Arbeitsgericht Celle
Urt. v. 08.04.1997, Az.: 1 Ca 621/96

Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung; Erkrankung des Arbeitnehmers als (personenbedingter) Kündigungsgrund; Beschäftigung als städtische Reinigungskraft; Vorliegen einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bezogen auf den letzten Arbeitsplatz aufgrund eines Arbeitsunfalls; Voraussetzungen der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung; Voraussetzungen eines Anspruchs auf Austauschversetzung bzw. Umorganisation des Personaleinsatzes

Bibliographie

Gericht
ArbG Celle
Datum
08.04.1997
Aktenzeichen
1 Ca 621/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 10597
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGCE:1997:0408.1CA621.96.0A

Fundstelle

  • AuR 1997, 289-290 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Redaktioneller Leitsatz

Hauptfall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Unter Krankheit ist jeder regelwidrige Körper- und Gesundheitszustand zu verstehen, der eine Heilbehandlung erforderlich macht. Zu unterscheiden sind vier Fallgruppen: Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, Kündigung wegen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit infolge einer Langzeiterkrankung, Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit, Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung.
Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine krankheitsbedingte Kündigung aus. Ferner ist eine Umorganisation hinsichtlich des Personaleinsatzes als gegenüber der krankheitsbedingten Kündigung mildere Maßnahme dann geboten, wenn der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Wahrnehmung seines Direktionsrechts freimachen kann, weil er sich damit gegenüber dem bisherigen Arbeitsplatzinhaber im Rahmen der vertraglichen Abmachungen hält und nicht in dessen Rechtsposition eingreift.

In dem Rechtsstreit
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 08.04.97
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.10.96 - zugegangen am 15.10.96 - nicht aufgelöst worden ist.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 5.481,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung.

2

Die 50 Jahre alte Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1980 als Arbeiterin beschäftigt. Die Klägerin ist auf ihren Antrag vom 04.12.1995 einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Das letzte monatliche Grundgehalt der Klägerin beträgt 1.827,00 DM brutto.

3

Nach dem Arbeitsvertrag betrug die Arbeitszeit der Klägerin ursprünglich 151 und seit dem 21.03.1986 100 Stunden monatlich. Sie ist als "nicht vollzeitbeschäftigte Arbeiterin im Sinne des § 67 BMTG II" beschäftigt. Ihr Einsatzort bzw. die konkrete Arbeitsstelle ist vertraglich nicht festgelegt. Die Klägerin war ursprünglich im Rathaus ... tätig. Seit 1994 war sie im Hallenbad ... eingesetzt und erlitt dort infolge des Einatmens von Desinfektionsdämpfen ein Inhalationstrauma. Nach dem Bericht eines Lungenfacharztes vom 18.07.1995 sollte die Klägerin nur noch in Bereichen eingesetzt werden, in denen keine atemwegsreizenden Stoffe eingesetzt werden. Die Klägerin nahm am 14.08.1995 wieder ihre Reinigungstätigkeit im Hallenbad auf. Die Parteien hatten zu diesem Zeitpunkt vereinbart, daß die Klägerin bis zur Vorlage weiterer ärztlicher Gutachten nur mit dem Reinigungsmittel Sagrotan arbeiten sollte. Entgegen dieser Vereinbarung wurde am 18.08.1995 ein anderes Mittel eingesetzt. Dadurch erlitt die Klägerin einen Rückfall. Ein weiterer Einsatz der Klägerin im Hallenbad ist nicht möglich. Sie kann aber ohne Gesundheitsgefährdung an anderen Orten bzw. in anderen Gebäuden der Beklagten arbeiten. In einem Attest vom 23.02.1996 des Arztes Dr. ... heißt es auszugsweise:

"Ich denke, daß ein Einsatz, z. B. in öffentlichen Schulen, Amtsstuben etc. ohne Einschränkung möglich sein dürfte. Es sollte aber jederzeit die Möglichkeit gegeben werden, die zu reinigenden Räume zu lüften."

4

Seit dem 01.12.1996 ist die Klägerin wieder arbeitsfähig mit Ausnahme der Tätigkeiten im Hallenbad.

5

Die Beklagte, die ständig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, setzt Putzkräfte im Hallenbad, in den Grundschulen und ... sowie im Rathaus ... ein. Im Hallenbad arbeiten vier Arbeitnehmerinnen, zu denen Frau ... gehört, die als "Springkraft" mit einem Stundenkontingent von 132 Stunden monatlich auch in anderen Gebäuden eingesetzt wird. Im Rathaus ... ist Frau ... mit einer Arbeitszeit von 100 Stunden monatlich tätig. Sie hat eine ärztliche Bescheinigung des Arztes Dr. ... vom 11.01.1996 vorgelegt, wonach ihr eine Beschäftigung im Hallenbad aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Frau ... betreut ihren schwer erkrankten Ehemann und ist deshalb auf die im wesentlichen freie Zeiteinteilung im Rathaus angewiesen. Dr. ... hat ein entsprechendes Attest unter Datum vom 08.08.1996 für die Arbeitnehmer in ... ausgestellt, die in der Grundschule ... 104 Stunden monatlich arbeitet. Die in der Grundschule ... Beschäftigte, 59 Jahre alte und seit 16 Jahren bei der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmerin ... hat der Beklagten mit Schreiben vom 06.08.1996 erklärt, sie müsse sich im Hallenbad neu einarbeiten und vertrage dort die Luft nicht. Sie ist ebenfalls in der Grundschule ... zu 104 Stunden im Monat tätig.

6

Die in der Grundschule ... tätige Arbeitnehmerin ist seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Sie wohnt 13 km von der Grundschule ... bzw. dem Hallenbad ... entfernt und ist nicht im Besitz eines Kraftfahrzeuges. Wegen der Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird auf die Darlegungen im Schriftsatz vom 13.08.1996 in dem vorhergehenden Rechtsstreit der Parteien zum Aktenzeichen 1 Ca 51/96 Bezug genommen. Die nicht im Hallenbad beschäftigten Arbeitnehmerinnen haben der Beklagten gegenüber schriftlich erklärt, nicht zu einer Tätigkeit im Hallenbad bereit zu sein.

7

Das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben erteilte auf Antrag der Beklagten vom 11.06.1996 mit Bescheid vom 18.09.1996 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Entscheidung über den hiergegen eingelegten Widerspruch lag im Zeitpunkt der Entscheidung über den Kündigungsrechtsstreit noch nicht vor. Mit Schreiben vom 26.09.1996, zugegangen am 27.09.1996, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen zum 31.03.1997. Der Personalrat hat der Kündigung am 18.12.1995 zugestimmt.

8

Die Klägerin trägt vor,

9

die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte verfüge über die Möglichkeit, im Rahmen ihres Direktionsrechts durch einfache Umsetzungen mit anderen Arbeitnehmerinnen die Arbeitsaufgaben so zu verteilen, daß die Klägerin ihrer Tätigkeit weiter nachgehen könne und die anderen Arbeitnehmerinnen durch den Einsatz im Schwimmbad nicht in ihrer Gesundheit gefährdet seien. Eine Interessenabwägung unter sozialen Gesichtspunkten habe zu dem Ergebnis führen müssen, daß die Klägerin auf eine der vorhandenen gleichwertigen Stellen habe umgesetzt werden müssen, weil die Belange der anderen Raumpflegerinnen hinter dem Interesse der Klägerin an einer Weiterbeschäftigung hätten zurückstehen müssen. Die Beklagte habe es sich einfach gemacht, indem sie von anderen Raumpflegerinnen Erklärungen abverlangt habe, die insbesondere nicht durch fundierter ärztlicher Stellungnahmen begründet seien, um zu verhindern, daß die unter das Schwerbehindertengesetz fallende Klägerin zu entlassen. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalles arbeitsunfähig erkrankt sei.

10

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.10.1996 - zugegangen am 15.10.1996 - nicht aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte tragt vor,

13

die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Die Klägerin habe im Hallenbad nicht mehr arbeiten können und eine freie bzw. in absehbarer Zeit freiwerdende andere Stelle habe nicht zur Verfügung gestanden. Eine Umorganisation durch Versetzung anderer Putzkräfte habe sie nicht vornehmen können. Ein Ringtausch käme nach Abwägung aller Interessen und unter Beachtung der Fürsorgepflicht nicht in Betracht. Außerdem bedürfe es mit Ausnahme der Arbeitnehmerin Küster einer Änderungskündigung der anderen Arbeitsverhältnisse.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

15

I.

Die Klage ist begründet. Die Kündigung ist unwirksam, da sie nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Es kann somit dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der Kündigung der Beklagten erfolgreich ist und die Kündigung gegebenenfalls wegen Verstoßes gegen § 15 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) unwirksam ist.

16

1.)

Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

17

Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung länger als sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt war und die Beklagte ständig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (vgl. § 1 KSchG, § 23 Abs. 1 KSchG).

18

Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist.

19

a)

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist

20

eine Kündigung u. a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Hauptfall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung (vol. Bitter/Kiel RdA 1995, 26 ff. Hueck/v. Hoyningen-Huene § 1 KSchG Rn. 217; Stahlhacke/Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rn. 740). Unter Krankheit ist jeder regelwidrige Körper- und Gesundheitszustand zu verstehen, der eine Heilbehandlung erforderlich macht (vgl. SAG 25.06.1981 AP Nr. 42 zu § 616 BGB). Zu unterscheiden sind vier Fallgruppen: Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, Kündigung wegen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit infolge einer Langzeiterkrankung, Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit, Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung (vgl. Hueck/v. Hoyningen-Huene § 1 KSchG Rn. 219).

21

Die Klägerin ist dauerhaft nicht mehr in der Lage, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung im Bereich des Hallenbades zu erbringen. Sie hat 1995 infolge des Einatmens von Desinfektionsdämpfen ein Inhalationstrauma erlitten. Da nach den ärztlichen Gutachten kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß in Zukunft eine Beschäftigung im Hallenbad ohne Gesundheitsgefährdung überhaupt wieder möglich ist, liegt der Fall einer dauernden Arbeitsunfähigkeit für eine weitere Beschäftigung der Klägerin auf ihrem letzten Arbeitsplatz im Hallenbad.

22

Nach dem Attest des Arztes Dr. ... ist es ihr aber möglich, in öffentlichen Schulen, Amtsstuben etc. ohne Einschränkung zu arbeiten, sofern die Möglichkeit besteht, die zu reinigenden Räume zu lüften. Die Klägerin ist seit dem 01.12.1996 wieder für diese Tätigkeiten arbeitsfähig. Nach dem Arbeitsvertrag dürfte die Beklagte ihr Tätigkeiten in der Grundschule ... in der Grundschule ... sowie im Rathaus ... zuweisen. Der Arbeitsort ist vertraglich nicht auf eine konkrete Arbeitsstelle determiniert.

23

Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin ist ein Fall krankheitsbedingter Leistungsminderung, die einen in der Person liegenden Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung i. S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG abgeben kann, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt (vgl. BAG, Urt. v. 26.09.1991 AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit: Urt. v. 29.01.1997 - 2 AZR 9/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

24

2.)

Wie in allen Fällen krankheitsbedingter Kündigungen ist eine soziale Rechtfertigung nur anzunehmen, wenn der Arbeitgeber alle gegenüber einer Kündigungen milderen Mittel zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschöpft hat und eine Interessenabwägung die Angemessenheit der Kündigung ergibt.

25

a)

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz schließe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine krankheitsbedingte Kündigung aus (vgl. z. B. Senatsurteil vom 07.02.1991 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Umschulung). Dies steht im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, die nur Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen als beachtlich und gegenüber einer Krankheitsbedingung als vorrangig, ansieht (vgl. Ascheid, Kündigungsschutzrecht Rz. 428: Bezarni, Die krankheitsbedingte Kündigung, S. 110; Bitter/Kiel RdA 1994 333, 339; Hueck/von Hoyningen-Huene § 1 KSchG Rz. 168; KR-Etzel § 1 KSchG Rz. 230, 273, 368; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rz. 616, 729). Der Arbeitgeber muß zur Vermeidung von Kündigungen weder einen Arbeitsplatz schaffen noch ein betriebliches Rotationsverfahren durchführen, um die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zu sichern (vgl. Bitter/Kiel a.a.O.).

26

Von diesem Grundsatz wurden im Schrifttum Ausnahmen erwogen für die Fälle krankheitsbedingter Kündigungen. So verlangt Etzel (a.a.O. Rz. 290) bei Berufskrankheiten und Betriebsunfällen gegebenenfalls auf die Versetzung eines weniger schutzwürdigen Arbeitnehmers. Pflüger (DB 1995, 1161, 1764 f.) hält in solchen Fällen die Kündigung für betriebsbedingt und verlangt eine soziale Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Däubler (Das Arbeitsrecht II, 10. Aufl., S. 546) sieht das Freimachen eines anderen Arbeitsplatzes als erforderlich an, wenn der Erkrankte nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG den Vorrang hätte. Bitter/Kiel (a.a.O.) halten eine Ausnahme von dem Grundsatz "freier Arbeitsplatz vor Kündigung" in denjenigen Fällen für geboten, in denen der Arbeitgeber im Einzelfall aus Gründen der Fürsorgepflicht im Rahmen seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts eine Umsetzung vornehmen kann, durch die der mit der Kündigung verfolgte Zweck voll erreicht wird. Zu denken sei etwa an den Fall, indem ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in dauerhaft stehender Tätigkeit an seiner Maschine weiter arbeiten könne, wohl aber sitzend an der Maschine seines Kollegen. Entscheidend sei, daß das arbeitsvertragliche Synallagma durch eine derartige Austauschumsetzung für alle betroffenen Arbeitnehmer wieder hergestellt werden könne. Berkowsky (Münchener Arbeitsrecht § 132 Rn. 72) sieht anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten nicht nur dann als beachtlich an, wenn Arbeitsplätze im arbeitsvertraglich determinierten Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers frei sind, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber einen von einem anderen Arbeitnehmer besetzten Arbeitsplatz für den betroffenen Arbeitnehmer freimachen kann, sofern der andere Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsvertrages durch Ausübung des Direktionsrechts vom Arbeitgeber auf den Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers oder einen anderen freien Arbeitsplatz umgesetzt werden kann und der freigemachte Arbeitsplatz vom Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers umfaßt wird. Das Gericht hat im Vorprozeß der Parteien zum Aktenzeichen 1 Ca 51/96 auf diese Rechtslage mit Beschluß vom 16.07.1996 hingewiesen.

27

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr mit Urteil vom 29.01.1997 (- 2 AZR 9/96 - zu II 1 d. Gr.) klargestellt, daß zwar das Freikündigen eines anderweitig besetzten leidensgerechten Arbeitsplatzes als gegenüber einer Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit mildere Maßnahmen ausscheidet. Eine Umorganisation hinsichtlich des Personaleinsatzes sei als gegenüber der krankheitsbedingten Kündigung mildere Maßnahme aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Wahrnehmung seines Direktionsrechts freimachen könne, weil er sich damit gegenüber dem bisherigen Arbeitsplatzinhaber im Rahmen der vertraglichen Abmachungen halte und nicht in dessen Rechtsposition eingreife. Diese Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht aus eigener Rechtsüberzeugung anschließt, führt dazu, daß der Arbeitgeber bei krankheitsbedingten Kündigungen Umsetzungen vornehmen muß, soweit er daran nicht aus Rechtsgründen gehindert ist. Wie das Bundesarbeitsgericht in der angezogenen Entscheidung herausgestellt hat, kann solch ein Hinderungsgrund aus dem Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrecht ergeben, aus den Arbeitsverträgen der einzelnen Arbeitnehmer sowie aus sonstigen Gründen, die zur Einschränkung des Direktionsrechts führen.

28

Bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes im Wege des Direktionsrechts ist neben zwingenden gesetzlichen Schutzvorschriften wie des Mutterschutz- und Schwerbehindertengesetzes das billige Ermessen nach § 315 BGB als Ausübungsschranke zu beachten (vgl. zur st. Rspr. BAG 25.10.1989 AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Hierbei bedarf es stets einer sorgfältigen Abwägung der Interessenlage beider Vertragsparteien. Generell nicht vom Weisungsrecht gedeckt ist die Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz, wenn dadurch die Vertragsbedingungen geändert werden müssen. Dies ist nicht der Fall bei der Umsetzung einer Raumpflegerin in ein anderes Reinigungsobjekt, soweit sie nicht zu einem bestimmten Arbeitsplatz eingestellt worden ist (LAG Berlin DB 1988, 1228).

29

Der Arbeitgeber muß bei Ausübung seines Direktionsrechts in zumutbarem Umfang auf gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen Rücksicht nehmen und darf keine die Leistungsfähigkeit übersteigenden Arbeiten zuweisen. Unbillig wäre es z. B., wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach einem Bandscheibenvorfall Arbeiten zuweist, die mit ständigem Heben schwerer Gegenstände verbunden sind, obwohl er auch andere Tätigkeiten verrichten kann (vgl. Gewerbeordnung/Leinemann-Kiel § 105 Rz. 4024). Der Arbeitgeber hat altersbedingte Leistungsminderungen zu berücksichtigen. Er muß durch Änderung des Arbeitsablaufs, Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Umverteilung von Aufgaben z. B. dem Umstand Rechnung tragen, daß eine 56jährige, seit vielen Jahren im Betrieb beschäftigte Mitarbeiterin nur noch Gewichte bis 15 kg heben soll (vgl. BAG 12.07.1985 DB 1995, 2617). Die Beweislast dafür, daß die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt der Arbeitgeber (vgl. BAG 13.05.1987 AP Nr. 131 zu §§ 22, 23 BAT 1975: BAG 11.10.1995 EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 16).

30

b)

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war die Beklagte verpflichtet, eine Austausch Versetzung der Klägerin und der Arbeitnehmerin ... vorzunehmen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin wie auch ihrer Kollegin ... enthält keine örtliche Einschränkung, so daß beide ihre Arbeitsleistung nur in einem bestimmten Objekt anbieten müssen. Eingeschränkt ist das Weisungsrecht nur bei denjenigen Arbeitnehmerinnen, die eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt haben, wonach ihnen eine Weiterbeschäftigung im Hallenbad ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Danach kommt eine Beschäftigung von Frau ... und Frau ... im Hallenbad nicht in Betracht. Zu keiner Einschränkung des Direktionsrechts führt es hingegen, daß die Arbeitnehmerinnen gegenüber der Beklagten erklärt haben, sie seien zu einer Arbeit im Hallenbad nicht bereit. Auch genügt es nicht, daß die Arbeitnehmerin ... ohne ärztlichen Nachweis erklärt hat, sie vertrage dort die Luft nicht und müsse sich neu einarbeiten. Allein die Beschäftigungszeit der Arbeitnehmerin ... (16 Jahre) und deren Lebensalter (59 Jahre) schränken das Direktionsrecht der Beklagten nicht dahin ein, daß für sie nunmehr eine Beschäftigung im Hallenbad von vornherein aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt. Eine solche Austauschumsetzung wäre der Beklagten und der Arbeitnehmerin ... bei einer Gesamtwürdigung der Interessenlagen auch zuzumuten gewesen. Frau ... ist zwar 9 Jahre älter als die Klägerin. Die Klägerin aber ist ebenso lange bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist zudem einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Zu beachten ist daneben, daß die Leistungseinschränkung der Klägerin maßgeblich durch die Arbeit im Hallenbad ausgelöst ist.

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Daß eine Umorganisation aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Eine Austauschumsetzung mit der Arbeitnehmerin ... steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin nur mit einem Arbeitsstundenvolumen von 100 Stunden pro Monat tätig ist, während der Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin ... 104 Stunden monatlich vorsieht. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß diese Abweichung in den Stundenzahlen einer Umsetzung entgegenstünde und eine Änderung der Arbeitsverträge erfordern würde. Sie setzt zumindest die Arbeitnehmerin ..., die mit 132 Stunden pro Monat arbeitet, teilweise flexibel ein. Das Gericht geht davon aus, daß ein Reinigungsbedarf von 4 Stunden pro Monat betriebsorganisatorisch ausgeglichen werden kann.

32

II.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.

33

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 12 Abs. 7 ArbGG.

34

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,

  1. 1)

    wenn es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, oder

  2. 2)

    wenn es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und in diesem Fall entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt oder das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 5.481,00 DM festgesetzt.