Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.03.2007, Az.: 1 Ws 101/07
Vergütung des einem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung beigeordneten anwaltlichen Zeugenbeistands
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.03.2007
- Aktenzeichen
- 1 Ws 101/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 15659
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0321.1WS101.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 01.02.2007 - AZ: 11 KLs 14/06
Rechtsgrundlagen
- VV 4301 Nr. 4 RVG
- § 68b Abs. 1 S. 2 StPO
Fundstelle
- RVG-Letter 2007, 54-55
Verfahrensgegenstand
Zeugenbeistand für den Zeugen S...
Amtlicher Leitsatz
Dem einem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung beigeordneten anwaltlichen Zeugenbeistand steht eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach RVG VV 4301 Nr. 4 zu. Er ist - auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zur Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV - hinsichtlich seiner Vergütung nicht einem Verteidiger gleichzustellen.
In dem Strafverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 21. März 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Zeugenbeistandes gegen den Beschluss des Landgerichts Aurich vom 1. Februar 2007, durch den seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aurich vom 24. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen worden ist, wird als unbegründet verworfen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Mit Beschluss des Landgerichts Aurich vom 28. September 2006 ist der Beschwerdeführer dem Zeugen S... gemäß § 68b Abs. 1 Satz 2 StPO als Beistand für die Dauer seiner Vernehmung beigeordnet worden. Der Zeuge war - bis zur Einstellung des Verfahren gegen ihn mit Beschluss vom 31. August 2006 - selbst Angeklagter in diesem Verfahren gewesen und vom Beschwerdeführer verteidigt worden.
Die Zeugenvernehmung hat in der Hauptverhandlung am 16. Oktober 2006 in Anwesenheit des Beistandes stattgefunden. Sie hat ausweislich des Protokolls 22 Minuten gedauert.
Der Beschwerdeführer hat für seine Beistandleistung die Festsetzung einer ihm nach § 48 RVG aus der Landeskasse zu erstattenden Vergütung, in Höhe von 770,24 EUR beantragt, davon netto 576,00 EUR als Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, jeweils mit Zuschlag, den restlichen Betrag als Auslagen und Mehrwertsteuer. Das Landgericht hat die Vergütung am 24. November 2006 auf 297,00 EUR festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr für das Beistandleisten bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung nach VV RVG Nr. 4301 Nr. 4 in Höhe von 168,00 EUR, den Auslagen in der beantragten Höhe sowie der Mehrwertsteuer.
Die dagegen vom Beschwerdeführer eingelegte Erinnerung hat die Strafkammer mit Beschluss vom 1. Februar 2007 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Zeugenbeistands. Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die Festsetzung der dem Beschwerdeführer zu erstattenden Vergütung ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. StraFo 2006, 130; Nds. Rpfl. 2006, 134), an der festgehalten wird. Hinsichtlich der abweichenden Ansichten anderer Gerichte wird auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 18. Juli 2006 (Aktz.: 1 Ws 363/06, Nds. Rpfl. 2006, 353) Bezug genommen.
Auch die in StraFo 2007, 41 veröffentlichte Entscheidung des KG vom 15. März 2006 (Aktz.: 5 Ws 506/05) gibt keinen Anlass zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung. Das KG meint, die Rechtsprechung des Senats spiegele zwar den typischen Arbeitsaufwand des Zeugenbeistandes "am sinnfälligsten und gerechtesten" wieder, entspreche aber nicht dem Gesetz. Denn der Gesetzgeber habe ausdrücklich angeordnet, dass auf die in Absatz 1 der amtlichen Vorbemerkungen zum Teil 4 - Strafsachen - VV genannten Personen (wie den Zeugenbeistand) die Vorschriften des für den Verteidiger geltenden Abschnitts entsprechend anzuwenden seien. Das aber schließe den Rückgriff auf solche Gebührenpositionen aus, zu deren Voraussetzungen es nach Absatz 1 der amtlichen Vorbemerkung zum Abschnitt 4.3 gerade gehöre, dass der tätig Gewordene nicht Verteidiger sei, also auch die in diesem Abschnitt geregelte Gebühr für eine Einzeltätigkeit (RVG VV 4301 Nr. 4). Der Ausgangspunkt des KG trifft indessen nicht zu. In Absatz 1 der Vorbemerkungen zum Teil 4 VV werden nämlich gerade nicht "die Vorschriften für den Verteidiger" auf Zeugenbeistände für entsprechend anwendbar erklärt, sondern "die Vorschriften", also alle des 4. Teiles, mithin auch die für NichtVerteidiger geltenden Regelungen der Einzeltätigkeitsvergütung im Abschnitt 3 des Teiles 4.
Auch die vom KG herangezogene Gesetzesbegründung (BTDrucksache 15/1971 S. 220, li. Spalte unten) wiederholt eingangs genau dieses, dass nämlich die Vorschriften "dieses Teiles" für (u.a.) den Zeugenbeistand entsprechend anzuwenden seien. Im nachfolgenden Text ist dann allerdings die Rede davon, dass der Zeugenbeistand in Entsprechung zur Regelung für bürgerlichrechtliche und öffentlich rechtliche Streitigkeiten die "gleichen Gebühren wie ein Verteidiger" erhalten solle. Dass dabei dem Gebrauch des Wortes "Verteidiger" die weitreichende, sachlich nicht gerechtfertigte und damit fernliegende Konsequenz beizumessen ist, dass der gesamte Abschnitt 3 des 4. Teiles der VV nicht entsprechend gelten und deshalb jeder Zeugenbeistand, auch wenn er nur ganz kurz tätig war, die gleichen Gebühren erhalten soll wie ein Rechtsanwalt, der die gesamte Last der Verteidigung trägt, kann schwerlich angenommen werden, zumal dies in Widerspruch zum ersten Satz der Gesetzesbegründung (s. o.) stände. Auch weist die Begründung eigens darauf hin, dass dem konkreten Arbeitsaufwand angemessen Rechnung zu tragen sei. Das spricht wiederum dafür, dass - soweit ein Zeugenbeistand nur eine eng begrenzte Einzeltätigkeit erbracht hat - auch nur eine solche vergütet werden soll. Bei dieser Sachlage kann von einem klaren Willen des Gesetzgebers, dem entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut Geltung zu verschaffen wäre, nicht hinreichend sicher ausgegangen werden. Dem trägt auch die vom Beschwerdeführer noch zitierte Entscheidung des OLG Schleswig vom 3. November 2006 (Aktz.: 1 Ws 449/06) nicht angemessen Rechnung.
Die Kostenentscheidung entspricht § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.