Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.10.2002, Az.: WS 238/02

Verfahren zur Prüfung der Aussetzung von zwei Strafresten; Psychologisches Sachverständigengutachten und Vorgutachten aus den Hauptakten im Prüfungsverfahren nach § 57 Strafgesetzbuch; Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung bei Auseinandersetzung mit kurzen Stellungnahmen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.10.2002
Aktenzeichen
WS 238/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 16298
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2002:1028.WS238.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig 50 StVK 315/02 vom 10.09.2002
LG Braunschweig 50 StVK 316/02 vom 10.09.2002
nachfolgend
OLG Braunschweig - 28.10.2002 - AZ: WS 237/02

Tenor:

Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 10. September 2002 aufgehoben.

Für das Verfahren zur Prüfung der Aussetzung von zwei Strafresten nach § 57 StGB wird dem Verurteilten Rechtsanwalt C. aus Hannover beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe

1

I.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. In analoger Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO ist dem Verurteilten ein Verteidiger beizuordnen, weil die Sachlage schwierig und der Verurteilte nicht in der Lage ist, seine Interessen selbst in ausreichendem Maße wahrzunehmen.

2

1.

Die Schwierigkeit der Sachlage ergibt sich schon daraus, dass hier im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 57 StGB ein umfangreiches psychologisches Sachverständigengutachten und daneben ein Vorgutachten aus den Hauptakten (vgl. Verfügung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom 23. 4. 2002) durchzuarbeiten sind. Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit Sachverständigengutachten indiziert generell, dass die Sach- und Rechtslage als schwierig einzustufen ist (KK-Laufhütte, StPO, 4. Aufl. , § 140 Rn. 22 mit Rspr. -Nachweisen). Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm (NStZ-RR 1999, 319 f) und Schleswig (SchlHA 1985, 130), die ebenfalls im Rahmen eines Prüfungsverfahrens nach § 57 StGB ergangen sind und die Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung verneint haben, stehen nicht entgegen, weil es in jenen Fällen nur um eine Auseinandersetzung mit relativ kurzen Stellungnahmen von Staatanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt ging.

3

2.

Die Komplexität der Gutachten ist auch bei der Beurteilung der Frage von Bedeutung, ob der Verurteilte sich selbst verteidigen kann (vgl. EGMR NJW 1992, 2945, 2946) [EGMR 12.05.1992 - - 63/1991/315/386/-]; angesichts der ihm vom psychologischen Sachverständigen attestierten schweren Persönlichkeitsstörung ist die Frage hier zu verneinen und ist von einer Überforderung des Verurteilten auszugehen, wenn ihm eine differenzierte Erörterung der anstehenden medizinischen und rechtlichen Fragen abverlangt wird.

4

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.