Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 16.04.2020, Az.: 15 B 2147/20

Besuchs- und Betretungsverbot; Corona; Corona-Virus; COVID-19; Pflegeeinrichtung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.04.2020
Aktenzeichen
15 B 2147/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71488
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner und die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der angefochtenen und zwischenzeitlich aufgehobenen Verfügung des Antragsgegners vom 31. März 2020 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen bleiben die Antragsteller mit ihrem Antrag,

die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 9. April 2020 anzuordnen,

ohne Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, obwohl die Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch keine Klage erhoben haben. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf einen Antrag, der auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist, die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Ein solcher Antrag ist nur statthaft, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig erhoben werden kann, der eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18.11.2014 – 8 ME 135/14 –, V.n.b.). Dies ist hier der Fall. Eine Klage gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners zur Ausweitung kontaktreduzierender Maßnahmen angesichts der Corona-Pandemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises G. vom 9. April 2020 ist zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag noch fristgerecht möglich und entfaltet aufgrund des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges keine aufschiebende Wirkung.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO ist aber unbegründet. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragsteller einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung eines Antrags und des erfolgreichen Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegenüberzustellen sind. Bei dieser Interessenabwägung ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen als wahr zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, soweit das jeweilige Vorbringen ausreichend substantiiert und die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 22.3.2020 – 1 B 17/20 –, juris m.w.N.).

Die Kammer kann vorliegend in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung im Hinblick auf das bis zum 18. April 2020 angeordnete Besuchs- und Betretungsverbot für ambulant betreute Wohngemeinschaften nach § 2 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen (NuWG), für Formen des betreuten Wohnens nach § 2 Abs. 4 NuWG sowie für ambulant betreute Wohngemeinschaften zum Zweck der Intensivpflege, die nicht in den Geltungsbereich des NuWG fallen, feststellen.

Die Allgemeinverfügung, an deren formeller Rechtmäßigkeit die Kammer keine durchgreifenden Zweifel hat, könnte ihre Rechtsgrundlage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung jedenfalls in § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung vom 27. März 2020 (IfSG n.F.) finden. Danach trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Es handelt sich bei § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG n.F. somit um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen ist der Behörde ein Auswahlermessen eingeräumt; zu den möglichen Maßnahmen gehören ausdrücklich auch die Möglichkeit, Personen zu verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um "notwendige Schutzmaßnahmen" handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-) Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.

Die Kammer geht davon aus, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen im hier vorliegenden Fall erfüllt sind. So bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Erkrankung COVID-19 um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG n.F. handelt und der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist (vgl. hierzu die Auskünfte des RKI, u.a. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html?cms_box=1&cms_current=COVID-19+%28Coronavirus+SARS-CoV-2%29&cms_lv2=13490882, zuletzt abgerufen am 14.4.2020). Da auch im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners bereits unter COVID-19 erkrankte Personen festgestellt wurden (vgl. Corona: Aktuelle Fallzahlen im Landkreis G., Stand 11.4.2020, abrufbar unter H.) und davon auszugehen ist, dass sich unerkannt eine hohe Dunkelziffer an weiteren Personen infiziert hat, geht die Kammer davon aus, dass die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung zu bejahen sind und der Antragsgegner zum Handeln verpflichtet gewesen ist („trifft … die notwendigen Schutzmaßnahmen“). Auch spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnung eines Besuchs- und Betretungsverbotes von der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG n.F. gedeckt ist.

Dem Einwand der Antragsteller, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG lägen nicht vor, da die dortige Bestimmung, wonach Personen u.a. verpflichtet werden können, bestimmte Orte nicht zu betreten, sich nur auf den Personenkreis des Halbsatzes 1 beziehe, mithin auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider, was auf sie – die Antragsteller – nicht zutreffe, kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden. Die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG n.F. getroffenen Regelungen beschränken sich nicht auf den in Halbsatz 1 genannten Personenkreis (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.2012 –3 C 16/11 –, juris, Rn. 26; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.4.2020 – OVG 11 S 14/20 –, juris; VG München, Beschluss vom 20.3.2020 – M 26 S 20.1222 –, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 27.3.2020 – 14 E 1428/20 –, juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie in der derzeitigen Situation – eine Inanspruchnahme nur der infizierten und damit als Störer einzustufenden Personen bereits daran scheitert, dass deren Störereigenschaft oftmals nicht bekannt ist, weil aufgrund der verhältnismäßig langen Inkubationszeit der Erkrankung, häufig symptomlos verlaufender Infektionen und zahlenmäßig eingeschränkter Testungen der Infektionsstatus eines wesentlichen Teils der Bevölkerung offen sein dürfte (VG Hamburg, Beschluss vom 27.3.2020 – 14 E 1428/20 –, Rn. 51, juris; vgl. auch Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise - Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, NJW 2020,1097).

Ob das von dem Antragsgegner angeordnete Besuchs- und Vertretungsverbot eine „notwendige Schutzmaßnahme“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 IfSG n.F. darstellt, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig ist, muss im vorliegenden Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz im Ergebnis offenbleiben, wenngleich hierfür nach Auffassung der Kammer vieles spricht. Die Antragsteller machen insoweit geltend, das angeordnete Besuchs- und Betretungsverbot sei unverhältnismäßig; insbesondere sei es aufgrund seiner erheblichen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden nicht geeignet, die Gesundheit der Bewohner der Einrichtung zu erhalten. Das Besuchs- und Betretungsverbot sei auch nicht erforderlich, da sich mildere Mittel – wie eine Reduzierung der Anzahl der Besuche und das Ergreifen von Schutzmaßnahmen – aufdrängten. Schließlich habe der Antragsgegner bei seiner Entscheidung wesentliche Abwägungspunkte außer Acht gelassen, sodass ein Ermessensausfall vorliege. Zudem erfolge eine Ungleichbehandlung gegenüber den Angehörigen der Gesundheitsfachberufe, die die Bewohner der von der Allgemeinverfügung erfassten Einrichtungen bzw. Wohngemeinschaften weiterhin aufsuchen dürften.

Diese Einwände vermögen die zuständige Kammer jedenfalls nicht von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung zu überzeugen. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass die ergriffene Maßnahme einem legitimen Zweck – der Eindämmung des Virus SARS-CoV-2 – dient und zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet ist. Das Virus SARS-CoV-2 zeichnet sich dadurch aus, dass es zum einen besonders leicht und auch schon vor dem (oder sogar ohne) Auftreten von Symptomen beim Infizierten zwischen Menschen übertragen wird und dass es zum anderen bei alten und vorerkrankten Menschen zu besonders schweren und nicht selten tödlichen Krankheitsverläufen führt. Gerade Bewohner von Pflegeeinrichtungen bzw. den in der Allgemeinverfügung genannten Wohngemeinschaften gehören typischerweise zu einer besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe und sind daher besonders zu schützen. Im hier vorliegenden Einzelfall sind nach Angaben der Beigeladenen sämtliche Bewohner der Einrichtung („Intensiv-Pflege-WG“), in der die Antragstellerin zu 1) wohnhaft ist, tracheotomiert. Hierbei handelt es sich um einen Luftröhrenschnitt, der dazu führt, dass Viren direkt in die Lunge gelangen können. Bei den Betroffenen besteht somit auch ohne die Corona-Pandemie eine besondere Anfälligkeit für nosokomiale Infektionen. Drei der Bewohner sind nach der Auskunft der Beigeladenen Beatmungspatienten. Im Falle einer Erkrankung an COVID-19 ergibt sich aus diesen Vorerkrankungen ein gesteigertes Risiko eines tödlichen Verlaufs. Da die Bewohner der „Intensiv-Pflege-WG“ in einer Haushaltsgemeinschaft wohnen und auch ein Kontakt zwischen den Bewohnern der Einrichtung und den Pflegern nicht ausgeschlossen werden kann, besteht die Gefahr, dass eine nicht sofort entdeckte Ansteckung sich unter allen Bewohnern der Einrichtung ausbreitet. Zudem hätte es schwerwiegende Folgen, wenn in einer solchen Einrichtung Pflegepersonal, welches in vielen Fällen bereits jetzt nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht, infolge einer Infektion ausfällt. Die Risiken einer Ansteckung können dadurch minimiert werden, dass die Betroffenen möglichst wenig direkten Kontakt zu außenstehenden Personen haben. Es erscheint daher als geeignetes Mittel, diesen schweren Risiken durch die Anordnung eines Besuchs- und Betretungsverbotes zu begegnen. Der Geeignetheit der Maßnahme steht nicht entgegen, dass hiermit möglicherweise auch nachteilige Auswirkungen – wie eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit – auf die Bewohner der betroffenen Wohngemeinschaften verbunden sein können.

Es ist nach Auffassung der Kammer auch nicht offenkundig, dass ebenso geeignete mildere Maßnahmen zur Verfügung stehen. Angesichts des derzeitigen begrenzten Kenntnisstandes und der äußerst dynamischen Lage muss zum Zeitpunkt der Entscheidung aber als ungewiss angesehen werden, ob den genannten Gefahren auch anderweitig Rechnung getragen werden könnte. Soweit die Antragsteller allerdings geltend machen, in Betracht komme beispielsweise das Tragen von Atemschutzmasken, ist einzuwenden, dass derartige Masken ohne Luftfilter nach den Erkenntnissen des Gerichts nur begrenzten Schutz bieten. Hinsichtlich weiterer professioneller Schutzkleidung besteht die Problematik, dass diese derzeit nur in sehr eingeschränktem Umfang zur Verfügung steht und zudem besonderer Vorsicht und Sorgfalt bei der Nutzung bedarf. Die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zu allen Bewohnern und dem Pflegepersonal sowie der Limitierung der Anzahl der jeweils anwesenden Besucher in der Pflegereinrichtung oder die Bereitstellung eines besonderen Besuchsraumes bzw. das Betreten nur des Appartements des entsprechenden Bewohners erscheinen ebenfalls nur eingeschränkt umsetzbar. Eine Kontrolle der Einhaltung entsprechender Regelungen durch das ohnehin bereits schwer belastete Pflegepersonal dürfte kaum lückenlos möglich sein. Schließlich kann auch eine Übertragung des Virus über Schmierinfektionen auf infizierten Oberflächen innerhalb der Räume der Einrichtung nicht völlig ausgeschlossen werden. Ein verpflichtender Vorabtest für Besucher auf das Virus SARS-CoV-2 dürfte ebenfalls nur eingeschränkten Schutz bieten. Nach den Erkenntnissen des Gerichts dauert ein solcher Test von der Probenentnahme bis zur Mitteilung des Ergebnisses ein bis zwei Tage, da bereits die Laboruntersuchung mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Je nach Probenaufkommen kann die Ergebnismitteilung auch deutlich länger dauern (vgl. RKI, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste.html?nn=13490888, zuletzt abgerufen am 15.4.2020). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass innerhalb dieses Zeitraums eine Infektion mit dem Virus erfolgt. Schnelltests sind soweit ersichtlich bislang noch nicht verfügbar.

Soweit die Antragsteller als milderes Mittel den Kontakt nur außerhalb der Einrichtung nennen, ist anzumerken, dass dies bereits jetzt durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung dem Wortlaut nach nicht ausgeschlossen wird, wenngleich die Bewohner ausdrücklich aufgefordert werden, die Häuser bzw. die zugehörigen Außengelände nicht zu verlassen. Insoweit ist allerdings mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass Treffen außerhalb der Einrichtung (insbesondere ohne jegliche Schutzmaßnahmen) naturgemäß ein Ansteckungsrisiko bergen und zu befürchten ist, dass das Virus auf diesem Wege in die Einrichtung gelangt. Die Antragstellerin zu 1) würde im Falle einer entsprechenden Zuwiderhandlung eine Gefährdung der Bewohner der Einrichtung in Kauf nehmen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Einrichtung hierauf mit notwendigen – im Zweifel für die Antragstellerin zu 1) auch einschneidenden – Maßnahmen zu reagieren hätte. Möglicherweise wäre ein weiterer Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) in der Einrichtung dann nicht mehr tragbar.

Nach Auffassung der Kammer spricht schließlich auch viel dafür, dass die Maßnahme angemessen ist. Dem in jeder Hinsicht anzuerkennenden und nachvollziehbaren dringenden Wunsch der Antragsteller nach einem persönlichen Besuchskontakt und den mit dem Besuchsverbot verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriffen – Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG – steht eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit und des Lebens nicht nur der Antragstellerin zu 1), sondern insbesondere auch der übrigen Bewohner der Einrichtung sowie der Pflegekräfte gegenüber. Nach Einschätzung des Gerichts zählen sämtliche Bewohner der Einrichtung aufgrund der Art ihrer Vorerkrankung zu einer hoch gefährdeten Risikogruppe. Angesichts dieser Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG auch verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 –, abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de), erscheint der schwerwiegende Eingriff in die Grundrechte der Antragsteller vertretbar. Hierbei berücksichtigt die Kammer auch, dass das Besuchsverbot zeitlich zunächst bis einschließlich zum 18. April 2020 befristet ist und Ausnahmeregelungen, wie etwa den Besuch durch nahestehende Personen von palliativmedizinisch versorgten Bewohnern vorsieht. Durch diese Ausnahmetatbestände wird besonderen Härtefällen Rechnung getragen. Durch die Befristung der Maßnahme ist sichergestellt, dass die Allgemeinverfügung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie zum Ablauf des 18. April 2020 erneut überprüft werden muss. Hierbei ist insbesondere bei fortschreitender Zeitdauer eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, das Besuchs- und Betretungsverbot – gegebenenfalls unter strengen Auflagen – zu lockern bzw. aufzuheben (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 –, abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de). Schließlich ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller zu 2) die Ausübung seiner Betreuungstätigkeit durch die angefochtene Allgemeinverfügung gänzlich unmöglich gemacht wird.

Soweit die Antragsteller eine Ungleichbehandlung mit den Angehörigen der Gesundheitsfachberufe rügen, ist dem entgegenzuhalten, dass das von Besuchern ausgehende Risiko für den alters- und gesundheitsbedingt besonders gefährdeten Personenkreis der Bewohner zu dem nicht gänzlich vermeidbaren Gefährdungsrisiko auch durch das Pflegepersonal noch kumulativ hinzutritt. Im Übrigen verfügt das Pflegepersonal über besondere Schutzausrüstung und ist hinsichtlich zu beachtender Sicherheitsvorkehrungen besonders instruiert und fachlich versiert, was Gefährdungen durch diese erheblich herabzusetzen geeignet ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.4.2020 – OVG 11 S 14/20 –, juris).

Dem Einwand der Antragsteller, die Begründung der Ermessensentscheidung sei defizitär, weil wesentliche Abwägungsgesichtspunkte außer Acht gelassen worden seien, ist insoweit zuzustimmen, als die Begründung der Allgemeinverfügung sehr knapp gehalten ist und eine Abwägung der betroffenen Grundrechte allenfalls am Rande erfolgt. Ein Ermessensausfall kann hierin jedoch nach Auffassung der Kammer (noch) nicht gesehen werden. Der Antragsgegner war sich seines Auswahlermessens offensichtlich bewusst und hat Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gemacht. Hierbei ist ferner auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner mit der Allgemeinverfügung einen Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 30. März 2020 umsetzt.

Nach Auffassung der Kammer spricht nach alledem viel dafür, dass die besonders hochwertigen Rechtsgüter (auch insbesondere) der anderen Bewohner der Pflegeeinrichtung bzw. Wohngemeinschaft es in der gegenwärtigen Lage rechtfertigen, Besuchskontakte weitgehend einzuschränken und nur streng reglementierten Ausnahmen vorzubehalten. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit scheidet somit erkennbar aus. Da jedoch innerhalb der Kürze der Zeit nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden kann, ob die Maßnahme in jeglicher Hinsicht verhältnismäßig ist, insbesondere ob es möglicherweise andere gleich geeignete, aber mildere Mittel zum Schutz der Betroffenen geben könnte, sieht die Kammer die Erfolgsaussichten einer (noch zu erhebenden) Klage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung im Ergebnis als offen an.

Demnach sind in einer weitergehenden Interessenabwägung die Folgen gegenüberzustellen, die im Hinblick auf das öffentliche Interesse in dem Fall einträten, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf die Antragsteller für den Fall der Ablehnung ihres Antrags.

Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der sich aus der angefochtenen Allgemeinverfügung ergebenden Beschränkungen. Erginge die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage nicht und hätte diese im Ergebnis Erfolg, wäre der schwerwiegende Eingriff in die Grundrechte der Antragsteller zu Unrecht erfolgt. Würde demgegenüber die aufschiebende Wirkung wie beantragt angeordnet und hätte eine gegen die Allgemeinverfügung gerichtete Klage keinen Erfolg, bestünde die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus nicht nur der Antragstellerin zu 1), sondern insbesondere auch weiterer Personen, obwohl dies durch ein Besuchsverbot möglicherweise hätte vermieden werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 –, abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de). Folglich blieben die Auswirkungen nicht auf die Antragsteller beschränkt, sondern würden sich durch mögliche Folgeinfektionen auf einen erheblich größeren Personenkreis erstrecken. In Niedersachsen ist es in einzelnen Pflegeeinrichtungen bereits zu einer Ausbreitung des Virus gekommen. Die hiermit verbundenen fatalen, mitunter tödlichen Folgen für die Bewohner können – bei allem Verständnis für die besondere Härte der Situation für die Antragsteller – nicht verantwortet werden, weshalb dem Eilantrag der Erfolg im Ergebnis versagt bleiben muss.

Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO und geht zulasten der Antragsteller, da diese mit ihrem Antrag unterliegen. Für den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil gilt § 161 Abs. 2 VwGO, sodass unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden ist. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen, da dieser die zunächst von den Antragstellern angefochtene Verfügung vom 31. März 2020 aufgehoben und sich damit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder den anderen Beteiligten noch der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen entspricht regelmäßig nur dann der Billigkeit, wenn der Beigeladene Anträge gestellt und damit das Risiko einer eigenen Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen oder wenn er das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 162, Rn. 23 m.w.N). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Von einer Reduzierung des Betrages im Eilverfahren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit) ist abzusehen, weil aufgrund der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache die Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem (noch nicht anhängig gemachten) Hauptsacheverfahren entspricht.