Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.06.2007, Az.: 32 Ss 89/07
Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung bei Ungeeignetheit der aufgestellten Behauptung zur Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens gegen einen Dritten; Ungeeignetheit einer Falschangabe zur Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens gegen einen Dritten wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung i.R.d. falschen Verdächtigung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.06.2007
- Aktenzeichen
- 32 Ss 89/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 47379
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0621.32SS89.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 164 StGB
- § 26 Abs. 3 StVG
Fundstellen
- DAR 2007, 713 (Volltext mit red. LS)
- SVR 2008, 430-431 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- StRR 2008, 195-196 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- VRR 2008, 83 (red. Leitsatz)
- VRR 2008, 229-230 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- ZAP EN-Nr. 0/2009
Verfahrensgegenstand
Falsche Verdächtigung
Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts ... vom 7. März 2006
Amtlicher Leitsatz
Eine Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung scheidet aus, wenn die aufgestellte Behauptung eines Kraftfahrers, ein Dritter habe den Verkehrsverstoß begangen, nicht geeignet ist, ein behördliches Verfahren gegen den Dritten herbeizuführen. Dies ist bei bereits eingetretener Verfolgungsverjährung der Fall ( § 164 StGB).
In der Strafsache
...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die
...
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 21. Juni 2007
gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht ... hatte den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu jeweils 30 EUR verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht verworfen. Nach den Feststellungen war dem Angeklagten im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens der Landeshauptstadt ... vorgeworfen worden, am 2. August 2005 in ... die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 25 km/h überschritten sowie ein Mobiltelefon benutzt zu haben. In dem Anhörungsverfahren teilte der Angeklagte am 23. November 2005 mit, dass er das Fahrzeug nicht gefahren habe. Die Verwaltungsbehörde erließ am 29. November einen Bußgeldbescheid gegen den Angeklagten und verhängte gegen ihn eine Geldbuße von 120 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat. Mit einem am 5. Dezember 2005 bei der Behörde eingegangenen Schreiben legte der Angeklagte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und führte zur Begründung aus: "Führer dieses Fahrzeugs war ..., obwohl er wusste, dass er das Fahrzeug zu dem Zeitpunkt geführt hatte. Mit seiner bewusst falschen Benennung des angeblichen Fahrzeugführers wollte er die Einstellung des gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahrens und die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen die von ihm benannte Person erreichen. Bei " ... " handelt es sich ..., die Lebensgefährtin des Angeklagten. Der Angeklagte nahm mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. April 2006 den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurück.
II.
Gegen die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und gemäß § 354 Abs. 1 StPO zum Freispruch des Angeklagten durch den Senat.
Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 164 Abs. 1 und 2 StGB sind nicht erfüllt. Ein strafbares Verhalten des Angeklagten im Sinne dieser Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil die von ihm aufgestellte Behauptung, Frau ... habe den Verkehrsverstoß vom 2. August 2005 begangen, nicht i.S. des § 164 Abs. 2 StGB geeignet war, ein behördliches Verfahren gegen sie herbeizuführen. Diese Eignung fehlt, wenn Umstände vorliegen, die sanktionsähnliche Maßnahmen gegen Verdächtigte von vornherein ausschließen (vgl. NK/Zopfs, StGB, Rdnr. 37 zu § 164). So liegt es hier. Der Angeklagte benannte mit einem am 5. Dezember 2005 bei der Landeshauptstadt ... eingegangenen Schreiben seine Lebensgefährtin als angebliche Täterin der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 2. August 2005. Zu dieser Zeit war jedoch die in § 26 Abs. 3 StVG bestimmte Frist der Verfolgungsverjährung von drei Monaten abgelaufen, sodass ein Verfahren gegen Frau ... unter keinem Gesichtspunkt eingeleitet werden konnte. Die Tatsache, dass gegen den Angeklagten bereits ein Bußgeldbescheid erlassen war, führte zu einer Verlängerung der Verfolgungsverjährung nur, soweit sich das Verfahren gegen ihn richtete, hatte jedoch ebenso wie vorangegangene Unterbrechungshandlungen keinen Einfluss auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung hinsichtlich einer angeblich von Frau ... begangenen Ordnungswidrigkeit. Die genannten Maßnahmen wirken nur gegenüber dem, auf den sie sich beziehen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., Rdnr. 6 zu § 26 StVG; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., Rdnr. 4 zu § 26 StVG jeweils m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.