Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.10.2024, Az.: 1 WF 98/24

Bestimmung des Verfahrenswert für die familiengerichtliche Genehmigung der schenkweisen Übertragung von mehreren Geschäftsanteilen auf die Kinder; Ermittlung unter der Addition der einzelnen Anteile

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
21.10.2024
Aktenzeichen
1 WF 98/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 25224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2024:1021.1WF98.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Einbeck - 11.03.2024 - AZ: 1 F 23/24

Amtlicher Leitsatz

Der in § 36 Abs. 3 FamGKG geregelte Höchstwert bezieht sich auf das gesamte gerichtliche Verfahren, mithin im Falle mehrerer Verfahrensgegenstände auf deren zusammengerechneten Wert.

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
1. M. H., geb. am,
2. P. H., geb. am,
Weitere Beteiligte:
3. Herr J. P. H., ,
- Kindesvater und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. O. M. B.,
Geschäftszeichen:,
4. Frau A. H.,
- Kindesmutter -
5. C. M., ,
- Ergänzungspfleger für M. H. -
6. M. L.,
- Ergänzungspfleger für P. H. -
hat das Oberlandesgericht Braunschweig - 1. Senat für Familiensachen - durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. E. als Einzelrichterin am 21.10.2024 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Einbeck vom 11.03.2024 dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert auf 1.000.000,00 € festgesetzt wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft den Verfahrenswert für die familiengerichtliche Genehmigung der schenkweisen Übertragung von mehreren Geschäftsanteilen auf die Kinder P. F. H., geb. TT.MM.JJ, und M. M. H., geb. am TT.MM.JJ.

Mit notariellen Verträgen vom TT. und TT.MM.2024 (Urkundenverzeichnis-Nr. und Nr. / der Notarin Dr. I. H.) teilten Frau O. H., Herr M. H. und Herr J. H. ihre Geschäftsanteile an der H. GmbH auf und schenkten die neuen Teilgeschäftsanteile verschiedenen Abkömmlingen, u. a. den beiden vorbezeichneten minderjährigen Kindern. Diese wurden dabei durch die Ergänzungspfleger M. L. und C. M. vertreten. Beide Kinder erhielten jeweils zwei Geschäftsanteile von O. H. und jeweils einen Geschäftsanteil von Michael und J. H.

Auf Antrag der beurkundenden Notarin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Einbeck mit Beschluss vom 01.02.2024 die Erklärungen der Ergänzungspfleger für die betroffenen Kinder in den oben genannten notariellen Urkunden familiengerichtlich genehmigt, die Gerichtskosten des Verfahrens den Kindeseltern auferlegt und im Übrigen angeordnet, dass die Beteiligten ihre notwendigen Aufwendungen jeweils selbst tragen.

Mit Schriftsatz vom 14.02.2024 haben die Ergänzungspfleger die Festsetzung des Verfahrenswertes beantragt und die Werte der einzelnen verschenkten Geschäftsanteile mitgeteilt, die jeweils mehr als 1.000.000,00 € betragen.

Mit Beschluss vom 11.03.2024 hat das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 8.000.000,00 € festgesetzt, nachdem es zuvor mit Schreiben vom 21.02.2024 darauf hingewiesen hatte, dass das Gesetz eine Werthöchstgrenze von 1.000.000,00 € pro Verfahrensgegenstand vorsehe.

Hiergegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde vom 14.05.2024, mit der er beantragt, den Verfahrenswert auf 1.000.000,00 € pro Kind festzusetzen. Er macht geltend, die zu genehmigenden Erklärungen seien nicht einzeln zu bewerten, sondern beträfen denselben Gegenstand, so dass keine Wertaddition zu erfolgen habe. Der Verfahrenswert betrage damit für jeden Ergänzungspfleger 1.000.000,00 €. Mit Schriftsatz vom 26.06.2024 hat er seine Beschwerde weiter begründet. Er ist der Auffassung, derselbe Gegenstand liege vor, wenn mehrere Erklärungen dasselbe Wirtschaftsgut beträfen und wenn mehrere gleichzeitig beurkundete Rechtsverhältnisse in einem inneren Zusammenhang stünden. Dies sei hier der Fall, da durch die einzelnen Übertragungen das wirtschaftliche Ziel verfolgt werde, dass jedes der beiden Kinder einen bestimmten Anteil an der Gesellschaft erhalte.

Die Ergänzungspfleger sind der Beschwerde mit Schriftsätzen vom 13.06.2024 und 22.07.2024 entgegengetreten. Sie meinen, bei den einzelnen Schenkungen handele es sich um mehrere voneinander verschiedene Gegenstände, da unterschiedliche Geschäftsanteile unterschiedlicher Gesellschafter betroffen seien, wobei es um vorweggenommene Erbfolgeregelungen mehrerer Personen gehe. Zwischen den einzelnen Anteilsübertragungen bestehe kein innerer Zusammenhang, insbesondere fehle es an einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis des einen zu dem anderen Rechtsverhältnis. In Teil IV des Vertrags vom TT.MM.2024 unter Punkt G.7. werde ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei den Geschäftsanteilsschenkungs- und Übertragungsverträgen um jeweils rechtlich selbständige Verträge handele.

Mit Beschluss vom 24.07.2024 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den Übertragungen der einzelnen Geschäftsanteile handele es sich um mehrere voneinander unabhängige Verfahrensgegenstände, deren Werte zusammenzurechnen seien. Der Wert sei je Verfahrensgegenstand auf den Höchstwert von 1.000.000,00 € festzusetzen, mithin auf 4.000.000,00 € pro Kind, insgesamt somit auf 8.000.000,00 €.

Der Senat hat mit Verfügung vom 22.08.2024 darauf hingewiesen, dass erwogen werde, den Verfahrenswert aufgrund der in § 36 Abs. 3 FamGKG geregelten Werthöchstgrenze auf einen Betrag von 1.000.000,00 € herabzusetzen. Hierzu hat sich der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29.08.2024 zustimmend geäußert. Die Ergänzungspfleger haben mit Schriftsatz vom 06.09.2024, auf den wegen seiner Einzelheiten verwiesen wird, Stellung genommen und sind der Auffassung, die Höchstgrenze beziehe sich auf jeden einzelnen der zusammenzurechnenden Verfahrensgegenstände und nicht auf das gesamte Verfahren.

II.

Die gemäß § 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung ist begründet.

1. Der Verfahrenswert für familiengerichtliche Verfahren, deren Gegenstand die Genehmigung einer Erklärung in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit ist, bemisst sich gemäß § 36 Abs. 1 FamGKG nach dem Wert des zugrundeliegenden Geschäfts. Gemäß § 36 Abs. 2 FamGKG sind mehrere Erklärungen, die denselben Gegenstand betreffen, insbesondere der Kauf und die Auflassung oder die Schulderklärung und die zur Hypothekenbestellung erforderlichen Erklärungen, als ein Verfahrensgegenstand zu bewerten.

Soweit das Amtsgericht vorliegend die einzelnen Schenkungsverträge als verschiedene Verfahrensgegenstände bewertet hat, deren Werte nach dem Grundsatz des § 33 Abs. 1 FamGKG zusammenzurechnen sind, ist dies nicht zu beanstanden. Die in § 36 Abs. 2 FamGKG normierte Ausnahme von dem Additionsgebot ist hier nicht einschlägig.

Nach der - noch zu § 44 Abs. 1 KostO ergangenen, aber auf § 36 Abs. 2 FamGKG übertragbaren - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffen mehrere Erklärungen denselben Gegenstand, wenn diese sich entweder auf dasselbe Rechtsverhältnis beziehen oder, sofern mehrere Rechtsverhältnisse vorliegen, wenn sich aus der Gesamtheit der Erklärungen ein Hauptgeschäft heraushebt und das weitere Rechtsgeschäft mit diesem in einem engen inneren Zusammenhang steht (BGH, Beschluss vom 09.02.2006 - V ZB 172/05, juris Rn. 9; BeckOK Kostenrecht/Schindler, 46. Ed. Stand 01.01.2024, § 36 FamGKG Rn. 11; Schneider/Volpert/Fölsch/Volpert, FamGKG, 2. Aufl. 2023, § 36 Rn. 117 f.). Gegenstandsgleich sind danach insbesondere Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung oder Sicherung eines anderen selbständigen Rechtsgeschäfts mit diesem zusammen vorgenommen werden, etwa Erklärungen eines Grundstücksverkäufers, die auf die Löschung von Grundpfandrechten gerichtet sind und die dieser in Erfüllung seiner Verpflichtung zur Übertragung lastenfreien Eigentums abgibt (vgl. BGH a.a.O. Rn. 10). Nach diesen Grundsätzen sind vorliegend die einzelnen Schenkungsverträge als voneinander verschiedene Verfahrensgegenstände einzuordnen, da sie jeweils unterschiedliche Geschäftsanteile betreffen und weder rechtlich noch wirtschaftlich voneinander abhängig sind.

2. Allerdings wird die Höhe des Verfahrenswerts durch § 36 Abs. 3 FamGKG auf einen Betrag von 1.000.000,00 € begrenzt. Danach beträgt der Wert in jedem Fall höchstens 1.000.000,00 €. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, diese Höchstgrenze beziehe sich auf jeden einzelnen Verfahrensgegenstand (vgl. BeckOK Kostenrecht/Schindler, a.a.O. Rn. 15; Schneider/Volper/Fölsch/H. Schneider, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 36 FamGKG Rn. 15). Dies würde im vorliegenden Verfahren zu einem Verfahrenswert von 8.000.000,00 € führen, da acht Gegenstände betroffen sind, für die jeweils der Höchstwert anzusetzen wäre. Nach anderer Auffassung ist der Höchstwert bezogen auf das gesamte Verfahren zu verstehen, mithin im Falle mehrerer Verfahrensgegenstände auf deren zusammengerechneten Wert (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch/Volpert, FamGKG, a.a.O. Rn. 124). Danach kann der Verfahrenswert für ein gerichtliches Verfahren ungeachtet der Anzahl der betroffenen Gegenstände nicht mehr als 1.000.000,00 € betragen.

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit zwar nicht eindeutig, spricht aber eher für die Geltung der Höchstgrenze für das gesamte Verfahren. Hätte der Gesetzgeber den Höchstwert auf jeden einzelnen Verfahrensgegenstand beziehen wollen, so hätte es nahegelegen, ebenso wie in § 36 Abs. 2 FamGKG den Begriff "Verfahrensgegenstand" und nicht die Formulierung "in jedem Fall" zu verwenden, mit der im juristischen Sprachgebrauch eher ein gesamtes gerichtliches Verfahren gemeint ist.

Auch die systematische Auslegung stützt die Annahme, dass die Regelung in § 36 Abs. 3 FamGKG den Verfahrenswert für das gesamte Verfahren betrifft. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die Höchstgrenze in einem gesonderten Absatz geregelt ist und damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der in Absatz 2 erfolgten Regelung des Begriffs des Verfahrensgegenstands steht. Hinzu kommt die Zusammenschau von § 36 FamGKG und § 33 FamGKG. § 33 FamGKG nennt in Absatz 1 den Grundsatz der Addition der Werte mehrerer Verfahrensgegenstände und sieht in Absatz 2 für den Verfahrenswert eine Höchstgrenze von 30.000.000,00 € vor, soweit nicht an anderer Stelle ein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Dieser Höchstwert gilt nach einhelliger Auffassung im Falle mehrerer Gegenstände auch für den sich aus deren Addition ergebenden Gesamtwert (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch/H. Schneider, Gesamtes Kostenrecht, a.a.O. § 33 Rn. 22; Schneider/Volpert/Völsch/N. Schneider, FamGKG, a.a.O. § 33 Rn. 35; BeckOK Kostenrecht/Schindler, a.a.O., § 33 FamGKG Rn. 21). Eine der in § 33 Abs. 2 FamGKG genannten anderweitigen Bestimmungen eines niedrigeren Höchstwerts findet sich in § 36 Abs. 3 FamGKG, was dafür spricht, dass diese sich ebenso wie die Grundregelung in § 33 Abs. 2 FamGKG sowie auch die weiteren gesetzlich geregelten niedrigeren Höchstwerte (etwa in § 43 Abs. 1 Satz 2 und § 46 Abs. 3 FamGKG, siehe hierzu etwa Schneider/Volpert/Fölsch/H. Schneider, Gesamtes Kostenrecht, a.a.O. § 46 Rn. 23) auf das gesamte Verfahren bezieht. Zudem entspricht auch der Aufbau von § 36 FamGKG demjenigen von § 33 FamGKG.

Nichts anderes ergibt sich aus der historischen Auslegung. Soweit in der Gesetzesbegründung zum Entwurf des FamGKG auf die Abstimmung mit dem in § 43 Abs. 1 Satz 2 FamGKG vorgesehenen, ebenfalls auf 1.000.000,00 € begrenzten, Höchstwert für Ehesachen verwiesen wird (BT Drs 16/6308, S. 304 f.), lassen sich daraus zwar keine Rückschlüsse auf die Konstellation mehrerer Gegenstände in einem Verfahren ziehen, da in Ehesachen immer nur eine Ehe betroffen sein kann und für etwaige Folgesachen gesonderte Wertvorschriften gelten (vgl. BeckOK Kostenrecht/Schindler, a.a.O. Rn. 15). Die Begründung zu § 36 FamGKG enthält jedoch außerdem den Hinweis, aufgrund der in Absatz 3 vorgesehenen Wertgrenze betrage die Verfahrensgebühr (Nr. 1310 KV FamGKG) - nach dem damaligen Stand - höchstens 2.228,00 €. Dies spricht dafür, dass mit der Wertgrenze die Höchstgebühr für ein gerichtliches Verfahren gemeint ist, da ansonsten keine Begrenzung der Verfahrensgebühr auf einen bestimmten Betrag erreicht werden könnte. Denn würde sich durch Zusammenrechnung der Werte mehrerer Gegenstände ein höherer Verfahrenswert als 1.000.000,00 € ergeben, so beliefe sich auch die in Nr. 1310 KV FamGKG geregelte 0,5 Verfahrensgebühr auf einen höheren Betrag, da sich deren Höhe gemäß § 28 Abs. 1 FamGKG in Abhängigkeit von dem Verfahrenswert bemisst. Soweit die Ergänzungspfleger meinen, aus der Nennung der Gebühr Nr. 1310 könne nichts für die Rechtsanwaltsgebühren abgeleitet werden, verfängt dies nicht, da der nach § 36 FamGKG festzusetzende Verfahrenswert sowohl für die Gerichtsgebühren als auch für die Rechtsanwaltsgebühren relevant ist, § 23 Abs. 1 RVG.

Nach alledem ist der Verfahrenswert auf den Höchstbetrag von 1.000.000,00 € festzusetzen, so dass Gerichtsgebühren nach diesem Wert anfallen und sich die Vergütung beider Ergänzungspfleger jeweils ebenfalls nach diesem Wert bemisst, da die Werte der genehmigten Rechtsgeschäfte beider Kinder auch einzeln diesen Höchstwert übersteigen.

III.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 59 Abs. 3 FamGKG gerichtsgebührenfrei und ohne Erstattung außergerichtlicher Kosten. Sie ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG nicht anfechtbar.