Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 30.04.2004, Az.: 2 A 2/03

Abwägungsausfall; Abwägungsfehler; Abwägungsmangel (Erheblichkeit); Abwägungsmangel (fehlende Begründung); Ausschluss; Ausschluss von Spielhallen; Bebauungsplan (Begründung); Begründungserfordernis; formaler Fehler; Kerngebiet; materieller Abwägungsfehler; Nichtigkeit; Nutzungsart; Planbegründung; Spielhalle (Ausschluss im Plangebiet); textliche Festsetzung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
30.04.2004
Aktenzeichen
2 A 2/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50620
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Wirksamkeit des in einem Bebauungsplan festgesetzten Ausschlusses von Spielhallen in einem Kerngebiet setzt voraus, dass die hierfür maßgebenden, auf das konkrete Plangebiet bezogenen Gründe entweder in der Planbegründung selbst oder zumindest in sonstigen Unterlagen in nachvollziehbarer Weise dokumentiert worden sind.

Tatbestand:

1

Die Klägerin, die bundesweit Spielhallen betreibt, beabsichtigt, innerhalb des auf dem Grundstück G. 17 in O. befindlichen Gebäudekomplexes vier Spielhallen mit einer Grundfläche von jeweils 150 m² einzurichten. In diesem Gebäudekomplex wird  - neben anderen Einrichtungen -  seit einiger Zeit bereits eine staatliche Spielbank (in Form eines Automatensaals) betrieben. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des am 18.06.1998 beschlossenen und am 28.08.1998 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 424 („H.“) der Beklagten und ist dort als Kerngebiet ausgewiesen. Nach Ziff. 4 der dem Bebauungsplan beigegebenen textlichen Festsetzungen sind in diesem Kerngebiet von den an sich zulässigen Vergnügungsstätten Sex-Kinos sowie Spielhallen und ähnliche Unternehmen im Sinne von § 33 i der Gewerbeordnung (GewO) nicht zulässig.

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Unter dem 21.06.2002 stellte die Klägerin eine Bauvoranfrage hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit des o.g. Vorhabens. Mit Bescheid vom 10.07.2002 beschied die Beklagte diese Bauvoranfrage abschlägig und führte zur Begründung aus, dass die Einrichtung von Spielhallen nach dem hier maßgeblichen Bebauungsplan nicht zulässig sei; eine entsprechende Ausnahme oder Befreiung komme ebenfalls nicht in Betracht.

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Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und machte geltend, dass der im Bebauungsplan Nr. 424 festgesetzte Ausschluss von Spielhallen ihrem Vorhaben nicht entgegenstehe. Dies folge schon daraus, dass die Beklagte das damit verfolgte städtebauliche Ziel tatsächlich gar nicht umsetze, weil sie in dem gleichen Gebäude einen Automatensaal der staatlichen Spielbank genehmigt habe und derartige Vergnügungsstätten damit selbst fördere. Im Übrigen sei es aus bauplanungsrechtlicher Sicht auch nicht gerechtfertigt, zwischen staatlichen und sonstigen Vergnügungsstätten zu differenzieren.

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Mit Bescheid vom 06.12.2002 wies die Bezirksregierung W. den Widerspruch unter Bestätigung der Rechtsauffassung der Beklagten zurück. Ergänzend wies sie darauf hin, dass es sich bei einer Spielbank, auch wenn sie in Form eines Automatensaals betrieben werde, aufgrund der Andersartigkeit der dort angebotenen Spiele nicht um eine Spielhalle im Sinne des § 33 i GewO, sondern um ein dem niedersächsischen Spielbankenrecht unterfallendes anderes Unternehmen im Sinne des § 33 h GewO handele, so dass insoweit eine sachliche Differenzierung gerechtfertigt sei.

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Die Klägerin hat daraufhin am 06.01.2003 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 424 vorgesehene Ausschluss von Spielhallen nichtig sei und deshalb dem von ihr beabsichtigten Vorhaben nicht entgegenstehe. Der Ausschluss von Spielhallen aus einem Kerngebiet sei regelmäßig nur dann zulässig, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigten. Derartige Gründe seien in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 424 jedoch nicht einmal ansatzweise dargelegt worden; vielmehr fänden sich dort lediglich Ausführungen zu dem mit der Kerngebietsausweisung allgemein verfolgten Nutzungskonzept, mit dem ihr eigenes Vorhaben ohne weiteres vereinbar sei. Angesichts des völligen Fehlens einer Begründung für den Ausschluss von Spielhallen, deren Aufgabe es gerade sei, die Richtigkeit des Abwägungsvorgangs und Abwägungsergebnisses zumindest in groben Zügen zu dokumentieren, sei gleichzeitig davon auszugehen, dass die diesbezügliche Planung der Beklagten auch an materiellen Abwägungsmängeln leide. Eine Abwägung zwischen den für und gegen einen etwaigen Ausschluss von Spielhallen sprechenden Belangen habe im vorliegenden Fall offenbar nicht stattgefunden. Dies komme nicht zuletzt in der Ungleichbehandlung artverwandter Nutzungen zum Ausdruck, indem in dem fraglichen Gebäude einerseits eine staatliche Spielbank  - die zudem als reiner Automatensaal betrieben werde -  zugelassen worden sei, andererseits aber Spielhallen als private Konkurrenz ausgeschlossen würden. Soweit die Widerspruchsbehörde diese Ungleichbehandlung im angefochtenen Widerspruchsbescheid mit den (gewerberechtlichen) Unterschieden zwischen einer Spielhalle und einer Spielbank begründet habe, könne eine derartige nachgeschobene Begründung  - die im Übrigen angesichts der deutlich höheren Verlustmöglichkeiten an den in der Spielbank aufgestellten Automaten auch der Sache nach nicht gerechtfertigt sei -  die erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung der insoweit zuständigen Gemeindegremien im Rahmen der Aufstellung und Begründung des Bebauungsplans nicht ersetzen. Dasselbe gelte für die von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung angestellten Erwägungen, unter welchen Voraussetzungen bzw. örtlichen Gegebenheiten ein Ausschluss von Spielhallen in Kerngebieten ggf. gerechtfertigt sein könne. Denn auch derartige Erwägungen, die im Einzelfall jeweils in Bezug zu den konkreten örtlichen Verhältnissen zu setzen seien, hätten weder im Bebauungsplan bzw. dessen Begründung selbst noch in den sonstigen Planaufstellungsunterlagen in irgendeiner Weise ihren Niederschlag gefunden. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten, als städtebauliches Gesamtkonzept zum völligen Ausschluss u.a. von Spielhallen in Hauptgeschäftsbereichen bezeichneten Kartenauszug. Zum einen handele es sich bei einer solchen Zeichnung schon nicht um ein städtebauliches „Konzept“; zum anderen genüge diese auch inhaltlich nicht einmal ansatzweise den Anforderungen an eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Abwägung bzw. an die Darlegung besonderer städtebaulicher Gründe für den völligen Ausschluss von Spielhallen in Kerngebieten.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.07. 2002 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung W. vom 06.12.2002 zu verpflichten, ihr auf ihre Bauvoranfrage eine Bebauungsgenehmigung zur Einrichtung von vier Spielhallen auf dem Grundstück G. 17 in O. zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und macht ergänzend geltend, dass der in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 424 vorgenommene Ausschluss von Spielhallen in dem hier ausgewiesenen Kerngebiet wirksam sei. Zwar enthalte die Begründung des Bebauungsplans keine auf diese konkrete Festsetzung bezogenen Ausführungen; diese Unvollständigkeit der Begründung sei jedoch unbeachtlich und könne im Übrigen zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht mehr geltend gemacht werden, weil die insoweit maßgebliche Jahresfrist bereits abgelaufen sei. Der Bebauungsplan leide auch nicht an materiellen Abwägungsfehlern; vielmehr habe sie sehr wohl Überlegungen zum Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe für den Ausschluss von Spielhallen in dem konkreten Plangebiet angestellt. Durch die betreffende textliche Festsetzung solle das Ausufern von Spielhallen im direkten Einflussbereich des Bahnhofsvorplatzes, wie es in anderen Städten zu beobachten sei, verhindert, der durch die vorhandenen Nutzungen geprägte Charakter des Kerngebiets als gehobenes und zentrales Versorgungsgebiet erhalten und damit die Abwertung dieses Gebiets durch die Häufung von Spielhallen u.ä. vermieden werden. Dieses städtebauliche Ziel komme im Übrigen auch in dem von ihr bereits im Jahre 1987 erarbeiteten und seinerzeit in den politischen Gremien beratenen städtebaulichen Gesamtkonzept zum völligen Ausschluss u.a. von Spielhallen in den Hauptgeschäftsbereichen zum Ausdruck, das bei zeitlich nachfolgenden Änderungen und Neuaufstellungen von Bebauungsplänen konsequent umgesetzt worden und dem Rat auch bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 424 bekannt gewesen sei. Die fehlende Planbegründung für die darauf aufbauende textliche Festsetzung Ziff. 4 ändere daran nichts, sondern sei damit zu erklären, dass sich das genannte Konzept mittlerweile so verfestigt habe bzw. zu einer Art „Selbstläufer“ geworden sei, dass die Begründungen in den einschlägigen Bebauungsplänen  - anders als in den ersten Jahren nach Einführung des Konzepts -  im Laufe der Zeit immer kürzer ausgefallen seien. Auch die unterschiedliche Behandlung von privaten Spielhallen einerseits und einer staatlichen Spielbank andererseits sei gerechtfertigt, weil sich derartige Einrichtungen sowohl von ihrer rechtlichen Einordnung her als auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Gewinn- und Verlustmöglichkeiten schon im Ansatz deutlich voneinander unterschieden; dies erlaube auch entsprechende planungsrechtliche Differenzierungen. Angesichts dessen liege hier trotz der unvollständigen Planbegründung jedenfalls kein zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führender offensichtlicher, das Abwägungsergebnis beeinflussender Mangel im Abwägungsvorgang vor.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Bebauungsgenehmigung, weil ihr Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist und deshalb dem öffentlichen Baurecht entspricht (§ 74 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 1 NBauO). Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des im Jahre 1998 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 424 der Beklagten und ist dort als Kerngebiet ausgewiesen; in einem solchen Gebiet sind  - soweit es die hier allein streitige Art der Nutzung betrifft -  u.a. Vergnügungsstätten, zu denen die von der Klägerin geplanten Spielhallen gehören, allgemein zulässig (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Einer Realisierung des beabsichtigten Vorhabens steht auch nicht Ziff. 4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans entgegen, die die Einrichtung von (u.a.) Spielhallen in dem hier ausgewiesenen Kerngebiet ausschließt; denn diese Festsetzung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nichtig.

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Die betreffende Festsetzung leidet zunächst schon an einem formalen Fehler, weil insoweit dem in § 9 Abs. 8 BauGB normierten Begründungserfordernis nicht genügt worden ist. Nach dieser Vorschrift ist einem Bebauungsplan eine Begründung beizufügen, in der die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans  - wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch zumindest „in groben Zügen“, insbesondere soweit es die tragenden Gesichtspunkte der Planung betrifft (vgl. BVerwG, U. v. 07.05.1971  - IV C 76.68 -, DVBl. 1971, 759 [BGH 08.02.1971 - III ZR 28/70]; U. v. 30.06.1989  - 4 C 15.86 -, DVBl. 1989, 1061) -  darzulegen sind. Daran fehlt es hier, weil die Begründung zum Bebauungsplan Nr. 424  - wie die Beklagte auch selbst einräumt -  keinerlei Ausführungen zu dem in Ziff. 4 der textlichen Festsetzungen vorgenommenen Ausschluss von Spielhallen im Plangebiet enthält. Derartiger Ausführungen hätte es hier jedoch schon deshalb bedurft, weil der Ausschluss einer in einem Kerngebiet generell zulässigen Nutzungsart eine nicht unerhebliche und deshalb entsprechend zu rechtfertigende Beschränkung der baulichen Nutzbarkeit der in diesem Gebiet gelegenen Grundstücke darstellt; dies gilt umso mehr, als Kerngebiete die einzigen Baugebiete sind, in denen Vergnügungsstätten nach dem Nutzungskatalog der BauNVO allgemein bzw. ohne Beschränkung auf bestimmte Teile des Baugebiets zulässig sind. Abgesehen davon ist ein Ausschluss von Spielhallen  - als Unterart der Nutzung „Vergnügungsstätte“ -  in Kerngebieten ohnehin nur auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 BauNVO, nämlich dann möglich, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen; derartige „besondere“ Gründe, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation bzw. den konkreten örtlichen Gegebenheiten ergeben und geeignet sein müssen, eine Abweichung von den in dem betreffenden Gebiet an sich zulässigen Nutzungen zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, U. v. 22.05.1987  - 4 C 77.84 -, BVerwGE 77, 317), müssen dann aber auch im Einzelnen dargelegt werden. Da diesen Anforderungen hier nicht genügt worden ist, erweist sich die betreffende Festsetzung in formaler Hinsicht als fehlerhaft. Dieser Mangel ist hier allerdings rechtlich unbeachtlich, weil eine Planbegründung nicht gänzlich fehlt, die gegebene Begründung vielmehr  - hinsichtlich des Ausschlusses von Spielhallen -  lediglich unvollständig ist (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbs. BauGB). Im Übrigen könnte der gegebene Verstoß gegen die Begründungspflicht  - selbst wenn man ihn im Grundsatz als „beachtlich“ ansehen wollte -  zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht mehr geltend gemacht werden, weil die insoweit vorgesehene Frist von einem Jahr seit Bekanntmachung des Bebauungsplans (§ 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) mittlerweile  - längst -  abgelaufen ist.

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Der im Bebauungsplan Nr. 424 vorgesehene Ausschluss von Spielhallen leidet darüber hinaus aber auch an einem materiellen Abwägungsfehler, der im Ergebnis zur Nichtigkeit der textlichen Festsetzung Ziff. 4 führt. Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Abwägungsgebot ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, wenn in die Abwägung nicht das an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie hätte eingehen müssen oder wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit anderer Belange außer Verhältnis steht (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 12.12.1969  - IV C 105.68 -, BVerwGE 34, 301; U. v. 05.07.1974  - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309).

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Ein derartiger Mangel im Abwägungsvorgang liegt hier vor. Dies folgt im Ausgangspunkt wiederum daraus, dass der mit der betreffenden textlichen Festsetzung bewirkte Ausschluss von Spielhallen in dem ausgewiesenen Kerngebiet mit keinem Wort begründet worden ist. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Planbegründung nicht zum (materiellen) Inhalt des Bebauungsplans gehört; andererseits berührt sie die materiell-rechtliche Seite jedoch zumindest insoweit, als sie Hinweise auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Abwägung geben kann. Berücksichtigt man ferner, dass das Vorhandensein einer Planbegründung  - jedenfalls soweit es die tragenden Gesichtspunkte der Planung betrifft -  letztlich Voraussetzung für eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle des Abwägungsvorgangs ist, ist das völlige Fehlen einer Begründung  - sei es hinsichtlich des Bebauungsplans insgesamt, sei es hinsichtlich einer einzelnen, für das Gesamtkonzept der Planung nicht unbedeutenden Festsetzung -  jedenfalls ein starkes Indiz dafür, dass die Planung an einem zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt oder einer einzelnen Festsetzung führenden Abwägungsfehler leidet (vgl. BVerwG, U. v. 07.05.1971, aaO; B. v. 21.02.1986 - 4 N 1.85 -, BVerwGE 74,47). Zwar muss sich das Fehlen einer Begründung nicht in jedem Fall auf die (inhaltliche) Wirksamkeit des Bebauungsplans auswirken; vielmehr kann eine Planung bzw. der ihr zugrunde liegende Abwägungsvorgang auch dann nachvollziehbar sein, wenn sich die für die planende Gemeinde maßgeblichen planerischen Erwägungen aus anderen Unterlagen, insbesondere etwa den Protokollen über die Sitzungen der zuständigen Entscheidungsgremien der Gemeinde, ergeben (vgl. BVerwG, U. v. 07.05.1971, aaO). Dies ist hier jedoch ebenfalls nicht der Fall, weil auch die übrigen von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen keinerlei Hinweise darauf enthalten, aus welchen konkreten Gründen in dem hier interessierenden, vom Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 424 erfassten Plangebiet Spielhallen ausgeschlossen werden sollen. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.04.2004 überreichten Vorgänge sind allenfalls geeignet, den Gang der Beratungen und Beschlussfassungen hinsichtlich einer Reihe anderer Bebauungspläne zu belegen bzw. nachvollziehbar zu machen, die in den Jahren 1987 - 1994 in bestimmten (anderen) Bereichen der Innenstadt aufgestellt bzw. geändert worden sind, sagen jedoch  - naturgemäß -  nicht unmittelbar etwas darüber aus, welche konkreten Erwägungen bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 424 möglicherweise eine Rolle gespielt haben. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem von der Beklagten vorgelegten, als „Städtebaulich-räumliches Gesamtkonzept zum völligen Ausschluss von Spielhallen u.ä. in Hauptgeschäftsbereichen“ aus dem Jahre 1987 bezeichneten Kartenauszug. Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass dieser Kartenauszug  - in dem lediglich ein bestimmter Teil der Innenstadt markiert bzw. umrandet worden ist -  für sich genommen bereits ein taugliches „städtebauliches Planungskonzept“ darstellt, das seinerzeit (im Jahre 1987) in den zuständigen Entscheidungsgremien beraten worden und in der Folgezeit tatsächlich auch Gegenstand der Bauleitplanung der Beklagten in bestimmten (anderen) Bereichen der Innenstadt gewesen ist, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass dieses „Konzept“ auch in die Beratung und Beschlussfassung über den hier interessierenden Bebauungsplan Nr. 424 eingeflossen ist. Dagegen spricht maßgeblich schon der Umstand, dass dieses „Konzept“  - in der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.04.2004 überreichten, den „Stand nach 1994“ wiedergebenden Fassung -  den Bereich des Bahnhofs bzw. Bahnhofsvorplatzes tatsächlich gar nicht erfasst; dies wiederum ist  - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat -   darauf zurückzuführen, dass der Geltungsbereich des jetzigen Bebauungsplans Nr. 424 zum damaligen Zeitpunkt noch als Gemeinbedarfsfläche (für das bis vor einigen Jahren dort befindliche Postgebäude) ausgewiesen und deshalb ein bauplanungsrechtlicher Ausschluss von Spielhallen nicht erforderlich bzw. nicht zulässig war. Dann aber wird der im Mittelpunkt der Argumentation der Beklagten stehenden These, das fragliche „Konzept“ habe sich im Laufe der Zeit bei den zuständigen Entscheidungsträgern so verfestigt, dass es  - unter Verzicht auf eine ausführliche oder gar (wie hier) jegliche Planbegründung -  sozusagen „automatisch“ für die jeweils in Betracht kommenden Planbereiche „fortgeschrieben“ worden sei, von vornherein die Grundlage entzogen. Vielmehr wäre insoweit zunächst einmal eine Entscheidung des Rates der Beklagten darüber erforderlich gewesen, ob das genannte „Konzept“ in räumlicher Hinsicht ggf. auch auf den  - nunmehr als Kerngebiet ausgewiesenen -  Bereich des Bahnhofsvorplatzes ausgedehnt werden soll. Da dies offensichtlich nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass sich der Rat dieses Problems bei der Beratung und Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 424 tatsächlich gar nicht bewusst war und schon aus diesem Grund ein materieller Abwägungsmangel  - entweder in Form eines vollständigen Abwägungsausfalls oder eines Fehlers bei der Zusammenstellung des maßgeblichen Abwägungsmaterials -  vorliegt. Die in der Klageerwiderung angestellten Erwägungen der Beklagten lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass die vorliegende Planung  - unabhängig von der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des genannten „Städtebaulichen Konzepts“ -  bezüglich des Ausschlusses von Spielhallen generell an einem Abwägungsdefizit leidet. Denn der Hinweis darauf, dass dieses „Konzept“ seit vielen Jahren für große Teile der Innenstadt Gültigkeit beanspruche und sich deshalb als eine Art „Selbstläufer“ darstelle, kann kaum anders als in der Weise verstanden werden, dass damit  - seit dem Jahre 1987 -  das Ziel verfolgt wird, in den bezeichneten Bereichen Spielhallen generell, d.h. ohne Berücksichtigung der konkreten (ggf. unterschiedlichen) tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb des jeweils ins Auge gefassten Plangebiets, auszuschließen. Eine derartige „Spielhallenplanung“ aber genügt den oben dargestellten Anforderungen an einen sachgerechten Abwägungsvorgang  - insbesondere im Hinblick auf die in § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO aufgestellten besonderen Erfordernisse -  nicht und stellt sich im Ergebnis, soweit es die hier zu beurteilende textliche Festsetzung betrifft, ebenfalls als Abwägungsausfall dar. Da in diesem Zusammenhang im Übrigen allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgeblich ist (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB), kommt es auch auf die erst nach diesem Zeitpunkt  - etwa im angefochtenen Widerspruchsbescheid oder in der Klageerwiderung der Beklagten -  angestellten Erwägungen, die einen Spielhallenausschluss je nach der konkreten örtlichen Situation ggf. rechtfertigen können (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1992  - 4 B 182.92 -, BRS 55 Nr. 42; OVG Lüneburg, U. v. 11.09.1986  - 1 C 26/85 -, BRS 46 Nr. 55; OVG Münster, U. v. 29.01.1997  - 11 A 2980/94 -, BRS 59 Nr. 27), nicht an.

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Dieser Mangel im Abwägungsvorgang führt im Ergebnis zur Nichtigkeit der textlichen Festsetzung Ziff. 4. Nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind Mängel im Abwägungsvorgang zwar nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind; diese Voraussetzungen sind hier jedoch erfüllt. Ein „offensichtlicher“ Mangel im Sinne der Vorschrift liegt dann vor, wenn es aufgrund objektivierbarer Umstände, die sich am Inhalt der Akten konkret festmachen lassen, positive Hinweise darauf gibt, dass der Gemeinde bei der Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, der Einstellung der wesentlichen Belange in die Abwägung oder der Gewichtung der betroffenen Belange Fehler unterlaufen sind (vgl. BVerwG, U. v. 21.08.1981  - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33); derartige Fehler müssen sich  - wie das Bundesverwaltungsgericht in späteren Entscheidungen ausgeführt hat -  aufgrund der konkreten Gesamtumstände „positiv und klar“ ergeben, während es insoweit noch nicht ausreicht, wenn  - negativ betrachtet -  lediglich „nicht ausgeschlossen“ werden kann, dass der Abwägungsvorgang mangelhaft ist, etwa weil sich aus den Planaufstellungsvorgängen oder sonstigen Unterlagen keine Hinweise darauf ergeben, dass sich die Gemeinde mit bestimmten konkreten Umständen tatsächlich abwägend befasst hat (vgl. BVerwG, B. v. 29.01.1992  - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662; B. v. 20.01.1995  - 4 NB 43.93 -, ZfBR 1995, 145, jew. m.w.N.). Unter Berücksichtigung dessen ist der hier vorliegende Mangel im Abwägungsvorgang als „offensichtlich“ im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB anzusehen. Denn das „völlige Schweigen“ der Planbegründung und der sonstigen vorliegenden Unterlagen über die Gründe für den hier vorgenommenen Spielhallenausschluss in Verbindung mit den nachträglichen Ausführungen der Beklagten zu den Gründen für dieses „Schweigen“ lässt - wie oben bereits dargelegt -  allein den (positiven) Schluss zu, dass hier entweder eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat oder dass der Abwägungsvorgang von vornherein in unzulässiger Weise dahingehend verkürzt worden ist, Spielhallen dürften in den Hauptgeschäftsbereichen der Innenstadt allein auf der Grundlage des genannten „Städtebaulichen Konzepts“  - unabhängig von dessen tatsächlicher räumlicher Reichweite und auch unabhängig von den sonstigen tatsächlichen Gegebenheiten in dem konkreten Plangebiet -  „generell“ ausgeschlossen werden. Dieser Mangel ist i.S.d. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auch „auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen“. Insoweit besteht die konkrete, nach dem Inhalt der vorliegenden Unterlagen und den oben bereits dargestellten Gesamtumständen naheliegende Möglichkeit (vgl. dazu BVerwG, U. v. 21. 08.1981, B. v. 29.01.1992 und U. v. 20.01.1995, jew. aaO), dass die Beklagte bei Vermeidung des Fehlers im Abwägungsvorgang im Ergebnis anders geplant hätte; denn von einem entsprechenden „Einfluss“ des Fehlers im Abwägungsvorgang auf das Abwägungsergebnis ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich die Gemeinde bei der Abwägung von einem unzutreffenden Belang  - hier: ein Spielhallenausschluss sei in innerstädtischen Hauptgeschäftsbereichen „generell“ bzw. allein auf der Grundlage eines entsprechenden „Städtebaulichen Konzepts“ zulässig -  hat leiten lassen, ohne dass sich andererseits aus den Vorgängen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass anderweitige, das Abwägungsergebnis ggf. rechtfertigende Gesichtspunkte tatsächlich in die Abwägung eingeflossen sind (vgl. BVerwG, B. v. 20.01.1992 - 4 B 71.90 -, NVwZ 1992, 663 m.w.N.).