Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 30.10.2017, Az.: 6 B 118/17
Einstellung; Empfangsbestätigung; Rücknahmefiktion
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 30.10.2017
- Aktenzeichen
- 6 B 118/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53988
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 33 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Wird die Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG durch Postzustellungsurkunde mittels persönlicher Übergabe zugestellt, liegt mit der Postzustellungsurkunde eine Empfangsbestätigung im Sinne des § 33 Abs. 4 AsylG vor.
Gründe
I.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben sudanesischer Staatsangehöriger, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen sein Asylverfahren einstellenden Bescheid der Antragsgegnerin.
Er stellte bei der Antragsgegnerin am 20. Juli 2015 einen Asylantrag. Mit Schreiben vom 24. Februar 2017 und unter Vorlage einer vom Antragsteller unterzeichneten Vollmacht legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin und erbat Akteneinsicht.
Mit an den Prozessbevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 18. Juli 2017 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller für den 22. August 2017 zur persönlichen Anhörung.
Mit weiterem, ebenfalls an den Prozessbevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 29. August 2017 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller zur persönlichen Anhörung unentschuldigt nicht erschienen sei. Ferner forderte sie auf, binnen Monatsfrist die Asylgründe sowie Umstände, die einer Rückkehr des Antragstellers in sein Heimatland entgegenstünden und/oder im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen wären, mitzuteilen. Das Schreiben enthielt unter anderem folgende Belehrung: „Ihr Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn Sie das Verfahren nicht betreiben oder wenn Sie während des Verfahrens in Ihren Herkunftsstaat reisen; wann ein Nichtbetreiben vermutet wird, bestimmt das Gesetz. In diesen Fällen stellt das Bundesamt das Asylverfahren ein und entscheidet ohne weitere Anhörung nach Aktenlage, ob Abschiebungsverbote bestehen.“ In dem Schreiben war zudem unter anderem der Wortlaut des § 33 Abs. 1, Abs. 3 AsylG abgedruckt. Das Schreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten gegen Postzustellungsurkunde übersandt. Nach der Postzustellungsurkunde wurde das Schreiben dem Adressaten unter der Zustellungsanschrift persönlich am 4. September 2017 übergeben.
Mit Bescheid vom 26. September 2017 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Asylantrag des Antragstellers als zurückgenommen gelte und stellte das Asylverfahren ein (Ziffer 1 des Bescheides), traf ferner die Feststellung, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2 des Bescheides), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen und drohte dem Antragsteller die Abschiebung in den Sudan an (Ziffer 3 des Bescheides) und befristete überdies das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4 des Bescheides). Auf die Gründe des Bescheides wird verwiesen.
Gegen diesen Bescheid, der ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin am 26. September 2017 per Einschreiben zur Post gegeben wurde, hat der Antragsteller am 12. Oktober 2017 Klage erhoben (6 A 607/17), über die noch nicht entschieden ist, und um den hier streitgegenständlichen einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO i.V.m. § 75 AsylG zulässige Antrag ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an einer Vollziehung des angefochtenen Bescheides überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage anordnen. Bei dieser vom Gericht zu treffenden Entscheidung sind die einander widerstreitenden beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens besondere Bedeutung zu. Je größer die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, desto geringer sind die an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu stellenden Anforderungen. Demgemäß kommt dem öffentlichen Interesse ein umso geringeres Gewicht zu, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 80, Rn. 158 ff. m.w.N.).
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung, denn die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Der angefochtene Bescheid ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig anzusehen. Ein Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wobei das Nichtbetreiben vermutet wird, wenn er einer Ladung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist (§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Die Vermutung greift jedoch nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte (§ 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG). Im vorliegenden Fall erschien der Antragsteller trotz Ladung nicht zur Anhörung und entschuldigte seine Abwesenheit auch nicht, weshalb eine Vermutung für das Nichtbetreiben besteht.
Die Ladung zur Anhörung erfolgte, was Voraussetzung für die Vermutung des Nichtbetreibens ist (vgl. GK-AsylG, Stand Juni 2017, § 33, Rn. 51 f.), auch ordnungsgemäß. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Ladung nicht zugegangen wäre und der Antragsteller aus diesem Grunde keine Kenntnis vom Anhörungstermin gehabt hätte.
Auch die nach § 33 Abs. 4 AsylG vorzunehmende Belehrung des Antragstellers hinsichtlich der Folgen eines Nichtbetreibens des Asylverfahrens erfolgte vorliegend sowohl formell als auch materiell ordnungsgemäß. In formeller Hinsicht sieht § 33 Abs. 4 AsylG eine Belehrung gegen Empfangsbestätigung vor. An einer solchen fehlt es hier zwar. Dem Antragsteller wurde – vermittelt durch seinen Prozessbevollmächtigten (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) – die Belehrung nicht gegen Empfangsbekenntnis, das sich ohne Weiteres als Empfangsbestätigung einstufen ließe, ausgehändigt, sondern gegen Postzustellungsurkunde übermittelt. Eine solche Übermittlung der Belehrung gegen Postzustellungsurkunde vermag eine Aushändigung gegen Empfangsbestätigung zwar grundsätzlich nicht zu ersetzen (a.A. etwa VG Düsseldorf, Beschl. v. 10.03.2017 - 17 L 212/17.A -, juris, Rn. 38; VG Magdeburg, Beschl. v. 08.12.2016 - 5 B 898/16 -, juris, Rn. 3; ohne Begründung: VG Augsburg, Urt. v. 13.03.2017 - Au 3 K 16.32293 -, juris, Rn. 22). Die Forderung des Gesetzgebers nach einer Belehrung gegen Empfangsbestätigung ist zwar keine Forderung nach einer Bekanntgabe in einer gesetzlich geregelten Art und Weise, insbesondere fordert der Gesetzgeber nicht die Belehrung gegen Empfangsbekenntnis (vgl. etwa § 5 VwZG); dennoch ist der Begriff der Empfangsbestätigung nur in engen Grenzen der Auslegung zugänglich. Der Wortlaut der Regelung lässt keinen Zweifel daran, dass es hinsichtlich der Belehrung einer Bestätigung ihrer Entgegennahme durch den Empfänger bedarf. Anders als im Falle des Empfangsbekenntnisses kann diese Bestätigung allerdings auch ein Dritter abgeben; Zweck des Erfordernisses der Zustellung gegen Empfangsbestätigung ist die Sicherstellung einer persönlichen Aushändigung (vgl. VG Lüneburg, Beschl. v. 23.06.2017 - 6 B 57/17 -, juris, Rn. 9; VG Cottbus, Beschl. v. 15.02.2017 - 4 L 57/17.A -, juris, Rn. 5; VG München, Beschl. v. 14.02.2017 - M 18 S 17.31557 -, juris, Rn. 18). Die Regelung zielt dagegen nicht lediglich auf das Schaffen eines aktenkundigen Nachweises über den Zugang der Belehrung ab (so aber VG Düsseldorf, Beschl. v. 10.03.2017 - 17 L 212/17.A -, juris, Rn. 38; VG Magdeburg, Beschl. v. 08.12.2016 - 5 B 898/16 -, juris, Rn. 3). Hätte der Gesetzgeber (lediglich) das Schaffen eines solchen Nachweises im Blick gehabt, hätte er – wie vielfach im AsylG (vgl. etwa §§ 18a Abs. 3 Satz 2, 25 Abs. 7 Satz 2, 31 Abs. 1 Satz 3, 5, 6, 50 Abs. 5 Satz 1, 73 Abs. 5 AsylG) – ein schlichtes Zustellungserfordernis geregelt.
Im Falle der hier erfolgten Zustellung der Belehrung gegen Postzustellungsurkunde durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks (§ 3 Abs. 1 VwZG) liegt eine solche Bestätigung der persönlichen Aushändigung – anders als im Falle der Ersatzzustellung nach § 3 Abs. 2 VwZG i.V.m. §§ 177-182 ZPO – aber vor.
Vor dem Hintergrund der Übersendung der Belehrung an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ist unerheblich, dass die Belehrung über die Folgen des Nichtbetreibens des Asylverfahrens ausschließlich auf Deutsch erfolgte.
Inhaltlich gibt die Belehrung den Wortlaut des § 33 Abs. 1, Abs. 3 AsylG wieder und ist daher materiell nicht zu beanstanden.
Gegen die Entscheidungen der Antragsgegnerin zu den Ziffern 2-4 des angefochtenen Bescheides bestehen keine rechtlichen Bedenken; solche sind auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.