Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 31.01.2001, Az.: 2 U 265/00

Rentenversicherung; Versicherungsbeitrag; Rückzahlungsanspruch; Wirksamkeit; Rentenversicherungsvertrag; Vertragsschluss; Einmalprämie; Widerspruch; Widerspruchsfrist; Versicherungsschein

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
31.01.2001
Aktenzeichen
2 U 265/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 23430
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2001:0131.2U265.00.0A

Fundstellen

  • NVersZ 2002, 255-257
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 120-122
  • VersR 2002, 1133-1134 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. September 2000 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 77. 118, 91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Oktober 1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 1/12 der Kosten des ersten Rechtszugs und 1/24 der Kosten der Berufungsinstanz.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 95. 000, -- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2001 84. 082, 72 DM, für die Zeit danach 77. 118, 91 DM. - Letzteres ist auch der Wert der Beschwer der Beklagten.

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines geleisteten Einmalbetrages für eine Rentenversicherung in Anspruch.

2

Am 28. 01. 1999 beantragte die damals 74 Jahre alte Klägerin bei der Beklagten unter Vermittlung einer Mitarbeiters der C. . . C. . . den Abschluß einer Lebensversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung. Die Mindestlaufzeit der beantragten Versicherung betrug 5 Jahre, ein Kündigungsrecht während dieser Zeit war ausgeschlossen. Nachdem die Klägerin am 09. 03. 1999 einen einmaligen Betrag von 100. 000, -- DM an die Beklagte gezahlt hatte, erfolgten monatliche Rentenzahlungen in Höhe von 994, 83 DM. Am 23. 03. 1999 worden der Klägerin der Versicherungsschein vom 08. 03. 1999 und die Versicherungsbedingungen ausgehändigt; ferner bestätigte sie durch ihre Unterschrift, daß ihr "die für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen (siehe Übersicht "Wo finden Sie welche Verbraucherinformationen?"). . . zugegangen" seien. Der Versicherungsantrag vom 28. 01. 1999 enthielt den Hinweis, daß der Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelte, wenn die Klägerin nicht innerhalb von 14 lagen nach Überlassung der Vertragsunterlagen diesen widerspreche. Im Versicherungsschein hieß es insoweit etwas anders, der Versicherungsvertrag gelte auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation - Verzeichnis liege bei - als abgeschlossen, wenn die Klägerin nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der genannten Unterlagen schriftlich widerspreche.

3

Mit Schreiben vom 25. 10. 1999 - der Beklagten zugegangen am 02. 11. 1999 - kündigte die Klägerin den Versicherungsvertrag; ferner widersprach sie mit Anwaltsschreiben vom 24. 02. 2000 dem Abschluß desselben.

4

Im Rechtsstreit hat sie die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten 100. 000, -- DM abzüglich bis zur Klageerhebung bereits erfolgter Rentenzahlungen in Höhe von 15. 917, 28 DM in Anspruch genommen. Sie hat behauptet: Bei den Vertragsverhandlungen sei ihr von dem Mitarbeiter der C. . . C. . . A. . . zugesichert worden, jederzeit über das vorhandene Guthaben verfügen zu können. Sie habe deutlich gemacht, daß dies ein wichtiges Abschlußkriterium für sie darstelle. Im übrigen sei sie durch die am 23. 03. 1999 überreichten Vertragsunterlagen insbesondere hinsichtlich der Abschlußkosten, der Überschußbeteiligung sowie der Rückkaufswerte nicht ausreichend informiert worden. Hilfsweise hat sie die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.

5

Sie hat beantragt,

6

die Beklagte zu verurteilen, an sie 84. 082, 72 DM nebst 7 % Zinsen, jedoch mindestens 4 % über dem Basiszinssatz seit dem 06. 10. 1999 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat geltend gemacht, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, den Versicherungsvertrag zu kündigen oder ihm zu widersprechen. Der Vermittler A. . . habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie über den in die Versicherung eingezahlten Geldbetrag nicht verfügen könne.

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Durch das am 22. 09. 2000 verkündete Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

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Dagegen hat die Klägerin zunächst in vollem Umfing Berufung eingelegt. In der Senatsverhandlung hat sie Rentenzahlungen für weitere 7 Monate berücksichtigt. Sie beantragt nunmehr, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 77. 118, 91 DM nebst 7 % Zinsen, jedoch mindestens 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank, seit dem 06. 10. 1999 zu zahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen und der Klägerin die Kosten im Umfang der Berufungsrücknahme aufzuerlegen.

14

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat im wesentlichen Erfolg, denn die Klage ist im jetzt noch zu bescheidenden Umfang mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs begründet.

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Es kann dahinstehen, ob die Klägerin von dem Vermittler A. . . falsch beraten worden ist und die Beklagte sich dies zurechnen lassen muß. Jedenfalls hat die - von der Beklagten nicht hinreichend belehrte - Klägerin dem Vertragsschluß wirksam - insbesondere auch rechtzeitig gemäß § 5 a II 4 VVG, d. h. binnen eines Jahres nach Zahlung der Einmalprämie - widersprochen. Sie kann daher die Rückzahlung des geleisteten Betrages abzüglich der inzwischen gezahlten Rentenbeträge verlangen; bis zur Senatsverhandlung hatte sie (23 x 994, 83 DM =) 22. 881, 09 DM erhalten, so daß 77. 118, 91 DM verbleiben.

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Die Beklagte meint, der Vertrag sei nach Stellung des Antrags vom 28. 01. 1999 gemäß § 5 a I 1 i. V. m. § 5 a II 1 VVG dadurch zustandegekommen, daß der Klägerin der Versicherungsschein vom 28. 03. 1999, das Merkblatt "Wo finden Sie welche Verbraucherinformationen?", die Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung (EL, 0197), Besondere Bedingungen für den Tarif SRg (EL 3195) und Allgemeine steuerliche Hinweise zur sofort beginnenden Rentenversicherung (SLS 1999) am 23. 03. 1999 in den Räumen der C. . . C. . . übergeben worden seien und sie nicht bis zum Ablauf des 07. 04. 1999 Widerspruch erhoben habe (Policenmodell).

18

Dem ist nicht zu folgen: Die Klägerin ist - entgegen § 5 a II 1 VVG - nicht ausreichend über ihr Widerspruchsrecht belehrt und ihr ist keine hinreichende Verbraucherinformation erteilt worden.

19

Nach § 5 a II VVG beginnt der Lauf der Widerspruchsfrist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Abs. 1 der Vorschrift vollständig vorliegen und er bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Dabei schließt der Wortlaut der Vorschrift nicht aus, daß die Belehrung auf dem Versicherungsschein erfolgt, sofern die Belehrung räumlich getrennt und in nicht zu übersehender Weise herausgehoben ist (BK/Schwintowski § 5 a VVG Rn 80 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu den annähernd gleichlautenden Formulierungen von der "drucktechnisch deutlich gestalteten Weise" der Belehrung in § 1 b II 2 AbzG bzw. der "drucktechnisch deutlich gestalteten schriftlichen Belehrung" in § 2 I 2 a. F. HWiG: BGH NJW-RR 1990, 368, 370 [BGH 20.12.1989 - VIII ZR 145/88]; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 1273 [OLG Stuttgart 20.07.1990 - 2 U 45/90]; OLG Köln NJW 1987, 1207). Dazu ist erforderlich, daß sich die Belehrung aus dem Text des Vertrages deutlich heraushebt und so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringt (BGH a. a. O. ). Das ist nicht der Fall, wenn sich die Gestaltung des Textes der Widerrufserklärung nicht von der des übrigen Textes der Urkunde abhebt (OLG Köln a. a. O. ).

20

So ist es hier. Die Belehrung im Text des Antragsformulars war schon deswegen nicht ausreichend, weil es an einem Hinweis auf das Erfordernis einen schriftlichen Widerspruchs fehlte sowie mißverständlich von einem Widerspruch gegenüber den Vertragsunterlagen die Rede war. Der Text der Widerspruchsbelehrung auf der zweiten von drei Seiten des Versicherungsscheins vom 08. 03. 1999 war dann edv-mäßig in derselben Typenart und -größe geschrieben wie der übrige Text. Er hob sich auch sonst in keiner Weise - etwa durch Einrahmung - von dem sonstigen Schriftbild des Versicherungsscheins ab. Daß die Belehrung in einem eigenen Absatz erfolgte und nebst einem - vorangehenden - weiteren Absatz unter der Überschrift "Wichtige Hinweise für Sie" stand, reicht nach der o. a. Rechtsprechung nicht aus.

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Der Beginn des Laufs der Widerspruchsfrist nach § 5 a II VVG setzt ferner voraus, daß dem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformation vollständig vorliegt (BK/Schwintowski a. a. O. ). Die Verbraucherinformation muß eindeutig formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich in deutscher Sprache oder der Muttersprache des Versicherungsnehmers abgefaßt sein (§ 10 a II VAG). Sie muß also als solche deutlich erkennbar und aus allen anderen Informationen des Versicherers hervorgehoben sein. Die Information soll es dem an einem Vertragsschluß Interessierten ermöglichen, seine Entscheidung zu treffen. Dazu muß die Information so abgefaßt sein, daß sich ein durchschnittlich gebildeter Versicherungsnehmer ohne anwaltliche Hilfe ein zutreffendes Bild vom Vertragsinhalt machen kann (BK/Schwintowski § 5 a VVG Rn 76). Diesen Maßstäben genügte das von der Beklagten verwendete Merkblatt "Wo finden Sie welche Verbraucherinformationen?" nicht. Diese Vertragsunterlage war wie folgt gestaltet:

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Eine solche Verbraucherinformation ist keineswegs eindeutig formuliert und verständlich abgefaßt. Es handelt sich nicht um eine Information in Textform, sondern nur um eine tabellarische Aufstellung, in der jeweils angekreuzt ist, welche Angaben der Interessent im "Antrag", in irgendwelchen "Bedingungen" oder im Versicherungsschein finden kann. Das stellt keine verständliche Information über die von ihm gewünschte Versicherung dar. Ihm wird zugemutet, sich aus einer Vielzahl von Unterlagen das heranszusuchen, was ihn möglicherweise interessiert, wobei nicht einmal angegeben ist, wo denn genau (z. B. in welchen §§ welcher "Bedingungen") er die betreffende Information finden kann. Ferner enthält das Merkblatt nicht einmal nur konkret die Angaben für die hier gewünschte Rentenversicherung. In ihr findet sich z. B. auch in der Spalte "Bedingungen" angekreuzt die Rubrik "Angabe der Rückkaufswerte", die für eine Rentenversicherung der vorliegenden Art - ohne Kündigungsmöglichkeit - nicht von Bedeutung sein kann. Das alles ist eher geeignet, einen Interessenten zu verwirren, als ihn verständlich zu informieren. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Beklagte eine hinreichende Verbraucherinformation, die geeignet war, der Klägerin ein zutreffendes Bild vom Inhalt des gewünschten Rentenversicherungsvertrages zu vermitteln, nicht erteilt hat.

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Sowohl aus dem Fehlen einer richtigen, drucktechnisch deutlichen schriftlichen Belehrung der Klägerin über ihr Widerspruchsrecht als auch aus der Unvollständigkeit, ja Verworrenheit der vorgenommenen Verbraucherinformation folgt, daß der Lauf der 14tägigen Widerspruchsfrist nach § 5 a II VVG noch nicht begonnen hatte, als die Klägerin schriftlich widersprach bzw. widersprechen ließ. Ihr Widerspruchsrecht wäre vielmehr gemäß § 5 a II 4 VVG erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Vorliegend war der Einmalbetrag in Höhe von 100. 000, -- DM am 09. 03. 1999 gezahlt worden. Noch vor Ablauf der Jahresfrist, nämlich mit Anwaltsschreiben vom 24. 02. 2000, hat die Klägerin dem Abschluß des Versicherungsvertrages widersprechen lassen. Ein Widerspruch ist im übrigen auch in der Kündigung gemäß Schreiben der Klägerin persönlich vom 25. 10. 1999 zu sehen, das der Beklagten am 02. 11. 1999 zugegangen ist.

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Der Zinsanspruch ist im zuerkannten Umfang aus den §§ 284, 288 a. F. BGB gerechtfertigt. Ein weitergehender Anspruch ist nicht schlüssig dargetan. Mit welcher durchschnittlichen Rendite die Beklagte geworben haben mag, ist für die Ermittlung eines Verzugsschadens ohne Bedeutung. § 288 n. F. BGB gilt nur für Geldschulden, die seit dem 01. 05. 2000 fällig geworden sind.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 I, 515 III 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 I und II ZPO.

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