Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.07.1980, Az.: 7 OVG B 86/77

Bindung der Wasserbehörde an eine atomrechtliche Standortgenehmigung; Befugnis der Wasserbehörde zur Versagung der wasserrechtlichen Erlaubnis für ein Kernkraftwerk trotz einer positiven Standortentscheidung; Rechtsschutz eines Sportfischereivereins gegen eine Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Grohnde im Bereich ihrer Fischereipacht an der Weser; Recht eines Vereinmitglieds zur gerichtlichen Geltendmachung der Interessen der übrigen Mitglieder im eigenen Namen; Fischereiausübungsrecht des Fischereipächters als "sonstiges Recht" i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB; Geltendmachung der Rechte eines Drittbetroffenen i.R.e. wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens trotz Abschluss des Standortverfahrens; Rechtsschutzmöglichkeit bei einer Beeinträchtigung eines Fischereiausübungsrechts des Fischereipächters durch eine im öffentlichen Recht wurzelnde Grundlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.1980
Aktenzeichen
7 OVG B 86/77
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1980, 20439
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1980:0718.7OVG.B86.77.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 02.06.1977 - AZ: 2 VG D 44/76
VG Hannover - 02.06.1977 - AZ: 2 VG A 142/76

Fundstellen

  • DVBl 1980, 1012-1014 (Volltext mit amtl. LS)
  • VerwRspr 32, 656 - 663

Verfahrensgegenstand

Erste Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Grohnde
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -.

Der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg hat
am 18. Juli 1980
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer Hannover - vom 2. Juni 1977 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Hälfte der insoweit erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller zu 2) bis 10) sind Pächter von Fischereirechten in der Weser im Bereich zwischen Flußkilometer 1/0 und Flußkilometer 0b. Der Antragsteller zu 1) ist ein organisatorischer Zusammenschluß von im Lande Niedersachsen ansässigen Sportfischervereinen und einzelnen Sportfischern. Auch die Antragsteller zu 2) bis 10) sind Mitglieder des Antragstellers zu 1), dessen Verbandszweck in der Vertretung und Förderung der Interessen seiner Mitglieder besteht.

2

Die Antragsteller wehren sich gegen die sofortige Vollziehung der vom Antragsgegner den Beigeladenen am 8. Juni 1976 erteilten "Ersten Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks xxx (im folgenden: 1. TEG), mit der der Standort und die grundlegenden Auslegungsmerkmale (Konzept) eines in der Gemarkung Grohnde am linken Weserufer bei Flußkilometer xxx zu errichtenden Kernkraftwerkes mit Druckwasserreaktor und einer thermischen Leistung von 3.765 MW sowie die Errichtung des Reaktorgebäudes, des Reaktorringraumgebäudes, der Sicherheitshülle, der Armaturenkammer, des Reaktorhilfsanlagengebäudes sowie des Schaltanlagengebäudes genehmigt worden sind. Die Genehmigung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die Festlegung von Abgaberaten radioaktiver Stoffe und enthält den ausdrücklichen Vorbehalt, keinen Anspruch auf die Erteilung weiterer atomrechtlicher Genehmigungen zu begründen und Erlaubhissen, Bewilligungen und Genehmigungen, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich seien, nicht vorzugreifen.

3

Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung dieses Genehmigungsbescheides "im besonderen öffentlichen Interesse und im überwiegenden Interesse der Antragsteller" (der Beigeladenen) angeordnet und im wesentlichen mit volkswirtschaftlichen, energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Gesichtspunkten unter Hinweis auf das wirtschaftliche Risiko der Beigeladenen begründet.

4

Im Begründungsteil der 1. TEG (Abschnitt "Sachverhalt") bezieht sich der Antragsgegner u.a. auf die in dem parallelen wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Dieses Verfahren war durch den von der Beigeladenen zu 1) bei dem Regierungspräsidenten in Hannover als zuständiger Wasserbehörde gestellten Antrag eingeleitet worden, die Erlaubnis zu erteilen,

"a) aus der Weser bis zu

50 cbm/sec,

180.000 cbm/h,

4,32 Mio. cbm/Tag,

1,55 Mrd. cbm/Jahr,

in Ausnahmefällen bis zu

52 cbm/sec,

187,000 cbm/h,

4,5 Mio. cbm/Tag

Wasser zu entnehmen und dieses zu Kühlzwecken über die Turbinenkondensatoren und sonstige Wärmeaustauscher zu leiten und bei Kühlturmbetrieb im Normalfall 0,5 cbm/sec, max. kurzzeitig 1,1 cbm/sec zu verbrauchen (Verdunstungsverluste),

b) die Entnahmemenge, der neutralisierte Regenerierabwässer sowie teilweise kontaminierte Betriebsabwässer zugeführt werden, ... wieder in die Weser einzuleiten."

5

Aus dem Erläuterungsbericht zu diesem Antrag, über den noch nicht entschieden ist, geht hervor, das sich durch den Betrieb des Kernkraftwerks (KKW) Grohnde die Wesertemperatur am Pegel Bodenwerder im Jahresmittel um 2,6 K, maximal kurzzeitig bis 5 K erhöhen wird, wobei die Maximaltemperatur der Weser nach vollkommener Durchmischung 28 nicht überschreiten und durch den Einsatz von Kühltürmen auf 26 begrenzt werden soll; ferner sollen im Jahr durchschnittlich 20.000 cbm, maximal 50.000 cbm an kontaminierten Abwässern mit einer Gesamtaktivität von 1.600 Ci/a Tritium und 2 Ci/a bzw. 0,3 Ci/Monat eines sonstigen nicht analysierten radioaktiven Gemisches - ohne Radium 226 und 228 - in die Weser eingeleitet werden.

6

Die Ergebnisse der in jenen - noch nicht abgeschlossenen - Verfahren eingeholten Gutachten werden in der hier umstrittenen 1. TEG dahingehend wiedergegeben, daß

"mit technischen Maßnahmen eine ordnungsgemäße Entnahme und Einleitung von Kühlwasser unter Einhaltung des Wärmelastplanes für die Weser sichergestellt werden"

7

könne und

"... nachteilige biochemische Auswirkungen nicht nur verhindert werden, sondern sich diese Maßnahmen günstig auf das weiter unterhalb des Standortes vorhandene Sauerstoffminimum auswirken"

8

würden; die Erwärmung eines Gewässers im Ganzen um 3 K - gelegentlich auch bis 5 K - über die jeweilige Gleichgewichtstemperatur im Einleitungsquerschnitt habe

"keine nachteiligen Folgen für die Biozönose; diese Spanne liege in den meisten Fällen unterhalb der kurzfristigen Schwankungen, denen die Wassertemperatur ausgesetzt sei".

9

Radioökologische Probleme bei der Ableitung flüssiger radioaktiver Stoffe in die Weser seien nicht zu erwarten (S. 48 ff.).

10

Die Gründe der 1. TEG verweisen in diesem Zusammenhang ferner auf die Stellungnahmen des Nds. Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des Nds. Wasseruntersuchungsamts Hildesheim und des Regierungspräsidenten in Hannover: Der Minister komme - in Obereinstimmung mit dem Regierungspräsidenten in Hannover als zuständiger wasserrechtlicher Erlaubnisbehörde - hinsichtlich der Belange des Gewässerschutzes zu dem Ergebnis, daß bei Erfüllung bestimmter Auflagen und Bedingungen grundsätzliche Bedenken gegen die Errichtung und den Betrieb des Kernkraftwerkes in xxx nicht erhoben würden; durch die Einhaltung der entsprechenden Anforderungen und Bedingungen werde nach dem derzeitigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse voraussichtlich gewährleistet, daß sich die Gewässergüte der Weser nicht als Folge einer Beeinflussung der chemischen, physikalischen oder biologischen Kennwerte nachteilig verändere, Menschen nicht gefährdet, der Tier- und Pflanzenbestand erhalten würden und materielle Schäden für die Allgemeinheit nicht einträten. Es werde in dieser Stellungnahme allerdings auch auf Bedenken aus fischereirechtlicher Sicht, insbesondere auf die durch Einleiten von Kaliendlaugen hervorgerufene Beeinträchtigung der Weser hingewiesen, die nach Meinung der Biologen weitere thermische Belastungen dieses Flusses bedenklich erscheinen ließen (S. 78 ff.). Vom Nds. Wasseruntersuchungsamt würden weder gegen die Abwärmeeinleitung noch gegen die Abwässereinleitung Bedenken erhoben. Auch der Regierungspräsident in Hannover stimme dem Vorhaben aus wasserrechtlicher Sicht - vorbehaltlich einer nochmaligen Prüfung mit Festlegung der Einzelheiten im wasserrechtlichen Verfahren - grundsätzlich zu (S. 80).

11

Aus allen diesen Gutachten und Stellungnahmen sowie aus dem Ergebnis eigener Untersuchungen folgert der Antragsgegner,

"daß die im Genehmigungsverfahren vorgebrachten Einwendungen hinsichtlich wasserrechtlicher Belange keine Versagungsgründe gegen die Erteilung dieser Genehmigung beinhalten",

12

insbesondere werde

"selbst bei Niedrigwasser die Gefahr des Fischsterbens durch zu hohe Temperaturen oder zu hohe Sauerstoffzehrungswerte wegen des Einsatzes der Kühltürme nicht gegeben sein".

13

Die Bedenken aus fischereilicher Sicht gegen jegliche weitere thermische Belastung der Weser stellten

"keinen Versagungsgrund gegen den Betrieb des Kernkraftwerkes am Standort Grohnde dar".

14

Es werde im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren zu klären sein, was zum Schutz der hauptsächlich durch die hohen Salzfrachten der Weser reduzierten Fischbestände zu veranlassen sei (S. 111 ff., 114).

15

Die Einwendungen, mit denen sich der Genehmigungsbescheid an dieser Stelle auseinandersetzt, waren u.a. von den Antragstellern in gleichlautenden Schreiben während des Auslegungszeitraums (26. Juni - 26. August 1974) geltend gemacht und in dem Erörterungstermin am 3. und 4. Oktober 1974 vertieft worden (S. 194 ff. der Tonbandaufzeichnung).

16

Der Genehmigungsbescheid ist den Antragstellern am 18. Juni 1976 zugestellt worden. Am 14. Juli 1976 haben diese gegen den Bescheid Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, der Betrieb des Kernkraftwerkes werde zu einer Gefährdung, Minderung oder gar Vernichtung des Fischbestandes der Weser und damit zur Beeinträchtigung ihrer satzungsmäßigen Rechte führen.

17

Sie haben beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die 1. TEG zur Errichtung des Kernkraftwerkes Grohnde wiederherzustellen.

18

Der Antragsgegner und die Beigeladenen haben um Ablehnung dieses Antrags gebeten.

19

Sie haben die Auffassung vertreten, die Klage und der Aussetzungsantrag seien wegen fehlender Betroffenheit der Antragsteller unzulässig, und haben diese auf die Erhebung von Einwendunen im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren verwiesen. Im übrigen sei eine wesentliche Beeinträchtigung der Wasserqualität der Weser nicht zu befürchten.

20

Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 2. Juni 1977 den Antrag als unzulässig abgelehnt, da den Antragstellern die Klage- und Antragsbefugnis fehle. Die Antragsteller seien nicht Inhaber von Fischereirechten, sondern insoweit nur obligatorisch Berechtigte. Als solche seien sie keine klagebefugten Nachbarn. Die Verletzung eines Fischereirechtes könne nur dessen Inhaber geltend machen, nur gegen diesen könne ein Pächter Ansprüche erheben. Die Antragsteller könnten sich insoweit auch nicht auf ihren Satzungszweck berufen, da ein Verband Interessen anderer, auch seiner Mitglieder, nicht dadurch zu seinem eigenen geschützten Rechtsbereich machen könne, daß er sie durch Satzung zum Vereinszweck erhebe. Die Antragsteller könnten mangels einer zulässigen Prozeßstandschaft nicht die Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen. Im übrigen enthalte der Genehmigungsbescheid keine verbindliche Regelung hinsichtlich der wasserrechtlichen Belange. Dies gelte auch, soweit über den Standort entschieden worden sei.

21

Gegen den ihnen am 23. August 1977 zugestellten Beschluß haben die Antragsteller am 5. September 1977 Beschwerde erhoben. Sie meinen, klage- und antragsbefugt zu sein. Obligatorische Berechtigungen stünden nicht generell außerhalb der "Rechte" im Sinne des § 42 VwGO. Sie - die Antragsteller - würden jedenfalls in ihrer Rechtsposition betroffen. Sie seien seit langem, zum Teil seit bis zu 55 Jahren, und auf Dauer Pächter ihrer Flußabschnitte. Ihre befristeten Pachtverträge würden regelmäßig verlängert. Zugleich habe sich ihr Verpächter auf Dauer des Rechtes zur Fischereiausübung begeben und würde durch eine Beeinträchtigung dieses Rechtes selbst gar nicht betroffen. Materiell sei der angefochtene Bescheid bereits wegen der ungeklärten Entsorgungsfrage fehlerhaft.

22

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluß des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.

23

Der Antragsgegner und die Beigeladenen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß. Selbst wenn abweichend von diesem Beschluß dem Pächter eines Fischereirechtes dieselben Abwehrrechte wie dem Inhaber eingeräumt würden, fehle den Antragstellern die Klagebefugnis schon deswegen, weil sie die Genehmigung nicht wegen der nuklearspezifischen Auswirkungen des Kernkraftwerkes angriffen, sondern allein gegen die Entnahme und Wiedereinleitung von Kühlwasser Einwendungen erhoben hätten. Dies aber sei Gegenstand nicht der 1. TEG, sondern der wasserrechtlichen Erlaubnis. Soweit dem Antragsgegner in dieser Hinsicht eine Prüfungspflicht obliege, habe er ihr genügt, indem er vor der Erteilung der Genehmigung die Stellungnahme der zuständigen Wasserbehörde eingeholt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Danach seien weder eine unzulässige Erwärmung des Weserwassers, noch eine Schädigung der Fischerei infolge Verdunstung und Entzug von Wasser oder Sauerstoffzehrung zu befürchten; auch lasse sich nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen nicht die Annahme aufrechterhalten, die Salz-, Gift- und Schmutzbelastungen der Weser würden durch die Erwärmung in ihrer schädlichen Einwirkung auf die Fischwelt potenziert.

25

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.

26

Die Auswirkungen der Einleitung von erwärmtem Kühlwasser und radioaktiven Abwässern in die Weser sind Gegenstand eines Erörterungstermins am 29. Januar 1980 gewesen. Auf die Niederschrift über diesen Termin (Bl. 2 88 ff. der Akten) und die Übertragung der Tonbandaufzeichnung (S. 1 - 61) wird Bezug genommen.

27

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Ordner 1 - 31), der Sicherheitsbericht der Beigeladenen, das Sicherheitsgutachten des TÜV xxx zum Standort und Konzept der Anlage sowie folgende weitere Gutachten vorgelegen, die zum Teil in den Parallelverfahren 7 OVG B 85, 87 und 88/77 von den Beteiligten eingereicht, aber auch den Antragstellern in diesem Verfahren zugeleitet worden sind:

Gutachten der (früheren Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt München (Prof .Dr. xxx vom 24.11.1976 über die Belastung der Weser mit radioaktiven Abfallprodukten aus dem Kernkraftwerk xxx,

Fischereibiologische Untersuchungen an der Oberweser zur Gewinnung orientierender Daten für das Wasserrechtsverfahren Gemeinschaftskraftwerk xxx GmbH von Prof .Dr. xxx vom 15.3.1979,

Gutachtliche Stellungnahme hierzu von Dipl.-Biol. xxx und Dipl.-Biol. xxx vom 27.1.1980,

F.G. xxx - Gutachterliche Stellungnahme über die Gewässerbeeinflussung durch das KKW xxx vom 15.5.1978,

Stellungnahme des Technischen Überwachungsvereins xxx hierzu vom August 1979 - TÜV KWG SOG 5 -,

Niedersächsisches Wasseruntersuchungsamt, Schreiben an die Bezirksregierung Hannover vom 16.8.1979, 3057/79,

Gutachtliche Stellungnahme Dr. xxx - Schreiben an die Stadt Hameln vom 20.1.1980,

Tutorium Umweltschutz - Gutachten über die zu erwartende Strahlenbelastung durch den Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel in der Umgebung des geplanten Kernkraftwerks xxx, August 1978.

28

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antragstellern im Ergebnis zu Recht den beantragten vorläufigen Rechtsschutz versagt. Dem Sofortvollzug der angefochtenen Genehmigung stehen schutzwürdige Interessen der Antragsteller nicht entgegen.

29

A

Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 22. Februar 1979 - 7 OVG B 85/77 - festgestellt hat, bestehen in formeller Hinsicht gegen die Vollzugsanordnung keine Bedenken. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO ist genügt. Das besondere öffentliche Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung wird in dem Bescheid (S. 126 ff.) ausführlich dargelegt. Daraus ist zu entnehmen, daß der Antragsgegner diese Interessen und die entgegenstehenden Interessen der "Einwender" gegeneinander abgewogen und ein Oberwiegen der öffentlichen Interessen und des Vollzugsinteresses der Beigeladenen u.a. deswegen angenommen hat, weil die "Einwender" durch die bloße Errichtung der Anlage noch nicht in ihren Rechten verletzt würden (S. 137, 139). Mehr verlangt § 80 Abs. 3 VwGO nicht.

30

Wie der Senat in dem Beschluß vom 17. Oktober 1977 - 7 OVG B 22/77 - (DVBl 1978, 67 [OVG Niedersachsen 17.10.1977 - VII OVG B 22/77]) entschieden und wie inzwischen das Bundesverfassungsgericht (Besohl, v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 -, DVBl 1980, 356/361) bestätigt hat, ist die ständige Praxis der Genehmigungsbehörden, atomrechtliche Gemehmigungsbescheide für sofort vollziehbar zu erklären, mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, soweit die Betroffenen hierdurch keine irreparablen Eingriffe in ihre Rechtssphäre ohne die Möglichkeit eines effektiven, mindestens vorläufigen, Rechtsschutzes erleiden. Ein solcher irreparabler Eingriff ist, wie der Senat in dem Beschluß vom 22. Februar 1979 dargelegt hat, mit der sofortigen Vollziehung der 1. TEG nicht verbunden.

31

Für die nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klage kam es auf das Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten an. Hierbei waren besonders die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen, da bei erkennbarer Aussichtslosigkeit der Klage ein schätzenswertes Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig nicht" anzuerkennen ist, während diesem Interesse bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung - soweit hierdurch geschützte Rechte der Antragsteller verletzt werden können - grundsätzlich der Vorzug gebührt (vgl. hierzu Besohl, v. 22.2.1979, insoweit abgedruckt in DÖV 1979, 797 [OVG Niedersachsen 22.02.1979 - VII B 85/77]).

32

B

Nach dem derzeitigen Stand dieses vorläufigen Rechtsschutz Verfahrens zeichnet sich ab, das die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

33

1.

Die Klage des Antragstellers zu 1) wird als unzulässig abzuweisen sein, weil dieser unter keinen denkbaren Umständen durch die Genehmigung in seinen Rechten betroffen sein kann und ihm daher die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehlt (zum Erfordernis der individuellen Betroffenheit und zur Unzulässigkeit der sog. Verbandsklage in Atomrechtsstreitigkeiten vgl. Urt. d. Sen. v. 29.11.1977 - 7 OVG A 37/76 -, GewArch 1978, 91). Der Antragsteller zu 1) ist weder Inhaber noch Pächter von Fischereirechten in der Wesen er wird auch sonst durch die Genehmigung nicht in eigenen Rechten, insbesondere nicht in seiner durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Existenz berührt. Der in § 2 Abs. 1 seiner Satzung verankerte Vereinszweck, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten und zu fördern, begründet kein Recht des Antragstellers zu 1), Interessen seiner Mitglieder im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.

34

2.

a)

Die Klagebefugnis der übrigen Antragsteller ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht schon deswegen zu verneinen, weil diese selbst nicht Inhaber der Fischereirechte sind, in deren Ausübung sie sich durch den künftigen Betrieb des Kernkraftwerks und die von diesem ausgehenden nachteiligen Einflüsse auf die Weser und deren Fauna beeinträchtigt sehen. Der Satz, daß nur der Inhaber eines subjektiven Rechtes betroffener Dritter und darum klagebefugt sein könne, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Klagebefugnis bestimmt sich danach, ob dem Kläger eine geschützte Rechtsposition zusteht und ob in eben diese Rechtsposition eingegriffen wird. Daher kann die Verletzung eines subjektiven Rechtes nur geltend machen, wem dieses Recht zusteht. Insofern ist es richtig, daß ein Mieter oder Pächter nicht gegen die Verletzung des Eigentumsrechts an dem von ihm gemieteten oder gepachteten Gegenstand klagen und einen Verwaltungsakt nicht wegen eines Verstoßes gegen Normen angreifen kann, die ausschließlich dem Schutz des; Eigentums und des Eigentümers dienen. Anders ist es jedoch, wenn durch eine behördliche Maßnahme unmittelbar in die Rechtsstellung des Mieters oder Pächters oder eines sonst lediglich obligatorisch Berechtigten eingegriffen wird. So ist anerkannt, daß ein Mieter oder Pächter in seinen Rechten beeinträchtigt und demzufolge klagebefugt ist, wenn dem Vermieter oder Verpächter eine erforderliche behördliche Genehmigung zur Erhöhung des Miet- oder Pachtzinses erteilt wird (Eyermann/Fröhler, RdNr. 98 zu § 42 VwGO m.w.Nachw.). Ein Mieter oder Pächter kann aber in gleicher Weise wie durch eine für ihn nachteilige Änderung des Miet- oder Pachtvertrages dadurch in seinem Recht betroffen sein, daß der vertragsmäßige Gebrauch der Sache durch Dritte beeinträchtigt wird. Es ist gleichfalls anerkannt, daß der auf einem Miet- oder Pachtvertrag beruhende berechtigte Besitz an einer Sache als absolutes Recht Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB genießt. Die Eigenschaft als "absolutes Recht" und das daraus resultierende Abwehrrecht gegen jedermann kommt indessen nicht nur dem Sachbesitz, sondern auch dem sog. "Rechtsbesitz" zu, wie er durch die Jagdpacht (hierzu vgl. Schack, MDR 1968, 808/810 m.w.Nachw.; RGZ 98., 102) und eben durch die Fischereipacht begründet wird. Auch das Fischereiausübungsrecht des Fischereipächters ist demzufolge als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu betrachten (Bergmann, Fischereirecht, 4.5.4.6 S. 193; vgl. auch LG Itzehoe in RdL 1955, 292; Soergel-Siebert-Zeumer, BGB, 10. Aufl., RdNr. 43 zu § 823). Erschöpft sich danach die Rechtsstellung des Fischereipächters nicht in seinen vertraglichen Beziehungen zu dem Inhaber des Fischereirechtes, sondern ist er in der Ausübung der Fischerei auch Dritten gegenüber geschützt und steht ihm insoweit ein zivilrechtlicher Abwehranspruch in entsprechender Anwendung der§§ 862, 1004 BGB zu (vgl. hierzu Palandt-Degenhardt, Anm. 7 zu § 862 BGB), so kann sein "Rechtsbesitz" gegenüber hoheitlichen Eingriffen oder deren Auswirkungen nicht gänzlich ungeschützt sein. Es kommt insoweit darauf an, ob für einen solchen Eingriff eine besondere Rechtsgrundlage besteht. Wird das Fischereiausübungsrecht des Fischereipächters ohne eine solche im öffentlichen Recht wurzelnde Grundlage beeinträchtigt, so folgt ausArt. 19 Abs. 4 GG, daß er sich dagegen gerichtlich zur Wehr setzen kann.

35

An der Klagebefugnis der Antragsteller zu 2) bis 10) fehlt es entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts auch nicht deswegen, weil in ihren Pachtverträgen Ansprüche gegen den Verpächter wegen Verschlechterung der Fischerei infolge Verunreinigung durch Abwässer abbedungen worden sind. Derartige Vertragsklauseln betreffen nur das Verhältnis zwischen dem Pächter und dem Verpächter; Sie sind für den Schutz des Fischereiausübungsrechtes als eines absoluten Rechtes gegenüber Eingriffen Dritter ohne Bedeutung. Hierfür kommt es allein auf den Umfang des übertragenen Rechtes an. Die erwähnten Vertragsbestimmungen schränken indessen nicht den Umfang dieses Rechtes, sondern lediglich die sich aus seiner Beeinträchtigung ergebenden Ansprüche des Pächters gegen den Verpächter - und nur gegen diesen - ein.

36

Die Klagebefugnis der Antragsteller scheitert ferner nicht von vornherein daran, daß die unbegrenzte Ausübung des Fischereirechtes nicht unter dem Schutz des Art. 14 GG steht (BVerwG, Beschl. v. 10.2.1969 - I B 65.68 -, Buchholz, 11, Art. 14 GG Nr. 107 = RdL 1969, 187) und Umfang und Grenzen dieses Rechtes im übrigen von seiner landesrechtlichen Ausgestaltung abhängen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 3.1.1968, NJW 1968, 648 [BGH 03.01.1967 - V ZR 219/64]; Urt. v. 5.4.1968, NJW 1968, 1284 [BGH 05.04.1968 - V ZR 228/64]). Wenn auch das Fischereirecht nach der Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts keinen absolut geschützten Anspruch darauf begründet, daß die den Fischbestand und Fischfang in einem Gewässer begünstigenden Umstände unverändert bleiben (vgl. hierzu §§ 4-6 des Nds. Fischereigesetzes v. 1.2.1978 - GVBl S. 81), so kann daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß der Fischereiberechtigte schwerwiegende Beeinträchtigungen seines Rechtes durch Veränderungen am Fluß unbegrenzt hinzunehmen hätte. Selbst wenn solche Beeinträchtigungen nicht den Grad einer Enteignung oder eines enteignungsgleichen Eingriffs erreichen, müssen sie zumindest auf einer die Veränderung der Wasserbeschaffenheit auch zum Nachteil anderer Berechtigter gestattenden gesetzlichen Grundlage beruhen. Eben dies stellen die Antragsteller in Abrede. Es kann ihnen nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht verwehrt sein, geltend zu machen, daß in ihr geschütztes Fischereiausübungsrecht ohne gesetzliche Grundlage eingegriffen werde. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist keine Frage der Klagebefugnis.

37

b)

Es ist im Sinne der vom Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der Klagebefugnis entwickelten Kriterien (Nachweise bei Eyermann/Fröhler, Rdn. 85 zu § 42 VwGO; vgl. insbesondere Urt. v. 30.10.1963 - BVerwG VC 219.62 -, DVBl 1964, 191 [BVerwG 30.10.1963 - BVerwG V C 219.62]) nicht von vornherein auszuschließen, daß die als schutzfähig erkannten Rechte der Antragsteller zu 2) - 10) von dem angefochtenen Genehmigungsbescheid berührt werden. Dieser Bescheid besaßt sich in zweifacher Hinsicht mit den möglichen Auswirkungen des Kernkraftwerksbetriebes auf die Beschaffenheit des Weserwassers: zum einen, indem er - gestützt auf die Stellungnahmen der Wasserbehörde und weiterer Fachbehörden und unter Verwertung der im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren erstatteten Gutachten - feststellt, daß - unter Berücksichtigung des beabsichtigten zeitweiligen Kühlturmbetriebes und der im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren festzusetzenden Auflagen - der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis keine Hindernisse im Wege stehen werden; zum anderen, indem er die Eignung des Standorts auch unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten feststellt.

38

aa)

Soweit sich der Bescheid zur wasserrechtlichen Erlaubnisfähigkeit des Vorhabens äußert, handelt es sich um einen Teil des "vorläufigen Gesamturteils" über die Anlage und ihren Betrieb (§ 1 Abs. 2 Satz 2 der hier noch anzuwendenden Atomanlagen-Verordnung i.d.F. v. 29. Oktober 1970, BGBl. I S. 1518 - AtAnlVO -; vgl. S 18 Abs. 1 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung - AtVfV - v. 18. Februar 1977, BGBl. I S. 280). Die der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde (im folgenden: "Atombehörde") nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 des Atomgesetzes - AtomG - in seiner bis zum 5. September 1976 geltenden Fassung (§ 7 Abs. 2 Nr. 6 des Atomgesetzes i.d.F. v. 31. Oktober 1976, BGBl. I S. 3054) und § 4 AtAnlVO (§ 14 AtVfV) obliegende Prüfung der wasserrechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen unterscheidet sich insoweit von der Prüfung der weiteren atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nur dadurch, daß sich die Atombehörde hierbei weitgehend auf die Stellungnahme der zuständigen Wasserbehörde stützen kann (vgl. Beschl. d. Sen. v. 17.10.1977, DVBl 1978, 68/70). Am Rechtscharakter dieser vorläufigen Prüfung ändert sich dadurch nichts. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 18. Juni 1980 - 7 OVG B 15/79 - dargelegt hat, handelt es sich hierbei nicht um ein Entscheidungs-, sondern nur um ein Begründungselement der atomrechtlichen Teilgenehmigung. Gleichgültig, ob die Atombehörde lediglich die Stellungnahme der Wasserbehörde übernommen oder ob sie eigene Untersuchungen vorgenommen hat, entfaltet das "vorläufige Gesamturteil" keine Bindungswirkung für zukünftige weitere Teilgenehmigungen; seine Bedeutung erschöpft sich darin, Grundlage und Voraussetzung für die Erteilung der jeweiligen Teilgenehmigung zu sein. Ist schon eine Bindungswirkung in bezug auf weitere Teilgenehmigungen zu verneinen, für die die Atombehörde selbst zuständig ist, so muß dies erst recht für Verwaltungsakte gelten, die von einer anderen Behörde in eigener Verantwortung zu erlassen sind. Der im Entscheidungsteil (A) der 1. TEG enthaltene Satz "Erlaubnissen, Bewilligungen und Genehmigungen, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich sind, wird durch diese Genehmigung nicht vorgegriffen" hat danach lediglich deklaratorische Bedeutung. Die Antragsteller können demzufolge durch den wasserrechtlichen Teil des vorläufigen Gesamturteils nicht über den konkreten Regelungsinhalt der 1. TEG hinaus in ihren Rechten betroffen sein.

39

bb)

Demgegenüber ist die Feststellung der Standorteignung auch insoweit Regelungsgegenstand der 1. TEG, als darin zum Ausdruck kommt, daß gegen den Standort als solchen Bedenken aus wasserrechtlicher Sicht nicht bestehen. An, die atomrechtliche Standortgenehmigung ist die Wasserbehörde dergestalt gebunden, daß sie die wasserrechtliche Erlaubnis jedenfalls nicht allein aus Standortgründen versagen könnte. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob insoweit eine Bindungswirkung im eigentlichen Sinne anzunehmen ist, d.h. ob die Wasserbehörde zwar auch im Hinblick auf die (wasserrechtliche) Eignung des Standortes noch eine Entscheidungskompetenz besitzt, von dieser aber keinen der atomrechtlichen Standortgenehmigung zuwiderlaufenden Gebrauch machen darf, oder ob die Atombehörde allein und abschließend über die Eignung des Standortes entscheidet (so Rauschning, 5. Dt. Atomrechts-Symposium, S. 85 ff.). In jedem Falle wird erreicht, daß unterschiedliche Entscheidungen der am Verfahren beteiligten Behörden über die Standorteignung vermieden werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 17.10.1977, a.a.O.) kommt es hierauf bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten der verschiedenen Behörden entscheidend an.

40

Der Senat teilt nicht die Auffassung, die im Rahmen einer Teilerrichtungsgenehmigung getroffene Standortentscheidung besitze überhaupt keine Bindungswirkung. Ob dies zutrifft, wenn sich die Eignung des Standorts nur aus den Gründen der Teilerrichtungsgenehmigung ergibt, steht hier nicht zur Diskussion (vgl. hierzu Beschl. d. Sen. v. 17.10.1977, a.a.O.. S. 68). Jedenfalls in dem hier gegebenen Fall, in welchem der Standort ausdrücklich von der Genehmigung erfaßt ist, ist nicht einzusehen, weshalb die jedem begünstigenden Verwaltungsakt zukommende Bindungswirkung gerade einer Standortgenehmigung abgehen soll. Dies läßt sich entgegen der Auffassung des VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 2 6.2.1979 - DÖV 1979, 521 [BVerwG 11.12.1978 - BVerwG 4 C 13.78]) auch nicht damit begründen, daß über die Standorteignung nur durch Vorbescheid und unter Einhaltung der dafür vorgeschriebenen Formvorschriften entschieden werden könnte. Wäre dies richtig, so wäre allerdings eine im Rahmen einer Teilerrichtungsgenehmigung getroffene Standortentscheidung wirkungslos; es handelte sich dabei nicht lediglich - wie der VGH Baden-Württemberg anzunehmen scheint - um einen bloßen Verfahrens- oder Formfehler im Sinne von S 46 VwVfG. Denn wenn die vom VGH Baden-Württemberg hervorgehobenen Wesensverschiedenheiten zwischen Teilgenehmigung und Vorbescheid tatsächlich beständen und eine Teilgenehmigung den Unternehmer lediglich zu einem bestimmten Handeln befähigen könnte, könnte eine in einer Teilerrichtungsgenehmigung enthaltene Standortgenehmigung keinerlei Rechtswirkungen entfalten und brauchte schon aus diesem Grunde - es sei denn zur Klarstellung - nicht förmlich aufgehoben zu werden.

41

So verhält es sich indessen nicht. Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, daß die Formvorschriften des § 19 Abs. 3 AtVfV, auf die der VGH Baden-Württemberg abstellt, auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sind. Denn die Atomrechtliche Verfahrensverordnung hat am Rechtscharakter von Teilgenehmigung und Vorbescheid, wie er auch schon nach dem früheren Recht gegeben war, nichts geändert" Die Bedenken des VGH Baden-Württemberg müßten demzufolge auch gegenüber einer nach früherem Recht erteilten Standortgenehmigung im Rahmen einer Teilerrichtungsgenehmigung bestehen. Diese Bedenken sind jedoch nicht begründet. Es ist weder dem Atomgesetz noch der Atomanlagen-Verordnung noch auch der jetzt geltenden Atomrechtlichen Verfahrensverordnung zu entnehmen, daß über den Standort mit bindender Wirkung nur durch Vorbescheid entschieden werden könnte. Hiergegen spricht bereits, daß einerseits ein Standortvorbescheid nur auf Antrag des Unternehmers zu ergehen braucht, mithin keine notwendige Voraussetzung für eine Genehmigung nach § 7 AtomG ist, während andererseits die Atombehörde in jedem Falle über die Eignung des Standortes befinden muß. Trifft sie diese Entscheidung nicht in Gestalt eines Vorbescheides, so muß sie die Standorteignung im Rahmen der Genehmigung nach § 7 AtomG feststellen. Erginge - was das Gesetz nicht ausschließt - nur eine einzige umfassende Genehmigung, so wäre die Standorteignung Regelungsgegenstand, selbst wenn darüber im Genehmigungstenor nichts ausdrücklich gesagt wäre. Denn die Genehmigung sur Errichtung einer ortsgebundenen kerntechnischen Anlage kann stets nur für einen bestimmten Standort erteilt werden. Ist dies aber so, so muß dies auch gelten, wenn die Errichtung der Anlage durch eine Teilgenehmigung gestattet wird; und es muß der Genehmigungsbehörde daher auch möglich sein, die Standorteignung im Rahmen dieser Teilgenehmigung ausdrücklich festzustellen. Eine solche Teilgenehmigung muß dann auch im Hinblick auf die Standortentscheidung Bindungswirkung entfalten können. Denn es würde für den Unternehmer eine unerträgliche und dem Zweck der Teilgenehmigung zuwiderlaufende Rechtsunsicherheit bedeuten, wenn ihm zwar aufgrund einer Teilgenehmigung erlaubt wäre" umfangreiche und kostspielige Vorhaben ins Werk zu setzen, die Genehmigungsbehörde aber gleichwohl im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens den Standort noch verwerfen und damit der Errichtungsgenehmigung die Grundlage entziehen könnte. Daß die Genehmigungsbehörde in der Lage und zum Schutze von Rechten Dritter u.U. auch gehalten ist, die Standortentscheidung mit einem Vorbehalt zu versehen oder ihre Bindungswirkung sonstwie einzuschränken, ändert nichts am Prinzip und gilt, gleichermaßen für Teilgenehmigung und Vorbescheid.

42

Wenn die Feststellung der Standorteignung notwendiger Bestandteil mindestens der ersten Teilerrichtungsgenehmigung ist - sofern darüber nicht vorab durch Vorbescheid entschieden worden ist -, kann auch nichts daraus hergeleitet werden, daß der gemäß § 7 Abs. 4 AtomG entsprechend anzuwendende § 8 BImSchG die Standorteignung nicht ausdrücklich als möglichen Gegenstand einer Teilgenehmigung nennt.

43

Bei dieser Betrachtungsweise reduziert sich zwar der Unterschied zwischen einem Vorbescheid und einer Teilgenehmigung in bezug auf den Standort darauf, daß der erstere außerhalb, die letztere im Rahmen der eigentlichen atomrechtlichen Genehmigungsverfahren erteilt und daß der Vorbescheid nach Ablauf der in § 7a Abs. 1 Satz 2 AtomG bezeichneten Frist unwirksam wird. Demgegenüber wird in beiden Fällen über die Standorteignung abschließend entschieden, wie auch die weiteren Entscheidungsvoraussetzungen (vorläufiges Gesamturteil) nach geltendem Recht die gleichen sind und nach der hier anzuwendenden Atomanlagen-Verordnung einander sehr ähnelten (vgl. Urt. d. Sen. v. 22.12.1978 - 7 OVG A 61/74 - S. 22 ff.). Für die Auslegung und Anwendung der atomrechtlichen Verfahrensvorschriften ist es indessen nur von sekundärer Bedeutung, in welchem Maße sich die einzelnen Rechtsinstitute voneinander unterscheiden. Wenn wie im vorliegenden Fall die Standorteignung im Rahmen einer Teilgenehmigung ausdrücklich festgestellt wird, leidet darunter auch weder die Eindeutigkeit des Regelungsinhaltes, noch werden hierdurch die Rechtsschutzmöglichkeiten Drittbetroffener eingeschränkt.

44

Die hiernach rechtswirksam im Rahmen einer Teilgenehmigung getroffene Standortentscheidung läßt war den nach§§ 4 und 8 des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - i.d.F. v. 1. Dezember 1970 (Nds. GVBl S. 457) - derzeit geltend in der Fassung des Gesetzes vom 1. Februar 1978 (Nds. GVBl S. 81) - bestehenden Entscheidungsbereich der Wasserbehörde unberührt" Diese kann mithin trotz einer positiven Standortentscheidung die wasserrechtliche Erlaubnis aus den in § 8 NWG genannten Gründen versagen oder sie - auch zugunsten Drittbetroffener (§ 4 Abs. 1 NWG) - mit Auflagen versehen. Hingegen kann sie von dem Ermessen, das ihr bei Nichtvorliegen der in § 8 NWG bezeichneten Erlaubnishindernisse eingeräumt ist, nur noch eingeschränkt Gebrauch machen, Die Wasserbehörde kann die Erlaubnis insbesondere nicht mehr wegen eines standortbedingten Konfliktes zwischen den Interessen des Unternehmers und dem von ihr bei einer Interessenabwägung höher bewerteten Interesse eines anderen Gewässerbenutzers verweigern (vgl. hierzu im einzelnen Ort. d. Sen. v. 21.6.1978 - 7 OVG A 110/77 -). Darum geht es den Antragstellern jedoch. Soweit sie eine rechtlich geschützte Position innehaben, die gerade durch die Lage des Kernkraftwerkes an dem genehmigten Standort beeinträchtigt wird, ohne daß diese Beeinträchtigung auf Umständen beruht, die nach § 8 NWG der Erteilung der Erlaubnis zwingend entgegenständen und darum auch noch im wasserrechtlichen Verfahren geltend gemacht werden könnten, müssen sie sich als Betroffene gegen die Ursache dieser Beeinträchtigungen durch Klage gegen die atomrechtliche Standortgenehmigung zur Wehr setzen können.

45

cc)

Soweit hingegen die Wasserbehörde noch befugt ist, die Erlaubnis zu versagen, kann der Drittbetroffene darauf verwiesen werden, seine Rechte im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren geltend zu machen. Ob etwas anderes gilt, wenn die Atombehörde über die Standortentscheidung hinaus Teile der wasserrechtlichen Erlaubnis (z.B. Begrenzungen der Aktivitätskonzentration oder der Menge des einzuleitenden kontaminierten Abwassers) vorweggenommen hat, kann hier dahinstehen (vgl. hierzu Urt. d. Sen. v. 21.6.1978 - S. 35 ff.); denn der in diesem Verfahren umstrittene Bescheid enthält solche Regelungen nicht, sondern verweist ausdrücklich darauf, daß "die endgültige Prüfung sämtlicher wasserrechtlicher Belange, wie die thermische, radiologische und sonstige Belastung der Weser und des Grundwassers, sowie die Festlegung sämtlicher gewässerschützlerischen Einzelheiten ... dem wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren ... vorbehalten" bleibe (S. 111). Dem steht nicht die in Anlehnung an das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 15.3.1972 - BVerwG I C 49.70 -, DVBl 1972, 678 [BVerwG 16.03.1972 - BVerwG I C 49.70]) entwickelte Rechtsprechung auch dieses Senats entgegen, daß sich ein Drittbetroffener bereits gegen Errichtungsgenehmigungen für ein Kernkraftwerk zur Wehr setzen könne, auch wenn er erst durch den eine weitere, selbständig anfechtbare Teilgenehmigung erfordernden Betrieb der Anlage und die damit verbundenen Emissionen in seinen Recht verletzt werden könnte. Dieser Grundsatz ist nicht ohne weiteres anwendbar, wenn die die schädlichen Emissionen zulassende Genehmigung oder Erlaubnis in einem anderen als dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren - hier in einem besonderen wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren - zu erteilen ist. Denn die Erwägung, die Aufspaltung einer dasselbe Vorhaben betreffenden Genehmigung in eine Vielzahl von Teilgenehmigungen ändere nichts daran, daß es sich letztlich um einen einheitlichen Vorgang handele und der Bürger durch die Summe der einzelnen Teilgenehmigungen einen möglichen Rechtsnachteil erleide, zu dem jeder Teilakt etwas beitrage, greift nicht, wenn von vornherein mehrere rechtlich selbständige, in unterschiedlichen Verfahren zu erteilende Genehmigungen oder Erlaubnisse für die Errichtung und den Betrieb der Anlage erforderlich sind. Kann man bei der Aufspaltung einer einheitlichen Genehmigung in eine Mehrzahl von Teilgenehmigungen davon sprechen, daß der Rechtsschutz Drittbetroffener erschwert werde, weil diese ihre Interessen statt in einem einzigen in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren verfolgen müßten, so gilt dies nicht, wenn wegen des sich in verschiedenen Rechts- und Lebensbereichen auswirkenden Betriebes verschiedene rechtlich selbständige Genehmigungen notwendig sind. Da die Zahl der erforderlichen Genehmigungen im letzteren Fall gesetzlich vorgegeben und nicht wie bei der Erteilung von Teilgenehmigungen in das Ermessen der Genehmigungsbehörde gestellt sind (§ 1 Abs. 3 der Atomanlagenverordnung - AtAnlVO -; § 18 Abs., 1 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung - AtVfV -), besteht auch kein Grund zu der Besorgnis, die Genehmigungsbehörden könnten das Mittel der Teilgenehmigung bewußt als ein Instrument zur Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter einsetzen, wenn dieser Praxis nicht durch eine Erweiterung der Klagebefugnis entgegengewirkt werde.

46

dd)

Inwiefern die Antragsteller außer durch die Standortgenehmigung mit ihren Auswirkungen auf das wasserrechtliche Verfahren auch die weiteren Regelungsgegenstande der 1. TEG - die Genehmigung des Anlagenkonzeptes sowie die Errichtung der genehmigten Bauteile - in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sein könnten, ist nicht zu erkennen. Weder die eine noch die andere hat Einfluß auf die von der Wasserbehörde zu treffende Entscheidung und damit auf das Ausmaß der von den Antragstellern gegebenenfalls hinzunehmenden Beeinträchtigungen ihres Fischereiausübungsrechtes.

47

c)

Soweit den Antragstellern hiernach die Klagebefugnis gegen die Standortgenehmigung zusteht, ist ihnen auch ein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage zuzuerkennen. Daran könnten Zweifel bestehen, wenn sich die Bindungswirkung der Standortentscheidung - und damit deren rechtliche Bedeutung schlechthin - auch im Verhältnis zur wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7b (Abs. 2 a.F.) AtomG bestimmte, der den Einwendungsausschluß an die Unanfechtbarkeit der Teilgenehmigung knüpft. Es kann hier indessen dahingestellt bleiben, ob nach dieser Vorschrift allein eine unanfechtbare Standortgenehmigung Bindungswirkung entfalten kann, ob die Genehmigungsbehörde demzufolge gehindert ist, diese Wirkung durch Anordnung der sofortigen Vollziehung vorzuverlegen, und ob daher eine gleichwohl erlassene Vollzugsanordnung unwirksam ist (vgl. hierzu Feldhaus, Anm. 11 zu § 9 BImSchG; Beschl. d. Sen. v. 18.2.1975 - 7 OVG B 60/74 -, GewArch 1975, 303; v. 5.10.1976 - 7 OVG B 73/76 - jeweils m.w.Nachw.). Denn § 7b AtomG bezieht sich nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut ("Verfahren zur Genehmigung der Anlage") nicht auf das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren und hindert - ebensowenig wie die Drittbetroffenen an der Wiederholung von bereits im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren erhobenen Einwendungen - die Genehmigungsbehörde nicht daran, die Bindungswirkung ihrer Standortentscheidung für die wasserrechtliche Erlaubnis durch Anordnung der sofortigen Vollziehung schon vor Unanfechtbarwerden der Genehmigung eintreten zu lassen.

48

3.

Ist die Klage der Antragsteller zu 2) - 10), soweit sie sich gegen die Standortgenehmigung richtet, als zulässig zu betrachten, so wird sie voraussichtlich als unbegründet abzuweisen sein. Denn nach dem bisherigen Erkenntnisstand des Senats dürfte sich im Hauptverfahren ergeben, daß tatsächlich rechtlich geschützte Interessen der Antragsteller durch die Genehmigung nicht verletzt werden.

49

Hierbei ist zunächst in Betracht zu ziehen, daß zum einen nicht, jede Veränderung der Beschaffenheit des Weserwassers eine Beeinträchtigung ihrer Fischereiausübungsrechte bewirkt und ihnen zum anderen Schutzrechte, die über den durch §§ 4, 8 NWG gesteckten Rahmen hinausgehen und ihnen in weiterem Umfang als diese Vorschriften Schutz vor nachteiligen Auswirkungen der Standortwahl gewähren (und deswegen bereits in dem atomrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen und gerichtlich geltend zu machen sind s.o. 2 b bb a. E.), nur in beschränktem Umfang zustehen.

50

a)

Soweit die Antragsteller nachteilige Auswirkungen auf die Fischbestände und damit, auf die Grundlage ihres Fischereiausübungsrechtes durch Einleitung erwärmten Kühlwassers befürchten, ist zwar in tatsächlicher Hinsicht angesichts der kontroversen Sachverständigenäußerungen in dem Erörterungstermin (Tonbandaufzeichnung S. 1 ff.) sowie in den von den Beteiligten vorgelegten schriftlichen Gutachten nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats eine endgültige Beurteilung noch nicht möglich. In rechtlicher Hinsicht läßt sich aber bereits jetzt die Feststellung treffen, daß den Antragstellern insoweit keine über die §§ 4, 8 NWG hinausgehenden Abwehrrechte gegen künftige Benutzungen des Weserwassers durch die Betreiber des Kernkraftwerkes zustehen und sie daher darauf angewiesen sind, ihre Interessen im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren geltend zu machen. Einer vorläufigen Sicherung ihrer Rechte durch Aufnahme eines entsprechenden Vorbehalts in die Standortgenehmigung bedurfte es schon deswegen nicht, weil bereits das von den Beigeladenen vorgelegte Anlagenkonzept die Errichtung von Kühltürmen vorsieht und damit die technischen Voraussetzungen dafür enthält, daß durch Auflagen nach § 4 NWG die Erwärmung des Weserwassers entsprechend den Regelungen des Wärmelastplans Weser in vertretbaren Grenzen gehalten werden kann. Ferner ist davon auszugehen, daß die allgemein üblichen Maßnahmen zum Ausgleich der mit der Erwärmung des Gewässers verbunden Belastungen - z.B. Sauerstoffeintrag - auch ohne eine entsprechende Auflage in dem Standortvorbescheid von der Wasserbehörde angeordnet und von den Beigeladenen getroffen werden. Eine Rechtsgrundlage für einen weitergehenden und bereits im Standortverfahren zu verfolgenden Anspruch der Antragsteller, jegliche zusätzliche Wärmebelastung der Weser und damit die Errichtung und den Betrieb eines Kernkraftwerkes an der vorgesehenen Stelle überhaupt zu unterlassen, vermochte der Senat nicht zu erkennen. Er hat dabei in Erwägung gezogen, daß es zur Erhaltung eines langfristigen ökologischen "Gleichgewichts eines Gewässers, das bereits durch anderweitige Schadstoffeinleitungen so hoch belastet ist wie die Weser, geboten sein kann, jede zusätzliche Belastung zu vermeiden, auch wenn diese noch nicht zu einer Versagung der Erlaubnis nach § 8 NWG nötigte und wenn Gefahren für den Fischbestand durch Auflagen nach § 4 NWG abgewendet werden könnten. Hierbei handelte es sich jedoch in erster Linie um öffentliche Belange, die keinen Anspruch eines einzelnen Benutzers begründen, jede weitere Belastung des Gewässers zu unterlassen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29.7.1977 - IV C 51.75 -, DVBl 1977, 897). Ein als Ausfluß eines wasserrechtlichen "Mindestbelastungsgebotes" (vgl. nunmehr § 1 a Abs. 1 WHG) verstandener gerichtlich durchsetzbarer Anspruch eines einzelnen Nutzungsberechtigten darauf, daß vor einer zusätzlichen Belastung schon vorbelasteter Gewässer zunächst die Standortmöglichkeiten an relativ weniger belasteten Gewässern ausgenutzt werden, ist dem geltenden Recht fremd.

51

b)

Hingegen unterliegt die Standortwahl im Hinblick auf die von der Anlage ausgehenden radiologischen Belastungen einem als Ausprägung des Vorsorgegrundsatzes (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 a.F., Nr. 3 n.F. AtomG) zu verstehenden und darum drittschützenden Mindestbelastungsgebot (ständige Rspr. d. Sen., vgl. Beschl. v. 17.10.1977s. a.a.O., S. 69; Urt. v. 22.12.1978, DVBl 1979, 686 [OVG Niedersachsen 22.12.1978 - VII A 61/74]). Danach ist schon bei der Wahl des Standortes dafür Sorge zu tragen, daß die potentielle Strahlenbelastung der Menschen im Einwirkungsbereich der Anlage "so gering wie möglich" bleibt und jede unnötige Strahlenbelastung vermieden wird (vgl. § 28 Abs. 1 der Strahlenschutzverordnung - StrlSchV - vom 13. Oktober 1976, BGBl. I S. 2095). Dieses "standortbezogene Mindestbelastungsgebot" kann u.a. dadurch verletzt sein, daß negative Standorteigenschaften eine im Vergleich zu anderen geeigneten Standorten (vgl. hierzu Urt. d. Sen. v. 22.12.1978, a.a.O., S. 688 f.) eine erhöhte Belastung von Personen bewirken, die sich zum Zwecke des Fischfangs häufig auf dem Gewässer oder an dessen Ufern aufhalten.

52

aa)

Soweit das atomrechtliche Mindestbelastungsgebot eine Minimierung der Einleitung radioaktiver Substanzen in ein Gewässer gebietet, ist allerdings zu berücksichtigen, daß nicht jede standortbedingte Mehrbelastung bereits einen Verstoß gegen jenes Gebot darstellt. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 22. Dezember 1978 (a.a.O. S. 688/689) ausgeführt:

"Das Mindestbelastungsgebot hat dort eine Grenze, wo durch zusätzliche Handlungen und Unterlassungen eine wesentliche Verminderung des Individualrisikos nicht mehr erreicht werden kann. (Daher) stellt ... eine unwesentliche Erhöhung des Individualrisikos noch keinen Verstoß gegen das Mindestbelastungsgebot dar. Dies muß insbesondere für die Anwendung dieses Gebots auf die Standortwahl gelten."

53

Eine Verletzung des Mindestbelastungsgebots könnte darin zu erblicken sein, daß die Weser am Standort xxx bereits durch die radioaktiv kontaminierten Abwässer aus dem Kernkraftwerk Würgassen vorbelastet ist und durch die Kumulation der Einleitungen aus beiden Kernkraftwerken eine Gesamtbelastung bewirkt wird, die höher ist, als sie an einem Standort mit geringerer Vorbelastung wäre.

54

Es kann hier indessen dahingestellt bleiben, ob es solche Standorte an der Weser unterhalb der Pachtbezirke der Antragsteller gibt und ob, wenn dies der Fall sein sollte, den günstigeren Vorfluterverhältnissen etwa Nachteile in anderer Beziehung gegenüberstehen. Es bedarf hier ferner keiner Beantwortung der Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Mindestbelastungsgebot bei Fehlen günstigerer Standorte an der Weser gebieten könnte, daß ein Standort an einem weniger stark radioaktiv vorbelasteten Gewässer gewählt wird. Denn die Antragsteller könnten sich in jedem Falle auf eine Verletzung des standortbezogenen Mindestbelastungsgebotes nur berufen, wenn sie hierdurch tatsächlich in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt würden, d.h. wenn eine von dem Kernkraftwerk am Standort xxx zukünftig bewirkte zusätzliche radioaktive Belastung der Weser unvermeidlich zu einet nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung ihrer Fischereiausübungsrechte führte.

55

bb)

Nach den vom Senat bislang gewonnenen. Erkenntnissen dürfte dies voraussichtlich nicht der Fall sein. Hierfür ist zunächst von Bedeutung, daß der Vereinszweck der Antragsteller die Ausübung des Fischereisportes und nicht der Fischfang zum Zwecke des eigenen Verzehrs oder zur Veräußerung als Nahrungsmittel ist (vgl. die Vereinssatzungen Bl. 92 ff, d.A.). Dies gilt - wie sich etwa aus der Satzung des Antragstellers au 8) (Bl. 110 d.A.) ergibt - auch für diejenigen Antragsteller, deren Name nicht den Bestandteil "Sport-" enthält. Als für die Ausübung des Angelsports relevante Belastungspfade kommen im wesentlichen nur das "Bootfahren" und der "Sedimentaufenthalt" in Betracht. Hierbei geht der Senat davon aus, daß - ungeachtet der Tatsache, daß ein eingetragener Verein als juristische Person nicht durch Radioaktivität gesundheitlich geschädigt werden kann - die Ausübung der den Antragstellern zustehenden Fischereiausübungsrechte beschränkt oder ausgeschlossen sein kann, wenn ihre Mitglieder den Angelsport wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefahren nicht mehr ausüben können. Eine Beeinträchtigung des Fischereiausübungsrechtes in der Weser wäre darüber hinaus in der Weise denkbar, daß die Fische selbst - abgesehen von den über die Enährungskette wirksamen Anreicherungseffekten im Fischfleisch durch Strahleneinwirkungen, geschädigt werden und infolgedessen die Fischbestände zurückgehen.

56

Was das letztere anbelangt, so deuten die spärlichen Angaben, die hierzu während des Erörterungsterrains gemacht wurden, darauf hin, daß Strahlenschäden bei Fischen erst bei erheblich höheren Nuklidkonzentrationen im Wasser auftreten, als sie infolge des Betriebes des, Kernkraftwerks xxx zu erwarten sind (Tonbandaufzeichnung S. 14). Zu den Strahlenbelastungen von Menschen auf den Belastungspfaden "Bootfahren" und "Sedimentaufenthalt" liegen dem Senat Berechnungen der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt und des Technischen Überwachungsvereins xxx vor, die auf der Grundlage des Entwurfs und der jeweils geltenden Fassung der von der Strahlenschutzkommission erarbeiteten und vom Bundesminister des Innern bekanntgegebenen "Allgemeinen Berechnungsgrundlage für die Bestimmung der Strahlenexposition durch radioaktive Einleitungen in Oberflächengewässer - I. Fließgewässer -" erstellt worden sind. Danach kann der Belastungspfad "Bootfahren" mit einer für den ungünstigsten Punkt - die Abwasserfahne unterhalb des Kernkraftwerks xxx vor der Durchmischung - errechneten Ganzkörperbelastung von 0,006 mrem/a (bei einer mittleren Weser-Wasserführung von 106 m3/s, einem Kühlwasserabfluß von 50 m3/s und 1000 Stunden Bootfahren - vgl. TÜV KWG SOG 5 S. 38) gegenüber der Belastung auf dem Pfad "Sedimentaufenthalt" vernachlässigt werden, die unter den gleichen Bedingungen nach den vom TÜV (a.a.O.) verwandten neueren Berechnungsgrundlagen 1,47 mrem/a (Ganzkörper) beträgt.

57

Bei diesen Werten dürfte eine Beeinträchtigung des Angelsports wegen der damit verbundenen Gesundheitsrisiken für die Mitglieder der Antragsteller nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen sein. Diese Dosiswerte bewegen sich in einem Bereich, in denen das hier zu bewertende Individualrisiko außerordentlich gering ist und eine Risikoerhöhung nur in der Form eines Bevölkerungsrisikos bei Zugrundelegung einer sehr großen Zahl von Betroffenen errechnet werden kann (vgl. hierzu Besohl, d. Sen. v. 22.11.1976 - 7 OVG B 76/74 -, DVBl 1977, 340/343 ff. [OVG Niedersachsen 22.11.1976 - VII OVG B 76/74]). Nach der von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) vertretenen Risikobewertung, wonach bei einer Bestrahlung von 1 Million Menschen mit 1 rem 100 Todesfälle zu erwarten sind (vgl. Urt. d. Sen. v. 22.12.1978, a.a.O., S. 692), beliefe sich das Risiko des einzelnen, bei einer Belastung in Höhe von jährlich 2 mrem und einer Belastungsdauer von 50 Jahren an Strahlenkrebs zu sterben, auf 1:100.000. Daher dürfte die Wahrscheinlichkeit, daß auch nur ein Mitglied eines der Antragsteller zu 2) - 10) im Laufe seines Lebens infolge der Ausübung des Angelsports an Krebs erkranken und sterben könnte, sehr gering sein, Erwägungen, die im Sinne des Beschlusses des Senats vom 22.11.1976 (a.a.O.) auf die Gesamtbelastung aller an der Weser lebenden und mit ihrem Wasser in Berührung kommenden Menschen abstellen, verbieten sich hier deswegen, weil die Antragsteller als nur in einem eng begrenzten Rechtsbereich verletzbare juristische Personen nicht zu der durch das gemeinsame Risiko somatischer oder genetischer Schädigungen gekennzeichneten und infolgedessen, nur aus natürlichen Personen bestehenden Schicksalsgemeinschaft gerechnet werden können, deren Gesamtbelastung durch die Wahl eines geeigneten Standorts in den geringstmöglichen Grenzen gehalten werden soll. Insgesamt gesehen, dürfte bei den in den genannten Gutachten errechneten Dosiswerten eine Gefährdung der Mitglieder der Antragsteller, durch die die Ausübung der Fischereirechte in Frage gestellt wäre, auszuschließen sein.

58

Allerdings sind diese Werte nicht ohne Widerspruch - namentlich von selten der Antragsteller in den Parallelverfahren 7 OVG B 87 und 88/77 - geblieben. Dem Senat sind jedoch keine Berechnungen vorgelegt worden, die auf eine erhebliche höhere Langzeitbelastung auf den hier in Betracht kommenden Pfaden "Bootfahren" und "Sedimentaufenthalt" schließen ließen. Die von den Antragstellern in den Parallelverfahren eingereichten und in dem Erörterungstermin diskutierten Berechnungen des "Tutoriums Umweltschutz" beziehen sich auf Belastungen über Ernährungsketten. Die von dem Sachverständigen Dr. xxx (Schreiben an die Stadt Hameln v. 20.1.1980, vorgelegt von der Antragstellerin im Verfahren 7 OVG B 88/77 mit Schriftsatz v. 23.1.1980, S. 10, und Tonbandaufzeichnung S. 37 ff.) aus Meßergebnissen des Niedersächsischen Wasseruntersuchungsamtes (Schreiben an die Bezirksregierung Hannover vom 16.8.1979, vorgelegt vom Antragsgegner im Verfahren 7 OVG B 88/77 mit Schriftsatz vom 29.10.1979) gezogenen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Konzentrationsfaktoren einzelner Nuklide (Cobalt 60, Strontium 90, Caesium 137) im Sediment haben nur geringen Aussagewert. Denn der Sachverständige ist zu dem auffällig hohen und von ihm für besonders bedeutsam gehaltenen Konzentrationsfaktor für Caesium 137, der um den Faktor 5 höher ist als der in dem Gutachten der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt (S. 60) zugrunde gelegte Konzentrationsfaktor, offenbar in der Weise gelangt, daß er einen einzelnen Meßwert, der mindestens das Fünffache der übrigen Meßwerte betrug, herausgegriffen und seiner Berechnung zugrunde gelegt hat. Ob ein solches Verfahren wissenschaftlich vertretbar ist, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls können aus einem einzelnen extremen Meßwert keine Folgerungen für die im vorliegenden Verfahren zu betrachtende langfristige Strahlenbelastung durch Sedimentaufenthalt gezogen werden. Den von dem Sachverständigen Dr. xxx (Tonbandaufzeichnung S. 37 f.) vorgetragenen Einwänden gegen "die in den amtlichen Gutachten verwendete Mittelwasserführung von 151 m3 in der Sekunde" sowie gegen das in dem Gutachten der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt zugrunde gelegte Nuklidspektrum hat der Technische Überwachungsverein, auf dessen Berechnungen sich der Senat bezogen hat, bereits Rechnung getragen, indem er von dem ungünstigeren Nuklidspektrum der derzeit geltenden "Berechnungsgrundlagen" und einer Wasserführung von 106 m3/s ausgegangen ist (TÜV KWG SOG 5 S. 38). Daher hat der Senat keine Bedenken, bei der vorläufigen Beurteilung der Sachlage in diesem Verfahren hinsichtlich der Strahlenbelastung durch Sedimentaufenthalt von den Angaben des Technischen Überwachungsvereins auszugehen.

59

Demzufolge kann die Beschwerde der Antragsteller schon wegen der geringen Erfolgsaussichten ihrer Klage nicht zum Ziel führen, ohne daß es auf eine weitere Interessenabwägung ankäme.

60

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs" 2, 162 Abs. 3 VwGO. Bei der Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO hat dorr Senat berücksichtigt daß einerseits die. Beigeladenen als bei einem Erfolg der Antragsteller in erster Linie Betroffene Anlaß hatten, sich mit Unterstützung von Anwälten am Verfahren so beteiligen, und daß sie durch die Stellung von Sachanträgen ein zusätzliches Kostenrisiko (§ 154 Abs" 3 VwGO) eingegangen sind, daß sie dieses Kostenrisiko andererseits jedoch mit dem Antragsgegner teilen (§ 159 Satz 1 VwGO).

61

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG festgesetzt worden. Hierbei war einerseits zu berücksichtigen, daß das Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage regelmäßig geringer zu bewerten ist als sein Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsaktes im Klageverfahren; andererseits konnte nicht außer Betracht bleiben, daß die Antragsteller zwar gleichgerichtete, aber jeweils besondere Interessen mit der Beschwerde verfolgten.

Dr. Osterloh
Richter am Oberverwaltungsgericht Sommer ist wegen Urlaubs gehindert, seine Unterschrift zu leisten Dr. Osterloh
Dr. Czajka