Landgericht Aurich
Urt. v. 21.10.2013, Az.: 2 O 162/12 (45)
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 21.10.2013
- Aktenzeichen
- 2 O 162/12 (45)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64308
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage ist dem Grunde nach hinsichtlich des Klagantrages zu 1) sowie des Klagantrages zu 3) gerechtfertigt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher diesem aus der fehlerhaften Behandlung vom 12./13.05.2011 ab dem 22.03.2012 entstanden ist und/oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
Der Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einer ärztlichen Fehlbehandlung.
Der Kläger, zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, wurde am 12.05.2011 von seiner Mutter begleitet mit hohem Fieber in das Haus der Beklagten eingeliefert. Dort wurde er gegen 16:00 Uhr aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde bei dem Kläger Fieber mit 39,9 Grad festgestellt, welches mit Paracetamol behandelt wurde. Es zeigte sich kein eindeutiger Fieberfokus. Als Auffälligkeiten waren randständig gerötete Trommelfelle und ein dezent geröteter Rachenring sichtbar. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich weiterhin, dass die Haut als trocken, jedoch ohne pathologischen Befund beschrieben wurde. Mit der Diagnose „Fieber unklarer Genese“ wurde der Kläger dann stationär aufgenommen. Die Laborwerte nach erfolgter Blutentnahme zeigten keine Auffälligkeiten. Zur Behandlung des Fiebers ist neben der Gabe von Paracetamol auch Ibuprofen verordnet worden. Zudem wurde eine Infusionstherapie zur Sicherstellung eines ausgeglichenen Flüssigkeitshaushaltes begonnen. Der Kläger wurde am Abend des 12.05.2011 zuletzt gegen kurz vor 23:00 Uhr durch den Kinderarzt von S. untersucht. Aus den Dokumentationen ergibt sich, dass der Allgemeinzustand zu diesem Zeitpunkt als stabil vermerkt wird. Zusätzlich wird zu diesem Zeitpunkt ein vereinzelt aufgetretener unspezifischer Hautausschlag dokumentiert. Während der Nacht hat sich der Kläger mehrfach erbrochen, so dass jeweils ein Wäschewechsel erforderlich war, welcher von der Mutter des Klägers sowie dem Pfleger N. durchgeführt wurde. Gegen 4:00 Uhr in der Nacht hatte sich der Kläger vermutlich während des Erbrechens die Infusionsnadel gezogen. Der Pfleger N. entschied sodann, die Infusionsnadel nicht wieder anzulegen und verständigte auch nicht dem im Hintergrund in Bereitschaft stehenden Arzt.
Am Morgen des 13.05.2011 gegen 7:00 Uhr kam es auf Hinweis der Mutter des Klägers zu einer erneuten Begutachtung der Hautveränderung durch das Pflegepersonal, welches dann dazu führte, dass der diensthabende Arzt hinzugerufen wurde und mit einer Notfallversorgung bei Verdacht auf Meningokokkensepsis begonnen wurde. Gegen 8:00 Uhr wurde dann die Diagnose bakterielle Meningitis gestellt. Zudem zeigten die klinischen Befunde Hinweise auf das Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom. Gegen 8:30 erlitt der Kläger einen septischen Schock und wurde sodann im Laufe des Vormittages in das Klinikum Oldenburg verlegt.
Der Kläger behauptet, er sei insbesondere bei seiner Untersuchung am Abend des 12.05.2011 nicht auf Meningismus getestet worden. Die Mutter des Klägers habe bei dem Kläger am Abend des 12.05.2011 eine Wesensveränderung wahrgenommen. Zudem habe der Kläger phantasiert. Es habe bereits am Abend des 12.05.2011 deutliche Anzeichen für Kopfschmerzen gegeben. Die „Fieberflecken“ hätten sich während der Nacht verändert und ausgebreitet. Daher habe die Mutter des Klägers um 3:20 Uhr und um 4:47 Uhr Fotos vom Kläger angefertigt, auf denen deutlich zu erkennen sei, dass es sich bei den Hautveränderungen nicht mehr um Fieberflecken handele. Sie habe auch den Pfleger N. auf diese Flecken hingewiesen und dass sie ihr seltsam vorkommen würden. Darauf sei nichts Weitergehendes veranlasst worden. Hinsichtlich der beiden Lichtbilder wird auf den Anlagenband verwiesen.
Er ist der Ansicht, es stelle einen groben Behandlungsfehler dar, dass er nicht schon vor der Nacht auf Meningitis getestet worden sei. Auch hätten die Petechien nicht als „Fieberflecken“ fehlinterpretiert werden dürfen.
Schließlich behauptet der Kläger, dass die von der Meningokokkensepsis herrührende großflächige Hautnekrose chirurgisch durch Hauttransplantationen behandelt werden müsse. Dazu seien bereits zahlreiche Operationen erforderlich gewesen und es würden noch weitere erforderlich werden. Die aufgrund des Gangräns amputierten Unterschenkel am rechten und am linken Bein seien schon in einer plastisch-chirurgischen Revision operiert worden. Auch hier seien in Zukunft noch weitere stationäre Aufenthalte zu erwarten, weil es bei Kindern dazu käme, dass die vorhandenen Restknochen weiter wachsen und es daher zu Komplikationen im Bereich des Stumpfes beider Unterschenkel komme. Diese nachfolgenden Korrekturoperationen könnten noch bis zum Abschluss des Wachstums notwendig werden. Zudem müsse der Kläger einen Ganzkörperkompressionsanzug noch bis zu fünf Jahren tragen, um eine wulstige Narbenbildung am Körper zu verhindern. Dazu käme eine entsprechende Kopf- und Gesichtsmaske, die die Narbenbildung im Gesicht verhindern solle.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ein zu zahlendes Schmerzensgeld einen Betrag von 350.000,00 EUR nicht unterschreiten solle.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2012 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat, welcher diesem aus der fehlerhaften Behandlung vom 12./13.05.2011 ab dem 22.03.2012 entstanden ist und/oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 8.225,28 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, es seien dem medizinischen Standard entsprechend die üblichen Untersuchungsmaßnahmen in der Aufnahmeuntersuchung und in der abendlichen Untersuchung durch den Kinderarzt von S. vorgenommen worden. Anzeichen für Meningismus hätten beim Kläger weder am Abend des 12.05.2011 noch in der Nacht auf den 13.05.2011 erkannt werden können. Es handele sich um einen schicksalhaften Verlauf. Die von der Mutter des Klägers angefertigten Fotos würden den Zustand des Klägers am Morgen des 13.05.2011 zeigen.
Die zukünftigen Folgen und Behandlungsoptionen bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Gutachten von Dr. M., Bl. 58 - 72 d. A. Bezug genommen. Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Insofern wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 28.08.2013, Bl. 113 - 118. d. A., verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 253 BGB einen Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld aufgrund eines Behandlungsfehlers dem Grunde nach.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum Anspruchsgrund steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die zeitlich verzögerte Behandlung des Klägers einen groben Behandlungsfehler darstellt und damit zugunsten des Klägers die Beweislastumkehr hinsichtlich Folgen dieses Behandlungsfehlers der eintritt. Die Kammer folgt insoweit den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in seiner Anhörung.
Nach Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines Gutachtens steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es einen groben Behandlungsfehler der Beklagten insofern gegeben hat, als dass der Zeuge N., dessen Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen muss, bei der Entdeckung, dass sich der Kläger in der Nacht die Infusionsnadel gezogen hat, entschieden hat, keinen Arzt zu rufen und die Infusion auch nicht wieder angelegt hat.
Ein grober Behandlungsfehler liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGHZ 138, 1, 6). Diese Voraussetzungen sind insbesondere dann erfüllt, wenn eine medizinisch gebotene Befunderhebung unterlassen (BGH NJW-RR 2010, 833 Rn. 8) oder auf eindeutige Befunde nicht in der üblichen Weise durch die gebotenen Therapiemaßnahmen reagiert wird oder Standardmethoden zur Minimierung von Behandlungsrisiken unbeachtet bleiben (OLG Celle VersR 2002, 854, 855).
Dabei sind auch solche Fehler zu berücksichtigen, die vom Pflegepersonal begangen wurden, für deren Verhalten das Krankenhaus nach § 278 BGB einzustehen hat.
Durch die Entfernung der dem Kläger gesetzten Infusionsnadel vom Kläger im Rahmen des wiederholten Erbrechens kam es zu einem Abbruch einer ärztlich angeordneten Behandlungsmaßnahme, welche der Volumenstabilisierung diente. Dies führte zu einem Volumenmangel und einer Verschlechterung des Krankheitsbildes. Wäre in dieser Situation vom Zeugen N. ein Arzt dazu gerufen worden, wäre es nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. Stand der medizinischen Wissenschaft gewesen, die Diagnose zu überprüfen und dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Bei einer antibiotischen Behandlung kombiniert mit einer Volumentherapie und eventuell der Gabe von gerinnungshemmenden Mitteln hätten dann Aussichten auf eine erfolgreiche Therapie bestanden.
Der Zeuge N. ist Erfüllungsgehilfe der Beklagten gemäß § 278 BGB, weil er als Pfleger bei der Beklagten beschäftigt war und er zur Pflege und Betreuung des Klägers in dieser Nacht verpflichtet war. Sein pflichtwidriges Verhalten hat sich die Beklagte zuzurechnen.
Der Zeuge N. hat in seiner Vernehmung selbst bekundet, dass sich der Kläger in der Nacht mehrfach erbrochen hat. Als der Kläger sich gegen 4:00 Uhr in der Nacht erbrochen hatte, habe sich dieser auch die Kanüle gezogen. Er, der Zeuge, habe dann entschieden, dass es für den Kläger das Beste sei, wenn er nun weiter schlafen würde. Dies habe er auch so mit der Mutter abgesprochen. Sodann habe der Kläger auch bis morgens um 6:00 Uhr geschlafen. Seiner Erinnerung nach hätten sich die „Hautflecken“ auch über Nacht nicht verändert. Die ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos würden nicht den Zustand des Klägers in der entsprechenden Nacht zeigen. Hätte der Kläger solche Flecken gehabt, so hätte er, der Zeuge N., sofort den Arzt verständigt.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen handelte es sich bei der ärztlichen Entscheidung der Gabe der Infusion um eine medizinische Behandlungsmaßnahme, über dessen Abbruch oder Fortführung nur ein Arzt entscheiden darf. Der Zeuge N. hätte in dieser Situation also den im Hintergrund tätigen Arzt über den Abbruch der Infusion informieren müssen. Die Kammer hatte auch nach Vernehmung des Zeugen N. keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kontaktierung eines Arztes dem Zeugen N. nicht möglich gewesen wäre. Zum einen befand sich nach Aussage des Zeugen N. ein Arzt im Bereitschaftsdienst, zum anderen sei es in dieser Nacht auf der Kinderstation eher ruhig gewesen. Der Kläger sei das Kind gewesen, das am meisten der Pflege bedurfte. Der hinzu gerufene Arzt hätte, auch insofern folgt die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen, seine zuvor gestellte Diagnose aufgrund folgende Parameter erneut überprüfen müssen: wiederholtes Erbrechen, erneuter Anstieg der Temperatur sowie deutlicher Hautveränderung.
Wie der behandelnde Kinderarzt, der Zeuge von S., in seiner Vernehmung selbst bekundete, ging er am Abend des 12.05.2011, als er gegen 23:00 Uhr den Kläger zuletzt untersuchte, aufgrund der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Anzeichen von einer unspezifischen Viruserkrankung aus, wobei er die Hautveränderungen als Exanthem eingeordnet hatte. An die konkreten Einzelheiten dieser Untersuchung gegen 23:00 Uhr, auch zu der Frage, welche genauen Tests hinsichtlich einer möglichen Meningitis vorgenommen worden sind, konnte sich der Zeuge von S. nicht mehr erinnern. Während die Mutter des Klägers in ihrer persönlichen Anhörung die Untersuchung durch den Zeugen von S. als äußerst kurz und oberflächlich schilderte und auch angab, dass es keine Untersuchungen auf Meningismus gegeben habe, konnte sich der Zeuge von S. zumindest an die Überprüfung der Nackensteifigkeit und daran erinnern, dem Kläger in den Mund geschaut zu haben. Die Frage nach dem Umfang dieser Untersuchung kann letztlich dahin stehen, wobei grundsätzlich nach den Ausführungen des Sachverständigen zu diesem Zeitpunkt keine Verstöße gegen medizinische Standards vorlagen. Aus medizinscher Sicht sei es zu diesem Zeitpunkt (23:00 Uhr) korrekt gewesen, auf eine intensivierte Überwachung des Klägers zu verzichten.
Die Kammer ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass es auf den konkreten Zeitpunkt der von der Mutter des Klägers angefertigten Fotografien im weiteren Verlauf der Nacht nicht entscheidungserheblich ankommt, da schon in der fehlerhaften Reaktion auf die gelöste Infusionsnadel ein grober Behandlungsfehler zu sehen ist. Der Sachverständige führt dazu in seinem Gutachten aus, dass es auch ohne Einbeziehung dieser Bilder zu dem Zeitpunkt gegen 4:00 Uhr in der Nacht aufgrund des Abbruches der Infusion zu einem telefonischen Kontakt zwischen Pfleger und Arzt hätte kommen müssen. Ob es zudem hinsichtlich der vermeintlichen „Fieberflecken“ am Abend des 12.05.2011 zu einer fehlerhaften Diagnose gekommen ist, kann daher dahinstehen, wobei sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M. ergibt, dass grundsätzlich ca. 60-90 % aller Kinder mit Meningokokkensepsis im frühen Verlauf der Erkrankung ein unspezifisches Exanthem entwickeln. Eine Differenzierung zwischen Petechien, die ein Indiz für eine Meningokokkeninfektion sind und einem unspezifischen Exanthem kann durch einen Glasspateltest erfolgen. Dieser ist aber nach Aussage des Kinderarztes von S. nicht durchgeführt worden. Trotzdem kommt der Sachverständige in seinem Gutachten aber zu dem Ergebnis, dass nach dem Stand der aktuellen Lehrmeinung am Abend des 12.05.2011 eine antibiotische Behandlung und eine Lumbalpunktion noch nicht indiziert waren.
Erst bei weiteren Verschlechterungen des Gesundheitszustandes seien weitere Überwachungsmaßnahmen indiziert gewesen. Jedenfalls aber hätte es, wenn der Zeuge N. nach der Unterbrechung der Infusion einen Arzt gerufen hätte, im Rahmen der Überprüfung der bisher gestellten Diagnose durch die hinzutretenden Parameter dann die tatsächlich vorliegende Infektion des Klägers erkannt und sofort Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden können. Bei einer frühzeitigeren Behandlung, so die Ausführung des Sachverständigen, hätten die schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit des Klägers verhindert werden können.
Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers führt zur Beweislastumkehr hinsichtlich der eingetretenen gesundheitlichen Folgen.
Diese Beweiserleichterung gilt für die haftungsbegründende Kausalität, also die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlicher Pflichtverletzung und Primärschaden (BGH VersR 2008, 490, 491). Darunter versteht der BGH nicht die Rechtsgutsverletzung, sondern den von dem Patienten erlittenen Gesundheitsschaden „in seiner konkreten Ausprägung“ (vgl. BGH VersR 2008, 491) bzw. eine „Belastung der gesundheitlichen Befindlichkeit“ des Patienten (vgl. BGH VersR 2008, 644, 645).
Diese Beweislastumkehr ist gerade nicht auf typische Geschehensabläufe beschränkt, sondern es reicht aus, wenn die Pflichtverletzung im Einzelfall zur Herbeiführung des Schadens geeignet erscheint. Weiterhin setzt die Beweislastumkehr nicht voraus, dass der grobe Behandlungsfehler den Gesundheitsschaden nahe gelegt oder auch nur wahrscheinlich gemacht hat, sondern es reicht die generelle Eignung des Fehlers, Schäden der jeweiligen Art zu verursachen.
Im vorliegenden Fall steht die Besonderheit des Verlaufes einer Meningokokkensepsis im Vordergrund. Bei einer solchen Erkrankung ist der Verlauf nach den Ausführungen des Gutachters fulminant, was bedeutet, dass es zu einer massiven Verschlechterung des Zustandes innerhalb weniger Stunden kommt. Aufgrund des schnell voran schreitendenden Verlaufs ist eine rechtzeitige Diagnose zwingende Voraussetzung für eine entsprechend erfolgreiche Behandlung. Im vorliegenden Fall hätte also schon in der Nacht gegen 4:00 Uhr die Meningokokkeninfektion erkannt und behandelt werden können. Der jetzige Gesundheitszustand des Klägers ist auf die zeitlich erst um ca. drei Stunden verzögerte Einleitung der Notfallversorgung zurückzuführen.
Das Gericht hat ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen, weil die Bezifferung der Höhe des Anspruches auf Schmerzensgeldes noch weiterer Aufklärung bedarf.
II.
Der Kläger hat weiter dem Grunde nach auch einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte aus der fehlerhaften Behandlung vom 12./13.05.2011. Zur Begründung wird auf den oben festgestellten groben Behandlungsfehler und die daraus resultierende Beweislastumkehr verwiesen. Auch diesbezüglich kann eine konkrete Bezifferung des Schadens erst nach weiterer Aufklärung erfolgen.
III.
Schließlich hat der Kläger auch einen Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten. Auch hier kann über den Anspruch zunächst nur dem Grunde nach entschieden werden, weil sich die Rechtsanwaltsgebühren nach dem endgültigen Streitwert richtet, der sich endgültig erst nach dem Erlass des Schlussurteils beziffern lässt.