Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 12.01.2009, Az.: AGH 8/08
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 12.01.2009
- Aktenzeichen
- AGH 8/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 50682
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BGH - 23.08.2010 - AZ: AnwZ (B) 18/09
Tenor:
1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der am XX.XX.1966 geborene und verheiratete Antragsteller ist seit dem 22.02.1999 beim Amtsgericht R. und zugleich beim Landgericht V. als Rechtsanwalt zugelassen. Seit dem 03.03.2004 ist er darüber hinaus beim Oberlandesgericht C. zugelassen.
Mit Bescheid vom 29.02.2008 (Bl. 663 ff. PA), der dem Antragsteller am 01.03.2008 zugestellt wurde (Bl. 669 PA), widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft, weil der Antragsteller in Vermögensverfall geraten sei (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Antragsgegnerin stützt ihre Widerrufsverfügung auf folgende Sachverhalte:
1.In einer Zwangsvollstreckungsangelegenheit der Sparkasse S. wegen der Hauptforderung und Zinsen in Höhe von 11.110,99 € aus einem Urteil des Landgerichts V. vom 30.11.2006 (Az. 4 O 261/06) (Bl. 583 ff. PA), ist gegen den Antragsteller mit Beschluss des Amtsgericht R. vom 25.01.2008 (2 M 68/08) ein Haftbefehl ergangen, da er zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 05.12.2007 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist (Bl. 624 PA).
2. In einer Zwangsvollstreckungsangelegenheit des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung (NLBV) wegen der Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht V., Az. 4 O 261/06, in Höhe von 784,00 € wurde der Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsteller vom Gerichtsvollzieher auf den 04.03.2008 anberaumt (Bl. 635 PA). Da der Antragsteller auch zu diesem Termin nicht erschien, erließ das Amtsgericht R. am 28.03.2008 gegen ihn einen Haftbefehl nach § 901 ZPO (2 M 365/08, Bl. 672 PA).
Nach Mitteilung des Herrn Gerichtsvollzieher L. vom 08.07.2008 hat der Antragsteller diese Forderung durch Zahlung an den Gerichtsvollzieher ausgeglichen (Bl. 32).
Dementsprechend wurde die Eintragung des Antragstellers im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts R. zum Az. 2 M 365/08 gelöscht (Bl. 35).
3. Eine Forderung des Notar H. W. aus einer Kostenrechnung über 680,98 €.
4.Eine Restforderung der Frau G. X. aus einem Urteil des Amtsgericht R. (Az. 5 Ca 180/06) in Höhe von 41,52 € zzgl. Zinsen.
5. Eine Restforderung des Herrn P. X. aus einem Urteil des Landgerichts V. vom 25.10.2006 (2 S 141/06) in Höhe von ca. 300,00 €. Auch in dieser Zwangsvollstreckungsangelegenheit war durch den Gerichtsvollzieher der Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsteller auf den 04.03.2008 anberaumt worden. Da der Antragsteller nicht erschien, erging auch in diesem Verfahren gegen ihn mit Beschluss des Amtsgericht R. vom 28.03.2008 ein Haftbefehl nach § 901 ZPO (Az. 2 M 366/08, Bl. 671 PA).
Mit Schriftsatz vom 01.04.2008, der per Telefax am 01.04.2008 bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangen ist (Bl. 1), stellt der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin vom 29.02.2008.
Eine Begründung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch den Antragsteller ist trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht unter Fristsetzung bis zum 07.11.2008 bisher nicht erfolgt. Der Antragsteller hat nur mit Schriftsatz vom 07.11.2008 beantragt, die ihm gesetzte Begründungsfrist um 6 Wochen zu verlängern und zur Begründung darauf hingewiesen, dass damit zu rechnen sei, dass er innerhalb der kommenden 6 Wochen sämtliche Forderungen ausgeglichen habe. Entsprechende Unterlagen wurden durch ihn jedoch nicht vorgelegt.
Der Antragsteller hat nicht auf die mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides und verweist insbesondere darauf, dass die widerlegbare gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers bestehe, da gegen ihn durch das Amtsgericht R. drei Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergangen sind und entsprechende Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis erfolgten.
Die Antragsgegnerin war zu einem Verzicht auf die mündliche Verhandlung nur bereit, wenn auch der Antragsteller verzichtet.
Nach Erlass der Widerrufsverfügung wurden noch die folgenden weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und erwirkte Zahlungstitel gegen den Antragsteller bekannt:
6. Mit einem vor dem Landgericht V. am 08.04.2008 geschlossenen Vergleich (Az. 7 O 11/08) hat sich der Antragsteller verpflichtet, an die S. GmbH anwaltliches Honorar in Höhe von 1.000,00 € zurückzuzahlen (Bl. 695 ff. PA).
Mit Vollstreckungsauftrag vom 18.06.2008 betreibt die S. GmbH wegen dieser Forderung zzgl. der Kosten die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller (Bl. 23 ff.).
7.Das NLBV hat am 25.03.2008 einen Vollstreckungsauftrag über Beitragsrückstände des Antragstellers bei der Rechtsanwaltsversorgung (RVN) in Höhe von 343,62 € geltend gemacht (Az. des Gerichtsvollziehers R. DR II 462/08) (Bl. 706 f. PA). Diese Forderung wurde durch den Antragsteller nach Mitteilung des Herrn Gerichtsvollzieher R. vom 27.05.2008 durch Zahlung an den Gerichtsvollzieher ausgeglichen (Bl. 20).
Am 08.08.2008 teilte die RVN der Antragsgegnerin jedoch telefonisch mit, dass seit Juli 2007 erneut Beitragsrückstände des Antragstellers in Höhe von ca. 4.200,00 € aufgelaufen sind und sie nun über einen Teilbetrag in Höhe von 2.150,00 € die Zwangsvollstreckung einleiten werde.
8. Die Verlag H. GmbH & Co. KG hat gegen den Antragsteller aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 11.07.2008 (Az. 08-9761751-1-9) wegen einer Forderung in Höhe von insgesamt ca. 1.350,00 € einen Zwangsvollstreckungsantrag, verbunden mit einem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, gestellt (Bl. 40).
Mit Schreiben vom 13.11.2008 teilte Herr Gerichtsvollzieher R. mit, dass der Antragsteller die Forderung der Verlag H. GmbH & Co. KG an ihn gezahlt habe (Bl. 67).
9.Die B. GmbH betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 08.08.2008 (Az. 08-5046141-0-0) wegen einer Gesamtforderung inkl. Kosten und Zinsen in Höhe von ca. 150,00 € die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller (Bl. 43).
Mit Schreiben vom 13.11.2008 teilte Herr Gerichtsvollzieher R. mit, dass der Antragsteller die Forderung der B. GmbH an ihn gezahlt habe (Bl. 66).
zu 1. In der Zwangsvollstreckungsangelegenheit S. aus dem Urteil des Landgerichts V. vom 30.11.2006 wegen der noch offen stehenden Restforderung von ca. 12.200,00 € hat Herr Gerichtsvollzieher L. den Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsteller auf den 28.10.2008 anberaumt (Bl. 46 f.). Da der Antragsteller zu diesem Termin nicht erschienen ist, kündigte der Gerichtsvollzieher R. mit Schreiben vom 30.10.2008 an, nunmehr den Verhaftungsauftrag fortzusetzen (Bl. 60).
Mit Schreiben vom 18.11.2008 teilte der Gerichtsvollzieher mit, dass der Antragsteller eine 1. Rate in Höhe von 750,00 € direkt an die Sparkasse S. gezahlt habe (Bl. 69).
Die Prozessbevollmächtigten der Sparkasse S. teilten mit, dass der Antragsteller am 11.12.2008 eine Zahlung in Höhe von 250,00 € (Bl. 780 PA) und am 02.01.2009 in Höhe von 500,00 € (Bl. 781 PA) geleistet habe.
Dem Senat haben die Personalakten der Antragsgegnerin vorgelegen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, er wurde insbesondere fristgerecht eingereicht. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Antragsgegnerin hat mit der angefochtenen Verfügung vom 29.02.2008 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwaltes eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht (§ 26 Abs. 2 InsO) oder dem Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung wegen des am 25.01.2008 durch das Amtsgericht R. (Az. 2 M 68/08) in der Zwangsvollstreckungsangelegenheit der Sparkasse S. zu Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 901 ZPO angeordneten Haftbefehls in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO eingetragen (Bl. 659 PA), sodass die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Vermögensverfalls gegeben war.
In der Folgezeit wurden in den Zwangsvollstreckungsangelegenheiten der Sparkasse S. aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts V. (Bl. 690 PA, Az. 2 M 367/08), des Herrn P. X. aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts R. (Bl. 671 PA, Az. 2 M 366/08) und des NLBV (Bl. 672 PA, Az. 2 M 365/08) durch das Amtsgericht R. jeweils am 28.03.2008 weitere Haftbefehle gegen den Antragsteller nach § 901 ZPO erlassen und entsprechende Eintragungen des Antragstellers in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO veranlasst. Der Zwangsvollstreckungsauftrag des NLBV wurde zwischenzeitlich durch Zahlung des Antragstellers an den Gerichtsvollzieher erledigt (Bl. 32). Die Forderung des Herrn Notar W. in Höhe von ca. 680,00 €, die Forderung der Frau X. in Höhe von ca. 50,00 €, die Forderung des Herrn X. in Höhe von ca. 300,00 € und die Forderung der S. GmbH in Höhe von 1.000,00 € stehen dagegen nach Aktenlage noch offen. Auf die Forderungen der Sparkasse S. aus dem Urteil des Landgerichts V. vom 30.11.2006 (Bl. 583 ff. PA) in Höhe von ca. 12.000,00 € und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts V. vom 21.05.2007 (Bl. 582 PA) in Höhe von zurzeit ca. 3.400,00 €, hat der Antragsteller nach Aktenlage bisher Teilzahlungen in Höhe von 1.000,00 € geleistet, sodass noch eine Restforderung in Höhe von ca. 14.400,00 € offen steht. Eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Sparkasse S. wurde nicht vorgelegt.
Der Antragsteller hat auch sonst nicht substantiiert dargetan und belegt, dass sich seine Vermögensverhältnisse zwischenzeitlich wesentlich verbessert haben. Er hat insbesondere nicht dargelegt, über welche Vermögenswerte oder Forderungen er verfügt, die es ihm ermöglichen würden, die noch offenstehenden Forderungen, insbesondere die der Sparkasse S. zu erfüllen.
Dem Antragsteller ist es daher nicht gelungen, die sich aus seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ergebende Vermutung des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Halbsatz BRAO) zu widerlegen. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 1 BRAO. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten gem. § 40 Abs. 4 BRAO, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG bestand kein Anlass.
Die Festsetzung des Geschäftswertes ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers und orientiert sich an der entsprechenden Geschäftswertfestsetzung durch den Bundesgerichtshof in vergleichbaren Fällen.