Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Beschl. v. 22.07.2024, Az.: 101 F 50/23 UK

Antrag gegen die Kindesmutter auf Zahlung von Kindesunterhalt

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
22.07.2024
Aktenzeichen
101 F 50/23 UK
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 19775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Familiensache
XXX
XXX
- Antragstellerin -
XXX
XXX
gegen
XXX
XXX
- Antragsgegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
XXX
XXX
Ingrid Ortland,
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg (Oldb) auf die mündliche Verhandlung vom
17.06.2024 durch den Richter am Amtsgericht XXX beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin

    1. a.

      ab dem Monat Oktober 2023 jeweils zum ersten des Monats Mindestunterhalt in Höhe von 100% der 4. Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle abzüglich des Kindergeldes, (jeweiliger Zahlbetrag im Jahr 2023: 378 €; seit Januar 2024 derzeit 439 €) nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegende Zinsen jeweils ab dem Folgetag der Fälligkeit,

    2. b.

      rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 3.024 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegende Zinsen aus 378 € seit dem 05.02.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.03.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.04.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.05.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.06.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.07.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.08.2023, aus weiteren 378 € seit dem 05.09.2023,

    zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

  3. 3.

    Die Entscheidung ist sofort wirksam.

  4. 4.

    Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird festgesetzt auf 4.536 €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Zahlung von Kindesunterhalt.

Die Antragsgegnerin ist die Mutter der Antragstellerin. Mit dem auf den Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin im Februar 2023 folgenden Monat stellte die Antragsgegnerin die bis dahin geleisteten Unterhaltszahlungen ein. Mit vorgerichtlichem Schriftsatz vom 9.2.2023 (Bl. 7 f. Bd. I d. A.) verlangte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Auskunft zwecks Berechnung des Unterhaltsanspruchs und Zahlung des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle.

Die Antragstellerin lebt im Haushalt des Kindesvaters. Sie besuchte im Schuljahr 2022/2023 den XXX Realschule XXX und besucht seit dem Schuljahr 2023/2024 das Niedersächsische Internatsgymnasium. Wegen der Einzelheiten des Schulbesuchs und der erzielten Leistungen wird Bezug genommen auf die Schulbescheinigungen bzw. Zeugnisse auf Bl. 6, 51, 52, 194 Bd. I d. A.

Die Antragsgegnerin hat Einnahmen aus einem ruhenden Gewerbebetrieb. Durch notarielle Urkunde vom 28.2.2006 übertrug die Mutter der Antragsgegnerin dieser den ruhenden XXX einschließlich des dazugehörenden Grundbesitzes. Im Oktober 2022 übertrug die Antragsgegnerin ihrer Ehefrau die Hälfte des Grundstückseigentums, nicht jedoch des Gewerbes. Hintergrund war, dass die Eheleute im Jahr 2022 in einem Ehevertrag die Gütertrennung vereinbart hatten. Zum Ausgleich des bis dahin erwirtschafteten Zugewinns wurde die Antragsgegnerin dahingehend freigestellt, statt des zu zahlenden Ausgleichsbetrages das hälftige Miteigentum an dem Grundstück zu übertragen. Die Gewerberäume nebst dazugehöriger fünf Parkplätze sind an eine Bäckerei und Konditorei vermietet. Gemäß Einnahmen-Überschuss-Rechnungen beliefen sich die Gewinne im Jahr 2019 auf 6.107,95 € und im Jahr 2020 auf 296 €. Im Jahr 2021 erzielte das Gewerbe einen Verlust i.H.v. 14.292,84 €. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ausführungen auf Bl. 58 f. Bd. I der Akten sowie die Anlagen AG 8-10 (Bl. 88 ff. Bd. I d. A.).

In der genannten Immobilie befinden sich neben den Gewerberäumen zwei Wohnungen. In der Dachgeschosswohnung wohnen die Antragsgegnerin und ihre Ehefrau. Die weitere Wohnung war bis zum Sommer 2020 vermietet. Seither kann die weitere Wohnung wegen Verstopfungen der aus dem Jahr 1876 stammenden Rohre nicht mehr vermietet werden. Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2019 Mieteinnahmen in Höhe von 3.669 €, im Jahr 2020 in Höhe von 2.376 € und seit 2021 keine Mieteinnahmen mehr.

Die Antragsgegnerin ist gelernte Bäcker- und Konditoreimeisterin, jedenfalls seit 2017 jedoch nicht mehr in diesem Handwerk tätig. Nach einer Krebserkrankung im Jahr 2018 begann sie im Jahr 2019 eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin, die andauert und frühestens im Herbst 2024, spätestens im Herbst 2025 beendet sein wird. Im Rahmen dieser Ausbildung absolvierte die Antragsgegnerin ein Praktikum vom 6.1.2020 bis zum 5.1.2021 in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum XXX mit einem Umfang von insgesamt 1512,80 Stunden und ein weiteres Praktikum in der Zeit vom 1.3.2021 bis zum 30.8.2021 im Reha-Zentrum XXX mit einem Umfang von insgesamt 600 Stunden. Ferner behandelte die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ausbildung Patienten, Stand Juli 2023 vier Patienten wöchentlich. Sie erzielte hieraus im Jahr 2020 Einkünfte i.H.v. 16.672 € bei ausbildungsbedingten Kosten i.H.v. 12.665,80 € und im Jahr 2021 Einkünfte i.H.v. 7.646 € bei ausbildungsbedingten Kosten i.H.v. 6.192,56 €. In den Jahren 2019-2021 erhielt sie neben ihrer Ehefrau anteilig Steuernachzahlungen i.H.v. 194,50 €, 598,77 € und 1.992,85 €.

Der Wohnwert der von ihr und ihrer Ehefrau bewohnten eigenen Wohnung ist niedriger als die hierfür laufend von ihr aufgewendeten Versicherungs- und Darlehensraten.

Die Ehefrau der Antragsgegnerin erzielte im Zeitraum April 2022 bis März 2023 aus einem Angestelltenverhältnis monatliche Einkünfte von durchschnittlich 2.148,18 €. Hinzu kam eine hälftige Rückerstattung aus dem Einkommensteuerbescheid aus dem Jahr 2022 in Höhe von monatlich 166,10 €.

Die Antragstellerin behauptet, ihre Schulausbildung stringent zu verfolgen. Sie habe weder eigene Einkünfte, noch Vermögen. Der Kindesvater habe lediglich Einkünfte aus einer Rente i.H.v. 651,94 € monatlich bis Juni 2023 und i.H.v. 677,86 € monatlich ab Juli 2023. Zudem erhalte er monatlich Wohngeld i.H.v. 429 €. Insbesondere habe er entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin keine Einnahmen aus einem Hausgrundstück in XXX oder einer Ich-AG.

Die Klägerin hat unter dem 09.03.2023 einen Stufenantrag anhängig gemacht. Nach Erledigung der Auskunfts- und Belegstufe beantragt sie auf der Leistungsstufe

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin den Mindestunterhalt in Höhe von 100 % gemäß § 1612a BGB jeweils zum 01. eines Monats nebst 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz liegende Zinsen zu zahlen;

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 3.024,00 € nebst 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz liegende Zinsen aus 378,00 € seit dem 05.02.2023 zu zahlen,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.03.2023,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.04.2023,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.05.2023,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.06.2023,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.07.2023,

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.08.2023 und

    aus weiteren 378,00 € seit dem 05.09.2023 zu zahlen;

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie behauptet, die Antragstellerin habe eigenes Vermögen, da sie nach dem Tod ihrer Großmutter von ihrem Onkel einen Betrag i.H.v. 25.000 € erhalten habe. Ferner habe die Antragstellerin einen Anspruch auf BAföG. Der Kindesvater habe über die von der Antragstellerin vorgetragenen Einkünfte aus Rente und Wohngeld hinaus weitere Einkünfte. Dies ergebe sich daraus, dass die Bedarfsgemeinschaft aus Antragstellerin und Kindesvater nach den Angaben im vorliegenden Verfahren nicht das für die Bewilligung von Wohngeld erforderliche Mindesteinkommen habe. Ferner behauptet sie unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten vom 03.08.2018 (Bl. 67 ff. Bd. I d.A.), erwerbsunfähig erkrankt zu sein. Sie gehe davon aus, wegen ihrer Erkrankung auch die laufende Ausbildung nicht abschließen und nicht als Psychologische Psychotherapeutin arbeiten zu können.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vortrags wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2024 (Bl. 78 f. Band II d. A.).

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Zunächst war der Antrag der Antragstellerin auszulegen. Als Prozesserklärung ist ein Antrag in entsprechender Anwendung der für die Auslegung einer Willenserklärung gemäß § 133 BGB geltenden Vorschrift dahingehend auszulegen, dass der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Die Antragstellerin hat bezüglich des laufenden Unterhalts in ihrem Schriftsatz vom 12.10.2023 wörtlich den Antrag dahingehend formuliert, dass die Zahlung von "Mindestunterhalt in Höhe von 100 % gemäß § 1612a BGB" verlangt wird. Aus ihren weiteren - auch vorgerichtlichen - Ausführungen unter Bezugnahme auf die Düsseldorfer Tabelle und aus dem Umstand, dass in dem Antrag für die zu diesem Zeitpunkt rückständigen Monate jeweils Unterhalt i.H.v. 378 € geltend gemacht wird, ergibt sich zwanglos, dass für die nunmehr volljährige Antragstellerin als monatlicher Unterhaltsbetrag derjenige begehrt wird, der sich als Zahlbetrag nach Abzug des Kindergeldes für die erste Einkommensstufe nach der Düsseldorfer Tabelle auf der vierten Altersstufe ergibt. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin mit § 1612a BGB eine Norm in Bezug nimmt, die in direkter Anwendung lediglich für minderjährige Unterhaltsberechtigte anwendbar ist. Denn zum einen ist anerkannt, dass eine entsprechende Anwendung der Norm auf privilegiert unterhaltsberechtigte Volljährige möglich ist (hierzu unten), und zudem wird die Norm auch in der Düsseldorfer Tabelle bezüglich der Altersstufen ohne Differenzierung zwischen minderjährigen und volljährigen Unterhaltsberechtigten im Kopf der Tabelle verwendet.

Der Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung von Unterhalt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ergibt sich aus §§ 1601, 1602 Abs. 1 BGB, § 1610 BGB in Verbindung mit den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle.

Die Antragsgegnerin schuldet der Antragstellerin dem Grunde nach Unterhalt, da sie mit ihr in gerader Linie verwandt ist, § 1601 BGB. Die Antragstellerin ist auch unterhaltsberechtigt i.S.v. § 1602 Abs. 1 BGB, da sie mangels eigener Einkünfte und eigenen Vermögens außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Da sie sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet, ist sie nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie hat durch Vorlage von Schulbescheinigungen und insbesondere des Abschlusszeugnisses der Realschule (Bl. 51 Bd. I d.A.) mit Noten im überwiegend sehr guten bzw. guten Bereich und einem attestierten Arbeitsverhalten, das den Erwartungen in vollem Umfang entspricht, die Zielstrebigkeit in ihrer Ausbildung belegt. Der pauschale Vortrag der Antragsgegnerin, die Antragstellerin sei während der Schulzeit mehrfach alkoholisiert und mit Antidepressiva vollgepumpt gewesen, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Die Antragstellerin hat substantiiert vorgetragen, über die geringen Beträge auf ihren Konten bei der XXX(Stand 22.03.2024: 2.517,09 €) über kein Eigentum zu verfügen. Diese geringen Geldmittel sind ihr in jedem Fall als sogenannter "Notgroschen" zu belassen belassen (MüKoBGB/Langeheine, 9. Aufl. 2024, BGB § 1602 Rn. 79). Der Behauptung der Antragsgegnerin, sie habe nach dem Tod ihrer Großmutter ein Betrag i.H.v. 25.000 € erhalten, ist sie substantiiert durch Vorlage eines Kontoauszugs vom 18.7.2022 (Bl. 117 Bd. II d. A.) entgegengetreten, aus dem sich eine Überweisungsgutschrift von XXX am 12.7.2022 in Höhe von lediglich 5.000 € mit dem Betreff "Erbe Trudi - gesperrt bis 18.2.2030 und auf Widerruf" ergibt. Der pauschale Vortrag der Antragsgegnerin zu dem angeblichen Erbe ist daher unbeachtlich. Auch hat sie durch Vorlage des allein an ihren Vater gerichteten Wohngeldbescheides vom 9.5.2023 (Anlage K 16, Bl. 119 Bd. II d. A.) substantiiert dargelegt, dass sie selbst über keine Einkünfte durch Leistungen nach dem Wohngeldgesetz verfügt. Einen Anspruch nach dem BAföG hat die Antragstellerin nicht, da sie noch bei ihrem Vater wohnt und daher nicht die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nummer 1 i.V.m. Abs. 1a BAföG für eine Förderung volljähriger Schüler allgemeinbildender Schulen erfüllt.

Der Bedarf der nunmehr volljährigen, noch beim Kindesvater wohnenden Antragstellerin besteht mindestens in Höhe desjenigen Betrages, der sich aus der der Düsseldorfer Tabelle für die unterste Einkommensstufe (100%) und die vierte Altersstufe abzüglich des Kindergeldes ergibt. Zwar wird in § 1612a BGB - der Norm, die den Anspruch auf Mindestunterhalt regelt - nur der Unterhaltsanspruch Minderjähriger gegen ihre Eltern genannt. Wegen der Gleichstellung solcher volljähriger Unterhaltsgläubiger, die sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden, zu Hause wohnen und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben durch den Gesetzgeber in anderen Bereichen (so bei der Regelung des Ranges gem. § 1609 BGB und der gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern gem. § 1603 Abs. 2 S. 2) ist die begehrte Verpflichtung zur Zahlung eines dynamisierten Unterhaltes jedoch auch den volljährigen, priviliegiert Unterhaltsberechtigten zuzubilligen (vgl. MüKoBGB/Langeheine, 9. Aufl. 2024, BGB § 1612a Rn. 37). Diese Beträge lagen im Jahr 2023 bei 378 € und sie liegen seit Januar 2024 bei 439 € monatlich.

Für diesen Bedarf hat die Kindesmutter voll einzustehen, da der Kindesvater mangels Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Unterhalt an die Antragstellerin nicht herangezogen werden kann (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Der Haftungsanteil der jeweiligen Elternteile volljähriger Kinder ermittelt sich anhand der Quote der den - im vorliegenden Fall wegen der allgemeinen Schulausbildung der Antragstellerin: notwendigen - Selbstbehalt bei den Kindeseltern übersteigenden bereinigten Nettoeinkommen. Begrenzt ist der Haftungsanteil jeweils auf den Betrag, den der einzelne Elternteil nach seinem Einkommen nach der Düsseldorfer Tabelle schuldet.

Die Antragstellerin hat dargelegt und zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass der Kindesvater über keine weiteren als die von der Antragstellerin vorgetragenen Einkünfte aus einer Rente und Wohngeld verfügt, welche sich in Summe auf lediglich 1.116,86 € belaufen und damit unterhalb des notwendigen Selbstbehaltes in Höhe von derzeit 1.200 liegen. Der Zeuge XXX hat - in Übereinstimmung mit den von der Antragstellerin diesbezüglich vorgelegten Unterlagen - seine Einkünfte aus Rente und Wohngeld bestätigt. Insoweit hat die Antragsgegnerin die Einkünfte auch nicht in Zweifel gezogen. Der Zeuge hat darüber hinaus glaubhaft erklärt, keine weiteren Einkünfte zu haben. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Zeuge habe Einkünfte aus einer Immobilie in XXXf, hat der Zeuge zurückgewiesen und erklärt, diese Immobilie bereits im Jahr 2010 verkauft zu haben. Dem ist die Antragsgegnerin nicht weiter entgegengetreten. Dasselbe gilt für ihre Behauptung, der Zeuge habe Einkünfte aus einer Ich-AG. Die Angabe des Zeugen, seine Ich-AG bereits im Jahr 2012 abgemeldet zu haben, ist die Antragsgegnerin ebenfalls nicht weiter entgegengetreten. Das Gericht hat auch keinen Grund an der Erklärung des Zeugen zu zweifeln, keine Einkünfte aus Autoverkäufen oder einer Tätigkeit auf einer Baustelle auf der XXX beim ehemaligen XXXgehabt zu haben. Die Behauptung der Autoverkäufe seitens der Antragsgegnerin ist ohne jede Substanz, sodass das Gericht keinen Anlass hat, das Abstreiten solcher Verkäufe durch den Zeugen nicht zu glauben. Bezüglich der Tätigkeit auf der Baustelle hat der Zeuge freimütig eingeräumt, vor Ort gewesen zu sein. Er hat jedoch plausibel erklären können, das Gerüst lediglich ausgeliehen zu haben und dem Eigentümer des Objekts - dem Onkel der Antragstellerin - im Rahmen des Verwandtschaftsverhältnisses unentgeltlich vorbeigebracht zu haben. Da es auch insoweit an substantiiertem Gegenvortrag seitens der Antragsgegnerin fehlt, sieht das Gericht keinen Anlass, dem Zeugen nicht zu glauben. Auch soweit die Antragsgegnerin argumentiert, der Zeuge müsse höhere Einnahmen haben, da er ansonsten das für die Bewilligung von Wohngeld erforderliche Mindesteinkommen nicht erreiche, erschüttert dies nicht die Angaben des Zeugen, neben dem Wohngeld lediglich über Einkünfte aus seiner Rente zu verfügen. Die Argumentation der Antragsgegnerin dürfte sich auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Neuregelung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes (Wohngeld-Verwaltungsvorschrift - WoGVwV) zu § 15 (Ermittlung des Jahreseinkommens), lfd. Nr. 15.01, Abs. 1 beziehen. Dieser lautet:

"Die Wohngeldbehörde hat in allen Fällen von Amts wegen zu prüfen, ob die Einnahmen auch nach Abzug von Aufwendungen (z. B. von zukünftig zu tätigenden Unterhaltsleistungen) ausreichen, um den Lebensunterhalt der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder zu bestreiten. Wenn sich bei der Ermittlung des Jahreseinkommens unter dem Bedarf nach dem SGB XII liegende Einnahmen ergeben, sind die Angaben der wohngeldberechtigten Person besonders sorgfältig auf Glaubhaftigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Die Angaben können glaubhaft sein, wenn die hiernach zur Verfügung stehenden Einnahmen zuzüglich eines zu leistenden Wohngeldes 80 Prozent des Bedarfs nach dem SGB XII erreichen. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Mittel für den Lebensunterhalt von Ersparnissen bestritten werden."

Legt man die von der Antragsgegnerin selbst in ihrer Berechnung (Anlage 1 zum Protokoll vom 17.06.2024, Bl. 178 Bd. II d.A.) genannte Berechnung zugrunde, ergibt sich der Bedarf des Zeugen XXX und der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 1.614 €. Die Einkünfte des Zeugen XXX und der Antragstellerin belaufen sich unstreitig jedenfalls auf insgesamt 927 € (677 € Rente + 250 € Kindergeld). Diese jedenfalls zur Verfügung stehenden Einnahmen zuzüglich des bewilligten Wohngeldes i.H.v. 429 € addieren sich zu einem Betrag von 1.356 €. Dies sind gut 84 % des Bedarfs. Wegen der vorangehend zitierten Regelung in Nr. 15.01, Abs. 1 der WoGVwV, wonach die Angaben glaubhaft sein können, wenn die zur Verfügung stehenden Einnahmen zuzüglich eines zu leistenden Wohngeldes 80 Prozent des Bedarfs nach dem SGB XII erreichen, besteht daher kein Grund zur Annahme, der Zeuge XXX habe gegenüber der Wohngeldbehörde höhere Einkünfte angeben müssen, um die Bewilligung von Wohngeld zu erreichen.

Die Antragsgegnerin ist auch leistungsfähig. Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist derjenige nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Aufgrund der negativen Formulierung im Gesetz ist die Antragsgegnerin darlegungs- und beweisbelastet für die von ihr behauptete Leistungsunfähigkeit. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1, S. 2 BGB verpflichtet ist, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Sie kann daher nur den notwendigen Selbstbehalt zurückbehalten, der sich im Jahr 2023 nach der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle auf 1.120 € für nicht Erwerbstätige bzw. 1.370 € für Erwerbstätige und im Jahr 2024 auf 1.200 € bzw. 1.450 € beläuft.

Ungeachtet der tatsächlichen Einkünfte der Antragsgegnerin ist sie für den geltend gemachten Mindestunterhalt unbeschränkt leistungsfähig, da sie sich jedenfalls fiktiv die Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in dem von ihr erlernten Beruf der Bäcker- und Konditoreimeisterin anrechnen lassen muss. Selbst bei einem äußerst konservativ geschätzten monatlichen Bruttoeinkommen aus einer solchen Tätigkeit i.H.v. 3.300 €, würden der Antragsgegnerin hieraus monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. mindestens 2.500 € verbleiben, sodass auch nach Abzug etwaiger Kosten eine Unterschreitung des notwendigen Selbstbehaltes nach Abzug des geltend gemachten Mindestunterhalts nicht in Betracht käme.

Soweit die Antragsgegnerin behauptet, erwerbsunfähig zu sein, ist ihr Vortrag widersprüchlich und damit unbeachtlich. Hierauf hat sie das Gericht mehrfach hingewiesen. Es ist mit der behaupteten Erwerbsunfähigkeit nicht vereinbar, dass die Antragsgegnerin seit dem Jahr 2019 und noch laufend eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin macht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Ausbildung mit erheblichem Zeitaufwand und Arbeit am Patienten verbunden ist. Ausweislich der Bescheinigung Anlage AG 15 (Bl. 137 Bd. I d.A.) hat sie beispielsweise in der Zeit vom 06.01.2020 bis zum 05.01.2021 insgesamt 1512,80 Stunden praktische Tätigkeit erbracht. Unter Berücksichtigung einer üblichen Zahl an Arbeitstagen während dieser einjährigen Periode von 220 Arbeitstagen entspricht dies allein einer täglichen praktischen Arbeitsleistung von 6,88 Stunden. Die praktische Tätigkeit hat die Antragsgegnerin ausweislich Anlage AG 16 (Bl. 138 Bd. I d.A.) in ähnlichem Umfang im Zeitraum März bis August 2021 fortgesetzt. Hinzu kommt nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin noch die Behandlung von bis zu vier Patienten wöchentlich. Hinzukommen dürfte nach allgemeiner Lebenserfahrung im Rahmen einer Ausbildung die Notwendigkeit, Inhalte neben der praktischen Arbeitszeit theoretisch aufzuarbeiten. Im Ergebnis liegt damit eine Belastung vor, die einer vollschichtigen Tätigkeit als Bäcker- und Konditormeisterin in nichts nachsteht. Soweit sie sich unter Bezugnahme auf die auszugsweise Vorlage eines Sachverständigengutachtens vom 03.08.2018 (Bl. 67 ff. Bd. I d.A.) darauf beruft, unter Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie einer schwergradigen depressiven Symptomatik zu leiden, lässt sich dies mit den im Rahmen der Ausbildung absolvierten Leistungen nicht in Einklang bringen. Die Antragsgegnerin selbst schätzt ihre Leistungsfähigkeit und ihren psychischen Gesundheitszustand außerhalb des Unterhaltsverfahrens auch gänzlich anders ein. Denn sie hat bei Abschluss ihres Ausbildungsvertrages gegenüber der ausbildungsleitenden Universität unter der lfd. Nr. 3. des Vertrages bestätigt, physisch und psychisch ausreichend stabil und belastbar zu sein und keine psychische Krankheit diagnostiziert erhalten zu haben (vgl. Bl. 133 Bd. I d.A.).

Die Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin für den geltend gemachten Mindestunterhalt ergibt sich zudem daraus, dass die Antragsgegnerin nach den Feststellungen im vorangegangenen Verfahren 4 UF 59/19 jedenfalls im Juli 2019 über erhebliches Vermögen in Form verwertbaren Immobilienvermögens hatte (vgl. Beschluss vom 11.07.2019, Bl. 84 Bd. II d.A.). Hätte sie dies nach Verwertung für die absehbare Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an die Antragstellerin auch über ihren 18. Geburtstag hinaus aufgespart, stünde der aus der Verwertung erzielte Betrag hierfür noch zur Verfügung. Selbst wenn man nur auf das ebenfalls vom OLG genannte Barvermögen Stand Ende August 2016 i.H.v. 123.000 € abstellen würde, müsste dies bei Zurückhaltung zur Unterhaltszwecken selbst bei fortlaufender Zahlung von Unterhalt seither noch immer zum Teil vorhanden sein. Für das Gericht nicht nachvollziehbar und in einer Gesamtschau unterhaltsrechtlich leichtfertig stellt es sich auch dar, dass die Antragsgegnerin im Jahr 2022 die Hälfte der bis dahin in ihrem Alleineigentum stehenden Immobilie XXX mit einem unstreitigen Gesamtwert von mindestens zwei Millionen Euro unentgeltlich an ihre Ehefrau übertrug. Die Erklärung, dass diese Übertragung zum Ausgleich eines durch die Vereinbarung von Gütertrennung im Jahr 2022 erforderlich geworden sei, vermag nicht zu überzeugen. In Kenntnis ihrer Unterhaltspflicht gegenüber der Antragstellerin - zu erwartender Weise auch über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus - hätte sie dann von der Vereinbarung der Gütertrennung absehen müssen. Der Anfall eines Zugewinnausgleichsanspruchs, zu dessen Ausgleich die Übertragung der Hälfte einer Immobilie im Wert von mindestens zwei Millionen Euro erforderlich gewesen sein soll, deutet zudem darauf hin, dass die Antragsgegnerin jedenfalls im Jahr 2022 über ganz erhebliches weiteres Vermögen verfügt haben muss. Denn der Erwerb des ruhenden Gewerbes nebst XXX von ihrer Mutter mit Vertrag vom 28.02.2006 (Bl. 70 ff. Bd. I d.A.) kann keinen Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau der Antragsgegnerin begründet haben, da die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte (§ 5 Abs. 1 des Vertrages) und damit der Grundstückswert abzüglich Verbindlichkeiten gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen gewesen sein muss.

Die Antragstellerin kann den Unterhalt auch für die Vergangenheit geltend machen, da sie die Antragstellerin im Februar 2023 zur Erteilung von Auskünften für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs sowie Zahlung des Mindestunterhalts aufforderte, § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB. Da sie die Antragsgegnerin durch die Aufforderung auch in Verzug gesetzt hat, ergibt sich der Anspruch der Antragstellerin auf Verzinsung zu einem fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegenden Zinssatz aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Wegen der Fälligkeit des jeweiligen Unterhalts zum Monatsersten gem. § 1612 Abs. 3 BGB (vgl. MüKoBGB/Langeheine, 9. Aufl. 2024, BGB § 1612 Rn. 88) tritt Verzug jeweils zum zweiten eines jeden Monats ein. Der insoweit nicht vollständig ausformulierte Antrag der Antragstellerin war in entsprechender Anwendung von § 133 BGB in dem Eintritt der Fälligkeit entsprechender Form auszulegen, sodass er insoweit lediglich konkretisierend zu bescheiden und nicht etwa teilweise abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Da die Antragsgegnerin vollumfänglich unterlegen ist, entspricht es gemäß Nr. 1. der genannten Vorschrift der Billigkeit, ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 116 Abs. 3 S. 2, S. 3 FamFG. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen, wenn - wie vorliegend gegeben - die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG i.V.m. von § 51 Abs. 1 S. 2 FamGKG in entsprechender Anwendung. Danach ist für den Wert der geltend gemachte Mindestunterhalts Betrag für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags bemessen an dem Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Altersstufe zugrunde zu legen. Bei Einreichung des Antrags im März 2023 lag dieser monatliche Betrag bei 378 €, sodass sich ein Jahresbetrag i.H.v. 4536 € ergibt. Zwar betrifft die Vorschrift aus § 51 Abs. 1 S. 2 FamGKG ausdrücklich nur Unterhaltsansprüche nach den §§ 1612a bis 1612c BGB, die wegen der Volljährigkeit der Antragstellerin nicht vorliegen. Wegen der unterhaltsrechtlichen Gleichstellung der Antragstellerin als privilegiert Unterhaltsberechtigte mit Minderjährigen durch den Gesetzgeber im Übrigen ist im Hinblick auf die Formulierung der kostenrechtlichen Vorschrift aus § 51 FamGKG von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, die sachgerecht dahingehend zu schließen ist, das Verfahren kostenrechtlichen so zu behandeln, wie auch ein solches Verfahren zu behandeln wäre, das die Geltendmachung von Mindestunterhalt für einen minderjährigen Unterhaltsberechtigten betrifft. Dies ist im vorliegenden Fall insbesondere vor dem Hintergrund geboten, dass die Antragstellerin ihren Anspruch - wenn auch fälschlicherweise - ausdrücklich auf § 1612a BGB stützt.

Dr. Lobschat Richter am Amtsgericht