Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 28.09.2004, Az.: 5 B 4219/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 28.09.2004
- Aktenzeichen
- 5 B 4219/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 43200
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2004:0928.5B4219.04.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen gemäß § 42 PBefG
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 5. Kammer - am 28. September 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.) und 2.) sind erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 400 000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens sind Genehmigungen für die Einrichtung und den Betrieb von Busverkehrslinien nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG).
Unter dem 05.12.2001 beantragte die Beigeladene zu 1.) bei der Antragsgegnerin die vorzeitige Verlängerung der ihr erteilten Genehmigungen für ihre insgesamt 67 Omnibuslinien mit Wirkung ab dem 01.01.2002 bis zum 31.12.2009. 40 Genehmigungen erreichten ihr Befristungsende am 28.09.2004, 2 der Genehmigungen endeten 2002; die übrigen erreichen ihr Befristungsende in den Jahren 2005 bis 2008. Am 06.12.2001 leitete die Antragsgegnerin das Anhörungsverfahren ein, an dem auch die Deutsche Eisenbahn GmbH beteiligt wurde, deren Rechtsnachfolgerin die Antragstellerin ist. In dem Anhörungsschreiben wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Im Falle von Einwendungen wurde um Vorlage von Nachweisen gebeten, in welcher Weise die öffentlichen Verkehrsinteressen durch den beantragten Verkehr beeinträchtigt würden und ob die im Verkehrsgebiet vorhandenen Verkehrsunternehmen in der Lage und bereit seien, den beantragten Verkehr selbst durchzuführen.
Durch Schreiben vom 18.12.2001 und 21.12.2001 bat die schon damals anwaltlich vertretene Antragstellerin darum, dem Antrag der Beigeladenen zu 1.) nicht stattzugeben. Die vorzeitige Verlängerung der Genehmigungen zugunsten der Beigeladenen zu 1.) sei rechtlich unzulässig.
Unter dem 26.02.2002 erließ sie Antragsgegnerin einen Genehmigungsbescheid bezüglich der beantragten 67 Omnibuslinien. Dieser Bescheid wurde der Beigeladenen zu 1.) am 01.03.2002 zugestellt; eine Zustellung an die Antragstellerin erfolgte seinerzeit nicht.
Durch Schreiben vom 09.04.2002 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1.) mit, dass im Bescheid vom 26.02.2002 40 Buslinien genehmigt worden seien, für die bis 2004 wirksame Genehmigungen vorlägen und 27 Buslinien, für die wirksame Genehmigungen für die Jahre 2005 bis 2008 bestünden. Diese Genehmigungserteilung für insgesamt 67 Buslinien habe zwar dem Antrag vom 05.12.2001, nicht jedoch dem späteren Ergebnis der Erörterungen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr entsprochen. Die versehentlich erteilten 27 Busliniengenehmigungen müssten zurückgegeben werden.
Unter dem 19.12.2003 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 26.02.2002 Widerspruch ein, und zwar mit folgender Begründung: Der Bescheid sei ihr entgegen § 15 Abs. 1 Satz PBefG nicht zugestellt worden, so dass der Widerspruch nicht verfristet sei. Zufällig habe sie im Rahmen des beim Bundeskartellamt geführten Fusionskontrollverfahrens "DB Regio/üstra intalliance" von den Genehmigungsverlängerungen erfahren. Sie sei auch widerspruchsbefugt, obwohl sie keinen eigenen Genehmigungsantrag gestellt habe. Sie mache nämlich die Verletzung drittschützender Normen über den Genehmigungswettbewerb geltend. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil er die Entscheidung über die Genehmigungen mehr als 2 1/2 Jahre vor dem Eintritt ihrer Rechtswirkungen treffe, ohne möglichen Bewerbern Gelegenheit zur Vorlage eigener Anträge zu geben.
Durch Bescheid vom 22.07.2004 - der Antragstellerin zugestellt am 26.07.2004 - wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie an: Der Widerspruch sei unzulässig, da er verspätet erhoben worden sei. Außerdem sei er unbegründet. Die Antragstellerin sei im Anhörungsverfahren beteiligt und anwaltlich vertreten gewesen, ihr sei ersichtlich gewesen, dass nach 3 Monaten, bei Verlängerung aber spätestens nach 6 Monaten die Genehmigungsfiktion gemäß § 15 Abs. 1 PBefG eintreten würde. Damit sei ihr versagt, sich auf die Tatsache der fehlenden Zustellung der Genehmigungsentscheidung zu berufen. Außerdem fehle der Antragstellerin die Widerspruchsbefugnis. Sie sei nämlich keine übergangene Bewerberin. Während des damaligen Genehmigungsverfahrens hätte sie selbst einen Antrag vorlegen können. Die Beteiligung im Anhörungsverfahren habe ihr dafür alle Informationen geliefert. Sie habe jedoch keinen Antrag gestellt, sondern sich darauf beschränkt, eine nach ihrer Rechtsauffassung notwendige Verfahrensgestaltung zu fordern. Im Übrigen verhindere die offenkundige Verfristung des Widerspruchs den Eintritt des Suspensiveffektes. Zudem sei die Genehmigungsentscheidung mit Aushändigung der Urkunden vollzogen.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 26.08.2004 Klage erhoben (5 A 4163/04) und am 31.08.2004 um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie trägt vor: Durch die frühzeitige Genehmigungsverlängerung zu einem Zeitpunkt, zu dem Wettbewerber noch nicht mit einem Genehmigungswettbewerb gerechnet und keine konkurrierenden Anträge gestellt hätten, habe die noch nicht wettbewerbsfähige Beigeladene zu 1.) bis Ende 2009 vor Wettbewerb geschützt und der Unternehmenszusammenschluss mit der DB Regio AG abgesichert werden sollen. Der Widerspruch vom 19.12.2003 sei nicht analog § 58 Abs. 2 VwGO verfristet gewesen, und eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht eingetreten. Auch die Widerspruchsbefugnis liege vor, da die Verletzung drittschützender Normen geltend gemacht werde. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens habe von ihr nicht verlangt werden können, einen eigenen Genehmigungsantrag zu stellen. Die zur Vorbereitung eines Genehmigungsantrages von einem Neubewerber abzufragenden Informationen seien nämlich umfangreich. Die Stellung eines unvollständigen und somit von vornherein nicht konkurrenzfähigen Genehmigungsantrags sei nicht zumutbar. Sie habe aber jedenfalls im Widerspruchsverfahren ihr Interesse an den Verkehren nachdrücklich bekundet.
Die Antragstellerin beantragt,
1.) festzustellen, dass die Klage 5 A 4163/04 gegen den Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26.02.2002 aufschiebende Wirkung hat;
2.) der Antragsgegnerin aufzugeben, die Vollziehung des Genehmigungsbescheides durch Rückforderung der ausgehändigten Genehmigungsurkunden aufzuheben und die weitere Vollziehung auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert: Der Antrag sei unzulässig, zumindest aber unbegründet. Die Antragstellerin könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Daten für die Vorlage eines Genehmigungsantrages habe die Antragstellerin seit ihrer Beteiligung am Anhörungsverfahren gehabt. Die Antragstellerin wähle den rein destruktiven Weg. Ihr gehe es nicht um die Verfolgung eigener Rechtspositionen, sondern darum, die Funktionsfähigkeit des Verkehrsangebots der Beigeladenen zu 1.) in der Region Hannover zu beeinträchtigen.
Die Beigeladenen zu 1.) und 2.) beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Sie tragen übereinstimmend vor: Der Antrag könne allein schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Widerspruch verfristet sei und deshalb keine aufschiebende Wirkung haben könne. Der Genehmigungsbescheid vom 26.02.2002 sei in Bestandskraft erwachsen. Im Übrigen fehle der Antragstellerin die erforderliche Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO und das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig. Dabei lässt die Kammer die vorrangige Frage dahingestellt, ob er überhaupt statthaft ist.
Der vorliegende Antrag auf Feststellung, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26.02.2002 aufschiebende Wirkung hat, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich möglich. Die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist insbesondere dann unbestritten, wenn eine Behörde die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in Frage stellt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.04.1998, NVwZ-RR 1999, 145).
Das Verfahren gemäß § 80 a Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist ein selbständiges Verfahren, auf das grundsätzlich alle Vorschriften und allgemeinen Rechtsgrundsätze Anwendung finden, die für selbständige Verfahren gelten (vgl. Kopp/Schenke, Komm. z. VwGO, 13. Aufl., § 80 a Rdnr. 9). Allgemeine (ungeschriebene) Zulässigkeitsvoraussetzung für ein derartiges Verfahren ist das Vorliegen eines rechtlich schutzwürdigen Interesses an dem erstrebten Rechtsschutzziel (Rechtsschutzbedürfnis oder Rechtsschutzinteresse) in jedem Stadium des Verfahrens (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.11.1991, NVwZ 1992, 702, 703; Eyermann, Komm. z. VwGO, 11. Aufl., Vorbemerkung zu § 40, Rdnr. 11). Obwohl der Begriff Rechtsschutzbedürfnis in der VwGO nicht erwähnt wird, besteht heute weitgehende Einigkeit, dass es sich bei dem Rechtsschutzbedürfnis um eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung für alle Verfahrensarten handelt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Vorbemerkung zu § 40, Rdnr. 30). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere dann, wenn die gerichtliche Anordnung (Feststellung) der aufschiebenden Wirkung dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.11.1991, a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Komm. z. VwGO, Stand: September 2003, § 80, Rdnr. 335). So liegt der Fall hier, denn die Stattgabe des Antrages liefe zunächst nur auf die Einstellung des seit vielen Jahren von der Beigeladenen zu 1) betriebenen öffentlichen Personennahverkehrs auf den betreffenden Strecken hinaus, und zwar ohne (gleichwertigen) Ersatz (vgl. hierzu: VG Karlsruhe, Beschl. v. 18.12.2003 - 5 K 2742/03 -). Die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis im Sinne des § 20 PBefG an die Antragstellerin käme hier in Anbetracht der Sachlage nicht in Betracht, denn die bislang genehmigten Linienverkehre müssten dann im öffentlichen Verkehrsinteresse fortgeführt werden.
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt der Antragstellerin deshalb, weil sie mit ihrem Antrag nicht erreichen kann, anstelle der Beigeladenen zu 1) die Buslinienverkehre durchzuführen. Sie hat es nämlich unterlassen, selbst einen Genehmigungsantrag zu stellen, wozu sie seit mindestens 2 1/2 Jahren Gelegenheit gehabt hat. Die Antragstellerin hat in keiner Weise ihre Vorstellungen konkretisiert, wie sie sich eine Erbringung der streitgegenständlichen Verkehrsleistungen durch ihr Unternehmen vorstellt. Sie hat insoweit offensichtlich auch keinerlei Kontakt mit der Antragsgegnerin als Genehmigungsbebörde oder mit der Beigeladenen zu 2) als Aufgabenträger gesucht. Übergangene Bewerberin ist sie somit begrifflich nicht. Der Antragstellerin entstehen keine Nachteile durch die Ablehnung des Antrages. Ebenso wenig wird die von ihr im Rahmen des Klageverfahrens offenbar angestrebte Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 26.02.2002 mit anschließender Neuerteilung der Busliniengenehmigungen nach vorheriger Durchführung einer Ausschreibung in Frage gestellt. Ein neues Genehmigungsverfahren kann nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zur Hauptsache durchgeführt werden.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine ergänzenden Sachverhaltsermittlungen und keine aufwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen sowie keine schwierigen Rechtsfragen abschließend zu klären sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 03.09.2001 - 12 MA 2962/01 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.03.1994, NWVBl. 1994, 337).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) sind für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), denn sie - die Beigeladenen - haben jeweils einen erfolgreichen Sachantrag gestellt (vgl. dazu Kopp/Schenke, a.a.O., § 162, Rdnr. 23).
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 07./08.07.2004 (Nr. 1.5 und 47.6).