Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.05.1992, Az.: L 10 Lw 1/91
Bewilligung von Altersgeld nach Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens i.S.d. Gesetzes über eine Altershilfe (GAL); Kündigung eines Landpachtvertrages
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 21.05.1992
- Aktenzeichen
- L 10 Lw 1/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22293
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:1992:0521.L10LW1.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - AZ: S 10 Lw 16/88
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 3 GAL
- § 10 Abs. 2 S. 1 GAL
- § 594d BGB
Der 10. Senat des Landessozialgerichtes Niedersachsen in Celle hat
ohne mündliche Verhandlung
am 21.05.1992
durch
Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht L
den Richter am Landessozialgericht P
den Richter am Sozialgericht T ... sowie
die ehrenamtlichen Richter H... K... und
E... S
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bereits auch für den Monat Juli 1988 das Altersgeld beanspruchen kann. Der Kläger ist am 1. April 1923 geboren -und bewirtschaftete seit 1960 als Pächter den ca. 159 ha großen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb Braudel. Der Pachtvertrag sollte bis zum Ende des Jahres 2000 laufen. Mit Zustimmung des Verpächters schloß der Kläger mit seinem S ... K ... D ... K ... - die Zustimmung zur Unterverpachtung bezog sich ausschließlich auf diesen - den Unterpachtvertrag vom 24. Juni 1988, 1n dem ua in Abweichung von § 18 des Hauptvertrages vom 14. März 1960 (nebst Änderungen und Ergänzungen) die Vereinbarung enthalten war, daß beim Tod des Unterpächters der Unterverpächter zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt ist und die Erben des Unterpächters die Fortsetzung des Vertrages nicht verlangen können. Diese Regelung wurde auf Anregung der Beklagten (Schreiben vom 15. Juli und 20. Juli 1988) durch die "'Änderungsvereinbarung zum Unterpachtvertrag" vom 21. Juli 1988 is. des § 594 d Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- ersetzt.
Auf den im Juni 1988 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22. August 1988 ab 1. August 1988 das Altersgeld. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er das Altersgeld auch für den Monat Juli 1988 beanspruchte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 1988 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Unterpachtvertrag vom 24. Juni 1988 habe nicht der in § 2 Abs 3 S 2 des Gesetzes über eine Altershilfe -GAL- aufgestellten Anforderung einer Abgabe 1S einer prinzipiell endgültigen Trennung des abgebenden landwirtschaftlichen Unternehmers von seinem Betrieb entsprochen. Denn auch für den Fall, daß der Unterpächter vor Ablauf der Mindestdauer von neun Jahren sterbe, sei der Abgebende (Unterverpächter) aufgrund einer Klausel des Vertrages zur außerordentlichen uneingeschränkten Kündigung des Vertrages berechtigt gewesen. In § 594 d BGB sei jedoch bei Tod des Pächters der Verpächter nur berechtigt, das Pachtverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres zu kündigen. Außerdem seien die Erben nach der genannten Vorschrift berechtigt, der Kündigung des Verpächters zu widersprechen und die Fortsetzung des Pachtverhältnisses zu verlangen. Das ursprünglich vertraglich vorgesehene uneingeschränkte Recht zu sofortiger Kündigung bei Tod des Unterpächters sei zugunsten des Klägersüber diese Regelung deutlich hinausgegangen. Erst seit der Vertragsänderung vom 21. Juli 1988 habe ein den gesetzlichen Anforderungen an die Abgabe auch insoweit genügender schriftlicher Vertrag vorgelegen, so daß gem § 10 Abs 2 GAL das Altersgeld zu Recht ab 1. August 1988 bewilligt worden sei.
Im rechtzeitig beim Sozialgericht -SG- Lüneburg eingeleiteten Klageverfahren hat der Kläger ua vorgetragen, die Beklagteübersehe, daß die Annahme einer Abgabe nicht dadurch ausgeschlossen sei, daß Tatbestände denkbar seien, durch die nach erfolgter Abgabe, aber während eines Zeitraumes von neun Jahren, die Bewirtschaftung wieder an den Abgeber übergehe, zB durch einvernehmliche Aufhebung des Unterpachtvertrages. Allein die Möglichkeit, daß eine derartige Vereinbarung getroffen werde, schließe nicht die Abgabe aus; denn sonst würde es praktisch in keinem Fall eine Abgabe geben. Vielmehr würden diese Fälle nach § 10 Abs 6 GAL geregelt. Imübrigen sei 1hm, dem Kläger als Pächter, nach dem Pachtvertrag mit dem Eigentümer in Übereinstimmung mit § 589 eine Unterverpachtung verboten. Im konkreten Fall sei ihm eine Unterverpachtung lediglich an seinen Sohn K ... erlaubt, nicht jedoch an dessen zur Zeit unbekannte Erben.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 27. November 1990 verurteilt, dem Kläger Altersgeld auch für den Monat Juli 1988 zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen und in den Gründen ausgeführt, daß hier eine Besonderheit hinsichtlich des dem Kläger zustehenden Kündigungsrechts für den Fall des Todes des Unterpächters bestehe, liege an den besonderen Umständen und verhindere die prinzipiell endgültige Trennung vom Betrieb nicht. Die Besonderheit bestehe darin, daß der Kläger als Pächter zwischen dem Eigentümer und dem Pächter stehe und damit Rechte und Pflichten 1n beide Richtungen zu beachten habe, wobei möglicherweise die Interessen sich in konkreten Einzelfällen gegensätzlich gestalten könnten. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, daß der Kläger mit dem Unterpachtvertrag an seinen Sohn alles abgegeben habe, was er nach seiner Rechtsstellung habe abgeben können, dh der Kläger sei mit dem Unterpachtvertrag so weit gegangen, wie es ihm nach seiner rechtlichen Verfügungsmacht möglich gewesen sei. Das rein theoretisch die tatsächliche Möglichkeit bestehe, daß der Sohn des Klägers vor diesem sterbe, stehe dem vorgenannten Ergebnis nicht entgegen. Denn ganz allgemein seien bei allen Pachtverträgen Möglichkeiten denkbar, aufgrund deren die ursprünglich vorgesehene endgültige Abgabe dann später doch nicht eingehalten werden könne. Für diese Fälle finde sich eine ausreichende Regelung in § 10 Abs 6 GAL, wobei diese Regelung insbesondere für den vorliegenden Fall ausreichen würde, wenn tatsächlich der Sohn des Klägers vor diesem sterben würde.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 28. Dezember 1990 zugestellte Urteil am 12. Januar 1991 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, würde man der Ansicht des SG folgen, daß sich der Kläger bereits mit dem Unterpachtvertrag vom 24. Juni 1988 prinzipiell endgültig von seinem Betrieb getrennt habe, müßte auch eine Verpachtung auf Lebenszeit die abgaberechtlichen Voraussetzungen is des GAL erfüllen. Das aber habe das Bundessozialgericht -BSG- ausdrücklich verneint. Bei Abgaben ohne Eigentumsübergang sei die auch vom BSG geforderte "prinzipiell endgültige Trennung" erst von dem Zeitpunkt an anzuerkennen, in dem das Abgabeverhältnis auch für die vom Gesetz geforderte Mindestdauer schriftlich vereinbart - sei. Verpachtungsschwierigkeiten 1m Einzelfall müßten bei Anwendung der restriktiv auszulegenden Abgabevorschrift des GAL unberücksichtigt bleiben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 27. November 1990 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zu verwerfen,
hilfsweise
zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß die Bedingung der prinzipiell endgültigen Trennung von seinem Betrieb bereits im Juni 1988 erfolgt sei. Die ursprüngliche Klausel des Unterpachtvertrages, mit dem er seinen Betrieb abgegeben habe, sei für die Gewährung des Altersgeldes unschädlich. So stehe der ordnungsgemäßen Abgabe nicht entgegen, daß der übergebende unter Umständen das Recht der fristlosen Kündigung des Pachtvertrages gegenüber dem Übernehmer habe. Der Kläger hat auf Anforderung des Senats Kopien des ursprünglichen Pachtvertrages vom 14. März 1960 und des Unterpachtvertrages vom 24. Juni 1988 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges sowie die Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat bei der Urteilsfindung vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Gründe
Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind teilweise rechtswidrig. Zu Recht hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für den Monat Juli 1988 Altersgeld zu gewähren.
Nach § 10 Abs 2 S 1 GAL wird die laufende Geldleistung vom Ablauf des Monats an gewährt, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Antrag innerhalb von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt gestellt wird. Die Voraussetzungen für das Altersgeld sind nach § 2 Abs 1 GAL, daß der landwirtschaftliche Unternehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat (Buchst a)), für mindestenst 180 Kalendermonate Beiträge an die Landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt (Buchst b)) und das Unternehmen abgegeben hat (Buchst c)). Hiervon hat der Kläger unstreitig die Voraussetzungen der Buchst a) und b) erfüllt. Streitig ist nur, ob der Kläger bereits zum 30. Juni 1988 das Unternehmen abgegeben hat (Buchst c)), so daß mit dem 1. Juli 1988 die Altersgeldzahlung beginnen konnte. Das ist jedoch mit dem SG anzunehmen.
Nach § 2 Abs 3 GAL ist Abgabe is des Abs 1 Buchst c) die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft (Satz 1). Ist mit der Abgabe des Unternehmens nicht der Übergang des Eigentums verbunden, so ist die Voraussetzung des Abs 1 Buchst c) nur erfüllt, wenn die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften schriftlich vereinbart wird. Da es Sinn des Altersgeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ist, dem früheren landwirtschaftlichen Unternehmer, der sich "prinzipiell endgültig" von seinem Land getrennt haben muß, einen gewissen Einkommensausgleich zu gewähren, bedeutet "Abgabe" 1S der vorgenannten Vorschriften den dauerhaften Verlust der Unternehmereigenschaft. Dieser liegt (nur) vor, wenn es dem bisherigen Unternehmer verwehrt ist, aus "eigener Rechtsmacht" alsbald oder jederzeit die Bewirtschaftung des Landes wiederaufzunehmen (vgl zß BSG, Urteil vom 7. Dezember 1989 - 4 RLw 9/88 - RdschrGLA AH 4/90 unter Bezugnahme auf die Urteile des BSG vom 22. Juni 1989 - 4 RLw 4/88 - Rdschr AH 15/89 und 26. August 1987 - 11a RLw 5/86 - Rdschr AH 17/87). Diese Voraussetzungen sind hier nach Ansicht des Senats zum 30. Juni 1988 erfüllt gewesen.
Richtig ist allerdings, daß die Parteien des Unterpachtvertrages vom 24. Juni 1988, also der Kläger und sein Sohn, abweichend von § 18 des Hauptvertrages vereinbart hatten, daß beim Tod des Unterpächters der Unterverpächter zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt ist und die Erben des Unterpächters die Fortsetzung des Vertrages nicht verlangen können und diese Voraussetzung erst durch die Änderungsvereinbarung vom 21. Juli 1988 dahin abgeändert worden ist, daß beim Tod des Unterpächters die Regelung des § 594 d BGB gelten soll. Diese Vorschrift, die zum 1. Juli 1986 die Vorschriften des Landpachtgesetzes abgelöst hat, bestimmt in § 1 S 1, daß, wenn der Pächter stirbt sowohl seine Erben als auch der Verpächter berechtigt sind, das Pachtverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres zu kündigen. Nach Abs 2 S 1 der genannten Bestimmung können die Erben der Kündigung des Verpächters widersprechen und die Fortsetzung des Pachtverhältnisses verlangen, wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache durch sie oder durch einen von ihnen beauftragten Miterben oder Dritten gewährleistet erscheint. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß auch ohne dieÄnderungsvereinbarung vom 21. Juli 1988 sich der Kläger bereits durch den Pachtvertrag vom 24. Juni 1988 zum 30. Juni 1988 "prinzipiell endgültig" von seinem Land getrennt hat.
In diesem Sinne hatte der Kläger seine Unternehmereigenschaft bereits mit Ablauf des 30. Juni 1988 endgültig verloren. Vom 1. Juli 1988 an hatte er mit Zustimmung des Verpächters das Pachtland bis zum 31. Dezember 2000 schriftlich unterverpachtet. Am 24. Juni 1988 stand ferner schon fest, daß mit dem Ablauf der Unterpacht ebenfalls das eigene Pachtverhältnis endet. Somit war bei Abschluß des Unterpachtvertrages am 24. Juni 1988 gewährleistet, daß der Kläger die Bewirtschaftung des Pachtlandes zu Lebzeiten seines Sohnes während der Unterpacht "aus eigener Rechtsmacht" nicht wiederaufnehmen konnte. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, steht dem vorgenannten Ergebnis nicht die theoretische Möglichkeit entgegen, daß der Sohn des Klägers vor diesem stirbt. Denn genauso wie dieser theoretische Fall eintreten kann, ist es möglich, daß der Kläger die Unterpacht bei vorliegen einer der gesetzlich vorgesehenen Gründe fristlos kündigen kann. Solche besonderen, nicht vorhersehbaren fernliegenden Umstände können - wie bei einem Pachtvertrag - einem endgültigen Verlust der Unternehmere1genschaft nicht entgegenstehen (vgl hierzu Noell, Die Altershilfe für Landwirte, GAL 1983 S 278, wo ausdrücklich der Tod des Pächters oder die rechtlich zulässige Kündigung durch den Verpächter für die Unschädlichkeit der Abgabedauer von neun Jahren genannt werden, und BSG, Urteil vom 26. August 1987, aaO). Das gleiche gilt für die Möglichkeit, durch spätere Vereinbarungen mit dem Sohn und/oder dem Verpächter, das Unterpachtverhältnis noch vor dessen Ablauf zu beenden oder das Pachtverhältnis über diesen Zeitraum zu verlängern. spätere Vereinbarungen dieser Art nach wirksamer Abgabe können nur zum Ruhen des Altersgeldanspruches führen (§ 10 Abs 6 GAL; BSG, aaO). Im übrigen ist die Vorschrift des § 594 d BGB, die auch dem Verpächter beim Tod des Pächters nur unter gewissen Voraussetzungen ein Kündigungsrecht einräumt, wegen der auch ordnungspolitischen Zielsetzung unabdingbar (Palandt, BGB, 50. Aufl, § 594 d Anm 1). Das könnte bedeuten, daß die entsprechende Vereinbarung im Unterpachtvertrag vom 24. Juni 1988 nichtig gewesen wäre (§§ 134, 139 BGB), ohne daß es Ihrer Aufhebung in der Zusatzvereinbarung vom 21. Juli 1988 bedurft hätte. Diese Frage kann aber auf sich beruhen, da auch ohne die Zusatzvereinbarung vom 21. Juli 1988 eine wirksame Abgabe durch langfristige Unterverpachtung zum 30. Juni 1988 vorliegt und demnach das Altersgeld bereits ab 1. Juli 1988 zu gewähren ist
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es lag kein Grund vor, die Revision nach § 160 Ab 2 Sgg Zuzulassen.