Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 06.03.2003, Az.: 8 U 85/02
angemessene Frist; angemessene Zeit; Auftraggeber; Auftragnehmer; Aufwendungsersatzanspruch; Baumangel; Bauvertrag; Bereicherungsanspruch; Gewährleistungsbürge; Gewährleistungsbürgschaft; Inanspruchnahme; Kondiktionsanspruch; Mängelbeseitigungskosten; Nachbesserungspflicht; nachträglicher Wegfall; Nichtdurchführung; Rechtsgrund; Rückgewähranspruch; ungerechtfertigte Bereicherung; Vorschußanspruch; Werkunternehmer; Werkvertrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 06.03.2003
- Aktenzeichen
- 8 U 85/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48621
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 21.02.2002 - AZ: 2 O 367/00
Rechtsgrundlagen
- § 812 Abs 1 S 2 BGB
- § 13 Nr 5 Abs 2 VOB B
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 21. Februar 2002 – 2 O 367/00 – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.981,94 € nebst Zinsen in Höhe von 875,33 € sowie weitere 4 % Zinsen auf 5.368,56 € in der Zeit vom 1. Juli bis zum 1. Oktober 2002 und auf den Betrag von 3.981,94 € seit dem 2. Oktober 2002 zu zahlen.
Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das genannte Urteil wird in Höhe des Teilbetrages von 336,07 € zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat in Höhe des Teilbetrages von 3.981,94 € Erfolg, die Anschlussberufung der Beklagten ist in Höhe des Teilbetrages von 336,07 € unbegründet. Im Übrigen ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des aufgrund der Inanspruchnahme der Bürgschaft vom 6. Mai 1999 von der Kreissparkasse ... gezahlten Betrages von 3.981,94 € schon deshalb zu, weil der Rechtsgrund für diese Leistung jedenfalls nachträglich entfallen ist, § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB. Aus diesem Grunde kann auch die Anschlussberufung der Beklagten in Höhe von 336,07 € keinen Erfolg haben.
I.
Zur Berufung des Klägers:
1. Der Kläger ist zur Geltendmachung des Rückgewähranspruches berechtigt.
Zwar handelt es sich vorliegend um ein sogenanntes Dreiecksverhältnis, d. h. die Beklagte hat die Kreissparkasse ... als Bürgin auf Zahlung dieses streitbefangenen Betrages in Anspruch genommen, so dass Leistender die Bürgin ist. Gleichwohl steht dem Kläger der Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, wenn die Beklagte die Leistung aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern materiell zu Unrecht in Anspruch genommen hat und der Kläger als Schuldner der Bürgin deren Aufwendungen erstattet hat (BGH BauR 2003, 246, 248; BGH Z 139, 325, 328). Aus Inhalt und Zweck der Sicherungsabrede folgt die Verpflichtung des Gläubigers, die Sicherung zurückzugewähren, sobald feststeht, dass der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann. Hat die Beklagte die ihr als Sicherheit geleistete Bürgschaft zu Unrecht verwertet, hat sie folglich dem Kläger, der der Kreissparkasse ... den aufgrund der Bürgschaft geleisteten Betrag von 20.000,00 DM mittels eines Darlehens (Anlage K 17) erstattet hat, die erhaltene Leistung zurück zu zahlen.
2. Der Rückgewähranspruch des Klägers setzt voraus, dass die Beklagte nach materiellem Bürgschaftsrecht keinen Anspruch auf die erhaltene Leistung hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Sicherungsfall eingetreten ist, der Gläubiger also nunmehr den Anspruch auf Verwertung der Bürgschaft besitzt (BGH BauR 2003, 246, 248).
Wegen der Beseitigung von behaupteten Mängeln an weiteren 10 Lichtkuppeln und zwei Wandübergängen beruft sich die Beklagte auf einen Vorschussanspruch gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B. Ein derartiger Vorschussanspruch ist zwar grundsätzlich von der Haftung der Bürgin aus einer Gewährleistungsbürgschaft umfasst (BGH Z 139, 325, 330). Doch ist dieser sich auf § 242 BGB gründende Anspruch mittlerweile erloschen.
Der Vorschussanspruch soll dem Werkbesteller ermöglichen, das geschuldete Werk auf Kosten des Unternehmers, der die Mangelbeseitigung zu Unrecht nicht vornimmt oder gar verweigert, in den vertragsgerechten Zustand versetzen zu lassen. Aus diesem Grunde ist er lediglich vorübergehender Natur und zugleich zweckgebunden. Daraus folgt zugleich, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, einen erhaltenen Vorschuss bestimmungsgemäß zur Nachbesserung innerhalb angemessener Zeit zu verwenden und darüber abzurechnen (OLG Köln BauR 1988, 483, 484; OLG Celle, IBR 2002, 308; Ingenstau-Korbion/Wirth, VOB, 14. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 555). Die Bestimmung dieses angemessenen Zeitraums richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen A. in dem vom Landgericht eingeholten Gutachten vom 18. Oktober 2001 erfordert die Durchführung der Mangelbeseitigung insgesamt für die Anbringung von 3 Wandübergängen und die Abdichtung von 13 Lichtkuppeln überschlägig zwei Facharbeiter à 2 Wochen. Dann aber hätten diese Arbeiten in den mehr als 4 Sommermonaten bis zur Rechtshängigkeit der Klage auf Rückzahlung des Bürgschaftsbetrages bereits durchgeführt werden können, spätestens aber hätten sie bis 6 Monate nach Auszahlung des Vorschusses Ende Mai 2000 erfolgt und abgerechnet sein müssen. Selbst wenn der äußerste Zeitraum von einem Jahr (OLG Köln a.a.O., OLG Celle a.a.O.) als angemessen zugrunde zu legen wäre, ist dieser längst verstrichen. Bei dieser Sachlage steht der Beklagten ein Anspruch auf Vorschuss für Mängelbeseitigung nicht mehr zu.
Dem steht nicht entgegen, dass in dem vorliegenden Rückforderungsprozess eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage des Vorliegens der Mängel und deren Ursache zu erwarten war/ist, die nach erfolgter Mängelbeseitigung so nicht mehr (hätte) durchgeführt werden könnte (können). Dieses Risiko hat die Beklagte bewusst dadurch in Kauf genommen, dass sie entsprechend der Ausführungen im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19. April 2000 (Anlage B6) die Bürgschaft wegen eines entsprechenden Kostenvorschusses in Anspruch genommen und damit zum Ausdruck gebracht hat, die Mängelbeseitigungsarbeiten zeitnah durchführen zu wollen. Im Übrigen hätte sie das sie treffende Beweisrisiko durch Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens vor Inanspruchnahme der Bürgschaft abwenden können.
3. Die Höhe des geltend gemachten Vorschussanspruchs errechnet sich nach den Ausführungen der Beklagten im Termin am 13. Februar 2003 wie folgt:
Die jetzt noch streitbefangene Klageforderung beträgt 15.246,50 DM (7.795,41 €). Davon entfällt ein Teilbetrag von 14.260,54 DM (7.291,30 €) auf die Berufung des Klägers, ein Teilbetrag von 985,95 DM (504,11 €) auf die Anschlussberufung der Beklagten, nämlich die vom Landgericht aberkannten Kosten des Materials (Position 2 des Sachverständigengutachtens A.) für die Wandübergänge.
Den der Bürgschaft zugrunde liegenden materiellrechtlichen Anspruch von 20.000,00 DM begründet die Beklagte mit den Kosten der im September 2002 durchgeführten Mangelbeseitigung an drei Lichtkuppeln und einem Wandübergang. Diese beziffert sie unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen A. hierfür angesetzten anteiligen Kosten der Positionen 1, 3 bis 5 auf den Gesamtbetrag von 3.616,00 DM, von dem ein anteiliger Betrag von 416,00 DM (13 %) auf die Positionen 4 und 5 entfällt. Von diesen Kosten fordert der Kläger allerdings nur Rückzahlung in Höhe von 75 %, das sind 2.712,00 DM.
Einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 5.014,05 DM macht die Beklagte als Schadensersatzanspruch für ein vorgerichtlich eingeholtes Privatgutachten geltend, von dem 75 % und damit 3.760,54 DM streitbefangen sind.
Werden die genannten Beträge von 2.712,00 DM und 3.760,54 DM von dem mit der Berufung geltend gemachten Betrag von 14.260,54 DM abgesetzt, so verbleibt ein Betrag von 7.788,00 DM (3.981,94 €), den die Beklagte entsprechend der Aufschlüsselung im Termin am 13. Februar 2003, auf die Bezug genommen wird, als Kostenvorschuss für die Sanierung weiterer 10 Lichtkuppeln und zweier Wandübergänge (ohne Materialkosten) fordert. Da dieser Anspruch erloschen ist, ist der Rückgewähranspruch des Klägers insoweit begründet.
4. Zinsen stehen dem Kläger derzeit für den nachgewiesenen (Anlage K 17) Zeitraum in der nachgewiesenen Höhe von 1.711,99 DM (875,33 €) zu, das sind 52,5 % der in dem Darlehensvertrag ausgewiesenen Zinsen für die Inanspruchnahme von Bankkredit bis zum 30. Juni 2002. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Hätte die Beklagte die Gewährleistungsbürgschaft jedenfalls in Höhe des Teilbetrages von 10.500,00 DM (75 % der von dem Sachverständigen A. ermittelten Netto-Kosten ohne Pos. 2) nicht zu Unrecht in Anspruch genommen, hätte der Kläger entsprechende Kreditzinsen nicht aufwenden müssen. Das gilt nicht nur in Bezug auf den Betrag von 7.788,00 DM, den die Beklagte heute noch im Wege des Vorschusses begehrt, sondern auch hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 2.712,00 DM, die erst mit der durchgeführten Mangelbeseitigung im September 2002 einen Anspruch der Beklagten auf Verwertung der Bürgschaft begründeten. Der zuvor auch insoweit geltend gemachte Kostenvorschussanspruch war zu diesem Zeitpunkt längst erloschen.
Die Tatsache, dass die Beklagte vorübergehend vorschussberechtigt gewesen ist, befreit sie auch nicht teilweise von der Zinspflicht. Ein Besteller, der den Vorschuss nicht zweckgerecht verwandt und ihn daher dem Unternehmer zurückzugewähren hat, kann aus seiner Vertragsuntreue nicht noch Vorteile ziehen. Das würde aber eintreten, wenn man ihn – auch nur vorübergehend – von der vollen Zinslast befreien wollte (OLG Köln BauR 1988, 483, 485).
Der weitergehende Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB a.F.
II.
Die Anschlussberufung, die allein einen Teilbetrag von 504,11 € der Position 2 des Gutachtens A., nämlich Materialkosten für die Mangelbeseitigung an den drei Wandübergängen betrifft, war aus den Gründen zu Ziff. I in Höhe von 336,07 € zurückzuweisen. Dieser Betrag entfällt anteilig auf den geltend gemachten, aber inzwischen erloschenen Kostenvorschussanspruch für die beiden noch nicht sanierten Wandübergänge.
III.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Entscheidung für die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.