Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.02.2023, Az.: 4 U 11/21

Rechte des Verbrauchers nach Widerruf eines bereits zuvor vollständig zurückgeführten Verbraucher Darlehensvertrages; Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.02.2023
Aktenzeichen
4 U 11/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 52097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 01.11.2019 - AZ: 5 O 1802/19 (639)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen, ab dem 13. Juni 2014 abgeschlossenen Darlehensvertrages hat der Darlehensnehmer lediglich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Kapitalnutzungsersatz gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB bezüglich der nach dem Widerruf (unter Vorbehalt) geleisteten Raten.

  2. 2.

    Das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB bezieht sich auch auf den Anspruch auf Kapitalnutzungsersatz.

  3. 3.

    Der Wert einer isolierten, nicht mit einem Zahlungsantrag verbundenen negativen Feststellungsklage bemisst sich nach dem Nettodarlehensbetrag ohne Berücksichtigung der Anzahlung.

Redaktioneller Leitsatz

1. Nach vollständiger einvernehmlicher Rückführung eines Verbraucherdarlehensvertrages besteht nach einem erst später erklärten Widerruf kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Feststellung, dass der Darlehensnehmer keinen Zahlungsverpflichtungen mehr ausgesetzt ist, da diese bereits aufgrund der Rückführung des Darlehens erloschen sind.

2. Eine Klage auf Herausgabe durch den Darlehensgeber gezogener Nutzungen ist gemäß §§ 358 Abs. 4 S. 1, 357 Abs. 4 S. 1 BGB unbegründet, wenn das Darlehen zur Finanzierung eines Pkw-Kaufs aufgenommen wurde und der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber das Fahrzeug nicht zurückgebracht oder jedenfalls in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat.

In dem Rechtsstreit
N. W., ....,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S., ....,
Geschäftszeichen: ......
gegen
V. Bank GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, .....,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte G. Advokat Steuerberater Partnerschaft mbB, ....,
Geschäftszeichen: .....

Tenor:

weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 1. November 2019 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die gemäß § 511 ZPO statthafte und gemäß §§ 517, 520 ZPO zulässig eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass er gegenüber der Beklagten ab dem Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr zur Zahlung des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta verpflichtet ist.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass "der zwischen ihm und der Zweigniederlassung der Beklagten, der A. Bank, geschlossene Darlehensvertrag mit der Vorgangsnummer ....... von 03.08.2015 über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 8.057,48 € durch Schreiben des Klägers vom 02.03.2018 wirksam widerrufen wurde und dass er ab dem Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr zur Zahlung des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß den Vertragsregelungen verpflichtet ist".

a)

Der Kläger möchte festgestellt wissen, dass ihn nach dem Widerruf keine Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag mehr treffen. Er verfolgt nicht zwei Feststellungsziele dergestalt, dass er die Wirksamkeit des Widerrufs einerseits sowie die nicht mehr bestehenden Zahlungspflichten andererseits festgestellt haben will. Die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs betrachtet er vielmehr als einen Teil der Feststellung nicht mehr bestehender Zahlungsverpflichtungen.

Prozessuale Erklärungen einer Partei unterliegen der Auslegung, die nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften darf, sondern den wirklichen Willen der Partei zu erforschen hat. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage der Partei entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15 -, Rn. 11, juris).

Der Kläger hat deutlich gemacht, dass er der Beklagten ab dem Wirksamwerden seines Widerrufs die Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB abspricht. Mit seinem so verstandenen Begehren im Einklang bringend hat er selbst ausdrücklich klargestellt, dass der Satzteil "dass der Darlehensvertrag wirksam widerrufen wurde" nur eine deklaratorische Funktion habe und es ihm primär um die Feststellung gehe, dass ihn ab dem Widerruf keine Zahlungsverpflichtungen mehr treffen.

b)

Es kann deshalb die Frage dahinstehen, ob die isolierte Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO betrifft und ob das Feststellungsinteresse insoweit am Vorrang der Leistungsklage scheitert.

c)

Seit der Ablösung des Darlehens ist die negative Feststellungsklage gerichtet auf das Nichtbestehen von Zahlungsverpflichtungen seit dem Widerruf - ungeachtet der Frage, ob der Widerruf wirksam war - mangels eines Feststellungsinteresses unzulässig.

Ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO besteht u.a. dann, wenn der Beklagte sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt und das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, die daraus bestehende Unsicherheit zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 351/08 -, Rn. 19, juris). Als Prozessvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 256 Rn. 7c). Gibt der Prozessgegner sein Berühmen auf, entfällt das Feststellungsinteresse, sofern der Kläger endgültig gesichert ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022 § 256 Rn. 7c).

Mit der Ablösung des Darlehens berühmt sich die Beklagte gegenüber dem Kläger keiner Ansprüche auf Zahlung des Vertragszinses oder der Darlehensvaluta mehr.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass er nach dem Widerruf nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Kosten und Zinsen schulde.

Insoweit begehrt der Kläger - hilfsweise - die Feststellung, dass "der zwischen ihm und der Zweigniederlassung der Beklagten, der A. Bank, geschlossene Darlehensvertrag mit der Vorgangsnummer ...... von 03.08.2015 über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 8.057,48 € durch Schreiben des Klägers vom 02.03.2018 wirksam widerrufen wurde und er der Beklagten nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen und Kosten schulde".

Aus den oben genannten Gründen ist auch dieser Feststellungsantrag dahin auszulegen, dass der Kläger die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs lediglich als einen Teil der Feststellung nur noch begrenzt bestehender Zahlungsverpflichtungen ansieht.

Auch insoweit ist die Feststellungsklagen mangels eines Feststellungsinteresses unzulässig. Nachdem der Kläger das Darlehen abgelöst hat, berühmt sich die Beklagte nicht länger irgendwelcher Ansprüche betreffend Zinsen und Kosten.

3.

Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Feststellung, dass er ab dem Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr zur Zahlung des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta verpflichtet sei.

Insoweit begehrt der Kläger - wiederum hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der vorherigen Anträge - die Feststellung, dass "er in Bezug auf den zwischen ihm und der Zweigniederlassung der Beklagten, der A. Bank, geschlossene Darlehensvertrag mit der Vorgangsnummer ....... von 03.08.2015 über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 8.057,48 € ab dem Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr zur Zahlung des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß den Vertragsregelungen verpflichtet sei".

Wiederum ist die Feststellungsklage mangels eines Feststellungsinteresses unzulässig. Auch insoweit berühmt sich die Beklagte nach der Ablösung des Darlehens keiner Ansprüche gegenüber dem Kläger mehr.

4.

Der Kläger hat schließlich gegen die Beklagte auch keinen - hilfsweise geltend gemachten - Anspruch auf Kapitalnutzungsersatz in Höhe von 380,46 Euro gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357 Abs. 1, § 495 Abs. 1, §§ 346 ff. BGB in der gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 40 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jeweils geltenden Fassung oder aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. BGB i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB.

Die innerprozessuale Bedingung, unter die der Kläger diesen Anspruch gestellt hat, ist eingetreten, sodass über ihn zu befinden ist.

a)

Der Kläger hat am 3. August 2015 die Gewährung eines Darlehens beantragt und anschließend mit der Beklagten einen entsprechenden Darlehensvertrag geschlossen, den er mit Schreiben vom 2. März 2018 widerrufen hat.

Mit dem Inkrafttreten des die Verbraucherrechterichtlinie umsetzenden Gesetz am 13. Juni 2014 ergeben sich die Rechtsfolgen des Widerrufs allein aus §§ 357 ff. BGB. Ein Rückgriff auf die Regelungen zum Rücktritt vom Vertrag (§§ 346 ff. BGB), wie sie § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. noch angeordnet hat, scheidet aus (vgl. MüKo/Fritsche, BGB, 9. Aufl. 2022, § 357 Rn. 1; MüKo/Gaier, BGB, 9. Aufl. 2022, § 346 Rn. 76).

b)

Nach dem Widerruf eines mit einem Kraftfahrzeug-Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages ist der Verbraucher gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB berechtigt, von der Beklagten die Rückgewähr der bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen zu verlangen. Nach dem Widerruf - unter Vorbehalt - geleistete Zins- und Tilgungsraten kann er von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017 - XI ZR 398/16 -, Rn. 3, juris, noch für die alte Rechtslage vor dem 13. Juni 2014; BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 17, juris, für die aktuelle Rechtslage). Beiden Leistungsansprüchen gegenüber kann sich die Beklagte gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 15 + 17, juris), sofern der - nach der Rechtsprechung des BGH insoweit vorleistungspflichtige - Verbraucher ihr bis dahin noch nicht das Fahrzeug zurückgegeben (Bringschuld) oder den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug an sie abgesandt hat (Schickschuld), § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB. Dies gilt nach § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB nur dann nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.

Unter der alten Rechtslage vor dem 13. Juni 2014 konnte der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber zusätzlich die Herausgabe der von dem Darlehensgeber mutmaßlich gezogenen Nutzungen aus den erbrachten Zins- und Tilgungsleisten verlangen. Dabei folgte der Anspruch auf Nutzungsersatz für die vor dem Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsraten aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB, gleich, ob die Nutzung dieser Mittel vor oder nach dem Widerruf erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17 -, Rn. 19, juris). Der Anspruch auf Ersatz der Nutzungen der nach dem Widerruf - unter Vorbehalt - geleisteten Zins- und Tilgungsraten folgte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 5 U 62/16 -, Rn. 90, juris). Bei diesen Ansprüchen des Darlehensnehmers handelte es sich gemäß § 348 Satz 1 BGB jeweils um eine Zug um Zug zu erfüllenden Leistungspflicht (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 2016 - 23 U 50/15 -, Rn. 59, juris; MüKo/Gaier, BGB, 9. Aufl. 2022, § 348 Rn. 1).

Infolge des Wegfalls der Verweisung in § 357 Abs. 1 BGB auf das Rücktrittsrecht mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie am 13. Juni 2014 hat der Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber keinen Anspruch auf Ersatz der mutmaßlich gezogenen Nutzungen der bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsraten (vgl. MüKo/Fritsche, BGB, 9. Aufl. 2022, § 357b Rn. 22; BT-Drs. 17/12637, S. 64; BeckOGK/Knops, BGB, 15.1.2023, § 357b Rn. 36; EuGH, Urteil vom 4. Juni 2020 - C-301/18 -, Rn. 37, juris). Indes bleibt auch insoweit ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich möglich. Der Darlehensnehmer kann den Ersatz der Nutzungen der nach seinem Widerruf - unter Vorbehalt - geleisteten Zins- und Tilgungsraten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 BGB verlangen (vgl. BeckOK/Müller-Christmann, BGB, 64. Ed. 1.8.2022, § 357b Rn. 15).

c)

Soweit der Kläger vorliegend Nutzungsersatz in Höhe von 184,03 Euro für die von ihm der Beklagten in der Zeit vom 30. August 2015 bis zum 30. (sic!) Februar 2018 gezahlten Zins- und Tilgungsraten geltend macht, besteht der Anspruch schon dem Grunde nach nicht. Soweit sich der darüber hinaus gehende Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB ergibt, ist die Klage - ungeachtet der Höhe des Zahlungsanspruches - derzeit unbegründet.

(1)

Wie dargestellt kann sich die Beklagte gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB betreffend die nach dem Widerruf - unter Vorbehalt - geleisteten Zins- und Tilgungsraten auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen.

Die obergerichtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erachtet es in diesem Zusammenhang für sachgerecht, dass der Darlehensgeber das Leistungsverweigerungsrecht dem Darlehensnehmer auch gegenüber dessen Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der nach Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsraten entgegenhalten darf, weil die Vorleistungspflicht des Käufers auch dazu dient, dem Unternehmer die Bemessung seines Wertersatzanspruchs zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 17, juris). Dabei wird eine Differenzierung zwischen den Rückzahlungsansprüchen nach §§ 355 ff. BGB und § 812 BGB auch aus praktischen Gründen für undurchführbar und dem gesetzlichen Regelungskonzept widersprechend angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 17, juris).

Wenn aber der Darlehensgeber dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensnehmers die nach dem Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsraten betreffend ein Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten kann, dann muss das auch für den Nutzungsersatzanspruch des Klägers für die Nutzungen eben dieser Zahlungsraten gelten.

(2)

Bei bestehender Vorleistungspflicht des Verbrauchers ist eine Zahlungsklage "nach" Herausgabe in entsprechender Anwendung von § 322 Abs. 2 BGB nur dann begründet, wenn die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme wäre (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, BGHZ 227, 253, Rn. 29, juris; BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 15, juris).

Dies ist aber nicht der Fall, weil der Kläger der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise nach § 293 bis § 297 BGB angeboten hat.

Dass der Kläger der Beklagten das Fahrzeug an deren Sitz tatsächlich angeboten oder an sie nachweisbar abgesandt habe (§ 294 BGB), hat er nicht vorgetragen. Auch wörtlich (§ 295 BGB) hat er die Rückgabe des finanzierten Fahrzeuges nicht in ausreichender Weise angeboten.

Dies setzt voraus, dass der Kläger die ihm obliegende Leistung am Sitz der Beklagten ordnungsgemäß, nämlich unbedingt und im Sinne einer Vorleistungspflicht sowie ohne Verkennung des Wesens der Bring- bzw. Schickschuld (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2021 - I-16 U 291/20 -, Rn. 36, juris) anbietet. Das ist nicht geschehen.

In dem Widerrufsschreiben vom 2. März 2018 hat der Kläger die Rückgabe des Fahrzeuges gar nicht thematisiert. Gleiches gilt für das anwaltliche Schreiben vom 4. April 2018. Auch in der Folgezeit hat der Kläger keine weiteren Angebote formuliert.

II.

Eine Abänderung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils von "die Klage wird abgewiesen" in "die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen" bedarf es nicht. Dass der Anspruch nicht endgültig, sondern lediglich als "derzeit unbegründet" abgewiesen wird, muss sich nicht aus dem Tenor der Entscheidung ergeben. Ausreichend ist es vielmehr, wenn sich eine entsprechend eingeschränkte Rechtskraft unter Heranziehung der Entscheidungsgründe feststellen lässt (vgl. BeckOK/Gruber, 47. Ed. 1.12.2022, § 322 ZPO Rn. 45; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juni 2017 - 13 U 45/16 -, Rn. 33, juris).

Selbst wenn die Abänderung des Tenors erforderlich wäre, stünde dies einer Entscheidung im Beschlussweg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Der die Berufung zurückweisende Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO tritt an die Stelle des Berufungsurteils und bestimmt den Umfang der materiellen Rechtskraft der Berufungsentscheidung. Die Berufung hat auch dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn - wie hier - die Bewertung der Klage als unbegründet mit anderer Begründung aufrechterhalten wird, und zwar selbst dann, wenn sich hierdurch der Umfang der materiellen Rechtskraft ändert (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 7. April 2003, 6 U 14/03, Rn. 12 ff., juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juni 2017 - 13 U 45/16 -, Rn. 34, juris).

III.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die Zurückweisung beruht auf den Umständen des Einzelfalls in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtslage. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass trotz Aussichtslosigkeit der Berufung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass trotz Aussichtslosigkeit der Berufung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Begründung des Senats für die Zurückweisung der Berufung mit der Argumentation des Landgerichts Braunschweig nicht übereinstimmt. Entgegen der Begründung in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (Bundestags-Drucksache 17/6406) erfordert ein Wechsel der Begründung nicht in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung. Vielmehr ist eine mündliche Verhandlung nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2012 - I-20 U 228/11 -, Rn. 5, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 10 U 817/11 -, Rn. 28, juris; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 522 Rn. 40). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Von alledem ist der Senat einstimmig überzeugt.

IV.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf eine Wertstufe bis 9.000,- Euro festzusetzen.

1.

Der Wert der Feststellungsanträge - die hilfsweise erhoben und über die entschieden wurde, die indes stets denselben Gegenstand betreffen - belaufen sich auf den Nettodarlehensbetrag, der hier 8.057,46 Euro beträgt.

Einen Zahlungsantrag betreffend die Rückzahlung der Zins- und Tilgungsraten hat der Kläger nicht erhoben. Deshalb bleibt die Anzahlung in Höhe von 6.000,- Euro bei der vorliegenden Fallgestaltung für die Streitwertbemessung außer Betracht.

Zwar finden sich explizite Stimmen in der Rechtsprechung, die dafür plädieren, dass auch im Falle eines nicht mit einem Zahlungsantrag kombinierten - insofern "isolierten" - negativen Feststellungsantrages der Kläger wirtschaftlich begehre, so gestellt zu werden, als hätte er das Finanzierungsgeschäft nicht getätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14 -, Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 -, Rn. 3, juris), sodass streitwertbestimmend stets der Nettodarlehensbetrag zuzüglich einer eventuell geleisteten Anzahlung sei (so Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 30. April 2020 - 4 W 9/20 -, Rn. 22, juris).

Dieser Betrachtungsweise ist zuzugestehen, dass sie aus wirtschaftlicher Sicht zutrifft, da es beim Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages zu einer umfassenden Rückabwicklung der Vertragsbeziehungen kommt. Denn gemäß § 358 Abs. 2 BGB ist der Darlehensnehmer bei Widerruf des Darlehensvertrages auch nicht mehr an den Fahrzeug-Kaufvertrag gebunden, ohne dass ihm diesbezüglich ein Wahlrecht zustünde. In den Fällen des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB, in denen das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein. Die gegenseitigen Zahlungsansprüche sind dann zu verrechnen; der Darlehensnehmer schuldet dem Darlehensgeber anstelle der Rückzahlung der Darlehensvaluta die Rückgewähr des von dem Unternehmer geleisteten Gegenstandes (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 358 Rn. 21).

Allerdings vernachlässigt diese wirtschaftliche Betrachtungsweise die Formulierung des konkreten Antrages, der sich zu einer eventuellen Anzahlung nicht explizit verhält.

Es leuchtet nur in den "Kombinations-Fällen", in denen der Kläger seinen negativen Feststellungsantrag dahingehend, aus dem Darlehensvertrag aufgrund Widerrufserklärung nicht mehr verpflichtet zu sein, mit einem Leistungsantrag auf Rückzahlung der bisher entrichteten Zins- und Tilgungsleistungen verbindet, unmittelbar ein, dass der Kläger - in der Sprache des Bundesgerichtshofes - "begehrt, so gestellt zu werden, als habe er das [Finanzierungs-]Geschäft nicht getätigt". Denn nur dann schlägt sich dieses Begehren auch explizit in der Formulierung der Anträge nieder.

Diese Sichtweise wird dadurch gestützt, dass der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bei verbundenen Verträgen schon in der Vergangenheit explizit von einem "Gesamtstreitwert" gesprochen hat (BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14, Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 -, Rn. 3, juris), was nur dann Sinn ergibt, wenn negativer Feststellungsantrag und Leistungsantrag kombiniert werden und insofern hinsichtlich des Streitwerts teilweise wirtschaftliche Identität vorliegt.

In jüngerer Zeit hat sich der Bundesgerichtshof explizit dahingehend positioniert, dass der Wert eines negativen Feststellungsantrages, mit dem der Kläger die Feststellung begehre, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag keine Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen mehr beanspruchen könne, nach dem Nettodarlehensbetrag bemesse. Dem Zahlungsantrag komme "nur insoweit ein eigenständiger Wert zu, als der Kläger mit ihm eine nicht mitkreditierte Anzahlung [...] zurückgefordert hat" (BGH, Beschluss vom 21. September 2020 - XI ZR 648/18 -, Rn. 3, juris).

Nach alledem sprechen die besseren Argumente dafür, den Wert eines isolierten negativen Feststellungsantrages allein mit dem Nettodarlehensbetrag zu bemessen und eine Anzahlung nur dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn der Kläger daneben einen Leistungsantrag auf Rückzahlung stellt (so auch Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. April 2021 - 5 W 160/19 -, Rn. 15, juris).

Auch im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat sich der Kläger zur Anzahlung nicht so verhalten, dass eine Streitwerterhöhung eingetreten wäre.

2.

Dahinstehen kann, ob der geltend gemachte Kapitalnutzungsersatz in Höhe von 380,46 Euro eine Nebenforderung betrifft oder diese - in Ermangelung einer Hauptforderung - zu einer solchen erstarkt ist. Jedenfalls führt auch eine dahingehende Berücksichtigung nicht zu einem Überschreiten der Streitwertstufe von 9.000,- Euro.

V.

Der Parteien erhalten Gelegenheit, binnen einer Frist von drei Wochen Stellung zu nehmen. Der Kläger möge erwägen, die Berufung im Kosteninteresse zurückzunehmen.