Amtsgericht Norden
Beschl. v. 21.01.2004, Az.: 9a M 4179/03

Zulässigkeit einer so genannten Dauerpfändung in Bankguthaben wegen künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche; Möglichkeit der analogen Anwendung des § 850d Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO)

Bibliographie

Gericht
AG Norden
Datum
21.01.2004
Aktenzeichen
9a M 4179/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGNORDN:2004:0121.9A.M4179.03.0A

Fundstellen

  • NJW-RR 2004, 1692-1693 (Volltext mit red. LS)
  • ZBB 2005, 61 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

Eine Vorauspfändung ist zulässig, wenn sie wegen wiederkehrender Leistungen auf Grund mindestens einer schon fälligen Rate geschieht und im Pfändungsbeschluss ausdrücklich angeordnet wird, dass die Pfändung jeweils erst am Tage der im Titel kalendermäßig bestimmten Fälligkeit und in Höhe des dann fällig werdenden Betrages wirksam werden soll.

Das Amtsgericht Norden hat
durch
den Richter am Amtsgericht Brack
am 21.01.2004 beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung der Drittschuldnerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Norden vom 21.10.2003 wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer so genannten Dauerpfändung in Bankguthaben wegen künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche.

2

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Norden pfänden die Gläubiger, insbesondere auch wegen zukünftig fällig werdender Mietzinsforderungen, aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Aurich vom 15.09.2003 in das bei der Drittschuldnerin geführte Bankguthaben bei der Erinnerungsführerin.

3

Die Erinnerungsführerin meint, dass eine so genannten Dauerpfändung in Bankguthaben und andere Vermögenswerte jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn es um künftig fällig werdende Ansprüche geht. Nach § 850 d Abs. 3 ZPO ist dies ausdrücklich nur bei Arbeitseinkommen oder diesen gleichgestellte Sozialleistungen, nicht jedoch bei Bankguthaben möglich/Auch eine analoge Anwendung des § 850 d Abs. 3 ZPO komme nicht in Betracht.

4

Sie beantragt,

den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insofern aufzuheben, als dass es um die Pfändung und Überweisung der künftig fällig werdenden Forderungen geht.

5

Die Gläubiger beantragen,

die Erinnerung zurückzuweisen.

6

Sie meinen, dass eine analoge Anwendung des § 850 d ZPO geboten ist. Sollte eine so genannten Dauerpfändung nicht auch in Bankguthaben zulässig sein, so wäre eine Klage auf künftige Leistungen und die damit verbundenen Vorteile weitgehend entwertet. Es hätte zur Folge, dass ein Gläubiger Monat für Monat einen neuen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausbringen müsste und zwar erst nach Fälligkeit und dadurch erhebliche Vollstreckungsnachteile erleiden würde, welche gerade durch die Klage auf künftige Leistung und das daraufhin ergangene Urteil ausgeschaltet werden sollen.

7

Die Erinnerung der Drittschuldnerin war zurückzuweisen, sie ist unbegründet.

8

Ob und inwieweit eine so genannte Dauer- und Vorratspfändung zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. So wird die Auffassung vertreten, dass die so genannte Dauerpfändung in nicht wiederkehrende Leistungen oder Bankguthaben aus dem Grunde nicht zulässig sei, weil eine analoge Anwendung des § 850 d Abs. 3 ZPO nicht möglich sei. Der § 850 d Abs. 3 ZPO sei als Ausnahme von § 751 ZPO eng auszulegen. Eine Analogie komme deshalb nicht in Betracht, weil keine, dem Arbeitseinkommen vergleichbaren wiederkehrenden Einkünfte des Schuldners gepfändet werden. Der Gesetzgeber habe dieses Problem gesehen und die Pfändung künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche in Arbeitseinkommen als Einzige Ausnahme zugelassen. Es läge von daher schon keine Gesetzeslücke vor, da der Gesetzgeber das Problem erkannt habe, vgl. LG Münster, Rechtspfl. 2000, 506; OLG Hamm, Rechtspfl. 1963,19; OLG Schleswig, Rechtspfl. 1965,181; LG Berlin, Rechtspfl. 1982,434.

9

Das Gericht folgt dieser Auffassung nicht. Es hält die so genannte Dauerpfändung auch in Bankguthaben für zulässig. Es bestehen keine Bedenken gegen eine nur aufschiebend bedingte und daher nicht gegen § 751 Abs. 1 ZPO verstoßende Vorauspfändung eines Rechts, wenn sie wegen wiederkehrender Leistungen auf Grund mindestens einer schon fälligen Rate geschieht und um Pfändungsbeschluss ausdrücklich abgeordnet wird, dass die Pfändung jeweils erst am Tage der im Titel kalendermäßig bestimmten Fälligkeit und in Höhe des dann fällig werdenden Betrages wirksam werden soll. Es liegt gerade kein Verstoß gegen § 751 Abs. 1 ZPO vor, da der Pfändungsbeschluss bestimmt, dass die Pfändung wegen der noch nicht fälligen Unterhaltsraten erst mit dem auf den Fälligkeitstag der betreffenden Rate folgenden Tag wirksam werden darf. Im Gegensatz zu der Regelung des § 850 d Abs. 3 ZPO, wird der Grundsatz des § 751 Abs. 1 ZPO nicht durchbrochen, da kein einheitlicher Pfändungsrang für fällige und künftig erst fällig werdende Unterhaltsraten geschaffen wird. Darüber hinaus sprechen auch praktische Argumente für die Zulässigkeit der Dauerpfändung. Es müsste ansonsten jeweils wieder neu gepfändet werden, wenn ein weiterer Anspruch fällig wird. Um diesen umständlichen Weg zu vermeiden, wurde von der Rechtspraxis die so genannte Dauerpfändung entwickelt. Sie ist letztendlich nicht mehr als eine auch Vereinfachungsgründen im Voraus ausgesprochene Pfändung mit aufschiebend bedingter Wirksamkeit. Dies hat zur Folge, dass die Pfändung erst jeweils dann wirksam wird, wenn die titulierte Rate fällig wird. Da diese kostengünstige Art der Pfändung auch für den Schuldner vorteilhaft ist, ist sie zuzulassen.

Brack, Richter am Amtsgericht