträglich erscheinen.

Darüber hinaus ist das Unterlassen der Geltendmachung des auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruchs im Rahmen des Verbots- und Einziehungsverfahrens allein nicht ausreichend, um das Umstandsmoment anzunehmen. Es könnte nur darin gesehen werden, dass im Verfahren des Zeugen A. gegen den Sicherstellungsbescheid vom 24.10.2014 (1 A 237/14) die Eigentümerstellung der Klägerin nicht erwähnt wurde. Jedoch spielten im Verfahren gegen den Sicherstellungsbescheid nur Fragen des Gewahrsams eine Rolle. Die Eigentümerstellung war in diesem Verfahren nicht relevant.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. den §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Kammer lässt gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zu, da die Beurteilung der Frage des Eigentumsverlustes bei „unerkannt gebliebenen“ Eigentümern, die ihre Forderung auch im Rahmen des Gläubigeraufrufs nicht anmelden, grundsätzliche Bedeutung zukommt (dazu vorliegend unter 4. und 5.). Denn diese Frage ist in der Rechtsprechung bislang ungeklärt und stellt eine fallübergreifende und verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage dar.