Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 07.09.2023, Az.: 1 ORs 10/23
Volksverhetzung durch Verwendung des "Judensterns" unter Ersetzung des Wortes "Jude" durch die Wörter "nicht geimpft"
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 07.09.2023
- Aktenzeichen
- 1 ORs 10/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 34484
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2023:0907.1ORS10.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Clausthal-Zellerfeld - 01.08.2022 - AZ: 3 Cs 801 Js 35154/21
- KG Berlin - 11.05.2023 - AZ: (4) 121 Ss124/22 (164/22)
- KG Berlin - 13.02.2023 - AZ: (2) 121 Ss 140/22 (44/22)
Rechtsgrundlage
- § 130 Abs. 3 StGB
Fundstellen
- StRR 2023, 4
- StV 2024, 375-377
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Verwendung des "Judensterns" unter Ersetzung des Wortes "Jude" durch die Wörter "nicht geimpft" erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB nicht, da die Verpflichtung der Juden zum Tragen des Judensterns, die durch die "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" vom 1. September 1941 eingeführt wurde, für sich genommen noch keinen Völkermord im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB darstellt; die Kennzeichnung einer Gruppe ist juristisch von der "auf körperliche Zerstörung gerichteten lebensgefährlichen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen" zu trennen.
- 2.
Die bloße Verwendung des "Ungeimpft-Sternes" in einem - ggf. auch öffentlich zugänglichen - Facebook-Profil erfüllt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB, da es an der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens fehlt.
In der Strafsache
gegen
Herr D. ,
geboren am ... in H.,
..., C
Verteidiger:
Rechtsanwalt K., ..., G.
wegen Volksverhetzung
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig in der Sitzung
vom 7. September 2023, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht X
als Vorsitzender
Richterin am Oberlandesgericht Y
als beisitzende Richterin
Richter am Landgericht Z
als beisitzender Richter
Staatsanwältin O.
als Beamtin der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger
Justizhauptsekretärin B.
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 1. August 2022 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat den Angeklagten mit Urteil vom 1. August 2022 von dem Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) freigesprochen.
Das Amtsgericht hat die folgenden Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte postete am 18.11.2020 willentlich auf seinem Facebook-Profil unter dem Nutzernamen .... eine Abbildung mit einem gelbfarbenen sechseckigen Stern mit der Aufschrift "NICHT GEIMPFT" auf hellblauem rechteckigen Hintergrund, der wiederum auf einem schwarzen Hintergrund mit der Überschrift "beginnen" abgebildet war. Der Angeklagte war zuvor über die Internetsuchpräsenz Google auf die dort aufzufindende verfahrensgegenständliche Abbildung, die als Aufdruck für T-Shirts angeboten wurde, aufmerksam geworden und lud sie anschließend als Beitrag auf seinem Facebook-Profil hoch. Der Angeklagte wollte durch den Beitrag auf seinem Facebook-Profil auf sich aufmerksam machen und sich selbst und seine durch die zur Tatzeit geltenden Beschränkungen durch die Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie geprägte Lebenssituation darstellen, obwohl ihm die Bedeutung des sogenannten "Judensterns" aus dem Geschichtsunterricht bekannt war.
Im Nachgang zur Tat erhielt der Angeklagte ihn anfeindende Reaktionen über die Plattform Facebook, in denen er teilweise auch als "Nazi" betitelt wurde. Der Angeklagte löschte den Beitrag mit dem "Judenstern" kurze Zeit nach seiner verantwortlichen Vernehmung bei der Polizei am 18.08.2021. Im weiteren Verlauf wurde der Facebook-Auftritt des Angeklagten durch die Plattformbetreiber gesperrt."
Das Amtsgericht hat im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass der Angeklagte mit seinem Post fraglos eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, "namentlich die mit der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime erzwungenen Pflicht der jüdischen Bevölkerung zum Tragen des sogenannten "Judensterns" einhergehende Ausgrenzung und Stigmatisierung" verharmlost habe, indem er die etwaige Ausgrenzung der nicht geimpften Bevölkerung mit der Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit auf der Grundlage der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 gleichgesetzt habe. Nach der vom Amtsgericht genannten Polizeiverordnung vom 1. September 1941 war es Juden in der Öffentlichkeit verboten, sich ohne einen Judenstern zu zeigen.
Es sei auch - so das Amtsgericht weiter - unstreitig, dass die Pflicht zum Tragen des Judensterns der Identifizierung der von der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft deportierten und getöteten Juden gedient habe.
Allerdings setze § 130 Abs. 3 StGB nicht nur die Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung voraus. Es müsse vielmehr eine Handlung der in § 6 des Völkerstrafgesetzbuchs (nachfolgend: VStGB) bezeichneten Art verharmlost werden. Die zeitlich und räumlich der Deportation und Vernichtung vorausgehende Ausgrenzung und Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung sei schlicht nicht vom Wortlaut des § 130 Abs. 3 StGB erfasst. Es bestehe hinsichtlich des Unrechtsgehalts zudem ein Unterschied zwischen der mit dem Judenstern verbundenen Ausgrenzung und Stigmatisierung und der späteren Deportation und Vernichtung, also der physischen Gewalthandlung, die unter § 6 VStGB falle. § 130 Abs. 3 StGB knüpfe bewusst ausschließlich an das in § 6 VStGB beschriebene und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Verhalten an. Darüber hinaus verlange § 6 VStGB als Delikt mit überschießender Innentendenz neben der objektiven Gewalthandlung auch die sogenannte Zerstörungsabsicht, also die Absicht eine nationale, rassische, religiöse oder ethische Gruppe zu zerstören, wofür der Bezug auf eine Vorbereitungshandlung nicht ausreiche. Schließlich ergebe sich das vom Amtsgericht gefundene Ergebnis auch aus einer systematischen Gegenüberstellung von § 130 Abs. 3 und Abs. 4 StGB. Es seien von § 130 Abs. 3 StGB eben nicht sämtliche während der nationalsozialistischen Herrschaft begangenen Gräueltaten erfasst. Der Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB erfasse das NS-Unrecht umfassender, sei aber im Gegensatz zu § 130 Abs. 3 StGB mit einer geringeren Strafe bedroht und greife vorliegend mangels Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft nicht ein.
Schließlich fehle es, worauf es indes gar nicht mehr ankomme, auch an der Eignung der Äußerung, den öffentlichen Frieden zu stören.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Göttingen - Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet - mit ihrer am 3. August 2022 eingelegten Berufung, die sie innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO mit am 19. September 2022 beim Amtsgericht eingegangener Zuschrift auf eine Revision umgestellt und zugleich mit der Sachrüge begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützt das Rechtsmittel und beantragt,
auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 1. August 2022 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld zurückzuverweisen.
Das Amtsgericht habe das materielle Recht unzutreffend auf den festgestellten Sachverhalt angewandt. Die Stigmatisierung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung sei in der heutigen Erinnerungskultur nicht von ihrer Entrechtung und Verfolgung mit dem Ziel ihrer Vernichtung zu trennen. Vielmehr sei die Verpflichtung zum Tragen des Judensterns Teil der Strategie der Nationalsozialisten zur Ermordung der Juden gewesen. Die letztlich direkt der Ermöglichung von Repressalien und Deportationen dienende Kennzeichnung der jüdischen Bevölkerung gehöre damit untrennbar zu der mit Zerstörungsabsicht erfolgten Unterstellung einer Gruppe unter Lebensbedingungen, die geeignet sind, im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen, ohne dass hierbei eine Überdehnung des Wortlauts der Norm zu erkennen wäre. Wegen der Einbettung des Posts in den zeitlichen Kontext sich immer weiter radikalisierender Proteste gegen ein vermeintliches "Ermächtigungsgesetz" liege auch seine Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, auf der Hand. Die "Ungeimpft-Sterne" zu jener Zeit hätten nicht primär auf die Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung aufmerksam machen sollen, sondern seien insbesondere von sogenannten "Corona-Leugnern" und "Querdenkern" als Ausdruck der Opposition gegen eine vermeintlich existierende Diktatur in Deutschland und zur Aufheizung der Stimmung im Zuge der Corona-Protestaktionen verwendet worden. In dem verfahrensgegenständlichen Post sei über dem "Ungeimpft-Stern" das Wort "beginnen" zu erkennen. Dieses Wort sei dem im Zuge der Verwendung des Symbols gebräuchlichen Zusatz "Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen" zu entnehmen, der den Appellcharakter der Verwendung des Symbols unterstreiche. Durch die provokant emotionalisierende Präsentation solle eine Stimmung geweckt werden, in der gegen vermeintlich diktatorische Maßnahmen aufgrund vermeintlicher existentieller Bedrohung des einzelnen (Stichwort: "Jagd") auch gewaltsame Widerstandsmaßnahmen als notwendig angesehen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 22. Februar 2023 (Bl. 121ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Verteidiger beantragt,
die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
II.
Die zulässige (§ 335 Abs. 1 StPO) Sprungrevision der gemäß § 143 Abs. 4 GVG zuständigen Staatsanwaltschaft Göttingen ist unbegründet. Das Urteil des Amtsgerichts hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung stand.
1.
Zwar hat der Angeklagte mit seinem Post fraglos eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, "namentlich die mit der durch das nationalsozialistische Unrechtsregime erzwungenen Pflicht der jüdischen Bevölkerung zum Tragen des sogenannten "Judensterns" einhergehende Ausgrenzung und Stigmatisierung" verharmlost.
Jedoch hat der Senat entsprechend der Wertung des Amtsgerichts bereits Bedenken, den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB als erfüllt anzusehen, weil sich die Nutzung des Judensterns nicht konkret auf den Völkermord an den Juden und damit nicht auf eine Handlung nach § 6 Abs. 1 VStGB bezieht.
Bei Vergleichen von Ungeimpften mit der Situation der europäischen Juden während der NS-Herrschaft kommt allenfalls eine Bezugnahme auf Taten nach Art des § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB in Betracht. Danach wird bestraft, wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen. Die Verpflichtung der Juden zum Tragen eines "Judensterns", die durch die "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" vom 1. September 1941 eingeführt wurde, stellt für sich genommen noch keinen Völkermord im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB dar, denn die Kennzeichnung einer Gruppe ist juristisch von der auf körperliche Zerstörung gerichteten lebensgefährlichen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu trennen. Dass die Pflicht zum Tragen des Sterns eine Vorstufe für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung darstellte und diese erleichterte, genügt nach dem Wortlaut der Norm nicht. § 130 Abs. 3 StGB stellt die Bezugnahme auf eine Völkermordhandlung "der in § 6 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art" unter Strafe. Die - zweifellos schon für sich genommen furchtbare - Kennzeichnungspflicht beschreibt keine von § 6 VStGB erfasste Handlung, auch keine Lebensbedingung, die im Sinne von § 6 Nr. 3 VStGBallein geeignet wäre, die körperliche Zerstörung der jüdischen Bevölkerung herbeizuführen (vgl. zu zerstörungsgeeigneten Handlungen: Kreß in Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 6 VStG, Rn. 54ff.).
Soweit die Staatsanwaltschaft den "Judenstern" als "Symbol für die Judenverfolgung schlechthin" ansieht und sich auf das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung zur Herrschaft des Nationalsozialismus und die bestehende Erinnerungskultur beruft, so ist diese Deutung zwar aus geschichts- oder politikwissenschaftlicher Perspektive naheliegend, da insoweit Sachverhalte stets auch kausal und konsekutiv in sinnhafte Zusammenhänge gestellt werden. Indes ist diese Vorgehensweise nicht auf die rechtswissenschaftliche Normanalyse übertragbar. Unter die im Tatbestand beschriebenen Handlungen muss - gerade wenn hier unmittelbar auf einen Rechtstext verwiesen wird - präzise subsumiert werden; eine symbolische Ausdehnung der in Bezug genommenen Akte ist eine Überdehnung des Wortlauts (vgl. Hoven/Obert, NStZ 2022, 331, 333).
Zudem würde die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Unterscheidung zwischen den Tatbeständen des § 130 Abs. 3 StGB und des § 130 Abs. 4 StGB, der nicht an konkrete Handlungen des Völkermordes anknüpft, sondern jede Bezugnahme auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft genügen lässt, im Gegenzug aber ein "Verharmlosen" nicht erfasst, eingeebnet, wenn eine symbolische Bezugnahme auf die Grausamkeiten des Holocaust auch für § 130 Abs. 3 StGB ausreichten (vgl. Hoven/Obert, a.a.O.).
Der Senat hat geprüft, ob er mit dieser Auffassung u.U. von der Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in seinem Beschluss vom 25. Juni 2020 (205 StRR 240/20, juris), in der dieses zumindest inzident die Tatbestandsmäßigkeit des § 130 Abs. 3 StGB i.V.m. § 6 Abs. 1 VStGB bejaht hat, abweichen könnte: Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gem. § 121 Abs. 2 GVG ist jedoch nicht erforderlich. Denn zum einen war der der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zugrundeliegende Sachverhalt ausweislich des der Entscheidung vorangegangenen und gleichfalls veröffentlichten Urteils des Amtsgerichts Augsburg (BeckRS 2019, 57849) anders gelagert. In jenem Fall war der Judenstern ausdrücklich mit den Jahreszahlen 1933 bis 1945 verknüpft, so dass eine Bezugnahme auf das gesamte NS-Unrecht in Betracht kam. Zum anderen ist diese Rechtsfrage hier aber auch nicht entscheidungserheblich und kann letztlich dahinstehen (dazu im Weiteren unter Ziff. 2.).
2.
Die Revision ist jedenfalls zu verwerfen, weil der Post des Angeklagten nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht geeignet war, den öffentlichen Frieden im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB zu stören.
Wird der Angeklagte - wie hier - aus rechtlichen Gründen freigesprochen, müssen die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO die rechtlichen Erwägungen erkennen lassen, warum das festgestellte Verhalten nicht strafbar ist, weil andernfalls nicht erkennbar wird, welcher Grund die Freisprechung trägt (BGH, Urteil vom 5. August 1997, 5 StR 210/97, juris, Rn. 4). Zwar hat das Amtsgericht den Freispruch aus rechtlichen Gründen im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Tatbestand des § 6 Abs. 1 VStGB nicht erfüllt sei und anschließend ausgeführt, dass es daher auf die Frage, ob das Verhalten des Angeklagten den Anforderungen an eine Äußerung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, nicht mehr ankomme. Dadurch, dass das Amtsgericht zugleich auf verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie das Urteil des OLG Saarbrücken vom 8. März 2021 (Ss 72/20 (2/21), juris, Rn. 22ff.) verweist, bringt es jedoch - wenn auch knapp - seine rechtliche Würdigung zum Ausdruck, dass das festgestellte Verhalten des Angeklagten nicht geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Grenze, die etwa bei Verherrlichung von Gewalt, der Hetze auf bestimmte Bevölkerungsgruppen oder einer aggressiv emotionalisierenden Präsentation überschritten wäre, wird nicht erreicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auch das Amtsgericht in Bezug genommen hat, ist die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, bei der hier in Frage kommenden Begehungsweise des Verharmlosens (§ 130 Abs. 3 Alt. 3 StGB) - anders als in den Fällen der Leugnung und der Billigung (§ 130 Abs. 3 Alt. 1 und 2 StGB) - eigens festzustellen und nicht indiziert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, 1 BvR 2083/15, juris, Rn. 23). Dem Begriff des öffentlichen Friedens ist ein im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen. Nicht tragfähig ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien zielt (BVerfG, a.a.O., Rn. 26). Eingriffe in die Meinungsfreiheit dürfen daher nicht darauf gerichtet sein, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, 1 BvR 2150/08, juris, Rn. 72). Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, a.a.O., Rn. 77). Weder der Schutz vor einer "Vergiftung des Klimas" noch der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte sind Eingriffsgrund (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, a.a.O., Rn. 26 und BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, a.a.O., Rn. 77). Der Schutz solcher Äußerungen durch die Meinungsfreiheit besagt damit nicht, dass diese als inhaltlich akzeptabel mit Gleichgültigkeit in der öffentlichen Diskussion aufzunehmen sind. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetztes setzt vielmehr darauf, dass Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten, ihr mit bürgerschaftlichem Engagement begegnet und letztlich in Freiheit die Gefolgschaft verweigert wird (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, a.a.O., Rn. 30 und BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, a.a.O., Rn. 77).
Ausgehend von diesen Maßstäben war die Handlung des Angeklagten auf der Grundlage der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Verwendung eines "Judensterns" unter Ersetzung des Wortes "Jude" durch die Worte "nicht geimpft" in einem Facebook-Profil - mag dieses auch öffentlich zugänglich gewesen sein, was das Amtsgericht nicht festgestellt hat - erfüllt als Beitrag zur öffentlich geistigen Auseinandersetzung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 8. März 2021, Ss 72/2020 (2/21), juris)
Soweit die Staatsanwaltschaft auf den zeitlichen Kontext und in diesem Zusammenhang darauf abstellt, wie die konkrete Stimmungslage in der Bevölkerung sowie die politische Situation zur Tatzeit gewesen ist, hat das Amtsgericht dazu keine Feststellungen getroffen und handelt es sich somit um urteilsfremdes Vorbringen. Das Urteil ist insoweit aber auch nicht lückenhaft. Denn selbst wenn entsprechende Feststellungen dazu getroffen worden wären, könnte deren Berücksichtigung hier allenfalls dazu führen, in der Äußerung des Angeklagten einen (weiteren) Beitrag zur Vergiftung des geistigen Klimas zu sehen, ihr hingegen keinen unfriedlichen Charakter verleihen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 11. Mai 2023, (4) 121 Ss 124/22 (164/22), juris, Rn. 15; KG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2023, (2) 121 Ss 140/22 (44/22), juris, Rn. 21; OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 26)
Mit Blick auf den Inhalt der Äußerung war diese nicht auf Rechtsbruch, aggressive Emotionalisierungen oder die Herabsetzung von Hemmschwellen gegen rechtsgutgefährdende Handlungen angelegt. Der Angeklagte ruft in seinem Post, der nach den Feststellungen des Amtsgerichts kritische Reaktionen hervorgerufen hat, weder ausdrücklich noch konkludent zur Verherrlichung von Gewalt auf; zudem liegt keine emotionalisierende Präsentation vor, die geeignet wäre, beim Betrachter Hemmschwellen herabzusetzen oder aggressive Emotionalisierungen hervorzurufen.
Soweit die Staatsanwaltschaft in dem über dem Judenstern erkennbaren Wort "beginnen" einen Appellcharakter der Verwendung des Symboles erkennt, da das Wort "beginnen" dem im Zuge der Verwendung des Symbols gebräuchlichen Zusatz "Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen" entnommen worden sei, kann der Senat dem in dieser Eindeutigkeit nicht folgen. Die Staatsanwaltschaft meint, dass durch die provokant emotionalisierende Präsentation eine Stimmung geweckt werden soll, in der gegen vermeintlich diktatorische Maßnahmen aufgrund vermeintlicher existentieller Bedrohung des Einzelnen (Stichwort: "Jagd") auch gewaltsame Widerstandsmaßnahmen als notwendig angesehen werden und die Verwender für sich ein Recht zum - auch gewaltsamen - Widerstand analog der Widerstandsrechte gegen den Nationalsozialismus in Anspruch nehmen und sich zu Freiheitskämpfern stilisieren. Sie verkennt dabei jedoch, dass zum einen der Umstand, dass der Angeklagte gerade nicht den vollständigen Satz "Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen" in seinen Post aufgenommen hat, gegen die von ihr angenommene "eindeutige" Deutung spricht; zum anderen kann dem Post aber auch nicht nur diese Deutung entnommen werden, sondern auch die - dem Angeklagten günstigere - Deutung, dass er durch den Post allein auf sich aufmerksam machen und seine Unzufriedenheit im Zusammenhang mit den zur Tatzeit aufgrund der Corona-Situation geltenden Beschränkungen zum Ausdruck habe bringen wollen, möglich erscheint (so auch das Amtsgericht, was sich zumindest der Gesamtheit der Urteilsgründe entnehmen lässt [UA S. 2 und S. 6]).
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO