Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 12.08.2015, Az.: 5 U 50/15
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.08.2015
- Aktenzeichen
- 5 U 50/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 28287
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2015:0812.5U50.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 20.02.2015 - AZ: 2 O 389/13
Rechtsgrundlagen
- BGB § 823
- ZPO § 286
Fundstellen
- GesR 2015, 696-698
- ZAP EN-Nr. 45/2016
- ZAP 2016, 55
Amtlicher Leitsatz
Ist einzig verbliebene Folge eines groben Diagnose- und Befunderhebungsfehlers (hier: unzureichende Untersuchung einer Gewebeprobe) eine Verzögerung der Behandlung, nimmt ein später auftretender Sekundärschaden (Mammakarzinom als Rezidiv) nur dann an der Beweislastumkehr teil, wenn die entsprechende Verzögerung typischerweise geeignet ist, diesen Sekundärschaden hervorzurufen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.02.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts O. (2 O 389/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die im Jahr 1949 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld dafür, dass sich bei ihr im Jahr 2012 ein Rezidiv eines Mammakarzinoms bildete. Sie führt dies auf eine verzögerte Behandlung im Jahr 2003 zurück.
Am 24.06.2003 wurde im Haus der Beklagten ein suspekter Kalkherd aus der linken Brust der Klägerin entfernt.
Bei einer Nachuntersuchung am 23.12.2003 zeigte sich in der linken Brust ein invasiv duktales Mammakarzinom, das der Klägerin während ihres Krankenhausaufenthalts vom 04.01.-10.01.2004 gemeinsam mit 20 Lymphknoten entfernt wurde. Es schloss sich eine Strahlen- und Hormontherapie an.
Daraufhin machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Schmerzensgeldansprüche geltend und begehrte die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden. Das Landgericht O. sprach ihr am 23.01.2008 ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zu und wies die Klage im Übrigen ab (2 O 2950/06). Dieses Urteil änderte der erkennende Senat mit Urteil vom 09.07.2008 ab und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und weiteren immateriellen Schaden aus der Operation vom 24.06.2003 zu erstatten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Der Senat stützte die Entscheidung darauf, dass zwei grobe Behandlungsfehler erfolgt seien: Zum einen stelle es einen groben Diagnosefehler dar, dass die während der Operation am 24.06.2003 entnommenen Gewebeteile grob fehlerhaft ausgewertet worden seien. Es seien nur randbildende Mikrokalkanteile untersucht worden, die nicht repräsentativ gewesen seien. Zum anderen sei es ein grober Befunderhebungsfehler, dass ein mediales Nachresektat keiner radiologischen Untersuchung mehr unterzogen worden sei. Am 24.06.2003 hätte bereits ein Karzinom in situ vorgelegen, welches sich zu dem invasiv duktalen Karzinom weiterentwickelt habe. Die gebotene sofortige Entfernung des Karzinoms in situ hätte der Klägerin die Zweitoperation erspart.
Im Jahr 2012 wurde bei der Klägerin erneut ein Mammakarzinom diagnostiziert, weshalb ihr am 28.08.2012 beide Brüste amputiert wurden. Anschließend fand eine Chemotherapie statt.
Die Klägerin hat behauptet, dass es sich bei dem Karzinom um ein Rezidiv gehandelt habe, das durch die unvollständige Entfernung des Kalkherds am 24.06.2003 verursacht worden sei. Dies habe dazu geführt, dass die Entfernung beider Brüste notwendig geworden sei. Zudem habe sie unter gravierenden Nebenwirkungen der Chemotherapie gelitten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.880,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts O. die Klage abgewiesen. Das 2012 diagnostizierte Rezidiv stelle zwar ein Wiederauftreten der Erkrankung aus dem Jahr 2003 dar, die Klägerin habe jedoch nicht bewiesen, dass dieses Rezidiv Folge des im Januar 2004 entfernten invasiv duktalen Karzinoms gewesen sei. Es könne auch durch das am 24.06.2003 bereits vorliegende Karzinom in situ verursacht worden sein, dessen unterlassene Entfernung dann nicht kausal für das Rezidiv geworden wäre. Eine Beweislastumkehr komme nicht in Betracht, da das Rezidiv ein Sekundärschaden sei. Dieser stelle zwar die typische Folge eines invasiv duktalen Karzinoms dar, sei aber eben auch für ein Karzinom in situ typisch. Gestützt hat das Landgericht diese Ausführungen auf die Gutachten des Sachverständigen Professor N. vom 28.11.2013 und 17.06.2014 sowie auf dessen Angaben im Rahmen seiner ergänzenden Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2015.
Wegen der Einzelheiten der Begründung und der tatsächlichen Feststellungen wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass sich die aus den vom Oberlandesgericht Oldenburg am 09.07.2008 festgestellten groben Behandlungsfehlern folgende Beweislastumkehr auch auf die Ursächlichkeit der Fehler für das Rezidiv aus dem Jahr 2012 erstrecke. Das Rezidiv sei eine typische Folge der Primärverletzung (Behandlungsverzögerung und Herausbildung des invasiv duktalen Karzinoms), was für die Beweislastumkehr ausreiche. Unerheblich sei, dass das Rezidiv auch schon durch das Karzinom in situ verursacht worden sein könnte, das sich bis zum 24.06.2003 entwickelt hatte. Es sei für den Kausalitätsnachweis nicht erforderlich, dass der als Sekundärschaden eingetretene Gesundheitsschaden eine "überwiegend" typische Folge der Primärverletzung sei.
Es bestünden Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung, da der Sachverständige in seinem Gutachten vom 28.11.2013 noch ausgeführt habe, die Rezidivoperation aus dem Jahr 2012 sei auf die früher festgestellten Behandlungsfehler zurückzuführen, davon jedoch in seinem zweiten Gutachten vom 17.06.2014 abgerückt sei. Diesen Widerspruch hätte das Landgericht näher aufklären müssen.
Zudem habe es das Landgericht falsch gewichtet, dass nach den Angaben des Sachverständigen das Rezidivrisiko bei einem invasiv duktalen Karzinom bei 5 % (Beobachtungszeitraum: 5 Jahre) liege und damit um 20 % höher sei als bei einem Karzinom in situ, bei dem das Rezidivrisiko 4 % betrage, und zwar über einen Beobachtungszeitraum von acht Jahren. Umgerechnet auf einen achtjährigen Beobachtungszeitraum sei das Rezidivrisiko bei einem invasiv duktalen Karzinom deshalb sogar noch höher.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts O. vom 20.02.2015, Az. 2 O 389/13, abzuändern und
1. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen,
2. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, ihr vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.880,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass mit dem Urteil des Senats vom 09.07.2008 (5 U 32/08) auch die Forderung der Klägerin nach weiterem Schmerzensgeld für die Rezidivbehandlung und deren Folgen abgegolten sei. Sie behauptet, dass die Möglichkeit eines Rezidivs objektiv vorhersehbar gewesen sei. Zudem stünde weder medizinisch noch aufgrund juristisch fundierter Beweislastumkehr fest, dass die neue Erkrankung kausale Folge der 2003/2004 um sechs Monate verzögerten Operation des seinerzeit betroffenen Mikrokalkherdes sei. Vielmehr habe sich bei der Klägerin das allgemeine Krebsrisiko verwirklicht.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Dem Landgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darin zu folgen, dass die Behandlungsfehler der Beklagten im Jahr 2003 nicht die Ursache für die Rezidivoperation der Klägerin gesetzt haben. Eine haftungsausfüllende Kausalität, die Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin wäre, kann nicht festgestellt werden.
1. Hinsichtlich der Kausalität der Behandlungsfehler aus dem Jahr 2003 für das Auftreten eines Rezidivs im Jahr 2012 greift entgegen der Ansicht der Klägerin keine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten.
Wie vom Senat in der Entscheidung vom 09.07.2008 festgestellt, liegen die groben Behandlungsfehler der Beklagten darin, dass am 24.06.2003 die bei der Entfernung des suspekten Kalkherdes genommene Gewebeprobe falsch ausgewertet und darüber hinaus eine radiologische Untersuchung eines medialen Nachresektats unterlassen worden ist, weshalb es zu der sechsmonatigen Behandlungsverzögerung kam. Die daraus resultierende Umkehr der Beweislast erstreckt sich jedoch lediglich auf die Kausalität des eingetretenen Primärschadens. Dieser liegt darin, dass sich während der Behandlungsverzögerung aus dem Karzinom in situ ein invasiv duktales Mammakarzinom entwickeln konnte, das gemeinsam mit 20 Lymphknoten entfernt werden musste und eine Strahlen- sowie Hormontherapie nach sich zog.
a) Bei dem Rezidivkarzinom, das bei der Klägerin im Jahr 2012 aufgetreten ist, handelt es sich hingegen nicht um einen unmittelbar durch die haftungsbegründende Gesundheitsverletzung verursachten Schaden, sondern um einen sogenannten Sekundärschaden, der erst in der Folgeentwicklung entstanden ist.
Für den Kausalitätsbeweis von Sekundärschäden gelten die Grundsätze der Beweislastumkehr nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist und die als grob zu bewertende Missachtung einer elementaren Verhaltensregel gerade auch vor derartigen Folgeschäden schützen sollte (BGH, Urteil vom 09.05.1978 zu VI ZR 81/77, Rn. 14 m. w. N.; BGH, Urteil vom 02.07.2013 zu VI ZR 554/12, Rn. 12 m. w. N., jeweils zitiert nach juris). Bei derart typischen Folgeschäden ist der Zweck der Beweiserleichterung, den Beweisschwierigkeiten des Patienten Rechnung zu tragen, in gleicher Weise erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1969 zu VI ZR 82/68, Rn. 15, zitiert nach juris).
b) Der hier geltend gemachte Sekundärschaden nimmt nicht an der Beweislastumkehr, die sich aus dem Behandlungsfehler im Jahre 2003 ergibt, teil. Wenn die Berufung in diesem Zusammenhang geltend macht, das Landgericht habe die Grundsätze für die Ausdehnung der Beweislastumkehr auf Sekundärschäden falsch angewendet, wenn es verlange, die Folge müsse nicht nur typische, sondern einzig typische Folge des Fehlers sein, verkennt sie den Anknüpfungspunkt für die entsprechende Prüfung. Der Schaden muss auch gerade typische Folge des Behandlungsfehlers sein (vgl. BGH NJW 2005, 427/429 [BGH 16.11.2004 - VI ZR 328/03]). Besteht der Vorwurf, wie hier, im Vorwurf der Verzögerung, muss der Sekundärschaden typische Folge der Verzögerung sein.
Das bei der Klägerin im Jahr 2012 aufgetretene Rezidivkarzinom ist indessen keine typische Folge der sechsmonatigen Behandlungsverzögerung 2003/2004 und der daraus resultierenden Folgen für die Klägerin. Das Auftreten eines Rezidivs ist auch keine typische Folge der von der Beklagten verletzten Verhaltensregeln, die darin bestehen, zur Vermeidung von Behandlungsverzögerungen bei der Entfernung suspekter Kalkherde Gewebeproben richtig auszuwerten und notwendige mediale Nachresektate auch radiologisch zu untersuchen.
Das Risiko einer Rezidivbildung ist nicht dadurch erhöht worden, dass sich das Karzinom in situ seit Juni 2003 zu einem invasiv duktalen Karzinom entwickeln konnte und erst im Januar 2004 entfernt worden ist.
aa) Der Sachverständige Professor N. hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2015 überzeugend dargelegt, dass sich das Rezidivrisiko von Juni 2003 bis Januar 2004 nicht erhöht habe.
Bei dem bereits im Juni 2003 vorhandenen duktalen Karzinom in situ (auch DCIS genannt) handele es sich um eine Vorstufe eines invasiv duktalen Karzinoms, das ebenso wie letzteres mit einem Rezidivrisiko verbunden sei.
Die günstigen Prognosekriterien des im Januar 2004 entfernten invasiv duktalen Karzinoms führten dazu, dass dessen Entwicklung während der Behandlungsverzögerung letztlich keine Risikoerhöhung bedeutet habe. Der Tumor sei mit einem Durchmesser von 1 cm noch klein gewesen und nur langsam gewachsen. Die Teilungsrate sei mit 10 % niedrig einzustufen, die Proliferationsrate somit gering. Günstig habe sich zudem ausgewirkt, dass der Hormonrezeptorstatus positiv gewesen sei.
Aufgrund dieser guten Voraussetzungen sei das Rezidivrisiko des Tumors nicht größer als das Rezidivrisiko, welches bereits dem im Juni 2003 vorhandenen Karzinom in situ inne gewohnt habe.
bb) Die Gefahr einer erneuten Tumorbildung ist auch nicht durch eine in Folge der Behandlungsverzögerung eingetretene sog. EIC, d. h. einer extensiven intraduktalen Komponente, vergrößert worden, die bei einem Karzinom in situ noch nicht möglich ist. Der Sachverständige hat bestätigt, dass eine EIC vorliegt, wenn zum Zeitpunkt der Tumorentfernung in dessen Peripherie Tumorzellen in den Milchgängen vorhanden sind, die nicht entfernt werden. Es leuchtet ein, dass diese Zellnester die Wahrscheinlichkeit eines neuen Tumors erhöhen. Im Falle der Klägerin ist es aber nicht zu einer derartigen Risikoerhöhung gekommen, da sich keine EIC gebildet hat. Der Sachverständige hat überzeugend erörtert, dass sich keine Hinweise auf eine EIC bei der Tumorentfernung im Januar 2004 finden lassen. Stattdessen habe der Tumor "R0", d. h. vollständig entfernt werden können. Wenn 2004 eine EIC vorgelegen hätte, wären 2012 bei der durchgeführten Stanzbiopsie sowie bei der postoperativen Untersuchung des Brustgewebes Karzinome in situ (DCIS) zu erwarten gewesen, die aber gerade nicht diagnostiziert worden seien. Zudem spreche der Umstand, dass der Tumor im Jahr 2012 ausschließlich im Bereich des alten Tumorgebiets aufgetreten sei, gegen eine EIC.
Der Senat macht sich die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nach kritischer Überprüfung vollumfänglich zu Eigen.
cc) Eine Rezidivrisikoerhöhung lässt sich auch nicht aus den vom Sachverständigen in seiner ergänzenden Anhörung vor dem Landgericht angegebenen Prozentzahlen ableiten. Zwar mögen sich bei verschiedenen Untersuchungen für invasiv duktale Karzinome im Vergleich zu Karzinomen in situ höhere Rezidivrisiken ergeben haben, dies ist nach den überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen aber im Falle der Klägerin nicht relevant. Die Prozentzahlen beruhten auf allgemeinen Untersuchungen, die sich aufgrund der günstigen Prognosekriterien des bei der Klägerin im Januar 2004 entfernten Tumors nicht übertragen ließen. Bei der Risikobewertung seien somit auch invasiv ductale Karzinome berücksichtigt worden, bei denen die unter aa) beschriebenen günstigen Voraussetzungen nicht vorlagen und bei denen es zu einer risikoerhöhenden EIC gekommen sei. Es leuchtet ein, dass der Fall der Klägerin vom Durchschnitt der betrachteten Fälle in einem Maße abweicht, das es verbietet, einer im Durchschnitt festgestellten geringfügige Risikoerhöhung für den Fall der Klägerin Relevanz beizumessen. Vielmehr gleiche nach den Angaben von Professor N. die Rezidivwahrscheinlichkeit des im Januar 2004 entfernten Tumors der eines Karzinoms in situ und insoweit seien beide Karzinome gleich zu behandeln.
dd) Der Sachverständige hat damit eindeutig klargestellt, dass er an seiner Aussage aus dem Gutachten vom 28.11.2013, die Folgen der Rezidivoperation seien auf die bereits früher festgestellten Behandlungsfehler zurückzuführen, nicht festhält. Ein die Überzeugungskraft des Sachverständigen mindernder Widerspruch liegt darin nicht. Im Gutachten vom 28.11.2013 hat sich der Sachverständige damit befasst, ob es sich bei dem 2012 aufgetretenen Karzinom um ein Rezidiv des früheren Mammakarzinoms handelte, ob die Amputation beider Brüste indiziert war und die von der Klägerin geschilderten Nebenwirkungen der Chemotherapie nachvollziehbar waren. Eine Untersuchung, ob die Behandlungsfehler der Beklagten das Rezidivrisiko erhöht haben könnten, erfolgte in diesem Ausgangsgutachten jedoch noch nicht. Vor diesem Hintergrund lässt seine Aussage lediglich den Schluss zu, dass die Operation im Jahr 2012 und ihre Folgen auf die Vorerkrankung der Klägerin zurückzuführen sind.
Aufgrund der verständlichen Erklärungen des Sachverständigen, denen sich der Senat nach kritischer Überprüfung anschließt, steht damit zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass sich durch die Behandlungsverzögerung das Risiko eines Rezidivs gerade nicht erhöht hat. Dass sich bei der Klägerin im Jahr 2012 ein Rezidiv gebildet hat, ist deshalb auch keine typische Folge des durch die sechsmonatige Behandlungsverzögerung im Jahr 2003/2004 verursachten Gesundheitsschadens. Die Einbeziehung derartiger Schäden in die Beweislastumkehr ist nicht interessengerecht.
2. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass das bei ihr im Jahr 2012 diagnostizierte Rezidiv auf einem Behandlungsfehler der Beklagten beruht. Dies kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, da das Rezidiv genauso gut völlig unabhängig von der Behandlungsverzögerung im Jahr 2003/2004 entstanden und bereits durch das Karzinom in situ verursacht worden sein kann.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).