Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.12.2007, Az.: 14 U 91/07

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.12.2007
Aktenzeichen
14 U 91/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2007:1206.14U91.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 11.06.2007 - AZ: 5 O 2403/06

Fundstelle

  • MedR 2008, 293-295 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Honorarrückforderung und Schadensersatz hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 11. Juni 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

  2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Parteien streiten um Geld- bzw. Schadensersatzforderungen nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. S..... Das Landgericht hat der Klage in der geltend gemachten Höhe von 4 990,51 Euro nebst Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

2

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er ist der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei, weil in erster Instanz ein Klägerwechsel stattgefunden habe, dem weder er noch die mangels wirksamer Kündigung ausgeschiedene Zahnärztin G.... zugestimmt hätten. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht nach dem Schriftsatz der Klägerin vom 16.05.2007 mit neuen Beweisen zum Fall K.... die Verhandlung nicht wiedereröffnet und ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Unzutreffend habe der Einzelrichter sodann angenommen, die Klagforderung sei richtig berechnet worden. Er habe die Leistungsstatistik am 12.07.2005 nur entgegengenommen, aber nicht gebilligt. Darin seien auch nur Leistungen bis zu diesem Tag enthalten. Im Übrigen sei die Auseinandersetzungsbilanz nicht entbehrlich, weil es nicht nur Zahlungen in eine Richtung gäbe. Er habe eine Forderung von 20,00 Euro gegen die Klägerin wegen der Gebühr für die Auszubildende S..... Der Zahlungsanspruch aus § 22 Nr. 5 und 6 des Gesellschaftsvertrags gelte auch nur für eine bestehende Gesellschaft. Infolge seiner Kündigung gelte hier § 27 mit dem Erfordernis einer Auseinandersetzungsbilanz. Hinsichtlich seiner Widerklage sei von einer wirksamen fristlosen Kündigung auszugehen. Die einzelnen Kündigungsgründe - u.a. verweigerte Einsicht in Arbeitsverträge, einseitige Änderung der Sprechzeiten, Vorfälle anlässlich des Notdienstes am 23./24.07.2005, Befürchtung der Beihilfe zum Abrechnungsbetrug - zu denen weitere Einzelheiten vorgetragen werden, ließen seine Gleichberechtigung als Partner der Gemeinschaftspraxis in Frage stellen und stellten ohne das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung oder der Notwendigkeit einer vorherigen gerichtlichen Klärung in ihrer Gesamtheit eine Grundlage einer vollständigen und endgültigen Zerrüttung des Vertrauens dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertige. Hinsichtlich der Höhe seiner Schadensersatzforderung sei schließlich die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er aus einer Tätigkeit anrechenbaren Gewinn erzielt habe.

3

Der Beklagte beantragt,

  1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Klägerin zu verurteilen, an ihn 10 285,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 11. August 2006 zu zahlen,

  2. hilfsweise festzustellen,

  3. dass der Betrag von 10 285,00 Euro zu Lasten der Klägerin als Zahlungsanspruch des Beklagten in die bezogen auf sein Ausscheiden zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz einzustellen ist.

4

Die Klägerin beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

5

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, hält die Klage für zulässig und führt zu den verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Angriffen des Beklagten weiter aus.

6

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat weder fehlerhaft Tatsachen festgestellt noch ist ihm ein Rechtsfehler unterlaufen.

7

1. Die Klage ist nicht unzulässig.

8

Die in erster Instanz vorgenommene und vom Beklagten ausdrücklich gebilligte "Rubrumsberichtigung" stellt sich als gewillkürter Parteiwechsel auf der Klägerseite dar, der auch im Sinn von § 263 ZPO sachdienlich war und für den die ausdrückliche Zustimmung auch erklärt worden ist, denn im Schriftsatz vom 01.08.2006 hat der Beklagte nicht nur sein Einverständnis mit einer Rubrumsberichtigung erteilt, sondern auch die Widerklage gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erklärt und die Aufrechnung mit seiner Gegenforderung, soweit die Klage begründet sein sollte. Das nicht als Einverständnis anzusehen und jetzt in zweiter Instanz die Verweigerung zu erklären, ist rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH NJW 1996, 2799 [BGH 27.06.1996 - IX ZR 324/95]).

9

Einer ausdrücklichen Zustimmung des früheren Mitglieds der GbR, der Zahnärztin G...., bedurfte es nicht, weil diese bereits zum 31.03.2005 aus der Gemeinschaftspraxis aufgrund wirksamer Kündigung ausgeschieden ist. Die Kündigung vom 29.09.2004 bezieht sich ausdrücklich auf die Gemeinschaftspraxis, deren Mitglied sie zu dieser Zeit war und war auch an die "Gemeinschaftspraxis z. Hd. Dr. S...." gerichtet. Ein Wechsel im Mitgliederbestand einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat keinen Einfluss auf den Fortbestand eines mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrags (vgl. BGHZ 146, 341, 345 ).

10

2. Zutreffend hat das Landgericht die fristlose Kündigung als nicht wirksam erachtet. Das Kündigungsschreiben selbst enthält keine schriftliche Begründung und keine Bezeichnung von Tatsachen, auf die sie gestützt wird. Soweit im Schriftsatz vom 23.05.2007 auf die damit vorgelegten Schriftstücke der "Anlage 3 grün" Bezug genommen wird, beziehen sich diese Anlagen lediglich auf die Vorfälle im Notdienst vom 23./24.07.2005. Dass diese Vorfälle für sich genommen eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen, hat das Landgericht zutreffend herausgearbeitet. Auf die Ausführungen kann Bezug genommen werden. Das Verhalten des Mitgesellschafters Dr. S.... allein rechtfertigt unter Beachtung auch der Praxis- und der Mitarbeiterinneninteressen nicht die Annahme einer so schwerwiegenden Vertrauensverletzung, dass darauf allein die sofortige, abmahnungsfreie fristlose Kündigung gestützt werden kann.

11

Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Kündigungsgründe gilt, dass diese nicht Gegenstand der schriftlichen Begründung waren. Der Zweck des Erfordernisses einer schriftlichen Begründung liegt darin, dem Empfänger zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (vgl. BGH NJW 2007, 2845 [BGH 27.06.2007 - VIII ZR 271/06]). Demgemäss kommt es auf die im Prozess nachgeschobenen anderen "wichtigen Gründe" und die Frage, ob diese jedenfalls in der Zusammenschau eine derartige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ergeben, dass darauf eine fristlose Kündigung gestützt werden kann, nicht an, denn geltend gemachter "wichtiger Grund" war nur der Vorfall im Zusammenhang mit dem Notdienst am 23./24.07.2005.

12

3. Die fristlose Kündigung kann nicht in eine fristgemäße zum 31.03.2006 umgedeutet werden, weil der Beklagte seiner sich daraus ergebenden Arbeitsverpflichtung ab 01.08.2005 nicht mehr nachgekommen ist und die Praxisgemeinschaft sie nicht angefordert bzw. darauf verzichtet hat. Da diese Verpflichtung nach § 3 des Praxisvertrages die einzige Pflicht des Beklagten war (vgl. auch § 5 Nr. 2), für die er eine an seinen Honorarumsätzen orientierte Gewinnbeteiligung erhielt (§ 22 Vertrag), ist davon auszugehen, dass die Parteien konkludent ihre Verbindung zu einer Praxisgemeinschaft aufgehoben haben, ohne dass es auf die für eine Vertragsänderung erforderliche Schriftform ankommt.

13

4. Die Folge ist, dass der Beklagte für seine in der Praxisgemeinschaft erbrachte Tätigkeit vertragsgemäß zu vergüten ist. Unstreitig hat er auf Anforderung Anfang Juli 2005 einmalig eine Abschlagszahlung in Höhe von 14 000,00 Euro erhalten. Nach der von der Klägerin vorgelegten Leistungsstatistik steht dem Beklagten jedoch nur ein Honorar von 9 009,49 Euro zu, so dass die Klägerin die zuviel erhaltene Summe von 4 990,51 Euro zu Recht zurückfordert (§ 22 Nr. 6 Vertrag).

14

Gegen die Richtigkeit der Berechnung ist nichts zu erinnern. Zutreffend hat das Landgericht das Bestreiten der Richtigkeit als "pauschal" zurückgewiesen. Der Beklagte hatte die Leistungsstatistik unstreitig am 12.07.2005 erhalten und im Prozess eine weitere, die den gesamten Tätigkeitszeitraum umfasst. Deshalb kann von ihm konkreter Vortrag verlangt werden, weshalb allgemein oder in Bezug auf bestimmte Patienten die Abrechnung falsch ist. Soweit er Einwendungen wegen des Patienten S.... erhoben hat, haben sich diese erstinstanzlich erledigt. Die Einwendungen hinsichtlich des Patienten K.... greifen nicht durch. Zum einen liegt die Tätigkeit vor Beginn der Gemeinschaftspraxis, zum anderen ist durch Überweisungsträger und Abrechnungen der KZVN nachgewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis für die Behandlung kein Honorar erhalten hat, so dass sich der für die Vergütung maßgebliche gesamte Honorarumsatz des Beklagten nicht verändert. Soweit der Beklagte sich auf eine Zahlungsvereinbarung mit Dr. S.... persönlich beruft, muss er sich mit diesem auseinandersetzen.

15

5. Einer besonderen Auseinandersetzungsbilanz bedarf es hier schon deshalb nicht, weil es um die Abwicklung nach der Vertragsaufhebung geht und nicht um die Folgen einer ordnungsgemäßen Kündigung. Davon abgesehen, gibt es aber auch keine besonderen Posten einer derartigen Bilanz, denn auf einen ideellen Wertanteil nach § 2 hat der Beklagte noch keinen Anspruch und die Einnahmen und Aufwendungen der Gesellschaft spielen für die Bemessung seines Honorars keine Rolle (§ 22 Vertrag). Soweit der Beklagte noch einen Betrag von 20,00 Euro als Aufwand in Bezug auf die Auszubildende S.... geltend macht, scheitert eine Berücksichtigung daran, dass er die Zahlung dieses Betrages nicht nachgewiesen hat.

16

6. Der Beklagte kann nicht mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen, und die weitergehende Widerklage ist unbegründet, denn eine wirksame fristlose Kündigung ist nicht gegeben, und damit fehlt es an der Verantwortlichkeit für einen etwaigen Einkommensschaden des Beklagten. Dessen Darlegung ist im Übrigen nicht hinreichend, weil unstreitig ist, dass der Beklagte bereits am 09.08.2005 eine Mitarbeiterin für eine private Klinik gesucht hat. Da der Beklagte seinen Schaden darlegen und beweisen muss, die Anzeige aber dafür spricht, dass er in der Zeit bis 31.03.2006 Einnahmen in der Privatklinik gehabt hat, muss er und nicht die Klägerin nähere Ausführungen dazu machen, was er in dieser Zeit getan hat und über welche Einnahmen er verfügt hat.

17

7. Es besteht kein Grund, die Revision zuzulassen.

18

8. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.