Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.02.2012, Az.: 2 A 83/11

Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung von Wohnhaus und Stallgebäuden für Vereinszwecke (hier: Haltung und Vermittlung von Tieren zu Tierschutzzwecken)

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
20.02.2012
Aktenzeichen
2 A 83/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 38249
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2012:0220.2A83.11.0A

In der Verwaltungsrechtssache
A. XXX,
Klägers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Koch und andere,
Bahnhof 1, 38300 Wolfenbüttel, - B. -
gegen
die Stadt Salzgitter Fachdienst Recht, vertreten durch den Oberbürgermeister, Joachim-Campe-Straße 6-8, 38206 Salzgitter, - C. -
Beklagte,
Streitgegenstand: Erteilung einer Baugenehmigung;
hier: Nutzungsänderung
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 20. Februar 2012 durch den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für die Umnutzung von Wohnhaus (D.) sowie Stallgebäude (E.) entsprechend dem Bauantrag vom 19.05.2008 nach Maßgabe der Einschränkungen in dem Schreiben der Beklagten vom 11.03.2010 zu erteilen.

Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung von Wohn- und Stallgebäuden für Vereinszwecke.

Er ist Eigentümer des 1.521 qm großen Grundstücks F.). Das im Innenbereich von A. gelegene Grundstück bildet die Hälfte einer ehemaligen Hofstelle. Auf diesem Grundstücksteil befindet sich ein Stallgebäude mit einer ehemaligen Wohnung (Gebäude B.). Zwei weitere Wohnungen gibt es in einem heute über die östliche Grenze gebauten Haus (Gebäude Nr. 37). Hier befindet sich der andere Teil der ehemaligen Hofstelle, der heute zum Wohnen und - extensiv - für eine Ingenieurbüro genutzt wird (A.C.).

Eine weitere größere ehemalige Hofstelle liegt mit Wohngebäuden in einiger Entfernung nördlich. Unmittelbar angrenzend sind westlich zwei Einfamilienhäuser und eine Arztpraxis (A.). Der südliche, zur Straße gelegene Grundstücksbereich kann zum Parken genutzt werden. Der nördlich hinter den Gebäuden gelegene Bereich ist wie die westlich hinter dem Gebäude Nr. 39 gelegene Fläche als Garten angelegt. Zwischen beiden Gartenbereichen ist ein Zaun errichtet worden.

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Imd 2, der als Straßenlinienplan aber keine Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung etc. enthält.

Die Tätigkeit des klägerischen Vereins ist darauf gerichtet, Hunde, Katzen und kleinere Heimtiere an neue Eigentümer zu vermitteln. Dafür werden die Tiere vorübergehend auf dem genannten Grundstück aufgenommen. Nach dem Erwerb des Grundstücks nahm der 1992 gegründete Verein dort im Jahre 2000 seine Tätigkeit auf, wobei im Erdgeschoss des Gebäudes Nr. 37 in der ehemaligen Wohnung zunächst neben Räumen für die Tiere ein Büro eingerichtet wurde. Das Oberschoss wurde und wird als Wohnung genutzt, die jeweils von einer auch die Tiere betreuenden Person gemietet wird. Heute werden in der unteren ehemaligen Wohnung zwei Zimmern zur Aufnahme von Katzen und ein Zimmer für die Aufnahme von Hunden genutzt. Von diesem Raum gelangen die Hunde über eine verschließbare Klappe in den Garten. Die Wohnung in dem Gebäude Nr. 39 wird erst nach dem Auszug eines Mieters 2008 als Büro und zur Aufnahme von Tieren in einem weiteren Raum genutzt. Außerdem befinden sich dort eine Küche und eine Toilette.

Der Verein finanziert seine Aktivitäten durch eine für die Vermittlung erhobene Aufwandentschädigung und durch den Erlös aus dem Verkauf von Flohmarktartikeln, die in den ehemaligen Ställen des Gebäudes Nr. 39 gelagert werden. Der Verkauf findet an einem Stand in der Fußgängerzone von Wolfenbüttel sowie bei Interesse mittwochs und samstags auf dem Baugrundstück statt. Ein oder zwei Mal im Jahr lädt der Verein zu einem Tag der offenen Tür ein. Ferner finden Zusammenkünfte des Vereins auf dem Grundstück statt, wobei in der Regel derzeit einmal monatlich ca. sechs Vereinsmitglieder zu Vorstandssitzungen zusammen kommen.

Mit Datum vom 04.04.2002 erhielt der Kläger von der Beklagten auf Antrag eine tierschutzrechtliche Erlaubnis, Tiere in dem Vereinshaus A. zu halten. Art und Höchstzahl der Tiere wurden auf 3 Hunde, 5 Katzen und 10 kleine Heimtiere begrenzt. Mit Schreiben vom 13.09.2006 wurde veterinärärztlich eine Auslaufzeit der Hunde zwischen 06:00 und 22:00 Uhr von jeweils maximal 6 Stunden vorgegeben. Mit Bescheid vom 06.05.2008 wurde die Genehmigung vom 04.04.2002 dahin geändert, dass eine Erlaubnis für bis zu 2 große oder 3 mittelgroße oder 4 kleine Hunde, 15 Katzen (bei Jungtieren vorübergehend mehr) und 10 kleine Heimtiere eingehalten werden muss.

Am 19.05.2008 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung zur Umnutzung des Grundstücks in der heutigen Form.

Die Beklagte beteiligte die Nachbarn nach § 72 NBauO. Die Eigentümer der Grundstücke D. waren mit dem Vorhaben nicht einverstanden. Sie verwiesen im Wesentlichen auf eine hohe Lärmbelästigung durch die Hunde auf den Freiflächen.

Mit Schreiben vom 22.05.2009 und 26.08.2009 erklärte der Kläger, ein "Jahreskontingent" von maximal 15 Hunden einzuhalten und die Vorgaben der tierschutzrechtlichen Genehmigung vom 06.05.2008 zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 11.03.2010 beteiligte die Beklagte die Nachbarn aufgrund der Einschränkung auf ein "Jahreskontingent" von maximal 15 Hunden. Sie gab u.a. an, die Verweildauer des einzelnen Hundes könne auf 30 Tage und die Auslaufzeit auf 09:00 bis 12.00 Uhr und 15:00 bis 18:00 Uhr beschränkt werden. Größe und Zahl der Tiere sollten den in der tierschutzrechtlichen Erlaubnis vom 06.05.2008 gesetzten Vorgaben entsprechen. Die oben genannten Nachbarn bekräftigten ihre Einwände.

Mit Bescheid vom 23.04.2010 lehnte die Beklagte den Bauantrag mit der Begründung ab, das Bauvorhaben füge sich nicht in den Rahmen der in der direkten Umgebung vorhandenen Nutzungen ein und sei damit planungsrechtlich unzulässig. Die Nachbarschaft werde seit Aufnahme der Nutzung durch den Verein im Jahr 2000 durch Lärm gestört. Die Hunde hielten sich bis zu ihrer Vermittlung in einer fremden Umgebung auf. Sie hatten keinen "Familienanschluss", sondern würden separat im Erdgeschoss des Gebäudes Nr. 37 gehalten. Auch eine Beschränkung der Auslaufzeiten und eine Obergrenze von 15 Tieren pro Jahr könnten eine unzumutbare Störung der unmittelbar angrenzenden Wohnnutzung und der Arztpraxis nicht verhindern. Die verschiedenen anderen Vereinsaktivitäten, zu denen Hunde mitgebracht würden, kämen als störend hinzu. Das Bauvorhaben sei wegen der Umnutzung der im Grenzbereich liegenden Wohnung in dem Gebäude Nr. 37 auch bauordnungsrechtlich unzulässig. Eine Ausnahme nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO könne nicht erteilt werden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011 zurück.

Der Kläger hat am 11.04.2011 Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, er halte sich selbstverständlich an die tierschutzrechtliche Genehmigung vom 06.05.2008. Er habe die die Auslaufzeiten bereits selbst beschränkt und halte eine Obergrenze von 15 vermittelten Hunden pro Jahr ein. Durchschnittlich blieben die Hunde nur 10 Tage. Eine Daueraufnahme von Hunden finde ohnehin nicht statt, es handele sich nicht um ein Tierasyl. Jede Vermittlung werde dokumentiert. Der Verein führe aber auch ein Buch, in das die Auslaufzeiten mit Hundenamen eingetragen würden. Es würden höchstens zwei Hunde in den Auslauf gelassen.

Die nachbarlichen Beschwerden seien nicht nachvollziehbar. Der Nachbar A. habe das Grundstück ursprünglich einmal selbst erwerben wollen und stehe dem Tierschutzverein deshalb kritisch gegenüber. In der Umgebung gäbe es viele andere Hunde, die bisweilen anschlügen. Hunde seien typisch für ein Mischgebiet im ländlichen Bereich.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2011 aufzuheben und den Bauantrag zur Umnutzung von Wohnhaus und Stall auf dem Grundstück E. vom 20.05.2008 zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Begründung von Bescheid und Widerspruchsbescheid. Sie ist weiterhin der Auffassung, das Bauvorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die diffuse Nutzungsstruktur der näheren Umgebung lasse eine eindeutige Festlegung auf eine Gebietskategorie nicht zu. Das Vorhaben sei deshalb nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. In den vorgegebenen Nutzungsrahmen füge sich ein Tierasyl bzw. Tierheim nicht ein. Das Vorhaben rücke an die schutzwürdige Wohnbebauung heran und verursache einen Konflikt. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch die Lärmbelästigung von den Hunden verletzt. Die Nachbarn auf den unmittelbar angrenzenden Grundstücken hätten wiederholt störenden Lärm beklagt. Ein Tierheim gehöre aufgrund seines Störpotentials in den Außenbereich. Im vorliegenden Innenbereich löse ein solches Vorhaben ein Planungserfordernis aus.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagte verwiesen. Diese Unterlagen haben dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen.

Das Gericht hat Beweis erhoben zu dem Gebietscharakter und den Nachbarbeeinträchtigungen durch eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 07.12.2011 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten darf das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung auf dem Grundstück F. nach Maßgabe der Einschränkungen in dem Schreiben der Beklagten an die Nachbarn vom 11.03.2010, die im Wesentlichen bereits Eingang in den praktischen Betrieb gefunden haben und keine den Bauantrag in seinem "Wesen" ändernde Beschränkungen herbeiführen, wenn die Beklagte sie als Auflagen umsetzt. Ferner dürfte eine Begrenzung der sich gleichzeitig im Auslauf aufhaltenden Hunde geboten sein.

Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Nutzungsänderung ist als Baumaßnahme nach §§ 2 Abs. 5, 68 Abs. 1 NBauO baugenehmigungspflichtig. Eine Baugenehmigung ist nach § 75 Abs. 1 Satz 1 NBauO zu erteilen, wenn die Baumaßname dem öffentlichen Baurecht entspricht. Die Aufnahme einer geänderten Nutzung für die Vereinstätigkeit des Klägers auf dem Grundstück A. entspricht dem Bauplanungs- und dem Bauordnungsrecht.

Bauplanungsrechtlich ist das Grundstück nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO einem Mischgebiet. Die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urt. v. 20.08.1998 - 4 B 79.98 - BauR 1999, 32) Die Nutzung des Grundstücks zur vorübergehenden Unterbringung von Hunden, Katzen und Kleintieren, als Lagerstätte für Flohmarktmaterial und als "Zentrale" des Tierschutzvereins wirkt sich in der Umgebung in bemerkbarer Weise nur durch ein Hundegebell und den - nach Überzeugung des Gerichts geringen - durch die Nutzung verursachten zusätzlichen PKW-Verkehr. Es ist daher geboten, aber auch ausreichend, die Grundstücke im Westen bis zu der Straße G., im Süden jenseits der A., im Osten das Grundstück A. und im Norden das Areal nördlich des klägerischen Grundstücks einzubeziehen. In diesem Bereich sind sowohl eine Wohnnutzung (A. und auf dem nördlichen Nachbargrundstück) als auch diverse freiberufliche und gewerbliche Nutzungen wie Arztpraxis, Lager, Imkerei, Fahrradladen, Ingenieurbüro, Stromerzeugung) sowie eine landwirtschaftliche Hofstelle, die aber nicht prägend wirkt, vorzufinden. Die nähere Umgebung ist daher durch ein für ein Mischgebiet typisches Nebeneinander von Wohnen und nicht störendem Gewerbe gekennzeichnet.

In dem faktisches Mischgebiet entspricht die Vereinsnutzung "vorübergehende Tierunterbringung/Lagerstätte/sonstige Vereinsaktivitäten und -verwaltung" nach der Bodeninanspruchnahme und in ihren Auswirkungen einem Bürogebäude im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und einem sonstigen Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO.

Aber auch, wenn mit der Beklagten angenommen würde, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 -11 BauNVO und die beantragte Nutzung überschreite den aus der näheren Umgebung herzuleitenden Rahmen, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn das Vorhaben würde keine bodenrechtlich beachtlichen, ausgleichsbedürftigen Spannungen erzeugen (BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369). Insofern ist auf die nachfolgenden Ausführungen zum Gebot der Rücksichtnahme zu verweisen. Die Nutzung zur vorübergehenden Unterbringung von Hunden, Katzen und Tieren hätte keine Vorbildfunktion. Sie würde keine negative Entwicklung einleiten, die nur durch eine Bauleitplanung verhindert werden könnte. Denn derartige Nutzungen sind sehr selten. Eine ähnliche Nutzung wäre entweder mit einem nach § 34 Abs. 1 BauGB ohnehin zulässigen nicht störenden Gewerbebetrieb vergleichbar oder so andersartig, dass von einem Nachahmen nicht mehr gesprochen werden könnte.

Das Vorhaben verstößt nicht gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 15 Abs. 1 BauNVO). Welches Maß an Rücksichtnahme dem Bauinteressenten abverlangt werden kann, richtet sich nach dem in der Umgebung tatsächlich Vorhandenen nach Maßgabe des rechtlich Zulässigen. Der Rücksichtnahmepflichtige braucht umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind. Umgekehrt kann derjenige, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher und schutzwürdiger seine Stellung ist (BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122; Urt. v. 08.03.1995 - 4 B 25.95 - [...]; Urt. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 -[...]; Urt. v. 27.08.1998 - 4 C 5.98 - [...]).

Danach ist hier folgendes festzustellen:

Gegenstand der Nachbarbeschwerden sind im Wesentlichen Lautäußerungen der aufgenommenen Hunde (Bellen, Jaulen). Durch Auflagen in der Baugenehmigung kann die beantragte Nutzung in einer Weise reguliert werden, die eine unzumutbare Beeinträchtigung der umgebenden Wohnnutzung A. und der Arztpraxis vermeidet. Die südlich angrenzenden Wohngebäude sind kaum betroffen, weil die Gebäude auf dem Vereinsgrundstück und die Häuser A. die Schallübertragung abschirmen.

In erster Linie geht es darum, die Nutzung des nördlichen Gartenbereichs als Hundeauslauf auf ein nachbarverträgliches Maß zu beschränken. Wie von den Vertreterinnen des Klägers im Erörterungstermin geschildert, sollten nur maximal 2 Hunde (einschließlich Gasthunden) im Außenbereich (nördlicher Garten) sein. Wenn diese beaufsichtigt werden, kann bei störendem Bellen - insbesondere im Sommer bei Aktivitäten auf Nachbargrundstücken - sofort eingeschritten werden. Die Nutzungszeiten können (wie in dem Schreiben an die Nachbarn vom 11.03.2010 vorgegeben) behördlich auf 09:00 bis 12:00 Uhr und 15:00 bis 18:00 Uhr beschränkt werden (ggf. andere Zeiten, s. Protokoll des Erörterungstermins zur gegenwärtigen Praxis).

Hervorzuheben ist zudem, dass lediglich die Grundstücke A. unmittelbar an den Hundeauslaufbereich grenzen und hier die Gartennutzung bzw. die Nutzung der Arztpraxis (nach Angaben dieser Nachbarn) betroffen ist. Zu den Grundstücken Nr. 43 A und 35 sind bereits Sichtschutzfolien angebracht worden. Das könnte auch gegenüber dem Grundstück 43 B geschehen.

Sofern sich auf dem klägerischen Grundstück zeitweise ein oder zwei Hunde im Auslauf befinden, also auch bellen können, so ist dies eine Grundstücksnutzung, die - zumal im dörflichen Bereich - nicht ungewöhnlich ist. Auch auf anderen Grundstücken in der näheren Umgebung werden Hunde gehalten (s. die Übersicht des Klägers Bl. 246 BA B). Über eine längere Zeit war im Übrigen bei dem Ortstermin das entfernte Bellen eines Hundes zu hören.

Durch Einwirken auf die Tiere können auch störende Geräusche von den Hunden im Hundebereich des Gebäudes Nr. 39 vermieden werden. Die ständig anwesende Mieterin im Obergeschoss dieses Gebäudes ist nicht nur stellvertretende Vereinsvorsitzende, sondern wohnt dort auch zu günstigen Konditionen, weil sie sich um die Hunde und Katzen kümmert und dies nach Überzeugung des Gerichts auch gerne tut. Sollte hier ein Mieterwechsel stattfinden, kann ein ähnlich engagierter Mieter gefunden werden.

Geräusche von Katzen im Katzenbereich 1 des Gebäudes Nr. 39 können ebenso vermindert oder unterbunden werden, auch durch "bauliche" Veränderungen, die Geräusche etwa von dem Fußboden ausschließen.

Nach dem in dem Erörterungstermin gewonnenen Eindruck bieten die Vereinsvorsitzende H. und die Mieterin I. die Gewähr für eine Einhaltung der Auflagen und einen auch im Übrigen ordnungsgemäßen, die Nachbarn nicht unnötig und unangemessen belastenden Vereinsbetrieb. Die Außenanlagen und die Räume einschließlich des Flohmarklagers waren in einem ordentlichen Zustand. Dass diese für den gerichtlichen Termin hergerichtet waren, kann mangels entgegenstehender Nachbarangaben nicht angenommen werden. Eine Verwahrlosung des Grundstücks ist in den letzten Jahren von keiner Seite vorgetragen worden. Auch ist die Tierhaltung vom Veterinäramt nicht beanstandet worden. Die Vereinsvorsitzende führt über die Vermittlung und über die Auslaufzeiten genau Buch. Aus all diesen Umständen kann auf eine Beachtung der Auflagen einer Baugenehmigung geschossen werden. Bei Rechtsverstößen kann die Beklagte jederzeit einschreiten, die Nutzung untersagen und dies mit Zwangsmitteln untersagen.

Im Hinblick auf Konflikte mit der benachbarten Wohnnutzung ist die maximale Verweildauer der Hunde bei dem Verein dagegen ebenso zu vernachlässigen wie ein Jahreskontingent von 15 Hunden. Beides mag aber Eingang in die Genehmigung finden, um die neue Nutzung in der Ortslage von A. nicht ausufern zu lassen. Dasselbe gilt für die Menge der gleichzeitig betreuten Hunde, Katzen und Kleintiere, die sich an der tierschutzrechtlichen Genehmigung vom 06.05.2008 orientieren muss.

Die weiteren Aktivitäten des Klägers beinhalten nach Überzeugung des Gerichts kein nennenswertes Konfliktpotential. Ein Tag (Erörterungstermin) oder zwei Tage (Betriebsbeschreibung) der offenen Tür jährlich verursachen PKW-Verkehr, der aber nach der insgesamt geringen nachbarlichen Immissionsbelastung durch das Vorhaben und auch angesichts der Parkmöglichkeiten auf dem klägerischen Grundstück hinzunehmen ist. Die sogenannten wöchentlichen Flohmärkte finden nach den Angaben der Klägervertreterinnen im Erörterungstermin nicht in einer Weise statt, die einen größeren Besucherverkehr verursacht. Eher selten kommen danach Interessenten auf das Grundstück, um in dem Stallgebäude nach Fundstücken zu suchen. Im Wesentlichen trägt der Verkauf von Flohmarktartikel an Samstagen in Wolfenbüttel neben Spenden und Aufwandentschädigungen bei der Vermittlung zu der Finanzierung des Vereins bei. Die Mitgliederversammlungen oder Vorstandstreffen fallen als Belastung für die Umgebung nicht ins Gewicht.

Bauordnungsrechtliche Bedenken stehen der Umnutzung nicht entgegen. Sofern für die geänderte Nutzung im Untergeschoss des Gebäudes Nr. 37, die teilweise im Bauwich erfolgt, wegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 NBauO eine Ausnahme von den Abstandsvorschriften der §§ 7 ff. NBauO für erforderlich gehalten wird, kann diese nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO (sonstige Gebäude mit genehmigten Aufenthaltsräumen) erteilt werden. Den Erfordernissen des Brandschutzes muss dabei nach § 13 Abs. 2 Satz 1 NBauO Rechnung getragen werden. Insoweit ist die Baugenehmigung ggf. mit weiteren Auflagen oder Bedingungen zu versehen. Bedenken gegen die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, auch in dem Nachbargebäude A., bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist in Anwendung des § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO ergangen.

Der Streitwert ist gem. § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt worden auf den untersten Betrag, der für eine Baugenehmigung zur Errichtung von Wohnhäusern bzw. Appartements nach den Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vorgesehen ist (wie Ziff. 1 f), da es sich (nur) um eine Nutzungsänderung für einen Verein handelt.

Dr. Struß