Landgericht Lüneburg
Urt. v. 11.08.2000, Az.: 8 S 41/00

Anspruch auf Ersatz von Fahrt- und Übernachtungskosten; Ersatzfähigkeit sog. "nutzloser" Aufwendungen; Reichweite des Mindestschadens bei Schadensersatz wegen Nichterfüllung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
11.08.2000
Aktenzeichen
8 S 41/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2000:0811.8S41.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
Amtsgericht Lüneburg - 02.03.2000 - AZ: 12 C 532/99

Fundstellen

  • AfP 2002, 180
  • NJW 2002, 614 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht
den Richter am Landgericht ... und ...
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 02.03.2000, Az.: 12 C 532/99, wird auf seine Kosten zurückgewiesen

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

3

Das Amtsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der geltend gemachten Fahrt- und Übernachtungskosten verneint.

4

I.

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch aus § 325 Abs. 1 BGB.

5

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte den Ausfall des Konzertes und damit die nachträgliche Unmöglichkeit der von ihr geschuldeten Leistung zu vertreten hat.

6

Sie hat dazu als Grund für das Absetzen des Konzerts eine Erkrankung der Solistin behauptet und diesbezüglich auch Beweis angeboten.

7

Die Beklagte trägt als Schuldnerin der unmöglich gewordenen Leistung gem. § 282 BGB die Beweislast für ihr Nicht-Vertreten-Müssen.

8

Die Klärung der Frage des Vertreten-Müssen kann dennoch dahinstehen, da die von dem Kläger aufgewandten und nun beanspruchten Fahrt- und Übernachtungskosten keinen nach § 325 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schaden darstellen.

9

Bei diesen Kosten handelt es sich um von dem Kläger im Hinblick auf den Vertrag mit der Beklagten getätigte Aufwendungen.

10

Die schadensrechtliche Problematik liegt bei der Frage der Ersatzfähigkeit solcher sog. "nutzloser" Aufwendungen darin, daß diese Aufwendungen bei dem Gläubiger auch im Falle einer ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung angefallen wären: Der Kläger hätte bei Durchführung des Konzertes ebenfalls genau die nun beanspruchten Fahrt- und Hotelkosten aufgewandt.

11

Dem Kläger ist insofern zwar zuzugeben, daß im Bereich der vertraglichen Haftung in der Rechtsprechung anerkannt ist, daß der Schadensersatz wegen Nichterfüllung als Mindestschaden auch die mit dem Vertragsschluß verbundenen (nutzlosen) Aufwendungen umfaßt (BGH NJW 78, 1805 (1806); NJW 83, 442 (443); NJW 87, 831 (834) jeweils m.w.N.).

12

Diese Auffassung beruht jedoch auf einer "Rentabilitätsvermutung": Es wird davon ausgegangen, daß der Geschädigte seine Aufwendungen durch Vorteile, die er aus der Durchführung des vereinbarten Geschäfts gezogen hätte, wieder eingebracht hätte.

13

Der ersatzfähige Schaden liegt daher genau genommen nicht in den getätigten Aufwendungen, sondern in dem Verlust dieser Kompensationsmöglichkeit.

14

Gerade diese Rentabilitätsvermutung kann hier nicht herangezogen werden: Der Kläger verfolgte mit der Fahrt zum Konzertort und den Übernachtungen vor und nach dem Konzert das Ziel, das von der Beklagten geschulderte Konzert nach seinen individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen optimal zu genießen. Für den Kläger bestand gerade keine Möglichkeit, im Sinne der Rentabilitätsvermutung diese für den immateriellen Zweck des optimalen Konzertgenusses aufgewandten Kosten wieder zu erwirtschaften. Insofern spricht auch die Regelung des § 253 BGB gegen eine Erstattung, da der Schaden des Klägers hier allein in der Vereitelung des bezweckten optimalen Konzertgenusses liegt und daher einen immateriellen Schaden darstellt (BGH NJW 87, 831 (834)).

15

Ein Ersatz der Fahrt und Übernachtungskosten kann aus § 325 Abs. 1 BGB auch nicht unter dem Gesichtspunkt erfolgen, daß die Aufwendungen allein im Vertrauen auf die vertragsgemäße Leistung der Beklagten getätigt worden sind. Gem. § 325 Abs. 1 BGB wird die Haftung gerade nicht schon durch ein gesetztes Vertrauen, sondern erst durch spätere Vertragsverletzung ausgelöst. Selbst wenn man jedoch auch aus § 325 Abs. 1 BGB einen Ersatz des Vertrauensschadens entnehmen könnte, so wäre der Kläger entsprechend der Regelungen in §§ 122, 307 BGB auf das Erfüllungsinteresse beschränkt, da er bei enttäuschtem Vertrauen nicht besser gestellt werden kann als bei erfülltem (BGH NJW 83, 442 (443); NJW 87, 831 (835)).

16

II.

Dem Kläger stehen auch keine Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung wegen unterlassener Aufklärung über den Konzertausfall zu. Es kann insofern dahingestellt bleiben, welche Informationsmaßnahmen die Beklagte über den Konzertausfall getroffen hat, da der Kläger Ersatz der Fahrt- und Übernachtungskosten auch bei Vorliegen der von ihm behaupteten Pflichtverletzungen nicht beanspruchen kann bzw. einen kausalen Schaden nicht vorgetragen hat.

17

Selbst wenn der Kläger am Nachmittag des Konzerttages auf seinen Anruf bei dem Veranstaltungsort von dem Ausfall des Konzertes erfahren hätte, wären die geltend gemachten Kosten in gleicher Höhe angefallen, da sich an den Fahrtkosten nichts geändert hätte und er ebenfalls zur Zahlung des im Voraus gebuchten Hotelzimmers verpflichtet wäre. Die Tatsache, daß das Hotel u. U. aus Kulanzgründen auf eine Zahlung bei vorzeitiger Abreise verzichtet hätte, Kann als rein hypothetischer Sachverhalt nicht berücksichtigt werden.

18

Zu der Frage, ob der Kläger im Fall einer Unterrichtung der Vorverkaufsstelle in Köln am 05.10.1999 von seiner Fahrt am darauffolgenden Tag abgesehen hätte, hat sich der Kläger nicht geäußert. Es fehlt an einem schlüssigen Vortrag, daß er im Fall einer Unterrichtung durch die Vorverkaufsstelle die Fahrt nach Hamburg nicht angetreten hätte - obwohl Zimmer gebucht waren und daher bei pflichgemäßem Verhalten der Beklagten zumindest die Fahrtkosten nicht angefallen wären. Ein kausaler Schaden des Klägers ist demnach nicht vorhanden.

19

Unter dem Gesichtspunkt der nutzlosen Aufwendungen kann der Kläger auch aus positiver Forderungsverletzung keinen Anspruch herleiten.

20

Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Insbesondere hat der Kläger auch hier nicht den Anspruch, besser gestellt zu werden, als er bei pflichtgemäßen Verhalten der Beklagten gestanden hatte.

21

Mangels eines ersatzfähigen Schadens kommt es auf die Angemessenheit der getätigten Aufwendungen nicht an.

22

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO.