Amtsgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.06.2024, Az.: 44 III 12/24
Namensänderung im Wege einer Volljährigenadoption
Bibliographie
- Gericht
- AG Braunschweig
- Datum
- 25.06.2024
- Aktenzeichen
- 44 III 12/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 20012
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBRAUN:2024:0625.44III12.24.00
Rechtsgrundlagen
- § 1757 BGB
- § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB
In der Personenstandssache
betreffend das Geburtenregister für D.F., geb. ...
mit den Beteiligten:
1. Standesamt B., P. d. D. E. 1, B.
2. Stadt B., Rechtsreferat - untere Standesamtsamtsaufsicht - P. d. D. E. 1, B.
3. D. F., H.-H.-Str. 10, N.
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. S., W. 1 B, G.
hat das Amtsgericht B. - Personenstandsgericht - durch den Präsidenten des Amtsgerichts W. am 25. Juni 2024 beschlossen:
Tenor:
Es wird davon abgesehen, das Standesamt der Stadt B. anzuweisen, das Geburtenregister betreffend D. F. (G .../...) aufgrund der mit Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht - vom 16.08.2023 (12 F 136/23 AD) tenorierten Annahme als Kind im Wege der Folgebeurkundung dahingehend abzuändern, dass der Geburtsname "W." lautet.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 3) werden dem Standesamt auferlegt.
Der Wert des Verfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der unverheiratete Beteiligte zu 3) wurde am ... in B. geboren. Die Geburt wurde vom Standesamt der Stadt B. (Beteiligte zu 1) mit dem Geburtsnamen "F." und dem Vornamen "D." beurkundet. Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurkundung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Im Wege der Volljährigenadoption wurde der Beteiligte zu 3) mit Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht - vom 16.08.2023 (12 F 136/23 AD) auf gemeinsamen eigenen Antrag und des Antrages des Annehmenden B. W. von diesem als Kind angenommen. Das Gericht bestimmte weiterhin, dass der Anzunehmende und Beteiligte zu 3) als Geburtsnamen weiterhin den Namen "F." führe. Es wird im Übrigen auf den Beschluss des Amtsgerichts G. Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1) trägt vor, dass das Amtsgericht G. - Familiengericht - im vorgenannten Beschluss keinerlei besonderen Umstände angeführt habe, die zu der tenorierten Bestimmung des Geburtsnamens des Beteiligten zu 3) führten. Der Gesetzeswortlaut des anzuwendenden § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB sehe grundsätzlich die Ersetzung des Geburtsnamens des Angenommenen durch den Familiennamen der Annehmenden als zwingende Adoptionsfolge vor. In Ausnahmefällen könne gem. § 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB allenfalls bei Vorliegen schwerwiegender Gründe der bisherige Familienname dem Familiennamen des Annehmenden hinzugesetzt werden. Eine Beibehaltung des Geburtsnamens käme im Bereich der Erwachsenenadoption gem. § 1767 Abs. 2 Satz 3 BGB allenfalls und nur unter bestimmten Voraussetzungen bei verheirateten Angenommenen in Betracht. Vorliegend sei die vom Amtsgericht G. bestimmte unveränderte Fortführung des bisherigen Geburtsnamens des Beteiligten zu 3) vom Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Das Standesamt trägt deshalb Zweifel, ob die erfolgte Annahme des Beteiligten zu 3) als Kind durch den Annehmenden B. W. eine notwendig zu beurkundende Änderung des Geburtsnamens von "F." in "W." zur Folge hat.
Es wird im Übrigen auf die Schriftsätze des Standesamts vom 19.02.2024 nebst Anlagen, vom 30.04.2024 und 12.06.2024 Bezug genommen
Der Beteiligte zu 3) vertritt die Meinung, dass infolge der wirksamen Adoption keine Änderung des Geburtsnamens vom Standesamt zu beurkunden sei. Der vorbezeichnete Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht - sei nicht nichtig und deshalb bindend. Mit Verweis auf einen Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 2020 (XII ZB 427/19) und eine zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung mit Wirkung zum 01.05.2025 sei auch im Übrigen eine Änderung des Geburtsnamens nicht angezeigt.
Es wird im Übrigen auf die Schriftsätze des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3) vom 17.04.2024 und 23.05.2024 Bezug genommen.
Das Gericht hatte bereits mit Verfügung vom 05.04.2024, auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, darauf hingewiesen, dass infolge der wirksamen Annahme des Beteiligten zu 3) als Kind eine gerichtliche Anweisung des Standesamts zur Änderung des Geburtsnamens von (D.) F. zu (D.) W. im Wege der Folgebeurkundung nicht in Betracht komme.
II.
1.
Auf die gem. § 49 Abs. 2 PStG zulässige Zweifelsvorlage (vgl. zu den Anforderungen: BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - XII ZB 425/21 - juris) ist festzustellen, dass die Beteiligte zu 1) nicht zur gegenständlichen Folgebeurkundung mit Änderung des Geburtsnamens von (D.) F. zu (D.) W. zu verpflichten ist.
Die Zweifelsvorlage des Standesamts gilt für das weitere gerichtliche Verfahren zunächst als Ablehnung der gegenständlichen Amtshandlung (§ 49 Abs. 2 Satz 2 PStG), wobei es dem Standesamt hier um eine - mit der Änderung des Geburtsnamens des Beteiligten zu 3) von "F." zu "W." verbundene - Folgebeurkundung infolge der wirksamen Annahme des Beteiligten zu 3) als Kind durch den Annehmenden B. W. geht.
In der Sache ist das Standesamt nicht zur vorbezeichneten Amtshandlung anzuweisen.
Die wirksame Entscheidung des Amtsgerichts G. - Familiengericht - vom 16.08.2023 mit der Bestimmung, dass der Beteiligte zu 3) den Namen "F." als Geburtsnamen führt, ist für das Standesamt und für das Gericht bindend (a). Selbst die Nichtigkeit dieser Bestimmung unterstellt, scheidet eine Verpflichtung des Standesamts entgegen der ausdrücklichen Bestimmung im Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht - jedenfalls aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gegen eine wortlautgetreue Anwendung der gesetzlichen Regelung der §§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1757 BGB im Bereich der Volljährigenadoption aus (b).
a)
Die Bestimmung des Geburtsnamens "F." im Beschluss des Amtsgerichts Goslar - Familiengericht - ist bindend. Sie entfaltet damit zugleich Bindungswirkung für das Standesamt, die auch im gegenständlichen gerichtlichen Verfahren fortbesteht (OLG Dresden, Beschluss vom 23.09.2022 - 21 W 32/22 - juris Rn. 14: Erstreckung der Bindungswirkung auf die Personenstandsgerichte).
Soweit die Bestimmung durch das Familiengericht nicht der wortlautgetreuen Anwendung der gem. 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB anwendbaren Regelung des § 1757 BGB entspricht, ist hier zu berücksichtigen, dass das Familiengericht für den Bereich der Volljährigenadoption damit nicht lediglich eine gesetzliche Folgeregelung wiedergegeben hat (vgl. zur Thematik: BGH, Beschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 18/16 - juris Rn. 8 m.w.N.) und zugleich erkennbar dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten im Adoptionsverfahren folgt. Wenngleich das Amtsgericht G. - Familiengericht - damit von der wortlautgetreuen Anwendung des § 1757 BGB abrückt, führt dies vorliegend deshalb insbesondere nicht zu Nichtigkeit der Namensbestimmung.
Die Nichtigkeit einer konstitutiven gerichtlichen Entscheidung kann nur in extremen Ausnahmefällen angenommen werden, so etwa wenn jegliche gesetzliche Grundlage für eine Entscheidung fehlt oder wenn die Entscheidung eine der Rechtsordnung ihrer Art nach gänzlich unbekannte Rechtsfolge ausspricht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2002 - 1Z BR 56/01 - juris; Maurer in Münchener Kommentar, 9. Auflage, § 1757 Rn. 64 m.w.N.). Die Nichtigkeit rechtsgestaltender gerichtlicher Entscheidungen kommt mithin nur in evidenten Ausnahmefällen in Betracht.
Dabei ist im vorliegenden Fall weiterhin zu berücksichtigen, dass sich aus den gesetzlichen Regelungen nicht die zwingende Notwendigkeit ableiten lässt, dass zwischen dem Namen des Annehmenden und des Angenommenen in jedem Fall Namensidentität herrschen muss. Schließlich kommt der vom Gesetz in erster Linie angestrebten Namensgleichheit unter dem Blickwinkel der damit bezweckten Förderung der Integration in die Familie des Annehmenden im Bereich der Erwachsenenadoption nicht das gleiche Gewicht zu wie der bei der Adoption minderjähriger Kinder (BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2002 - 1Z BR 56/01 - juris Rn.22; OLG Dresden, Beschluss vom 23. September 2022 - 21 W 32/22 - juris Rn. 16 m.w.N.). Insofern wird jedenfalls auch die Auffassung vertreten, dass die sinngemäße Geltung der Vorschriften über die Namensführung des § 1757 BGB den Besonderheiten der Volljährigenadoption Rechnung tragen und berücksichtigen dürfe, dass die Identifikation mit dem bisherigen Namen bei den Anzunehmenden aufgrund ihres Alters vorhanden sein kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. Juni 2012 - 2 UF 274/11 - juris Rn. 40). Soweit das Standesamt hierzu unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Dezember 1998 - 4 W 7/97) demgegenüber die Auffassung vertritt, dass die gerichtliche Bestimmung wegen eines wesentlichen Verstoßes gegen § 1757 BGB keine Rechtwirkung entfalte, so bleibt festzuhalten, dass jedenfalls im Bereich der Volljährigenadoption in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch eine abweichende Auffassung vertreten wird (zur Frage der Auslegungsbegrenzung mit Rechtsprechungsnachweisen vgl. auch: BGH, Beschluss vom 13. Mai 2020 - XII ZB 427/19 - juris Rn. 37). Wenn auch der Bundesgerichtshof dieser Rechtsauffassung ausdrücklich nicht folgt (vgl. BGH a.a.O.), so hat dies keinesfalls denknotwendig die Nichtigkeit abweichender gerichtlicher Entscheidungen zur Folge. Dies verkennt das Standesamt im Kontext der hier ausschließlich zu beantwortenden Frage nach der rechtlichen Bindungswirkung der Namensbestimmung im Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht -.
b)
Selbst die Nichtigkeit der gerichtlichen Namensbestimmung unterstellt, scheidet eine Verpflichtung des Standesamts entgegen der ausdrücklichen Bestimmung im Beschluss des Amtsgerichts G. - Familiengericht - vorliegend im Ergebnis jedenfalls aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die wortlautgetreue Anwendung der gesetzlichen Regelung der §§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1757 BGB aus.
Zwar hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem Gesetz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts die gesetzliche Bestimmung zur Namensführung bei der Volljährigenadoption geändert. Gem. § 1767 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F. ist § 1757 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Angenommene den Familiennamen des Annehmenden nach Absatz 1 nicht erhält, wenn er der Namensänderung widerspricht. Diese Regelung, nach der künftig bei einer Volljährigenadoption der Angenommene seinen Namen weiterhin führen kann, tritt jedoch erst ab dem 01.05.2025 in Kraft.
Bereits mit vorgenanntem Beschluss vom 13. Mai 2020 (XII ZB 427/19) hatte der Bundesgerichtshof jedoch das Bundesverfassungsgericht angerufen zu der Frage, ob es nach aktueller Rechtslage mit dem von Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar ist, dass gemäß §§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1757 BGB bei der sog. schwachen Volljährigenadoption für einen Angenommenen, der bis zur Annahme als Kind seinen Geburtsnamen als Familiennamen, nicht aber als Ehenamen geführt hat, auch bei Vorliegen besonderer Umstände nicht die Möglichkeit besteht, diesen Geburtsnamen als alleinigen Familiennamen fortzuführen. Der Bundesgerichtshof vertritt im Vorlagebeschluss die Auffassung, dass die aktuell gesetzliche Regelung zur Namensführung insoweit verfassungswidrig sei, da sie der volljährigen Person selbst bei Vorliegen eines besonderen Kontinuitätsinteresses am eigenen Geburtsnamen die Möglichkeit verwehre, diesen Geburtsnamen als alleinigen Familiennamen fortzuführen.
Sofern das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, kann es das Gesetz für nichtig erklären (§§ 78, 82 BVerfGG). Mithin ist vorliegend in Betracht zu ziehen, dass das Bundesverfassungsgericht auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs hin die Norm des § 1757 BGB insgesamt oder in Verbindung mit der im Recht der Volljährigenadoption geltenden Verweisungsnorm des § 1767 Abs. 2 BGB für nichtig erklärt oder deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. November 2023 - 16 UF 193/23 - juris Rn. 58).
Eine Anweisung des Standesamts zur Beurkundung einer Namensänderung scheidet nach alledem selbst nach gegenwärtiger Rechtslage insgesamt ersichtlich aus.
Ob der dargelegten Wirksamkeit des rechtskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts G. - Familiengericht - kommt schließlich auch eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 21 Abs. 1 FamFG mit Blick auf den Vorlageschluss des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG i.V.m. 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Weil das Standesamt Anlass für das gerichtliche Verfahren gesetzt hat, sind ihm die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 3) aufzuerlegen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 2. August 2021 - 12 W 99/19 (PS) m.w.N.; Gaaz/Bornhofen/Lammers, Personenstandesgesetz, Handkommentar, 6. Aufl., § 51 Rn. 29).
Gerichtskosten hat das Standesamt hingegen nicht zu tragen; hiervon ist das Standesamt gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 PStG befreit.
3.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts findet ihre rechtliche Grundlage in den Regelungen der §§ 1 Abs. 2 Nr. 14, 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.