Landgericht Hildesheim
Urt. v. 01.09.2022, Az.: 22 KLs 5433 Js 56202/20
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 01.09.2022
- Aktenzeichen
- 22 KLs 5433 Js 56202/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 66949
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BGH - AZ: 1 StR 27/23
Rechtsgrundlagen
- AO §§ 168, 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nummer 1 und 5
- UStG §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1, 18 Abs. 1, Abs. 4
- StGB §§ 25 Abs. 2, 53
- StGB § 56
Amtlicher Leitsatz
Wer sich als Mitarbeiter eines Großhändlers bewusst und arbeitsteilig über einen längeren Zeitraum daran mitwirkt, dass ein Teil der Warenlieferungen an Abnehmer ohne Umsatzsteuerausweis geliefert und die entsprechenden Umsätze nicht gegenüber der Finanzverwaltung erklärt werden, ist Tatbeteiligter einer bandenmäßigen Umsatzsteuerhinterziehung
Das Schuldmaß des Geschäftsführers liegt bei solchen Taten regelmäßig deutlich über dem des Buchhalters. Die Stellung des Buchhalters kann aber für eine mittäterschaftliche Tatbegehung ausreichen.
In der Strafsache
gegen
1. Y.,
..
..
..
2. S.,
..
..
..
wegen Steuerhinterziehung u. a.
hat die Strafkammer 11 - 3. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim in der am 15., 19. August und 1. September 2022 stattgefundenen Hauptverhandlung, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht Martin M.R.F.
als Vorsitzender,
Richter Blum
als beisitzender Richter,
Frau H..,
Frau P..,
als Schöffinnen,
Erster Staatsanwalt Lassen
als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Oberregierungsrat Glindmeyer
als Vertreter des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen,
Rechtsanwalt ..., Lübeck,
als Verteidiger der Angeklagten Y,
Rechtsanwältin ..,
Rechtsanwalt .., beide Hannover,
als Verteidiger der Angeklagten S.,
Justizhauptsekretärin Seller
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle
am 01. September 2022 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Angeklagte Y.. wird wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2.
Die Angeklagte S.. wird wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
- 3.
Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
A. Feststellungen
I. Prozessgeschichte
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen - vom 28. April 2022 wurden die hier Angeklagten mit drei weiteren Personen, namentlich X., D. und W., zur erkennenden Wirtschaftsstrafkammer 11 - 3. große Wirtschaftsstrafkammer - wegen des Vorwurfs der bandenmäßig begangenen Umsatzsteuerhinterziehung, in drei Fällen auch im großen Ausmaß, angeklagt.
Zur Sicherstellung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen einerseits, Wahrung des Rechts der Angeschuldigten X. und W. auf Erhalt einer bis dato nicht vorliegenden Übersetzung der Anklageschrift vor Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und des Rechts des Angeschuldigten D., (nur) vom Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, anderseits, hat die Wirtschaftsstrafkammer mit Beschluss vom 13. Juni 2022 das Verfahren hinsichtlich der Angeschuldigten X. D. und W. sowie in Bezug auf die K. GmbH, deren Nebenbeteiligung zum Zwecke der Einziehung in der Anklageschrift beantragt worden ist, zur gesonderten Fortführung abgetrennt.
In der Hauptverhandlung hat die Kammer die Anklagevorwürfe zu Ziff. 7 und 8 sowie 13 bis 20 der Anklageschrift vom 28. April 2022 im Hinblick auf die verbleibenden Vorwürfe auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
In diesen Fällen lagen die in der Anklage bezifferten Schadenssummen zwischen 206,65 Euro (Tat zu 17.) und 2.471,53 Euro (Tat zu 8.) und damit erheblich niedriger als bei den übrigen angeklagten Taten. Die Einstellung dieser Taten diente somit der Verfahrensvereinfachung und einem zügigen Abschluss. Hinzu kommt, dass der Wirtschaftsstrafkammer die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 370 Abs. 3 AO bei diesen Fällen mit geringen Schadenssummen mit Blick auf die übrigen Tatvorwürfe nicht erforderlich erschien.
II. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
1. Y.
[..]
2. S.
[..]
III. Feststellungen zur Sache
Das Urteil beruht hinsichtlich beider Angeklagten auch auf einer - auf Anregung der Verteidigung zustande gekommenen - Verständigung (§ 257c StPO).
1. Genese der K. GmbH
a) F. GmbH
Die zwischenzeitlich liquidierte "Vorgängergesellschaft" der K. GmbH ist die in Isernhagen im Jahr 2014 gegründete F. GmbH. Der Geschäftsbetreib der F. GmbH war darauf gerichtet, chinesische Restaurants mit Lebensmitteln zu beliefern, wobei die Waren aus dem Lager der F. GmbH mit entsprechenden Auslieferungsfahrzeugen von angestellten, ungarischen Fahrern zu den Restaurants verbracht wurden. Die Angeklagten waren weder an der Gründung dieser Gesellschaft beteiligt noch für die F. GmbH tätig.
Den zwischen der F. GmbH und der Angeklagten Y. geschlossenen Arbeitsvertrag, mit dem sie mit Wirkung vom 01. Juni 2016 als "Sachbearbeiter Verkauf" in Vollzeit angestellt sein sollte, benötigte die Angeklagte nach eigenem Bekunden lediglich als (scheinbaren) Nachweis eines Arbeitsplatzes zur Erlangung eines (Wohnraum-)Mietvertrages.
b) K. GmbH
Die K. GmbH hat das operative Geschäft der F. GmbH ab Mai 2017 übernommen. Ebenso wie bei der F. GmbH war der Geschäftsbetreib der K. GmbH ebenfalls darauf gerichtet, chinesische Restaurants im gesamten Bundesgebiet mit Lebensmitteln zu beliefern, wobei - wie bei der F. GmbH - die Waren aus dem Lager der K. GmbH in I. mit entsprechenden Auslieferungsfahrzeugen von angestellten, ungarischen Fahrern zu den Restaurants verbracht wurden.
Gegründet worden war die K. GmbH bereits im November 2016 mit Sitz in S. unter der damaligen Firma M. GmbH. Die Angeklagten waren an der Gründung dieser Gesellschaft nicht beteiligt.
Im März 2017 wurde die Firma in "K. GmbH" geändert und der nominelle Sitz nach D. verlegt. In den Geschäftsjahren 2018 bis 2022 beschäftigte die K. GmbH zwischen 13 und 15 Arbeitnehmer.
Im Juni 2017 wurde das Stammkapital von 25.000 Euro um 175.000 Euro auf 200.000 Euro erhöht, wobei die neuen Gesellschaftsanteile von dem nunmehr gesondert Verfolgten und in Spanien lebenden W. - dem Schwager der Angeklagten Y. - übernommen wurden und dieser darüber hinaus zum neuen alleinigen Geschäftsführer der K. GmbH bestellt wurde.
Im September 2018 meldete W. die K. GmbH bei der Gemeinde I. an, wohin auch der Sitz der K. GmbH verlegt wurde. Zuständig war nunmehr das Finanzamt B. im hiesigen Landgerichtsbezirk. Am 3. Dezember 2021, nachdem Beamte des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen am 30. November 2021 die Geschäftsräume der K. GmbH durchsucht hatten, stellte die K. GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein und kündigte sämtlichen Mitarbeitern. Die Geschäftsräume in I. und eine (insbesondere für die ungarischen Fahrer) angemietete Doppelhaushälfte in H. gab die K. GmbH im Folgenden auf.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts .. vom 26. Januar 2022 wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens der K. GmbH angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
2. Allgemeines
a) Der Geschäftsbetrieb und das Vorgehen der K. GmbH gestaltete sich im Einzelnen wie folgt:
Die Kunden der K. GmbH - überwiegend asiatische Restaurants aus dem gesamten Bundesgebiet - bestellten die Ware regelmäßig telefonisch bei den dortigen Mitarbeitern (und gesondert verfolgten) R. und X.. Diese notierten die Bestellungen sodann handschriftlich in Kladden und fragten bei den Kunden zugleich, ob der Einkauf "komplett weiß erfasst" oder ob ein bestimmter Warenanteil "schwarz geliefert" werden soll. Auch diese Aufteilung wurde in den Kladden handschriftlich erfasst. Die Entscheidung, ob "Schwarzlieferungen" - also ohne Rechnung und demzufolge ohne Berechnung von Umsatzsteuer - erfolgen sollten, oblag allein den Kunden. Auf Grundlage der handschriftlichen Notizen erfolgte die Zusammenstellung der Ware im Lager.
Der Mitarbeiter R. gab die Bestellungen sodann regelmäßig in das elektronische Warenwirtschaftssystem ein und erzeugte über das System einen Lieferschein. Hierbei gab es zwei unterschiedliche Abläufe. Entweder entsprach der Umfang der im Lieferschein angegebenen Warenbestellung tatsächlich der gelieferten Ware (= "komplett weiß erfasst") oder der Lieferschein wies weniger Ware aus, als tatsächlich geliefert wurde. Wenn der Lieferschein von vornherein weniger Ware auswies, als tatsächlich geliefert wurde, wurde kein zweiter Lieferschein erzeugt. Sofern der erste Lieferschein der tatsächlichen Warenlieferung entsprach, wurde der Lieferschein teilweise - wenn die Kunden dies wünschten - nicht mehr geändert. Wenn die Kunden jedoch wünschten, dass ein zweiter Lieferschein erstellt wird, erhielt die Angeklagte Sun von R. die Anweisung, diesen zweiten Lieferschein mit geänderten Beträgen, also nur mit dem dann der Umsatzbesteuerung zu unterwerfenden "weißen" Anteil, zu erstellen. Im Schnitt betrug dieser Anteil etwa 2/3 der tatsächlichen Umsätze.
Die Rechnungen erstellte die Angeklagte S. regelmäßig mit Hilfe des, bereits vor ihrer Tätigkeit bei der K. GmbH existierenden, elektronischen Warenwirtschaftssystems und sendete sie anschließend per Post ab. Zudem stellte sie die Eingangsrechnungen des Unternehmens zusammen und übermittelte diese, die Rechnungen über die "weißen" Lieferungen sowie die Kontoauszüge, regelmäßig dem Steuerberater ... Darüber hinaus führte die Angeklagte S. die Barkasse des Unternehmens.
Manchmal holten Kunden die Waren auch direkt bei der K. GmbH ab und erhielten vor Ort ihre Rechnung. Viele Kunden zahlten die Waren bei Lieferung in bar und übergaben das Geld an die Lieferfahrer. Die Angeklagte Y., der auch der Wareneinkauf oblag, nahm das Bargeld regelmäßig entgegen und verwahrte es im Tresor der K. GmbH. Die auf diesem Wege erzielten Umsätze blieben - wie die Angeklagten wussten - in den gegenüber den Finanzämtern D. und B. abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen unerwähnt.
Diese Erklärungen und Voranmeldungen wurden dem jeweils zuständigen Finanzamt elektronisch über den Steuerberater .. übermittelt. Dabei wurden - entsprechend der "weißen" Lieferungen bzw. Anteil der tatsächlich erbrachten Ausgangsumsätze erklärt und die hierauf entfallende Umsatzsteuer zum ermäßigten Steuersatz (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 12 Abs. 2 UStG, § 168 AO) angemeldet.
b) Wer im Unternehmen der K. GmbH die Entscheidung zur Abgabe dieser inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen getroffen hat, konnte die Kammer nicht feststellen.
Jedenfalls hatten - ebenso wie die Verkäufer R. und X. - die Angeklagten Y. und S. aber Kenntnis vom bei ihrem Eintritt bereits praktizierten Vorgehen und billigten dessen Aufrechterhaltung im Interesse des Erhalts ihres Arbeitsplatzes. Die Angeklagte Y. hielt die Fortführung des Systems auch zum wirtschaftlichen Fortbestand der K. GmbH für erforderlich.
Hierzu war der Angeklagten Y. von dem eingetragenen GeschäftsführerW., am 23. Januar 2019 (General-)Vollmacht erteilt worden, für ihn alle Angelegenheiten der K. GmbH wahrzunehmen. Dieser hat sie auch kurz zuvor, am 1. Januar 2019, als "Assistent-Geschäftsführer" eingestellt. Ferner war die Angeklagte Y. über das Geschäftskonto der K. GmbH bei der Deutschen Bank seit 8. Mai 2019 verfügungsbefugt. Sie tauschte sich auch regelmäßig mit dem Steuerberater über die wirtschaftliche Lage der GmbH sowie die erforderlichen steuerlichen und bilanziellen Maßnahmen aus.
W. kümmerte sich jedenfalls ab der Erteilung der Generalvollmacht nicht mehr um die Geschicke der K. GmbH.
3. Die einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen (Taten zu Ziff. 1-6, 9-12 und 21-24 der Anklageschrift)
Im Einzelnen kam es so zu den nachfolgenden Taten:
a) Umsatzsteuerjahreserklärung 2017 (Tat zu Ziff. 1 der Anklageschrift)
Am 22. Januar 2019 reichte die K. GmbH die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kalenderjahr 2017 beim Finanzamt D. ein, in der sie Umsätze in Höhe von 141.317 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 26.850,23 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 4.754.823 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 332.837,61 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 41.169,59 Euro.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 2.335.163 Euro (netto) wurden jedoch nicht erklärt, hingegen Umsätze zu 19 % in Höhe von 9.035 Euro (netto) zu viel. Mithin wurde Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 161.744,76 Euro verkürzt.
b) Umsatzsteuerjahreserklärung 2018 (Tat zu Ziff. 2 der Anklageschrift)
Am 27. August 2019 reichte die K. GmbH die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kalenderjahr 2018 beim Finanzamt D. ein, in der sie Umsätze in Höhe von 141.340 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 26.854,60 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 6.804.789 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 476.335,23 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Vorsteuerüberhang in Höhe von 20.401,59 Euro. Das Finanzamt D. stimmte am 12. September 2019 dieser Umsatzsteuerjahreserklärung zu.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 3.530.553 Euro (netto) und 19 % in Höhe von 53.516 Euro (netto) wurden nicht erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 257.306,75 Euro verkürzt wurde.
c) Umsatzsteuerjahreserklärung 2019 (Tat zu Ziff. 3 der Anklageschrift)
Am 19. August 2021 reichte die K. GmbH die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kalenderjahr 2019 beim nunmehr zuständigen Finanzamt B. ein, in der sie Umsätze in Höhe von 159.826 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 30.366,94 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 7.353.860 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 514.770,20 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 41.169,59 Euro.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 3.128.961 Euro (netto) und Umsätze zu 19 % in Höhe von 48.559 Euro (netto) wurden nicht erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von 228.253,48 Euro verkürzt wurde.
d) Umsatzsteuervoranmeldung Januar 2020 (Tat zu Ziff. 4 der Anklageschrift)
Am 10. März 2020 übermittelte die K. GmbH - ebenso wie in den nachfolgenden Fällen entsprechend der gewährten Dauerfristverlängerung gemäß § 18 Abs. 6 UStG - die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Januar 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 11.409 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 2.167,71 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 626.001 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 43.820,07 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 3.059,82 Euro.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 239.878 Euro (netto) und Umsätze zu 19 % in Höhe von 3.263 Euro (netto) wurden nicht erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von 17.411,43 Euro verkürzt wurde.
e) Umsatzsteuervoranmeldung Februar 2020 (Tat zu Ziff. 5 der Anklageschrift)
Am 9. April 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Februar 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 11.716 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 2.226,04 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 536.605 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 37.562,35 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 11.697,96 Euro.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 217.638 Euro (netto) und Umsätze zu 19 % in Höhe von 3.515 Euro (netto) wurden nicht erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von 15.902,51 Euro verkürzt wurde.
f) Umsatzsteuervoranmeldung März 2020 (Tat zu Ziff. 6 der Anklageschrift)
Am 11. Mai 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat März 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 4.757 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 903,83 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 259.186 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 18.143,02 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 1.021,44 Euro.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 115.212 Euro (netto) und Umsätze zu 19 % in Höhe von 1.224 Euro (netto) wurden nicht erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von 8.297,40 Euro verkürzt wurde.
Der deutliche Umsatzrückgang ist auf die Schließung der Ladenlokale der Kunden der K. GmbH zur Reduzierung von Kontakten aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie zurückzuführen.
g) Umsatzsteuervoranmeldung Juli 2020 (Tat zu Ziff. 9 der Anklageschrift)
Am 8. September 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juli 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 338.748 Euro zu den herabgesetzten ermäßigten Steuersätzen von 5% und 16% erklärte (= insgesamt 17.988,09 Euro Umsatzsteuer), ferner Umsätze von 16.100 Euro zum Steuersatz von 19 % (= 19 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 3.914 Euro zum Steuersatz von 7 % (= weitere 273,98 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 4.683,31 Euro.
Die vorgenannten Umsätze zu den nicht mehr zutreffenden Steuersätzen hätte die K. GmbH nicht erklären müssen. Vielmehr hätte sie weitere Umsätze in Höhe von 77.793 Euro netto zu den nunmehrigen Steuersätzen von 5% und 16% (geringer Anteil) erklären müssen, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von zumindest 3.596,67 Euro verkürzt wurde.
h) Umsatzsteuervoranmeldung August 2020 (Tat zu Ziff. 10 der Anklageschrift)
Am 25. September 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat August 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 364.145 Euro zu den herabgesetzten ermäßigten Steuersätzen von 5% und 16% erklärte (= insgesamt 15.078,01 Euro Umsatzsteuer), ferner Umsätze in Höhe von 42 Euro zum Steuersatz von 19 % (= 7,98 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 3.896 Euro zum Steuersatz von 7 % (= weitere 272,72 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 4.342,39 Euro.
Die vorgenannten Umsätze zu den nicht mehr zutreffenden Steuersätzen hätte die K. GmbH nicht erklären müssen. Vielmehr hätte sie weitere Umsätze in Höhe von 89.679 Euro netto zu den nunmehrigen Steuersätzen von 5% und 16% (geringer Anteil) erklären müssen, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von zumindest 4.205,25 Euro verkürzt wurde.
i) Umsatzsteuervoranmeldung September 2020 (Tat zu Ziff. 11 der Anklageschrift)
Am 9. November 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat September 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 460.432 Euro zu den herabgesetzten ermäßigten Steuersätzen von 5% und 16% (= insgesamt 24.139,61 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge betrug die zu entrichtende Umsatzsteuer im Ergebnis 3.468,91 Euro.
Weitere Umsätze in Höhe von 115.460 Euro netto zu den nunmehrigen Steuersätzen von 5% und 16% (geringer Anteil) meldete die K. GmbH nicht an, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von zumindest 5.773 Euro verkürzt wurde.
j) Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2020 (Tat zu Ziff. 12 der Anklageschrift)
Am 9. Dezember 2020 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Oktober 2020 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 430.018 Euro zu den herabgesetzten ermäßigten Steuersätzen von 5% und 16% (= insgesamt 22.593,50 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag von 1.156,46 Euro. Das Finanzamt stimmte der Voranmeldung am 10. Dezember 2020 zu.
Weitere Umsätze in Höhe von 115.498 Euro netto zu den nunmehrigen Steuersätzen von 5% und 16% (geringer Anteil) meldete die K. GmbH nicht an, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von 5.774,90 Euro verkürzt wurde.
k) Umsatzsteuervoranmeldung Juli 2021 (Tat zu Ziff. 21 der Anklageschrift)
Am 1. September 2021 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juli 2021 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 11.404 Euro zum nunmehr wieder erhöhten allgemeinen Steuersatz (19 % = 2.166,76 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 375.499 Euro zum ebenfalls wieder erhöhten ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 26.284,93 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag von in Höhe von 4.366,63 Euro. Das Finanzamt stimmte der Voranmeldung am 2. September 2021 zu.
Tatsächlich wurden dem Finanzamt B. aber Umsätze zu 7 % in Höhe von 72.852 Euro (netto) nicht und Umsätze zu 19 % in Höhe von 1.016 Euro (netto) zu viel erklärt, sodass Umsatzsteuer in Höhe von 4.906,60 Euro verkürzt wurde.
l) Umsatzsteuervoranmeldung August 2021 (Tat zu Ziff. 22 der Anklageschrift)
Am 11. Oktober 2021 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat August 2021 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 11.418 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 2.169,42 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 380.859 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 26.660,13 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag von 3.326,95 Euro. Das Finanzamt stimmte der Voranmeldung am 12. Oktober 2021 zu.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 67.752 Euro (netto) wurden aber nicht erklärt, hingegen Umsätze zu 19 % in Höhe von 566 Euro (netto) zu viel erklärt, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von 4.635,10 Euro verkürzt wurde.
m) Umsatzsteuererklärung September 2021 (Tat zu Ziff. 23 der Anklageschrift)
Am 8. November 2021 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat September 2021 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 10.500 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 1.995 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 363.509 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 25.445,63 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag von 7.591,96 Euro. Das Finanzamt stimmte der Voranmeldung am 17. November 2021 zu.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 55.085 Euro (netto) wurden aber nicht erklärt, hingegen Umsätze zu 19 % in Höhe von 1.086 Euro (netto) zu viel erklärt, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von 3.649,61 Euro verkürzt wurde.
n) Umsatzsteuererklärung Oktober 2021 (Tat zu Ziff. 24 der Anklageschrift)
Am 8. Dezember 2021 übermittelte die K. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Oktober 2021 dem Finanzamt B., in der sie Umsätze in Höhe von 8.140 Euro zum allgemeinen Steuersatz (19 % = 1.546,6 Euro Umsatzsteuer) und in Höhe von 307.656 Euro zum ermäßigten Steuersatz (7 % = weitere 21.535,92 Euro Umsatzsteuer) anmeldete. Unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuerbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag von 7.602,03 Euro. Das Finanzamt stimmte der Voranmeldung am 9. Dezember 2021 zu.
Weitere Umsätze zu 7 % in Höhe von 42.475 Euro (netto) wurden aber nicht angemeldet, hingegen Umsätze zu 19 % in Höhe von 1.056 Euro (netto) zu viel erklärt, sodass im Ergebnis Umsatzsteuer in Höhe von 2.772,61 Euro verkürzt wurde.
B. Mitteilung der Beweismittel
I. Feststellungen zu den Personen (A.II)
Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensverhältnissen der Angeklagten beruhen auf deren glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung und den jeweiligen Bundeszentralregisterauszügen .. .
Die Kammer hat keinen Anlass, am Zutreffen dieser Angaben zu zweifeln.
II. Feststellungen zur Sache (A.III)
a) Das Urteil beruht auf einer verfahrensabkürzenden Verständigung. Die Angeklagten haben sich nach der Verständigung umfassend zur Sache eingelassen und die Taten so wie festgestellt eingeräumt.
Insbesondere hat die Angeklagte Y. erklärt, dass sie die Geschäftsführung der K. GmbH "auf Wunsch der Familie" übernommen habe. Die Kunden der K. GmbH hätten ihre Lebensmittel regelmäßig telefonisch bestellt. Für die Entgegennahme der Bestellungen seien die gesondert verfolgten R. und X. zuständig gewesen. Die eingehenden Bestellungen seien von ihnen handschriftlich aufgenommen und an den Lagermeister, D., weitergegeben worden. Ihr (der Angeklagten) oblag der Wareneinkauf. Mittels eines elektronischen Warenwirtschaftssystems seien sodann Lieferscheine erstellt worden, die der tatsächlich bestellten und ausgelieferten Ware entsprochen haben sollen. Gleichfalls durch das Warenwirtschaftssystem seien im Nachhinein - in Absprache mit den belieferten Restaurantinhabern - nach unten korrigierte Rechnungen erstellt worden. Das Warenwirtschaftssystem sei in der beschriebenen Form von der Angeklagten S. bedient worden und bereits vor dem Eintreten der Angeklagten Y. in die K. GmbH genutzt worden.
Die Liquiditätslage der K. GmbH sei schlecht gewesen. Besprechungen mit dem Steuerberater habe sie geführt; die Umsätze und Buchhaltungsunterlagen habe die Angeklagte S. dem Steuerberater übermittelt.
Diese Angaben wurden von der Angeklagten S. bestätigt. Darüber hinaus hat sie erklärt, dass die Restaurantinhaber bereits bei der telefonischen Bestellung gegenüber den gesondert verfolgten R. und X. mitgeteilt hätten, ob der Einkauf "komplett weiß erfasst oder aber ob ein bestimmter Warenanteil schwarz geliefert werden soll". Dies hätten allein die Kunden bestimmt.
Das Erstellen der nach unten korrigierten Lieferscheine sei ihre Aufgabe gewesen. Die dort einzupflegenden Daten habe sie vom gesondert verfolgten R. erhalten. Auf Grundlage der (mitunter geänderten) Lieferscheine sei von ihr sodann über das elektronische Warenwirtschaftssystem eine Rechnung erstellt worden, die sie regelmäßig an die Kunden versandt habe. Weiter hat die Angeklagte S. erklärt, dass sie zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der K. GmbH keinen Einblick gehabt habe, "welche und wie viele Waren im Einzelnen tatsächlich geliefert wurden". Nach einiger Zeit habe sie aber festgestellt, "dass angesichts der Vielzahl an geänderten Lieferscheinen etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte". Ihr sei dann schnell klar geworden, dass Steuern hinterzogen wurden.
Auch hinsichtlich des Umfangs der Steuerhinterziehung haben beide Angeklagten eingeräumt, dass die Berechnungen zutreffend sein dürften.
b) Die Kammer hat die Geständnisse der Angeklagten im Rahmen der nach dem Zustandekommen der Verständigung durchgeführten Beweisaufnahme überprüft. Hierbei haben sie ihre Bestätigung gefunden.
So hat der als Zeuge vernommene IT-Fahnder .. die Funktionsweise des Warenwirtschaftssystems im Rahmen der Beweisaufnahme dargestellt, exemplarisch die Erstellung und nachfolgende Abänderung von Lieferscheinen vorgeführt und so einen Abgleich mit den handschriftlichen Notizen der in Augenschein genommenen Kladden ermöglicht. So hat die Kammer die einzelnen Verkürzungsbeträge nachvollziehen können. Der Zeuge hat ferner erläutert, dass sich die ursprünglichen Lieferscheine mit den höheren Warenausgängen anhand von sogenannten Log-Dateien im Warenwirtschaftssystem rekonstruieren ließen. Auch dies hat die Kammer nachvollziehen können. So ist eine entsprechende Logdatei aufgrund der vorgenannten Erstellung und Abänderung eines Lieferscheins durch den IT-Fahnder vom System generiert worden.
Die Zeuginnen .. (Leiterin der Ermittlungen) und .. (Mitarbeiterin des K. GmbH-Lieferanten T.), haben die Rolle der Angeklagten übereinstimmend mit deren Einlassungen beschrieben, sodass die Kammer auch deswegen keinen Anlass sieht, diesen Einlassungen nicht zu folgen. Insbesondere hat die Zeugin .. bekundet, dass die Angeklagte Y. die Bestellungen regelmäßig telefonisch vorgenommen habe und ihr gegenüber als "Chefin" der K. GmbH aufgetreten sei.
Die Zeugin .. hat ferner verdeutlicht, dass sie anhand der Rekonstruktion der ursprünglichen Lieferscheine die tatsächlichen Umsätze der K. GmbH habe exakt - so wie festgestellt - errechnen habe können. Wie anhand der Inaugenscheinnahme der Kladden von der Kammer auch nachvollzogen werden konnte, hat die Zeugin weiter ausgeführt, dass sich diese Berechnungen weitgehend mit den handschriftlichen Aufzeichnungen der "weißen" und "schwarzen" Lieferungen in den Kladden decken, im Groben etwa 1/3 der Warenlieferungen nicht der Umsatzbesteuerung unterworfen worden seien. Die Zeugin hat weiter geschildert, dass der nunmehr gesondert verfolgte W. während einer längerfristigen Observation der Geschäftsräume der K. GmbH nie aufgetreten sei, hingegen aber die Angeklagten, R., X. und D. tagtäglich dort tätig gewesen seien. Insbesondere X. habe auch oftmals Kunden vor den Geschäftsräumen empfangen. Ferner hat die Zeugin nachvollziehbar bekundet, dass die K. GmbH ab 2017 in denselben Geschäftsräumen dieselben Tätigkeiten (Belieferung asiatischer Restaurants mit Lebensmitteln) ausgeübt habe, die zuvor die F. GmbH ausgeübt hatte. Diese habe ihre operative Tätigkeit eingestellt, nachdem gegen deren Verantwortliche steuerstrafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden seien.
Die einzelnen Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2017 bis 2019, die Handelsregisterauszüge, die Arbeitsverträge der Angeklagten Y. und die ihr erteilte Generalvollmacht sind im Selbstleseverfahren eingeführt worden.
Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen für die monatlichen Voranmeldungszeiträume der Jahre 2020 und 2021 sind die Umsatzsteuerüberwachungsbögen des Finanzamts B. im Selbstleseverfahren eingeführt worden, aus denen sich die jeweils angemeldeten Beträge ergeben. In der zweiten Jahreshälfte 2020, in der zur Wirtschaftsförderung nach den langen Schließzeiten ab März 2020 ermäßigte Steuersätze galten, sind dort die Umsätze zu den Steuersätzen von 5 und 16% in einer Summe, ebenso die sich hieraus ergebende Umsatzsteuer aufgeführt. Mithin konnte die Wirtschaftsstrafkammer insoweit keine genaueren Feststellungen treffen. Auch die Errechnung der verkürzten Umsätze anhand der Log-Dateien für diese Zeiträume erfolgte nicht getrennt, weswegen die Kammer insoweit alle festgestellten verkürzten Umsätze zugunsten der Angeklagten mit dem Steuersatz von 5% angesetzt hat. Der Anteil der Umsätze zum höheren Steuersatz dürfte - wie in den Voranmeldungszeiträumen zuvor und danach - auch jeweils gering gewesen sein.
C. Rechtliche Würdigung
I. Steuerhinterziehungen (A.III.3.)
Aufgrund der getroffenen Feststellungen waren die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen zu verurteilen (§§ 168, 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nummer 1 und 5 AO, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1, 18 Abs. 1, Abs. 4 UStG, §§ 25 Abs. 2, 53 StGB).
Auf eine Organstellung als Geschäftsführerin (§ 24 AO) beziehungsweise die Position einer Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO kommt es nicht an. Bei der Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) kann "jedermann" Täter sein (vgl. nur BGHSt 23, 319, 322; BGH wistra 2007, 388: "Jedermannsdelikt"; Jäger in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 370 Rn. 25). Als Täter kommt danach jeder in Betracht, der in der Lage ist, auf die Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung der geschuldeten Steuer einzuwirken (JJR/Joecks § 370, Rn. 31); ausreichend ist, dass er durch unrichtige Angaben auf ein steuerliches Verfahren Einfluss nimmt (vgl. BGHSt 51, 356, 359; Jäger in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 370 Rn. 25).
Die Angeklagten haben in diesen Fällen im arbeitsteiligen, gewollten Zusammenwirken (zumindest) mit X. und R. dafür Sorge getragen, dass die K. GmbH jeweils etwa nur 2/3 ihrer Umsätze gegenüber dem jeweiligen Finanzamt erklärte.
Die Angeklagte Y. leitete für den ortsabwesenden eingetragenen Geschäftsführer W. die Geschäfte der K. GmbH, war insbesondere für den Wareneinkauf und die Entgegennahme von Bargeld verantwortlich und führte das bereits vorgefertigte System auch zur Aufrechterhaltung der Geschäftsführung fort.
Die Angeklagte Sun setzte nach den Vorgaben der Mitarbeiter X. und R. die Teilung der Lieferungen in "schwarz" und "weiß" um und teilte dem Steuerberater die für die Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen erforderlichen Daten nur der "weißen" Umsätze mit, während wiederum die Angeklagte Y. sich regelmäßig mit dem gutgläubigen Steuerberater besprach.
Aus den vorgenannten Erwägungen, namentlich, dass Steuerhinterziehung durch aktives Tun kein Sonderdelikt darstellt, ergibt sich, dass nicht nur die Angeklagte Y., sondern gleichwohl die Angeklagte S. als Täterin und nicht als Teilnehmerin der bezeichneten Steuerhinterziehungen zu verurteilen war. Sie (die Angeklagte S.) hatte durch ihre beschriebene Tätigkeit maßgeblichen Einfluss auf die schließlich dem gutgläubigen Steuerberater .. übermittelten Umsätze und hat insoweit auch durch unrichtige Angaben auf das steuerliche Verfahren Einfluss genommen.
Die Angeklagte Y. handelte ebenfalls als Täterin, da sie als Assistentin der Geschäftsführung (jedenfalls auch) befugt war, die Geschäfte der K. GmbH zu leiten und insoweit auch dafür verantwortlich war, die steuerlichen Angelegenheiten der K. GmbH wahrzunehmen. Zudem hat sie die Einkäufe der GmbH getätigt, ohne die die teilweisen "schwarzen" Verkäufe nicht möglich gewesen wären.
Darüber hinaus handelten die Angeklagten durch die beschriebene Aufgabenverteilung als Mittäterinnen gem. § 25 Abs. 2 StGB. Beide Angeklagten wussten von dem jeweiligen Vorgehen des anderen und den schließlich durch die K. GmbH (gleich von welcher Person) an den Steuerberater .. unrichtig übermittelten Daten. Sie hatten Kenntnis vom bestehenden "System" innerhalb der K. GmbH und billigten dessen Aufrechterhaltung. Die jeweiligen gem. § 25 Abs. 2 StGB erforderlichen Tatbeiträge ergeben sich aus ihrer jeweils wahrgenommenen (und näher beschriebenen) Tätigkeit.
Sie haben dadurch im festgestellten Umfang die vorgenannten Steuern verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Auch wenn jeweils dieselbe Steuerart (Umsatzsteuer) betroffen ist, stehen die einzelnen Steuerhinterziehungen für unterschiedliche Veranlagungs- bzw. Voranmeldungszeiträume zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB).
II. Keine Einziehung des Wertes des Erlangten
Von einer Einziehungsentscheidung gem. §§ 73, 73c StGB hat die Kammer abgesehen. Der abzuschöpfende Vermögensvorteil besteht in den Fällen der Steuerverkürzung in den ersparten Aufwendungen; da diese Ersparnis nicht gegenständlich ist, ist deren Wert einzuziehen (§ 73 Abs. 1, § 73 c S. 1 Var. 1 StGB). Nicht anders als bei der Einziehung von durch Straftaten erlangten Vermögensgegenständen und Rechten setzt das Abschöpfen ersparter Steueraufwendungen zudem voraus, dass der Tatbeteiligte über diese Ersparnisse tatsächlich verfügen kann; diese Vermögensvorteile müssen sich messbar in seinem Vermögen niederschlagen. Die (offene) Steuerschuldnerschaft ohne die Möglichkeit, die Steuerersparnis im eigenen Vermögen zu realisieren und in diesem Sinne über diese tatsächlich zu verfügen, genügt nicht zur Einziehung; denn die Einziehung knüpft an einen durch die Tat beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil an (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. nur BGH, Urt. v. 10.3.2021 - 1 StR 272/20 Rn. 26 f. und v. 11.7.2019 - 1 StR 620/18, BGHSt 64, 146 Rn. 19 f.; Beschl. v. 6.8.2020 - 1 StR 198/20).
Weder bei der Angeklagten Y. noch bei der Angeklagten S. ist durch die Taten ein konkreter Vermögensvorteil feststellbar gewesen. Vielmehr war es hier die K. GmbH als Steuerschuldnerin, die die Aufwendungen erspart hat. Ein messbarer Vermögensvorteil hat sich im Vermögen der Angeklagten dadurch nicht niedergeschlagen.
D. Strafzumessung
I. Strafrahmen
Das Gesetz sieht für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 S. 1 AO einen Ausnahmestrafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor.
1. In den abgeurteilten Fällen zu A.III.3 haben die Angeklagten die vorgenannten Steuerstraftaten auch als Mitglied einer aus ihnen und zumindest den gesondert verfolgten X. und R. bestehenden Bande begangen, die sich zur fortgesetzten Begehung von Umsatzsteuerhinterziehungen zusammengeschlossen hatte (§ 370 Abs. 3 Nr. 5 AO).
Bande im Sinne der Nr. 5 ist eine Gruppe von mindestens drei Personen, die sich ausdrücklich oder stillschweigend zu fortgesetzter Begehung von (Steuer-) Straftaten im Hinblick auf Umsatz- oder Verbrauchsteuern verbunden hat (vgl. Fischer StGB § 244 Rn. 36; BGH 46, 321). Irgendein Mindestmaß konkreter Organisation oder festgelegter Strukturen ist ebenso wenig erforderlich wie ein "gefestigter Bandenwille" (vgl. BGH 11.9.2003, NStZ 2004, 398, 399) oder ein Tätigwerden in einem "übergeordneten Bandeninteresse" (vgl. BGH 4.2.2004, wistra 2004, 262; BGH 27.5.2004, NStZ 2005, 230, 231). Eine Bandenabrede kann selbst dann vorliegen, wenn ein Beteiligter bei allen Bandentaten nur Gehilfe sein soll (vgl. BGH 15.1.2002, BGHSt 47, 214, 218; Bender/Möller/Retemeyer C 483; Fischer StGB § 244 Rn. 39; aM Lackner/Kühl 6 zu § 244 StGB; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, 8. Aufl. 2015, AO § 370 Rn. 580).
In welcher Form sich die gesondert verfolgten X. und R. letztlich an den Taten beteiligt haben, namentlich als Täter oder Teilnehmer, kann insoweit dahingestellt bleiben, ebenso, ob der gesondert verfolgte D. als Bandenmitglied anzusehen ist.
Auch wenn die gesondert verfolgten X. und R. lediglich als Teilnehmer anzusehen wären, liegt jedenfalls zwischen ihnen und den Angeklagten eine Bandenabrede i. S. d. § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO vor, weil diese Beteiligten vom bereits existierenden "System" der Steuerhinterziehung innerhalb der K. GmbH wussten, es billigten und arbeitsteilig fortführten.
2. In den Fällen zu A.III.3.a bis c liegt jeweils eine Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß und damit ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3, S. 2 Nr. 1 Alt. 1 AO vor, weil in den für sie relevanten Fällen die Schadenssummen die von der obergerichtlichen Rechtsprechung herausgearbeitete Grenze von 50.000 Euro mehrfach übersteigt (vgl. Klein, AO, 14. Auflage 2018, Jäger, § 370 Rn. 280).
3. Etwaige Indizien, die die Indizwirkung der Regelbeispiele für das Vorliegen eines jeweils besonders schweren Falles erschüttern könnten, sind nicht ersichtlich. In den Fällen 1. bis 3. haben die Angeklagten sogar jeweils zwei Regelbeispiele verwirklicht. Daher reicht auch der Umstand, dass die Taten zu 1. und 2. bereits mehr als drei Jahre zurückliegen, das Verfahren für die Angeklagten belastend gewesen ist und die nicht vorbestraften Angeklagten zu einem frühen Zeitpunkt in der Hauptverhandlung umfassend geständig waren, für eine Anwendung des Regelstrafrahmens nicht aus. Ebenso vermag der Umstand hinsichtlich der Angeklagten Y., dass sie sich in dieser Sache für mehrere Monate in Untersuchungshaft befunden hat und sie insbesondere aufgrund der Autismus-Erkrankung ihres Sohnes von der Inhaftierung härter betroffen sein dürfte, als dies in der Regel in vergleichbaren Fällen der Fall wäre, die Indizwirkung der Regelbeispiele nicht zu erschüttern.
Denn zu Lasten beider Angeklagten war hingegen auch zu berücksichtigen, dass sie bei den in Rede stehenden Taten planvoll vorgegangen sind und sie mit den Taten auch weitere Steuerstraftaten der Lieferanten ermöglicht haben.
II. Strafzumessung im engeren Sinne
Bei den in den vorgenannten Strafrahmen für die Angeklagten jeweils zu findenden tat- und schuldangemessenen Strafen hat sich die Kammer unter nochmaliger Abwägung der vorgenannten für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen der weitgehenden Gleichartigkeit der Einzeltaten, die sich wesentlich nur durch die Höhe des jeweiligen durch die Tat verursachten Schadens unterscheiden, maßgeblich an der verursachten Schadenshöhe, dem in Wirtschaftsstrafsachen bestimmenden Strafzumessungskriterium, orientiert.
Hierneben hat die unterschiedliche Aufgabenverteilung der Angeklagten innerhalb der K. GmbH bei der Strafzumessung Berücksichtigung gefunden. Die Angeklagte Y. leitete die Geschäfte der GmbH und führte regelmäßige Besprechungen mit dem Steuerberater. Sie hätte die Steuerhinterziehungen jederzeit abschließend beenden können. Hingegen kam der Angeklagten Sun nur eine untergeordnete, gegenüber der Angeklagten Y. weisungsgebundene, ohne Weiteres ersetzbare Funktion als ausführende Buchhalterin zu.
1. Für die Angeklagte Y. hat die Kammer daher folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen gehalten:
Tat | Freiheitsstrafe |
---|---|
A.III.3.a (Tat 1 der Anklage) | 1 Jahr und 6 Monate |
A.III.3.b und c (Taten 2 und 3 der Anklage) | Jeweils 2 Jahre und 3 Monate |
A.III.3.d und e (Taten 4 und 5 der Anklage) | Jeweils 9 Monate |
A.III.3.f, i. und j (Taten 6, 11 und 12 der Anklage) | Jeweils 8 Monate |
A.III.3.g, h, k-n (Taten 9,10, 21-24 der Anklage) | Jeweils 7 Monate |
Nach einer erneuten Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hat die Kammer angesichts des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs einen straffen Zusammenzug durch maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten (§ 54 StGB) eine
Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und sechs Monaten
für tat- und schuldangemessen gehalten.
2. Für die Angeklagte S. hat die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen gehalten:
Tat zu Ziffer | Freiheitsstrafe |
---|---|
A.III.3.a (Tat 1 der Anklage) | 1 Jahr |
A.III.3.b und c (Taten 2 und 3 der Anklage) | Jeweils 1 Jahr und 3 Monate |
A.III.3.d und e (Taten 4 und 5 der Anklage) | Jeweils 8 Monate |
A.III.3.f, i. und j (Taten 6, 11 und 12 der Anklage) | Jeweils 7 Monate |
A.III.3.g, h, k-n (Taten 9,10, 21-24 der Anklage) | Jeweils 6 Monate |
Nach einer erneuten Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hat die Kammer angesichts des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs einen straffen Zusammenzug durch maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten (§ 54 StGB) eine
Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und neun Monaten
für tat- und schuldangemessen gehalten.
III. Strafaussetzung zur Bewährung bzgl. S.
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hinsichtlich der Angeklagten S. konnte zur Bewährung ausgesetzt werden.
Die Wirtschaftsstrafkammer hat auch aufgrund des von der Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel daran, dass sich die geständige Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Sie hat sich nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe sogleich eine neue Beschäftigung gesucht und lebt mit ihrer Familie in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen.
Insbesondere mit Blick auf das Geständnis der nicht vorbestraften Angeklagten liegen hier besondere Umstände i. S. d. § 56 Abs. 2 StGB vor, die - wie auch von der Staatsanwaltschaft beantragt - die Aussetzung der überjährigen Freiheitsstrafe gebieten. Auch die Verteidigung der Rechtsordnung erfordert dabei nicht die Versagung der Strafaussetzung (§ 56 Abs. 3 StGB).
E. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.