Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 24.05.1977, Az.: 4 U 279/76

Ausreichen einer bloßen Einigung über den Besitzübergang von in einem Bankschließfach gelagerten Goldwerten zur Begründung eines Herausgabeanspruchs gegenüber dem Erben der Inhaberin; Auswirkung einer auf einer Kontokarte vermerkten Einräumung der bloßen Verfügungsbefugnis auf die zur Einigung notwendigen Möglichkeit der Gewaltausübung; "Vorweggenommenes Besitzkonstitut" als Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses für einen erst in Zukunft in den Besitz des Veräußerers gelangenden Gegenstand

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
24.05.1977
Aktenzeichen
4 U 279/76
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 16369
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1977:0524.4U279.76.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 13.10.1976 - AZ: 2. O. 47/76

Fundstelle

  • NJW 1977, 1780-1781 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zustimmung zur Herausgabe

In dem Rechtsstreit
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 1977
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht xxx sowie
des Richters am Oberlandesgericht xxx und
des Richters am Landgericht xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Oktober 1976 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin zur Abgabe folgender Erklärung verurteilt:

"Ich willige darin ein, daß die Stadtsparkasse xxx an die Beklagte den Inhalt des bei ihr unterhaltenen Schrankfachs Nr. 598, angelegt am 30.8.1971 von der am 22.8.1973 verstorbenen Witwe xxx geb. xxx, wohnhaft gewesen in xxx aushändigt".

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar, jedoch bleibt der Klägerin nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.700,--DM abzuwenden.

Der Wert der Beschwer für die Klägerin durch dieses Urteil wird auf weniger als 40.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien, Nichten der am 22.8.1973 verstorbenen Witwe xxx, streiten darüber, wem die Goldwerte in einem von ihrer verstorbenen Tante gemieteten Schrankfach der Stadtsparkasse xxx zustehen.

2

Die Parteien sind Töchter von zwei Zwillingsschwestern. Deren weitere Schwester war die am 22. August 1973 in Berlin ohne Nachkommen verstorbene xxx geb. xxx (Erblasserin). Im Sommer 1971 hatte die Erblasserin aus xxx von der Beklagten kommend die Klägerin in xxx besucht. Von der Sparkasse in xxx ließ sie sich eine dort hinterlegte Kassette mit Goldmünzen und Goldbarren mit einem von den Parteien auf ca. 20.000,-- DM geschätzten Wert nach xxx übersenden. Sie mietete am 30.8.1971 bei der Stadtsparkasse xxx das Schrankfach Nr. 598. In diesem brachte sie die Kassette mit Inhalt unter. In dem von der Erblasserin an diesem Tage unterschriebenen Mietvertrag mit der Stadtsparkasse xxx heißt es u.a.:

"Im Falle meines Ablebens ist zur Verfügung über das Schrankfach berechtigt: meine Nichte Frau xxx in xxx xxx."

3

Dem Mietvertrag liegen die Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern zugrunde (Bl. 63/64). Die beiden Schlüssel für das Schrankfach nahm die Erblasserin an sich. Sie waren noch in ihrem Besitz bis sie am 22.8.1973 im Altersheim in xxx starb.

4

Am 19.2.1972 hatte die Erblasserin ein handschriftliches Testament errichtet, wonach die Beklagte ihre "gesamte Hinterlassenschaft, einschließlich Sparkassenguthaben" erben sollte mit dem Zusatz "Frau xxx ist der einzige Mensch, der sich während meiner schweren Krankheit um mich gekümmert hat". Auf Grund dieses Testamentes hat das Amtsgericht Berlin-Schöneberg der Beklagten am 5.12.1973 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein ausgestellt.

5

Nach dem Tod der Erblasserin legte die Klägerin der Stadtsparkasse xxx die Sterbeurkunde vor, um über den Inhalt des Schrankfachs verfügen zu können. Die Stadtsparkasse forderte daraufhin die beiden Schlüssel für das Schrankfach unter Hinweis auf die Verfügungsberechtigung der Klägerin vom Altersheim in xxx an. Der inzwischen als Nachlaßpfleger eingesetzte Rechtsanwalt xxx aus xxx widerrief gegenüber der Stadtsparkasse etwaige Vollmachten und verlangte die Herausgabe des Schrankfachinhalts unter Übersendung der ihm vom Altersheim überlassenen Schlüssel.

6

Dagegen wandte die Klägerin sich mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bei dem Amtsgericht Celle. Seitdem befinden die Schlüssel sich bei der Stadtsparkasse xxx. Diese macht die Aushändigung des Inhalts des Schrankfaches an eine der beiden Parteien von der Zustimmung der jeweils anderen Partei abhängig, nachdem die Beklagte als Erbin sämtliche mit dem Testament der Erblasserin in Widerspruch stehende Erklärungen widerrufen hat.

7

In der mit dem zunächst eingereichten Armenrechtsgesuch wörtlich übereinstimmenden Klageschrift hat die Klägerin zu der Anmietung des Schrankfaches behauptet:

8

Die Erblasserin habe der Klägerin erklärt, sie wolle ihr den Inhalt des Schrankfachs für den Fall ihres Ablebens zukommen lassen. Die Klägerin sei nicht auf Rosen gebettet. Sie werde dann nicht mehr zu arbeiten brauchen. Die Klägerin habe der Erblasserin mit Handschlag versprechen müssen, vom Inhalt des Schrankfaches auch Fürsorge für den sehbehinderten Sohn der Klägerin zu treffen. In Gegenwart des Ehemannes der Klägerin, der die Kassette zur Stadtsparkasse getragen habe, habe die Erblasserin mit dem damaligen Angestellten der Stadtsparkasse xxx vereinbart, daß die Kassette mit Inhalt der Klägerin bei dem Tode der Erblasserin gegen Vorlage der Sterbeurkunde zukommen solle. Herr xxx solle das von Bankseite aus derart regeln, daß die Klägerin mit ihrem Tod Inhaberin des Schrankfachs werden und ihr die Kassette ohne testamentarischen Nachweis oder Erbschein herausgegeben werden solle. Darauf habe xxx die Kontokarte (vgl. Fotokopie Bl. 10) ausgefüllt und die Erblasserin diese unterschrieben. Von dieser Vereinbarung habe die Erblasserin die Klägerin unterrichtet und dabei erklärt: "Der Inhalt ist Dir nun sicher".

9

Die Beklagte hat in ihrem ersten auf die Klage erwidernden Schriftsatz vom 21.5.1976 auf ihr gesamtes Vorbringen im Armenrechtsprüfungsverfahren und insbesondere auf ihren Schriftsatz vom 29.3.1976 Bezug genommen. Als Anlage zu diesem Schriftsatz hatte sie ein vorprozessuales Schreiben ihrer Anwälte vom 22.3.1974 überreicht, in dem es wörtlich heißt:

"Daß die Kassette dann bei der Stadtsparkasse xxx eingelagert ist, und daß dieses unter den von Ihnen geschilderten Umständen geschehen sein mag, kann und soll nicht bestritten werden."

10

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, wegen der Vereinbarungen mit der Erblasserin stehe der Inhalt des Schrankfaches ihr und nicht der Beklagten als Nachlaßgegenstand zu. Sie hat dazu behauptet, die Erblasserin habe ihr mindestens dreimal erklärt, sie bekomme unabhängig vom Testament den Inhalt der Kassette. Etwa drei Wochen vor ihrem Tode habe die Erblasserin ihr mitgeteilt: "Es wird mit mir zu Ende gehen. Du weißt, was Du zu tun hast." Da die Erblasserin die Kassette im Testament nicht ausdrücklich aufgeführt habe, sei daraus zu schließen, daß sie der Beklagten nicht habe zuwenden wollen.

11

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, darin einzuwilligen, daß die Stadtsparkasse xxx an die Klägerin den Inhalt des bei ihr unterhaltenen Schrankfachs Nr. 598, angelegt am 30.8.1971 von der am 22.8.1973 verstorbenen Witwe xxx, geborene xxx, wohnhaft gewesen in xxx, aushändigt.

12

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Mit Schriftsatz vom 26. Mai 1976 hat die Beklagte Widerklage erhoben und dazu beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, darin einzuwilligen, daß die Stadtsparkasse xxx an die Beklagte den Inhalt des bei dieser unterhaltenen Schrankfachs Nr. 598, angelegt am 30.8.1971 von der am 22.8.1973 verstorbenen Witwe xxx, geborene xxx, wohnhaft gewesen in xxx, aushändigt.

14

Die Beklagte hat behauptet, die Erblasserin habe ihr mehrfach erklärt, als Erbin des gesamten Vermögens stehe ihr auch der Inhalt des Schrankfaches zu. Die Beklagte solle, wenn der Erblasserin etwas passiere, sofort nach xxx fahren und das dortige Schrankfach leeren. Sie wisse ja, wo die Schlüssel sich befänden. Die Erblasserin habe weiter erklärt, daß die Klägerin keinerlei Ansprüche habe.

15

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, daß die von der Erblasserin angeordnete Verfügungsberechtigung der Klägerin wegen des späteren Testaments vom 19.2.1972 nicht mehr habe gelten sollen. Das ergebe sich daraus, daß die Erblasserin mehrfach vorgehabt habe, die Kassette von xxx nach xxx zu holen.

16

Unstreitig hat die Beklagte als Erbin nach dem Tod der Erblasserin die Miete für das Schrankfach bezahlt.

17

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

18

Durch das am 13. Oktober 1976 verkündete Urteil hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen, weil die Klägerin nach den von der Beklagten nicht bestrittenen Vereinbarungen der Erblasserin und der Stadtsparkasse anläßlich der Anmietung des Schrankfaches Eigentümerin der Kassette im Augenblick des Todes der Erblasserin geworden sei und der Beklagten wegen des gültigen Schenkungsvertrages ein Recht zum Besitz nicht zustehe. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils nebst den darin enthaltenen Verweisungen wird Bezug genommen.

19

Am 29. November 1976 hat die Beklagte gegen dieses ihr am 29. Oktober 1976 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 19. Januar 1977 begründet, nachdem die Begründungsfrist durch Verfügung vom 22.12.1976 bis zum 31.1.1977 verlängert worden war.

20

Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Klägerin nicht Eigentum an dem Inhalt der Kassette im Schrankfach erlangt habe. Dem vom Landgericht als nicht bestritten angesehenen Vortrag der Klägerin sei die Beklagte mit der Begründung ihrer Widerklage en gegengetreten.

21

Demgemäß sei nicht unstreitig, daß die Erblasserin der Klägerin die Übereignung des Kassetteninhaltes angeboten habe. Außerdem habe die Erblasserin einen allenfalls im Zeitpunkt der Anmietung des Schließfaches vorhandenen Übertragungswillen später ausdrücklich aufgegeben. Das ergebe sich aus ihrem Wunsch, die Kassette nach xxx schaffen zu lassen und aus der Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin im Testament. Diese Einsetzung als Alleinerbin sei deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin selbst bei ihrem Gesuch um Erlaß einer einstweiligen Verfügung an Eides Statt versichert habe, die Erblasserin habe 1971 vorgehabt, die Klägerin und auch die Beklagte in etwa gleicher Weise zu bedenken. Wenn dennoch die Erblasserin die Beklagte als Erbin der "gesamten Hinterlassenschaft" eingesetzt habe, habe sie damit einen vorher geäußerten Übertragungswillen aufgegeben.

22

Die Beklagte ist schließlich der Ansicht, ein etwaiges Schenkungsversprechen der Erblasserin bedürfe der nach § 2301 BGB erforderlichen Form, weil es mangels der Möglichkeit einer Konstruktion eines Vertrages zugunsten Dritter sich hier nicht um eine vollzogene Schenkung handeln könne.

23

Erst im Februar 1977 habe die Beklagte erfahren, daß die Erblasserin im Sommer 1972 wiederholt dem Bankkaufmann xxx aus xxx erklärt habe, die Beklagte werde das bei einer Bank in xxx deponierte Gold erben, er möge die Beklagte bei der Verwertung oder Neuanlage des Goldes doch fachgerecht beraten.

24

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

25

auf die Widerklage die Klägerin zur Abgabe folgender Erklärung zu verurteilen,

"Ich willige darin ein, daß die Stadtsparkasse xxx an die Beklagte den Inhalt des bei ihr unterhaltenen Schrankfachs Nr. 598, angelegt am 30.8.1971 von der am 22.8.1973 verstorbenen Witwe xxx, geb. xxx, wohnhaft gewesen in xxx, aushändigt,"

26

hilfsweise,

der Beklagten Vollstreckungsnachlaß zu gewähren.

27

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

28

hilfsweise

Nachlaß der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung.

29

Die Klägerin hält es für verspätet, daß die Beklagte erst in der Berufungsinstanz die maßgeblichen Vereinbarungen zwischen der Erblasserin und der Klägerin bestreiten wolle. Die Beklagte habe durch das von ihr selbst in den Prozeß eingeführte Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 22.3.1974 die Behauptungen der Klägerin über die Vereinbarungen mit der Erblasserin im August 1971 sogar zugestanden. Da die Beklagte selbst nicht behaupte, daß die Erblasserin die angebliche Aufgabe ihres Übereignungswillens der Klägerin gegenüber deutlich gemacht habe, komme es darauf nicht an.

30

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten und in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft und auch in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

32

Die Berufung muß auch Erfolg haben. Die von der Klägerin vorgetragenen Einzelheiten zu den Vereinbarungen zwischen der Erblasserin, der Stadtsparkasse und der Klägerin reichen nicht für einen Besitz- und damit Eigentumserwerb der Klägerin spätestens im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin aus.

33

Die Klägerin kann nur dann von der Beklagten die Zustimmung zur Herausgabe der Kassette im Schrankfach der Stadtsparkasse xxx verlangen, wenn sie zu Lebzeiten oder aber spätestens im Augenblick des Todes der Erblasserin das Eigentum von dieser erworben hat. Denn die Beklagte hat als Alleinerbin mit dem Tode der Erblasserin deren sämtliche Eigentumsrechte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworben. Weil aus dem Vortrag der Klägerin die Voraussetzungen für einen solchen Eigentumserwerb nicht entnommen werden können, kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte diesen Vortrag der Klägerin in erster Instanz im Sinne von § 288 ZPO zugestanden hat und ob das Bestreiten der Beklagten gemäߧ 529 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen werden muß.

34

Ein Eigentumserwerb der Klägerin von der Erblasserin gemäߧ 929 BGB durch Einigung und Übergabe scheidet von vornherein aus, weil die Erblasserin sich zu ihren Lebzeiten niemals des Besitzes an der Kassette völlig entäußert hat. Das wäre Voraussetzung für eine Übergabe im Sinne des § 929 BGB. Vielmehr hat sie nach der Einlagerung der Kassette in das Schrankfach die ihr den Zugang zum Schrankfach gewährleistenden beiden Schrankschlüssel an sich genommen und bis zu ihrem Tode in xxx bei sich behalten. Auch hat sie der Klägerin gegenüber deutlich gemacht, daß sie ihr den Kassetteninhalt erst mit ihrem Tode zukommen lassen wollte.

35

Die Voraussetzungen für einen im Gesetz vorgesehenen ÜbergabeerSatz 1iegen nicht vor.

36

Die bloße Einigung über den Besitzübergang gemäߧ 854 Abs. 2 BGB kann jedenfalls zu Lebzeiten der Erblasserin nicht in Betracht kommen. Denn dafür ist erforderlich, daß der Übertragende bis zur Einigung Besitzer ist und mit dem Einigungszeitpunkt seine Gewalt über die Sache vollständig aufgibt (vgl. Soergel-Mühl Rn 14 zu § 854 BGB mit Rechtsprechungsnachweis). Das ist jedoch wie ausgeführt nicht geschehen.

37

Allerdings ist auch die Einigung des § 854 Abs. 2 BGB ein der Bedingung zugängliches Rechtsgeschäft (vgl. Palandt-Bassenge Anm. 4b zu § 854; vgl. auch BGH NJW 76, 1539, 1540). Aber auch eine solche rechtliche Konstruktion kann nach den von der Klägerin vorgetragenen Einzelheiten der Vereinbarungen nicht angenommen werden. Zwar kann die Erblasserin mit der Klägerin Ende August 1971 vereinbart haben, daß die Wirksamkeit der Einigung über den Besitzübergang gemäß § 854 Abs. 2 BGB durch den Tod der Erblasserin aufschiebend bedingt sein, mit dem Tod erst eintreten sollte. Jedoch ist die in § 854 Abs.2 BGB vorausgesetzte Möglichkeit der Gewaltausübung durch die Klägerin im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin zu verneinen. Die auf der Kontokarte vermerkte Einräumung der bloßen Verfügungsbefugnis reichte für die Möglichkeit der Gewaltausübung und damit für die in § 854 Abs. 2 vorgesehene Einigung nicht aus (vgl. Erman-Westermann, 6. Aufl. Rn. 14 zu § 854). Insbesondere steht das Fehlen der beiden Schrankfachschlüssel der Möglichkeit der Gewaltausübung in entscheidender Weise entgegen. Es bedeutet, daß die Klägerin nur dann an den Inhalt des Schrankfaches gelangen konnte, wenn die Stadtsparkasse mit einem gewaltsamen Öffnen des Schrankfaches einverstanden war. In § 2 der Vermietungsbedingungen für das Schrankfach ist jedoch festgelegt, daß ein gewaltsames Öffnen nur bei dem Verlust beider Schlüssel vorgesehen ist. Schon deshalb ist die zu Recht als sehr weitgehend bezeichnete (vgl. Erman-Westermann Rn. 16 zu § 854) Entscheidung des Kammergerichts (OLG 15, 356) hier nicht vergleichbar. Vielmehr hätte die Erblasserin durch entsprechende Vereinbarungen mit der Stadtsparkasse sicherstellen müssen, daß die Klägerin vom Zeitpunkt des Todes an mit ihr dafür von Anfang an oder erst in diesem Augenblick zur Verfügung gestellten Zweitschlüsseln das Schrankfach öffnen können sollte. Das ist jedoch nach dem Vortrag der Klägerin nicht geschehen.

38

Das angefochtene Urteil geht von dem Übergabeersatz des § 930 BGB aus.

39

Die Vereinbarungen der Erblasserin mit der Klägerin können nicht dahin verstanden werden, daß die Erblasserin der Klägerin schon Ende August 1971 das Eigentum an der Kassette verschaffen, sich selbst aber den Besitz vorbehalten wollte. Bei einem solchen für § 930 BGB typischen Fall wäre die Erblasserin unmittelbare Fremdbesitzerin für die Klägerin und diese mittelbare Eigenbesitzerin geworden. Die Erblasserin hat jedoch die beiden Schlüssel an sich genommen und für sich behalten mit der Erklärung, sie wolle über das Fach verfügen können, solange sie noch lebe. Diese Äußerung ist dahin zu verstehen, daß die Erblasserin zu ihren Lebzeiten nicht nur ungehinderten Zugang zum Schrankfach, sondern weiter auch die Verfügungsmöglichkeit über dessen Inhalt haben wollte, weil der Klägerin der dann vorhandene Kassetteninhalt erst im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin zukommen sollte. Wenn dennoch die Erklärungen der Erblasserin in dem Sinne verstanden werden sollen, daß diese bereits zu ihren Lebzeiten das Eigentum an dem Kassetteninhalt zugunsten der Klägerin endgültig aufgeben wollte, müßte den Erklärungen der Beteiligten eindeutig entnommen werden können, daß sie ein den mittelbaren Besitz der Klägerin begründendes Rechtsverhältnis vereinbaren wollten. Ausdrückliche derartige Absprachen sind nicht getroffen worden. Auch eine stillschweigende Vereinbarung mit einem solchen Inhalt kann unter den von der Klägerin vorgetragenen Umständen nicht angenommen werden.

40

Demgemäß ist auch das angefochtene Urteil von einem erst im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin wirksam werdenden Besitzkonstitut ausgegangen. Zwar trifft die im angefochtenen Urteil dafür gewählte Bezeichnung "vorweggenommenes Besitzkonstitut" deshalb nicht zu, weil darunter die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses für einen erst in Zukunft in den Besitz des Veräußerers gelangenden Gegenstand verstanden wird (vgl. Westermann Sachenrecht 5. Aufl. § 40 III; Palandt-Bassenge 36. Aufl. Anm. 3 zu § 930). Jedoch kann wie bei dem vorweggenommenen Besitzkonstitut ein auf die Zukunft gerichteter Besitzmittlungswille der Beteiligten dann ausreichen, wenn der zu übereignende Gegenstand bereits im Besitz des Veräußerers ist, der Beginn des Besitzmittlungsverhältnisses jedoch aufschiebend bedingt sein soll. Die Erblasserin jedenfalls hat nach ihren von der Klägerin vorgetragenen Äußerungen deutlich gemacht, daß sie zu ihren Lebzeiten noch Eigenbesitzerin und deshalb Eigentümerin hinsichtlich der Kassette bleiben wollte, daß sie aber bereits Ende August 1971 schon den Besitz- und Eigentumserwerb der Klägerin im Zeitpunkt ihres Todes sicherstellen wollte. Diese rechtliche Konstruktion muß jedoch daran scheitern, daß nicht ersichtlich ist, wer Besitzmittler zugunsten der Klägerin im Sinne von § 930 BGB werden sollte. Die Beklagte als Besitzerbin gemäߧ 857 BGB kommt dafür entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils nicht in Betracht. Einmal ist der ohne tatsächliche Sachbeziehung ausgeübte bloße Erbenbesitz durch jeden Eingriff Dritter zu zerstören. Ein solcher Eingriff eines Dritten könnte in der Haltung der Stadtsparkasse bei der Anforderung der Schlüssel gesehen werden. Zum anderen und vor allen Dingen ist nicht ersichtlich, wann und in welcher Weise die Beklagte den Willen gehabt haben soll, entsprechend einer solchen Anweisung der Erblasserin für die Klägerin zu besitzen.

41

Vielmehr wollte die Erblasserin möglicherweise den Eigentums- und Besitzerwerb der Klägerin durch Vereinbarungen mit der Stadtsparkasse in der Weise sicherstellen, daß die Stadtsparkasse der Klägerin den notwendigen Besitz im Todeszeitpunkt verschaffen sollte. Diese Absicht der Erblasserin ist nach den von der Klägerin für den Abschluß des Schrankfachmietvertrages vorgetragenen Einzelheiten jedoch fehlgeschlagen. Daraus ist nämlich nicht ersichtlich, daß die Stadtsparkasse entweder schon zu Lebzeiten der Erblasserin mit dieser gemeinsam oder aber spätestens mit deren Tod Besitzerin oder sogar treuhänderische Eigentümerin des Schrankfachinhalts werden und weiter sich verpflichten wollte, vom Augenblick des Todes an für die Klägerin den Besitz auszuüben bzw. dieser das Eigentum zu übertragen.

42

Zwar ist es grundsätzlich möglich, daß auf eine solche Weise ein Dritter in den Besitzerwerb durch den künftigen Eigentümer eingeschaltet wird. Als Übergabe im Sinne von § 929 wird auch die Anweisung des mittelbaren Besitzers an den Besitzmittler verstanden, von einem bestimmten Zeitpunkt an für den Erwerber zu besitzen (RG JW 38, 1394; RG WarnRsp 22 Nr. 77 S. 94 unten; BGH NJW 59, 1536, 1539 = BGH LM Nr. 2 zu § 931 BGB a. E.; Erman-Westermann, Rn. 14 zu § 929; Soergel-Mühl Rn 8 zu § 929). Dementsprechend erscheint es auch möglich, daß derjenige, der unmittelbarer Mitbesitzer ist, als Veräußerer seinen Mitbesitz bei Bedingungseintritt aufgibt und so den anderen Mitbesitzer zum alleinigen unmittelbaren Besitzer macht, der dann wiederum Besitzmittler für den Erwerber der Anweisung entsprechend wird. Für eine solche rechtliche Konstruktion reicht das Vorbringen der Klägerin auch im Hinblick darauf nicht aus, daß die Stadtsparkasse unstreitig auf die Anforderung der Klägerin hin unter Hinweis auf deren Verfügungsbefugnis vom Altersheim die Schrankfachschlüssel angefordert und nach der Weigerung darauf hingewiesen hat, daß es der Wunsch der Erblasserin gewesen sei, den Inhalt des Schrankfachs an die Klägerin zur Aushändigung zu bringen. Eine solche vielleicht von der Erblasserin beabsichtigte Regelung bedeutete für die Stadtsparkasse xxx als Vertragspartnerin des Schrankfachmietvertrages eine bedeutsame Abweichung von den sonst üblichen Vereinbarungen in verschiedener Hinsicht und die Übernahme von weitreichenden zusätzlichen Verpflichtungen, die sogar in Schadensersatzpflichten umschlagen konnten. Deshalb kann eine solche Regelung nur dann angenommen werden, wenn sie sich aus den von der Klägerin behaupteten Vereinbarungen zweifelsfrei ergibt. Das ist jedoch nicht der Fall.

43

Bedenken begegnet schon die Frage, ob der für die Stadtsparkasse xxx handelnde Angestellte xxx bevollmächtigt war, von den üblichen Schrankfachmietbedingungen abweichende Vereinbarungen von solcher Tragweite abzuschließen. Die Klägerin hat zu dieser Frage nichts vorgetragen. Vor allem aber können die Absprachen zwischen der Erblasserin und dem Angestellten xxx nicht als eine die Stadtsparkasse in solcher Weise bindende endgültige Vereinbarung verstanden werden. Vielmehr ergibt der Vortrag der Klägerin, daß die Erblasserin bei der Vorverhandlung mit xxx eine solche Regelung gewollt haben mag, daß sie aber letztlich mit ihrer Unterschrift unter die Kontokarte die Geltung der Schrankfachbedingungen und damit eine andere, die Klägerin nicht in dieser Weise begünstigende Regelung anerkannt hat. Die Erblasserin hat nämlich zunächst nach dem Vortrag der Klägerin die ihrem Wunsch entsprechende Regelung dem Angestellten xxx vorgetragen und dazu erklärt, Herr xxx solle das von Bankseite aus in dieser Art regeln. Sie hat dann aber nach dem weiteren Vortrag der Klägerin anschließend die von dem Angestellten xxx ausgefüllte übliche Kontokarte unterschrieben, womit sie die ausweislich der Kontokarte ihr ausgehändigten Bedingungen über die Vermietung von Schrankfächern anerkannte und nicht zusätzliche, ergänzende oder sogar abweichende Vereinbarungen endgültig abschloß. Diese üblichen Schrankfachbedingungen stehen aber der genannten rechtlichen Konstruktion in verschiedener Hinsicht entgegen. Einmal machen sie deutlich, daß hier wie in aller Regel die das Schrankfach vermietende Sparkasse oder Bank nicht einmal dann Mitbesitz an den im Schrankfach aufbewahrten Gegenständen hat, wenn das Schrankfach unter ihrem Mitverschluß steht (vgl. Soergel-Mühl Rn. 7 zu § 866; Erman-Westermann Rn. 5 zu § 854, jeweils weiterer Nachweis). Die wesentliche und nach dem Inhalt der Schrankfachbedingungen auch für diesen Fall zutreffende Begründung für diese Auffassung ist, daß die Sparkasse sich nicht um den Inhalt des Schrankfaches kümmern will und soll (vgl. OLG Celle JW 27, 73). Die §§ 5 und insbesondere 6 der Bedingungen machen deutlich, daß und in welcher Weise die vermietende Sparkasse lediglich zu ihrem eigenen Schutz als Vermieterin den Zugang eines Dritten zu Lebzeiten des Mieters oder aber nach dessen Tod unter besonderen Umständen zulassen will. Nach § 6 soll gerade nicht die bloße Vorlage einer Sterbeurkunde den Zugang zum Schrankfach ermöglichen. Vielmehr ist dafür die Vorlage eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder aber jedenfalls einesordnungsgemäß eröffneten Testamentes erforderlich. Vor allem aber wird danach vorausgesetzt, daß der den Zugang zu Lebzeiten oder als Erbe begehrende Dritte im Besitz der Schrankfachschlüssel ist, weil nämlich nach den §§ 5 und 6 der Bedingungen die Sparkasse nur gehalten ist, den Zugang zum Schrankfach zu ermöglichen, nicht aber, dieses bei Fehlen der erforderlichen Schlüssel des Mieters dann auch zu öffnen. Gerade deshalb hätten die Erblasserin und der Angestellte xxx bei dem Abschluß des Schrankfachmietvertrages die Geltung zumindest des § 6 der Schrankfachmietbedingungen ausdrücklich ausschließen müssen. Vor allem hätten sie zusätzlich vereinbaren müssen, daß in diesem besonderen Falle abweichend von den üblichen Fällen einer Schrankfachanmietung die Sparkasse sich um den Inhalt des Schrankfaches in der Weise kümmern sollte, daß sie zumindest den Mitbesitz daran ausüben sollte. Es spricht alles dafür, daß die Stadtsparkasse xxx und der für sie handelnde Angestellte xxx solche weitreichenden und unüblichen Vereinbarungen, wenn sie maßgeblich sein sollten, jedenfalls in schriftlicher Form und nicht lediglich mündlich abgeschlossen haben würden. Schon der später anscheinend eingetretene Umstand, daß der die Vereinbarungen treffende Sparkassenangestellte nicht mehr bei der Sparkasse beschäftigt ist, mußte die schriftliche Niederlegung solcher Vereinbarungen notwendig machen.

44

Darüber hinaus bestand aber auch für den Sparkassenangestellten xxx kein unmittelbarer Anlaß, die Klägerin dahin zu verstehen, daß die Stadtsparkasse in dieser Weise als Besitzmittlerin oder sogar Treuhänderin in den Eigentums- bzw. Besitzerwerb der Klägerin eingeschaltet werden sollte. Jedenfalls brauchte er die Äußerungen der Klägerin nicht dahin zu verstehen, daß die Sparkasse zur Sicherstellung des Besitzerwerbes von den üblichen Schrankfachbedingungen abweichende und zusätzliche Verpflichtungen übersnehmen sollte. Er konnte die Erblasserin auch dahin verstehen, daß diese nach Anmietung des Schrankfaches und der Erklärung, daß die Klägerin im Todesfalle zur Verfügung berechtigt sein sollte, nun ihrerseits mit der Klägerin durch entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich der Schrankfachschlüssel den Besitzerwerb sicherstellen würde. So hätte die Erblasserin der Klägerin schon zu ihren Lebzeiten die Schrankfachschlüssel oder von ihr erworbene Zweitschlüssel überlassen können. Sie hätte aber auch beispielsweise durch Vereinbarungen mit dem Altersheim regeln können, daß die gesondert und mit entsprechender Bezeichnung aufbewahrten Schrankfachschlüssel unmittelbar nach ihrem Tode der Klägerin übersandt werden sollten. Von allen diesen Möglichkeiten hat die Erblasserin nach dem Vortrag der Klägerin nicht Gebrauch gemacht. Gerade aber wegen des Fehlens der Schlüssel müßte die von der Erblasserin vielleicht gewünschte Eigentumsübertragung auf die Klägerin fehlschlagen.

45

Demgemäß scheitert der Besitz- und Eigentumserwerb der Klägerin spätestens im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin daran, daß von der dafür erforderlichen Übergabe oder einem Übergabeersatz nicht ausgegangen werden kann. Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Formvorschrift des § 2301 Abs. 1 BGB einem Rechtserwerb der Klägerin entgegenstehen kann, ob die Erblasserin sich bereits mit der Abgabe ihres Schenkungsversprechens endgültig zur Leistung an die Klägerin verpflichten wollte, ob ein Formmangel nach § 518 Abs. 1 BGB für den Schenkungsvertrag durch den Vollzug der Schenkung im Zeitpunkt des Todes gemäߧ 518 Abs. 2 BGB geheilt worden ist. Vielmehr ist die Beklagte als Alleinerbin der Erblasserin mit deren Tod Eigentümerin der Kassette im Schrankfach der Stadtsparkasse xxx mit der Folge geworden, daß ihrer Widerklage stattgegeben werden muß.

46

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 7 ZPO. Jedoch war der Klägerin auf ihren Hilfsantrag gemäߧ 713 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Kosten Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung vorzubehalten. Denn die von den Parteien mitgeteilten Wertangaben bezüglich des Kassetteninhalts beruhen nach den Erklärungen der Parteien im Senatstermin lediglich auf Vermutungen, so daß die Vorschrift des § 713a ZPO nicht eingreifen kann. Entsprechend diesen Wertangaben war jedoch die Beschwer für die Klägerin gemäߧ 546 ZPO auf unter 40.000,-- DM festzusetzen.