Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 09.04.2020, Az.: L 8 SO 270/19 B ER
Vorläufige Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII; Erhalt zurückzuzahlender Zuwendungen; Substituierung rechtswidrig vom Leistungsträger abgelehnter Leistung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.04.2020
- Aktenzeichen
- L 8 SO 270/19 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 47791
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 22.10.2019 - AZ: S 33 SO 28/19 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
- § 19 Abs. 2 SGB XII
- §§ 41 ff. SGB XII
Fundstellen
- SAR 2020, 86-93
- ZfF 2022, 126
- ZfSH/SGB 2020, 532-537
- info also 2020, 288
- info also 2021, 191-192
Redaktioneller Leitsatz
Tatsächliche Leistungen in Geld oder Geldeswert sind grundsätzlich Einkommen; dies gilt nicht für zurückzuzahlende Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Leistungsträger abgelehnte Leistung wegen der Ablehnung bis zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes substituieren.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 22. Oktober 2019 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig laufende Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 16.9.2019 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren S 33 SO 75/19, längstens bis zum 30.6.2020, zu gewähren. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig weiterhin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII zu bewilligen. Streitig ist, ob zwischen dem Antragsteller und der mit ihm in einer Wohnung lebenden Frau C. D. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht.
Der 1943 geborene Antragsteller und die 1955 geborene Frau D. lebten von 1986 bis in die späten 1990er Jahre in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Aus der Beziehung gingen vier im Zeitraum von 1988 bis 1993 geborene gemeinsame Kinder hervor. Frau D. hat zudem aus ihrer Ehe zwei Söhne (geb. 1979 bzw. 1982). Nach Angaben des Antragstellers zog Frau D. 1998 ohne den ältesten Sohn mit fünf der Kinder von E. - wo sie und der Antragsteller zuletzt bereits getrennt gewirtschaftet hätten - nach F. um. Der Antragsteller zog 1999 in denselben Ort und bewohnte dort bis Anfang Juni 2018 eine knapp 30 qm große 1-Zimmer-Wohnung. Er hatte weiter guten Kontakt und Umgang mit den Kindern. Frau D. hatte wechselnde Beziehungen und zog mehrfach in F. um, bevor sie zu einem Lebensgefährten nach G. zog. Im Jahr 2012 kehrte sie erstmals wegen Problemen mit dem Lebensgefährten in G. nach F. zurück, wo sie zwei Monate bei dem Antragsteller wohnte. Obwohl dieser ihr eine Wohnung besorgte, ging sie auf Drängen ihres damaligen Lebensgefährten wieder zu ihm nach G ... Nachdem diese Beziehung endgültig gescheitert war, stand Frau D. - so der Antragsteller - im Oktober 2014 wieder "fix und fertig" vor der Haustür des Antragstellers. Er nahm sie auf und sie wohnte in der Folgezeit bei ihm, wobei die Tochter H. sie jeweils über zwei Wochenenden im Monat zu sich nach I. holte. Nach dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II bezog der Antragsteller ab Juni 2008 eine geringe Regelaltersrente und ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII vom Antragsgegner. Nachdem der Antragsteller dem Antragsgegner die Anmietung einer Wohnung für eine 3er - WG mit Frau D. als Haupt- sowie ihm und einer Frau J. als Untermieter angekündigt hatte und der Antragsgegner mündlich zugestimmt hatte, schloss Frau D. - vertreten durch den Antragsteller als rechtlichen Betreuer - am 11.4.2018 einen Mietvertrag über eine ca. 143 qm große 5-Zimmer-Wohnung für eine Warmmiete von 820,00 EUR in F ... Das Mietverhältnis begann am 1.6.2018. Am 23.4.2018 schlossen Frau D., die den Vertrag selbst unterzeichnete, und der Antragsteller einen Untermietvertrag über einen 19 qm großen Wohnraum mit anteiliger (1/3) Nutzung der gemeinschaftlich genutzten Räume für einen pauschalen Warmmietzins von 270,00 EUR, ebenfalls beginnend am 1.6.2018. Ein entsprechender Untermietvertrag wurde mit Frau J. geschlossen. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheiden vom 31.5.2018 für die Monate Mai und Juni 2018 und vom 1.6.2018, geändert durch Bescheid vom 26.2.2019, für den Zeitraum vom 1.7.2018 bis zum 30.6.2019 Grundsicherungsleistungen in Höhe von zuletzt (Juni 2019) 741,53 EUR unter Berücksichtigung der pauschalen Untermietkosten von 270,00 EUR.
Mit MDK-Gutachten vom 27.12.2018 wurde eine Pflegebedürftigkeit der Frau D. nach dem Pflegegrad 3 festgestellt. Es bestehe eine weit fortgeschrittene Demenz mit erheblichen kognitiven Einschränkungen zur eigenen Person, zu Personen im direkten Umfeld sowie zur zeitlichen, örtlichen und situativen Orientierung. Steuern von Handlungsabläufen, Verstehen von Sachverhalten, Treffen von Entscheidungen, Mitteilung von Bedürfnissen und Beteiligung an einem Gespräch seien ihr nicht mehr möglich.
Im Rahmen des durch den Weitergewährungsantrag des Antragstellers vom 2.5.2019 für die Zeit ab 1.7.2019 eingeleiteten Verfahrens legte der Antragsteller seinen am 2.11.2018 ausgestellten Betreuerausweis und ein Schreiben vom 2.2.2019, mit dem er und Frau D. das Untermietverhältnis mit Frau J. - die Frau D. mehrfach beschimpft und bedroht haben soll - fristlos gekündigt worden war, vor. Die Kosten für dieses "Drittel" trägt seither Frau D ... Das von Frau J. bewohnte Zimmer wird seit dem 28.10.2019 von dem gemeinsamen Sohn K. D. bewohnt. Der Antragsteller sprach am Vormittag des 20.6.2019 bei den zuständigen Sachbearbeitern des Antragsgegners vor, am Nachmittag fand ein dabei verabredeter Hausbesuch der Sachbearbeiter in der Wohnung statt. Wegen der Ergebnisse wird auf den dazu gefertigten Aktenvermerk vom 20.6.2019 verwiesen. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit, nach dem Ergebnis des Hausbesuchs und des Gesprächs sei davon auszugehen, dass er zusammen mit Frau D. in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und sie zu seiner Bedarfsgemeinschaft gehöre. Er habe daher Nachweise über das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen der Frau D. vorzulegen. Der Antragsteller wies mit ausführlicher Stellungnahme vom 10.7.2019 - auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird - "entschieden zurück", mit Frau D. eine eheähnliche Gemeinschaft zu bilden. Er sei lediglich ihr Betreuer und pflege sie. Frau D. sei nicht fähig, für ihn da zu sein, es gebe kein füreinander einstehen. Mit Bescheid vom 23.7.2019 lehnte der Antragsgegner den Weitergewährungsantrag ab. Aufgrund des Hausbesuchs sei eine eheähnliche Gemeinschaft zu unterstellen. Es seien daher Nachweise über Einkommen- und Vermögen der Frau D. erforderlich. Diese habe der Antragsteller unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten nicht vorgelegt, sodass seine Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden könne und der Antrag abzulehnen sei. Den dagegen unter persönlicher Vorsprache (auf die diesbezüglichen Aktenvermerke vom 30.7. und 20.8. und 22.8.2019 wird verwiesen) erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2019 zurück.
Daraufhin hat der Antragsteller am 16.9.2019 bei dem Sozialgericht (SG) Stade Klage - S 33 SO 75/19 - erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es sei anhand einer Güter- und Folgenabwägung zu seinen Gunsten zu entscheiden. Es bestehe keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen ihm und Frau L. h. Es fehle bereits an einer partnerschaftlichen Beziehung. Es gebe keinen intimen Kontakt zwischen ihnen, Frau D. habe in der Vergangenheit diverse Beziehungen zu anderen Partnern gehabt. Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft bestehe nicht, sie wirtschafteten getrennt und sorgten jeweils selbst für ihren Unterhalt. Sie hätten jeweils ihr Mobiliar aus eigenen Mitteln bezahlt. Er habe einen Untermietvertrag für die von ihm bewohnten Räumlichkeiten, die er auch eigenständig sauber halte. Frau D. werde von der gemeinsamen Tochter H. unterstützt, eine weitere Frau bade und pflege sie entgeltlich. Er treffe für Frau D. lediglich die aus pflegerischer Sicht und als Betreuer erforderlichen Entscheidungen. Wegen ihrer Demenz könne Frau D. keinen Einfluss auf vermeintlich gemeinsame Angelegenheiten nehmen. Sie falle mit dieser Erkrankung als Lebenspartnerin weg, weil sie keine Sorgen und Nöte eines Partners teilen könne, geschweige denn mit ihm Pläne schmieden und Entscheidungen treffen. Es fehle an dem für eine Verantwortungsgemeinschaft erforderlichen Willen, füreinander einzustehen. Eine durch freundschaftliche Beziehungen geprägte Wohn-/ Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft genüge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für eine eheähnliche Gemeinschaft. Maßgeblicher Anlass für den Umzug in eine Wohnung seien die persönliche Situation und die zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigung der Frau D. gewesen. Es gebe kein gemeinsames Schlafzimmer und die persönlichen Sachen bewahre jeder in seinem Zimmer auf. Ohne die Grundsicherungsleistungen sei er in einer existenziellen Notlage. Wie sich aus dem vorgelegten Schreiben seines Freundes M. N. vom 21.9.2019 ergebe, erhalte er von diesem seit August 2019 leihweise zur Überbrückung mtl. 100,00 bis 150,00 EUR für Strom und Lebensmittel sowie zusätzlich Geld zur Bezahlung seiner Krankenkassenbeiträge. Er besorge auch den gesamten Wocheneinkauf für Frau D., den diese allein bezahle. Er - der Antragsteller - fahre dann bei Herrn N. mit und mache seine eigenen Einkäufe.
Der Antragsgegner hat erwidert, ein intimer Kontakt sei für eine eheähnliche Gemeinschaft nicht erforderlich. Die beiden wirtschafteten zusammen. Die Vorräte seien nicht getrennt, der Antragsteller kaufe wöchentlich für beide ein. Der Untermietvertrag sei unerheblich. Sie lebten ohne die für eine Wohngemeinschaft übliche Privatsphäre zusammen. Der Antragsteller sei auch weit über das für einen Betreuer übliche Maß für Frau D. tätig. Er bereite ihr sämtliche Mahlzeiten zu, mache ihr morgens die Haare, schneide ihr bei Bedarf auch die Nägel und stehe auch nachts auf, wenn Frau D. den Weg zur Toilette nicht finde. Es fänden gemeinsame Familientreffen mit den Kindern statt. Der Antragsteller selbst habe das Zusammenleben so geschildert, wie dasjenige zweier Partner, von denen einer gepflegt werden müsse. Auch im Pflegegutachten sei von dem Antragsteller als Lebenspartner die Rede gewesen.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 22.10.2019 abgelehnt. Nach summarischer Prüfung unter Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände bestehe zwischen dem Antragsteller und Frau D. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau D. nicht bekannt seien und der Antragsteller als ihr Betreuer dazu keine Unterlagen vorgelegt habe, sei ein Grundsicherungsanspruch des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht. Die Situation der beiden sei aufgrund der Demenzerkrankung der Frau D. und der damit einhergehenden Einschränkung oder sogar Aufhebung der Fähigkeit des willensgesteuerten Handelns eine besondere, die sich nicht ohne Weiteres unter den Begriff der eheähnlichen Lebensgemeinschaft subsummieren lasse. Maßgeblich für die Bewertung durch das Gericht sei, dass sich aus der konkreten Wohn- und Lebenssituation und der gemeinsamen Vorgeschichte auf eine tiefe innere Bindung und ein enges Vertrauensverhältnis schließen lasse. Anders sei die gelebte Wohnform nicht vorstellbar. Zwar sei aufgrund der Demenzerkrankung der Frau D. nur noch eine einseitig vom Willen des Antragstellers gesteuerte Beziehung möglich und nicht eine zwischenmenschliche Beziehung wie unter Gesunden. Es müsse in einem solchen Fall auf die gemeinsame Vorgeschichte und die Gestaltung des gemeinsamen Lebens zu der Zeit abgestellt werden, in der die Erkrankung noch nicht so weit fortgeschritten sei. Wenn es sich um eine eheähnliche Lebensgemeinschaft gehandelt habe, bestehe diese fort, auch wenn der eine Partner krankheitsbedingt praktisch ausfalle. Hier sei davon auszugehen, dass Frau D. nicht gegen ihren Willen mit dem Antragsteller in einer Wohnung lebe, sondern sich selbst im Einvernehmen mit dem Antragsteller in die Wohnung begeben habe. Der Antragsteller hebe sich auch nicht wegen ihrer demenzbedingten Hilflosigkeit von ihr getrennt, sondern kümmere sich aus innerer Zuneigung und Verbundenheit weiter um sie.
Der Antragsteller hat am 11.11.2019 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er und Frau D. seien keine eheähnliche Lebensgemeinschaft, sondern nur eine Wohngemeinschaft vergleichbar einer Alters-WG. Sie seien schon länger als 20 Jahre kein Paar mehr und nur noch freundschaftlich verbunden. Nachdem sie 2014 wieder vor seiner Tür gestanden habe, habe er nach einer Wohnung für sie gesucht. Sie habe aber keine Wohnung allein für sich haben wollen, sodass sie bis Juni 2018 bei ihm gewohnt habe. Angesichts ihrer zunehmenden Erkrankung sei es dann wegen der Bitten der Kinder, sich um sie zu kümmern und so die Unterbringung in einem Pflegeheim zu vermeiden, zum gemeinsamen Bezug der neuen Wohnung - auf Wunsch der Frau Reich noch mit ihrer damaligen Freundin Frau J. - gekommen. Er habe die Betreuung von Frau D. nur auf Drängen der Kinder und als sozial engagierter Mensch aus gesellschaftlicher Verantwortung übernommen. Die ehemalige Partnerschaft habe nichts damit zu tun gehabt. Sein langjähriger Freund M. N., der ihn täglich besuche und samstags mit seiner Ehefrau immer für ihn und Frau D. einkaufe, könne bezeugen, dass er und Frau D. nicht gemeinsam wirtschaften und keine eheähnliche Beziehung haben. Es gebe weder einen gemeinsamen Tagesablauf noch eine gemeinsame Freizeitgestaltung. Dies könne die Tochter H. D., die sich täglich um Frau D. kümmere, bezeugen. Es handele sich um eine reine Wohngemeinschaft. Jeder führe sein Leben und finanziere sich selbst. Ein eheähnliches Verhältnis bestehe nicht, wie auch ihre Kinder K., H. und O. am 28.10.2019 schriftlich erklärt hätten. Dass durch den Ausbau der Zimmertüren keine klare räumliche Trennung in der Wohnung bestehe, sei auf die Demenzerkrankung der Frau D. zurückzuführen, die sich bei verschlossenen Türen nicht zurechtgefunden habe. Dass sie getrennt wirtschafteten werde auch dadurch deutlich, dass Frau D. ihre Einkünfte in Gestalt von Witwenrenten von ca. 1.600,00 EUR und 300,00 EUR zur Regulierung ihrer Schulden und für ihren eigenen Lebensunterhalt verwende. Er - der Antragsteller - habe als Freund und später als Betreuer die inzwischen abgeschlossene Schuldenregulierung übernommen, dabei aber keinerlei eigene Mittel eingesetzt. Er werde nach wie vor nicht von Frau D. finanziell unterstützt. Er erhalte von seinem Freund M. N. zur Überbrückung Darlehen, seit Januar 2020 in Höhe von nur noch 150,00 EUR monatlich. Von seinem Sohn O. D. erhalte er seit Januar 2020 Darlehen von monatlich 212,23 EUR zweckgebunden für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Vom 1.7. bis 31.12.2019 habe M. N. diese Beiträge darlehensweise übernommen, ihm habe er im Februar 2020 einen Betrag von 500,00 EUR (Erlös aus dem Verkauf von zwei Reservistenkrügen aus der Kaiserzeit) zurückgezahlt.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 22.10.2019 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig vom 16.9.2019 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Es sei nach wie vor eine eheähnliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit Frau D. zu vermuten. Sie lebten seit 2014 gemeinsam in einer Wohnung. Zunächst hätten sie auf engstem Raum zusammengewohnt und sich dann eine gemeinsame Wohnung gesucht. In einem persönlichen Gespräch habe der Antragsteller die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung auch als eigenen Wunsch dargestellt. Er habe zum Ausdruck gebracht, nicht zu wollen, dass Frau D. in ein Pflegeheim komme. Der Antragsteller und Frau D. seien durch ihre gemeinsame Vergangenheit untrennbar miteinander verbunden und es sei bezeichnend, dass sie sich nach Trennung von ihrem Partner ihm Jahre 2014 hilfesuchend an ihn gewandt und er sie aufgenommen habe, um seither wieder ein gemeinsames Leben mit ihr zu führen. Der Einzug des Sohnes K. D. in die Wohnung, die Darlehen des Herrn N. und des Sohnes O. D. sowie der Verkauf der Reservistenkrüge würfen Fragen auf; insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 31.3.2020 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - juris) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Art. 19 Abs. 4 GG stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn wie hier ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda).
Ob der Antragsteller einen Anspruch auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. § 41 ff. SGB XII gegen den Antragsgegner hat, ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand offen. Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII haben Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (nur) Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Einkommen und Vermögen des nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII übersteigen, zu berücksichtigen. Nach § 20 Satz 1 SGB XII dürfen Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden als Ehegatten.
Hinreichend klar ist zwar, dass der vermögenslose und nur über eine sehr geringe Rente (Stand Mai 2019: 166,77 EUR) verfügende Antragsteller dann (weiter) einen Anspruch auf seine Existenz fast vollständig sichernde Grundsicherungsleistungen in Höhe von regelmäßig ca. 700,00 EUR (nach dem letzten Bewilligungsbescheid vom 1.6.2019: 713,59 ) hat, wenn die streitige Frage, ob er mit Frau D. in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (was die Berücksichtigung ihres den eigenen Lebensunterhalt übersteigenden Einkommens bei der Beurteilung seiner dann wohl nicht gegebenen Hilfebedürftigkeit zur Folge hätte) zu verneinen ist. Als Einkommen ist gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Satz 1 und § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lediglich die Rente des Antragstellers zu berücksichtigen. Der von ihm im Februar 2020 aus dem Verkauf von zwei Reservistenkrügen aus der Kaiserzeit erzielte Erlös in Höhe von 500,00 EUR ist hingegen als bloße Umschichtung von Vermögen kein Einkommen (vgl. Schmidt in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 82 Rn. 26 a.E.). Die von seinem Freund M. N. und seinem Sohn O. D. zur Überbrückung gezahlten Darlehen sind ebenfalls nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Tatsächliche Leistungen in Geld oder Geldeswert sind zwar grundsätzlich als Einkommen zu qualifizieren (BSG, Urteil vom 24.2.2016 - B 8 SO 13/14 R - juris Rn. 27; zum SGB II: BSG, Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - juris Rn. 17). Etwas anderes gilt aber für zurückzuzahlende Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Leistungsträger abgelehnte Leistung wegen der Ablehnung bis zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes substituieren. Bereits zum BSHG war anerkannt, dass die Hilfe eines Dritten den Sozialhilfeanspruch dann nicht ausschließt, wenn der Dritte vorläufig - gleichsam anstelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (vgl BVerwG vom 23.6.1994 - 5 C 26/92 - BVerwGE 96, 152; BVerwGE 94, 127; 90, 154; 26, 217). Dem sind der 14. und 4. Senat des BSG gefolgt (vgl. nur BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R - juris Rn. 16 m.w.N.). Der Antragsteller hat unter Vorlage schriftlicher Erklärungen der beiden vorgenannten Darlehensgeber glaubhaft gemacht, dass ihre finanziellen Zuwendungen allein seiner momentanen Mittellosigkeit geschuldet sind und Leistungen zur Substituierung der bislang nicht gezahlten Leistungen des Antragsgegners darstellen.
Ob die streitige eheähnliche Gemeinschaft besteht, ist allerdings nicht hinreichend geklärt und nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand als offen zu beurteilen. Die insoweit erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts durch insbesondere eine persönliche Befragung des Antragstellers, der involvierten Kinder und des Freundes M. N. ist - zumal in Zeiten von Corona - im vorliegenden Eilverfahren nicht möglich, sie ist dem Klageverfahren vorbehalten.
Eine eheähnliche Gemeinschaft ist eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - juris Rn. 95 ff.). Die erforderliche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist nur bei solchen Gemeinschaften gegeben, in denen die Bindungen der Partner einer Gemeinschaft so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen von nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992, a.a.O. Rn. 104; BSG, Urteil vom 17.10.2002 - B 4 AL 96/00 R - und vom 27.2.2008 - B 14 AS 23/07 R -, beide in juris). Es muss sich um Partner handeln, die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben (objektive Voraussetzungen), und zwar so, dass nach verständiger Würdigung (als subjektive Voraussetzung) der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (BSG, Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - juris). Die letzteren Voraussetzungen, die problematischen inneren Tatsachen, sind häufig nur anhand von Indizien (Hinweistatsachen) feststellbar. Es ist anhand von objektiv vorliegenden Tatsachen zu ermitteln, ob der Schluss auf eine innere Bindung im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft gerechtfertigt ist. Der Katalog der zur Feststellung des Einstandswillens heranzuziehenden Hilfstatsachen ist nicht abschließend und in der Praxis breit aufgefächert (Voelzke in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 20 SGB XII, Stand: 13.2.2020, Rn. 20 ff. m.w.N. mit einer Aufzählung von Indizien Rn. 38). Es ist ohne festgelegte Beweisregeln durch eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, ob die Hilfstatsachen den Schluss auf die maßgebenden inneren Tatsachen zulassen. Weder das Vorliegen einzelner Merkmale noch das Fehlen bestimmter Hilfstatsachen führt zwingend zu einer bestimmten Schlussfolgerung hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Entscheidend ist das Gesamtbild der Indizien (Voelzke, a.a.O. Rn. 40). Die materielle Beweislast für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft liegt bei dem Träger der Sozialhilfe (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 20 Rn. 16; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider,§ 20 Rn. 23 jeweils m.w.N.; vgl. auch Voelzke, a.a.O. Rn. 57: "Den Sozialhilfeträger trifft auch die Feststellungslast für das Vorliegen des Einstandswillens der Partner."). Davon ausgehend lässt eine Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes zwar die von dem Antragsgegner geäußerte und zur Grundlage seiner Entscheidung gemachte Vermutung zu, dass der Antragsteller in eheähnlicher Gemeinschaft mit Frau Reich lebt. Es ist jedoch ebenso möglich, dass eine eheähnliche Gemeinschaft nicht besteht. Der Senat entscheidet daher aufgrund einer Folgenabwägung, die wegen des Gewichts der dem Antragsteller durch die völlige Versagung existenzsichernder Grundsicherungsleistungen drohenden schweren Grundrechtsverletzung - es geht um die Wahrung der Würde des Menschen, Art. 1 Abs. 1 GG - zu Gunsten des Antragstellers ausgeht Der Antragsteller und Frau D. leben partnerschaftlich zusammen. Von der dafür erforderlichen "gewissen Ausschließlichkeit" (BSG, Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - juris) ihrer Beziehung ist auszugehen, weil sie seit Oktober 2014 in einer Wohnung zusammenleben leben (bis Juni 2016 in einer kleinen 1-Zimmer-Wohnung) und die Gesamtumstände sowie das Vorbringen des Antragstellers keinerlei Anhaltspunkte für ähnlich gleichgewichtige oder andere partnerschaftliche Beziehungen bieten. Eine auch sexuelle Beziehung ist nicht erforderlich. Die Bindung der beiden ist, wie schon ihr Zusammenleben seit 2014 ohne vorgetragene oder sonst ersichtliche Trennungsabsicht zeigt, auch auf Dauer angelegt. Sie bilden auch in einer der Ehe vergleichbaren Weise - wie in einer Ehewohnung - eine häusliche Gemeinschaft, in der der Antragsteller Frau D. helfend, versorgend und pflegend zur Seite steht. Die Exklusivität und die familiäre Prägung des gemeinsamen Wohnens ist insbesondere dadurch zum Ausdruck gekommen, dass die beiden auch nach dem Auszug der Mitbewohnerin Frau J. im Februar 2019 trotz der damit verbundenen Mehrkosten für Frau D. weiter zunächst zu zweit und seit 28.10.2019 zusammen mit dem gemeinsamen Sohn K. D., der seither das ehemals von Frau J. bewohnte Zimmer kostenlos bewohnt, weiter in der Wohnung wohnen.
Ob der Antragsteller und Frau D. eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, also "aus einem Topf wirtschaften" (wesentliches Vergleichselement zwischen Ehe und eheähnlicher Gemeinschaft, vgl. Voelzke, a.a.O. Rn. 28), ist allerdings zweifelhaft und bedarf weiterer Aufklärung. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der gemeinsame Einkauf bestimmter gemeinsam genutzter Artikel des täglichen Lebens (Nahrungsmittel, Reinigungs- und Sanitärartikel) genügt allein nicht, weil eine derartige Deckung von Grundbedürfnissen auch in reinen Wohngemeinschaften durchaus üblich ist. Erforderlich ist die gemeinsame Haushaltsführung und das gemeinsame Bestreiten der Kosten des Haushalts, wobei es nicht zwingend auf gleichwertige Beiträge ankommt. Vielmehr genügt eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Beiträge zum Wohl des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligung an der Haushaltsführung einerseits von der wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner und andererseits von den individuellen Absprachen abhängig ist (vgl. Voelzke, a.a.O., Rn. 28, 29). Der Antragsteller bestreitet vehement, mit Frau D. aus einem Topf zu wirtschaften. Dafür, dass er und Frau D. getrennt wirtschaften, spricht in der vorliegenden besonderen Konstellation, in der der Antragsteller gemeinsam mit der Tochter H. D. insoweit als rechtlicher Betreuer auch für Frau D. handelt, dass ein gemeinsames Wirtschaften keinen Sinn machen würde, weil es - was dem Antragsteller sehr bewusst ist - zu dem Verlust seines Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen führen würde. Er dürfte auch seinen Pflichten als Betreuer nicht gerecht werden, wenn er keine wirtschaftliche Trennung vornimmt. Aus seiner sicherlich vorhandenen emotionalen Verbundenheit mit Frau D. sowie seiner Pflege, Verantwortungsübernahme und Hilfe für sie kann nicht ohne weiteres auf ein gemeinsames wirtschaften geschlossen werden. Bei dem Hausbesuch hat der Antragsteller zwar seine emotionale Beteiligung und umfangreiche Unterstützung eingeräumt, zugleich aber betont, sie hätten getrennte Kassen. Der Antragsteller und Frau D. haben jeder für sich ein Girokonto, ein Gemeinschaftskonto existiert offenbar nicht. Möbel - so hat der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen - hat jeder für sich gekauft. Die Wohnung wurde nicht gemeinsam angemietet, sie ist Hauptmieterin, er Untermieter. Größere gemeinsame Anschaffungen (mit Ausnahme einer Waschmaschine) oder andere gemeinschaftliche finanzielle Verpflichtungen sind nicht ersichtlich. Die naheliegende - aber auch unter Benennung des M. N. als Zeugen bestrittene - gemeinschaftliche Finanzierung von Lebensmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikel und dergleichen begründet, wie ausgeführt, noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Dies gilt umso mehr, als Frau D. wegen ihrer Demenzerkrankung außerstande ist, selbst einzukaufen.
Es gibt zwar eine Reihe von Indizien, die für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft des Antragstellers mit Frau D. sprechen, wobei hauptsächlich ihre gemeinsame Vorgeschichte (ca. zehnjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft bis jedenfalls Mitte der 1990er Jahre, aus der vier gemeinsame Kinder hervorgegangen sind), das enge Zusammenleben der beiden in einer Wohnung seit Oktober 2014 zunächst in der 1-Zimmer-Wohnung des Antragstellers und seit Juni 2018 auch in der 5-Zimmer-Wohnung (das Zimmer der Frau D. ist nur über das Durchgangszimmer des Antragstellers, welches wohl auch zu gemeinsamen Wohnzwecken genutzt wird, erreichbar) und sich daraus ergebende emotionale Verbundenheit der beiden zu nennen sind. An dem Willen des Antragstellers, für Frau D. Verantwortung zu übernehmen und für sie einzustehen, bestehen keine Zweifel. Er hat sich nach seinem eigenen Vorbringen seit Oktober 2014 (wieder) um sie gekümmert. Er hat sie bei sich aufgenommen, (mit ihrem Geld) ihre Schulden reguliert, und sie offenbar einhergehend mit der Verschlimmerung ihrer Demenzerkrankung bis hin zur heutigen weitgehenden Hilflosigkeit immer umfassender betreut und versorgt. Dies zeigt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - eine tiefe innere Zuneigung und Verbundenheit mit Frau D., die über seine Stellung als ihr rechtlicher Betreuer weit hinausgeht und ein Einstehen für sie in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwarten lässt. Zweifel an der erforderlichen Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ergeben sich hier aber daraus, dass der gemeinsame Wille, für einander Verantwortung zu übernehmen und füreinander einzustehen, erforderlich ist. Das gegenseitige Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens muss erwartet werden können. Frau D. kann sich aufgrund ihrer schweren Demenzerkrankung keinen solchen Willen mehr bilden, sie kann keinerlei Verantwortung für den Antragsteller übernehmen und nicht für ihn einstehen. Der Einwand des Antragsgegners in seinem Widerspruchsbescheid vom 4.9.2019, das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 20.11.1984 - 5 C 17/84 - BVerwGE 70, 278 und juris) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Bay. VGH, Urteil vom 27.7.1989 - 12 B 87.00612 - FEVS 39, 98) hätten entschieden, dass eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht Ehegatten seien, auch dann eine eheliche Gemeinschaft seien, wenn der eine Partner pflegebedürftig sei, der andere Partner die erforderliche Pflege übernehme und diese Umstände das Zusammenleben der Partner prägen (so der Leitsatz des Urteils des BVerwG), greift nicht durch. In beiden Fällen war die Fähigkeit des gepflegten Partners zum willensgesteuerten Handeln nicht berührt, er war geschäftsfähig. Darüber hinaus war seinerzeit die eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft der Partner verlangende Entscheidung des BVerfG vom 17.11.1992, a.a.O., noch nicht ergangen. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangte "lediglich" eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (Wirtschaften "aus einem Topf"), auf innere Bindungen kam es nicht an (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20.11.1984, a.a.O., Rn. 9). Zudem war in den vom BVerwG und dem Bay. VGH mit den vorgenannten Urteilen entschiedenen Fällen - anders als hier - nicht streitig, dass die Partner "aus einem Topf" wirtschafteten; streitig war lediglich die jeweils verneinte Frage, ob die Prägung des Zusammenlebens durch die Pflege der Bewertung als eheähnlicher Gemeinschaft entgegenstand. Das SG hat die Problematik, dass Frau D. wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz "eine aktive Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen nicht mehr gelingen kann", durchaus erkannt und ausgeführt, in einem solchen Fall sei auf die jeweilige gemeinsame Vorgeschichte und die Gestaltung des gemeinsamen Lebens in einer Zeit abzustellen, als die Krankheit noch nicht so weit fortgeschritten sei. Wenn die bewusst gewählte Lebensform diejenige einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei, bestehe diese fort, auch wenn der eine Partner krankheitsbedingt praktisch ausfalle. Das ist im Ansatz plausibel, weil damit praktisch eine parallele Bewertung zur ehelichen Partnerschaft - gegenüber der eine Besserstellung ja vermieden werden soll - vorgenommen wird, bei denen ohne weiteres ein Fortbestand der sie prägenden Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft anzunehmen ist, wenn ein im gleichen Haushalt lebender Partner dement wird und der andere Partner ihn pflegt. Allerdings überzeugt diese Parallelwertung den Senat letztlich deshalb nicht, weil sie den insoweit entscheidenden Unterschied nicht berücksichtigt, dass bei schwerer Demenz eines Ehepartners (wenn der andere Partner sich nicht trennt) die Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft des Ehepaares durch die Ehe, insbesondere durch die gegenseitige Unterhaltspflicht, fortbesteht. Das BVerfG hat in seinem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 17.11.1992 (a.a.O., Rn. 93 bis 95) ausgeführt: "Wird der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft in § 137 Abs. 2 a AFG demgemäß im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ausgelegt, so ist die Vorschrift auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Einkommensanrechnung nach der Methode der verschärften Bedürftigkeitsprüfung rechtfertigt sich bei Ehegatten zum einen aus der gegenseitigen Unterhaltspflicht und zum anderen aus der Vermutung, dass diese Unterhaltspflicht unter nicht dauernd getrenntlebenden Ehegatten auch tatsächlich erfüllt wird. Für die Partner einer rechtlich nicht geregelten Gemeinschaft bestehen gegenseitige Unterhaltspflichten nicht. Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Angesichts dieses Unterschiedes zwischen Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften war es von Verfassungs wegen nicht geboten, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften und Ehen durch die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG vorzunehmen, um der in der Entscheidung vom 10. Juli 1984 (BVerfGE 67, 186 [BVerfG 10.07.1984 - 1 BvL 44/80]) festgestellten Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften abzuhelfen. Verfuhr der Gesetzgeber jedoch in dieser Weise, durfte er nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar." Da Frau D. zu keiner Willensbildung dahingehend, für den Antragsteller im vorgenannten Sinne Verantwortung zu übernehmen in der Lage ist, bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, ob sie eine - einer Ehe vergleichbare - eheähnliche Gemeinschaft im Sinne der erforderlichen Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bilden.
Der erforderliche Anordnungsgrund, die besondere Eilbedürftigkeit der Sache, ist gegeben. Bei einem Streit um laufende existenzsichernde Leistungen ist regelmäßig für die Zeit ab Eingang des Eilantrages eine besondere Eilbedürftigkeit anzunehmen. Besondere Umstände, die hier eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Der Antragsteller ist dringend auf die Grundsicherungsleistungen angewiesen.
In Ausübung des nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO eröffneten Ermessens wird die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen zeitlich auf das Ende des gesetzlichen regelmäßigen Bewilligungszeitraums von zwölf Kalendermonaten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bis zum 30.6.2020 begrenzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.