Amtsgericht Seesen
Urt. v. 07.10.2005, Az.: 1b C 404/04
Gallenbildung; Hufbeschlag; Hufschlagschmied; Kausalität; Kausalzusammenhang; Lahmheit; Normalbeschlag; orthopädischer Beschlag; Schadensersatzanspruch; Werklohnanspruch; Werkmangel; Werkvertrag
Bibliographie
- Gericht
- AG Seesen
- Datum
- 07.10.2005
- Aktenzeichen
- 1b C 404/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50972
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB
- § 632 BGB
- § 633 BGB
- § 634 BGB
- § 637 BGB
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 445,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 06.07.2004 nebst 9,00 € außergerichtliche Kosten zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits insgesamt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und Widerkläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckten Betrages abwenden, falls nicht der Kläger und Widerbeklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Beklagte hält einen Pferdebestand. Der Kläger ist Hufbeschlagsschmied. Der Beklagte beauftragte ihn den Hufbeschlag seiner Pferde „Nanni, Nina, Sissi, Susi“ - Haflingerstuten - sowie „Rosi“ (= Amorosa) - Hannoveranerstute turnusmäßig zu erneuern. Die entsprechenden in der Klageschrift im einzelnen bezeichneten Arbeiten führte der Kläger am 21.06.2004 durch. Die Rechnung vom 21.06.2004 beläuft sich auf 445,00 €, Frist zur Zahlung bis 05.07.04 (Kopie Bl. 6 d. A.).
Der Beklagte zahlte auch nach drei Mahnungen im August und September 2004 nicht.
Vielmehr ließ er seine Pferde durch den Hufbeschlagsschmied C. H. erneut beschlagen, was dieser am 21.07.2004 pauschal mit 626,40 € berechnete (Bl. 13).
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 445,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.07.2004 sowie 9,00 € außergerichtliche Kosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt er,
den Kläger und Widerbeklagten zur Zahlung von 873,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.09.2004 an den Beklagten und Widerkläger zu verurteilen.
Er behauptet, der Kläger habe mangelhaft gearbeitet und dadurch Folgekosten verursacht, nämlich die Kosten für den erneuten Beschlag durch den Zeugen H. und weiter die Kosten für tierärztliche Behandlung durch den Fachtierarzt Dr. B. am 20.07.2004 (dunkelbraune Stute sowie Pferd Amorosa, das auch geröntgt wurde) in Höhe von 247,17 €, wie am 02.09.2004 in Rechnung gestellt (Bl. 14).
Der Kläger habe keines der fünf Pferde einwandfrei beschlagen. Bei sämtlichen Pferden hätten sich Gallen an den Fesseln gebildet, bei Sissi sogar im Sprunggelenk. Susi habe sich nach dem Beschlag ein Eisen abgetreten, das habe der Kläger nach mehreren Anrufen wieder aufgenagelt. Zu dieser Zeit habe die Stute Amorosa bereits nicht mehr frei auftreten können.
Der Beklagte habe 15 bis 20 Mal vergeblich versucht, den Kläger telefonisch zur Nachbesserung zu veranlassen. Am 15.07.2004 schickte der Kläger eine SMS, womit er die Zusammenarbeit für abgeschlossen erklärte.
Der Zeuge H. habe bei allen fünf Tieren die Eisen entfernt. Er habe das Ausschneiden korrigiert. Der Kläger habe die Hufe nämlich schräg ausgeschnitten, die Pferde hätten nicht auftreten können, dadurch hätten sich die Gallen am Fußgelenk gebildet, die Tragränder seien ausgebrochen. Der Zeuge habe die Tiere neu beschlagen, wobei Sissi, Susi und Amorosa einen sogenannten orthopädischen Beschlag erhielten, nämlich Sissi einen geschlossenen Beschlag (Eiereisen), Susi und Amorosa verlängerte Schenkel. Den Korrekturbeschlag für Amorosa habe der Tierarzt Dr. B. empfohlen.
Ausweislich der Rechnungen habe der Zeuge keinen normalen Hufbeschlag, sondern deutlich qualifiziertere Leistungen erbracht. Der Neubeschlag sei aufgrund mangelhafter Leistungen des Klägers bedingt. Es handele sich nicht um einen normalen Neubeschlag. Das zeige der kurze Zeitraum zwischen der Arbeit des Klägers am 21.06.2004 und der Tätigkeit des Zeugen H. am 21.07.2004.
Der Zeuge H. habe im übrigen beim Nachbeschlag dem Beklagten gegenüber im wesentlichen wörtlich geäußert, Sissi und Susi hätten in vier Wochen „am Haken“ gehangen, aber mehr möchte er nicht sagen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. H., M. H., C. H. und M. F. am 17.06.2005 sowie durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. B. und weitere Vernehmung der Zeugen M. H. und C. H. am 24.08.2005. Die Sitzungsniederschriften enthalten den jeweiligen Wortlaut der Zeugenaussagen.
Beide Parteien haben zur Beweisaufnahme Stellung genommen; der Kläger durch Schriftsatz vom 27.09., der Beklagte durch Schriftsatz vom 05.10.2005.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Widerklage ist abzuweisen.
Der Kläger könnte nur dann die Kosten für die von ihm ausgeführten Hufbeschlagsarbeiten aus der Rechnung vom 21.06.2004 nicht verlangen, wenn er zurechenbar mangelhaft gearbeitet und dadurch Gallenbildungen sowie Sprunggelenkschwellung (Sissi) und Lahmheit (Amorosa) verursacht hätte.
Diese Behauptungen hat der Beklagte und Widerkläger nicht bewiesen.
Allerdings hatten Sissi und Susi kurz nach dem Beschlag durch den Kläger Gallen, Schwellungen an den Fesseln, Sissi auch an beiden Sprunggelenken der Hinterbeine. Das hat die Zeugin Frau H. glaubhaft ausgesagt. Die beiden Stuten waren „ihre Pferde“. Sie hatte auch in Erinnerung, wie Rosi (Amorosa) schlurfend über den Hof ging. Danach habe man das Problem bei allen Pferden gesehen.
Für diese drei Pferde hat das auch der Zeuge M. H. entsprechend ausgesagt.
Dem Kläger könnte aber nur dann mangelhafte Arbeit vorgehalten werden, wenn seine Beschlagsarbeiten die Ursache für die gravierenden Schwierigkeiten bei den Pferden Sissi, Susi und Amorosa wären. Für Nanni und Nina gibt es keine konkreten Zeugenaussagen für entsprechende Beeinträchtigungen.
Die Kausalität steht aber nach der Beweisaufnahme nicht fest.
Allerdings mag der zeitliche Zusammenhang zwischen den Beschlagsarbeiten des Klägers und den Problemen jedenfalls mehrerer Pferde den Gedanken nahe legen, das sei durch fehlerhaftes Beschlagen wenige Tage zuvor verursacht worden. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Zusammenhang reicht aber für einen Beweis nicht aus. Für den Beweis - hier der Kausalität - darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob Behauptungen wahr und erwiesen sind. Das Gericht muss sich „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (vgl. BGH NJW 1993, 935, 937 [BGH 14.01.1993 - IX ZR 238/91] m. w. N.).
Zu einem solchen Grad von Gewissheit führt die Beweisaufnahme aber nicht.
Die „Gallen“-Schwellungen bzw. die Lahmheit bei der Stute Amorosa können nämlich auch andere Ursachen haben.
So hat der Hufschmied C. H. als Zeuge ausgesagt, Gallen könnten immer auftreten, das müsse nicht zwangsläufig eine Ursache in einem falschen Hufbeschlag haben, zumal die Haflinger des Beklagten in sehr gutem Futterzustand seien. Die Amorosa sei in so schlechtem Zustand gewesen, weil nach seiner Annahme das Fohlen sie sehr traktiert habe. Bei diesem Pferd könne er die Schwellungen an den Hinterbeinen auch durch Wasseransammlung erklären, weil sie eine geerbte Bindegewebsschwäche habe. Er habe auch schon die Eltern dieses Pferdes gekannt (Aussage vom 17.06.2005). Er könne nichts dazu sagen, ob die Gallen bei dem einen Pferd, was er in Erinnerung habe, auf das vorige Beschlagen (durch den Kläger) zurückgehe oder eine andere Ursache habe. An dem Beschlag, wie er ihn vorgefunden habe, sei an sich nichts weiter auszusetzen gewesen, vielleicht seien die Nieten schon ein bisschen lose gewesen (Aussage vom 24.08.05).
Soweit der Beklagte und Widerkläger darauf hinweist, der Zeuge habe auch geäußert, wäre er nicht gekommen, so hätten Sissi und Susi in vier Wochen „am Haken“ gehangen, und der Zeuge eine solche Äußerung nicht ausgeschlossen hat, und soweit dem Zeugen vom Beklagten und Widerkläger unterstellt wird, er wolle den Kläger mit seiner Aussage “schonen“, so führt das doch nicht zu dem Schluss, die Aussage des Zeugen H. sei nicht zu verwerten. Denn auch der sachverständige Zeuge Dr. B., sicher unparteilich, hat ausgesagt, wenn Hufe schräg ausgeschnitten würden - wie der Beklagte und Widerkläger bereits vorgerichtlich im Schreiben vom 09. September 2004 behauptet hat - so sei das eigentlich gar kein Problem, wenn es nicht gleich im Zentimeterbereich sei. Derart schwerwiegendes „Schrägausschneiden“ ist aber von keinem Zeugen bekundet, auch in der Größenordnung zuvor nicht behauptet worden.
Der Zeuge Dr. B. hat weiter genaue Angaben zu der Stute „Amorosa“ gemacht, die er auch geröntgt hat. Er hat diese Stute als „weichgefesselt“ bezeichnet, das sei das Problem bei diesem Pferd. Er hat dann beschrieben, welche neuere Erkenntnis es im Gegensatz zur orthodoxen Verfahrensweise gibt, dieses Problem zu behandeln, nämlich anstatt wie bisher die hinteren Teile vom Huf, die Trachten, zu erhöhen und runde Eisen aufzuschlagen, sei gerade das Gegenteil richtig, die Trachten zu kürzen. Er hat ausgesagt, insoweit gebe es ein gewisses Problem mit den Schmieden, die natürlich nicht irgendeiner neueren Lehrmeinung folgen würden, sondern wüssten, wie man das immer gemacht hat. Insofern habe er auf Herrn H. hingewiesen, weil er daran denke, wer wohl im Stande sei, seine Anweisungen jedenfalls korrekt umzusetzen, auch wenn sie ihm vielleicht gegen den Strich gingen.
Auf Frage hat der Zeuge Dr. B. ausgesagt, wie das Pferd beschlagen war, das sei jedenfalls für das Problem des Pferdes, das er geschildert habe, keine Ursache gewesen, das habe damit nichts zu tun gehabt.
Bleiben nach alledem doch noch konkrete, nicht nur theoretische Zweifel an dem vom Beklagten und Widerkläger behaupteten Zusammenhang zwischen den seiner Auffassung nach fehlerhaften Beschlagen durch den Kläger und den gesundheitlichen Problemen der Tiere kurz danach, ist eine mangelhafte Arbeit des Klägers nicht bewiesen. Ihm steht das nicht überhöhte Entgelt für seine Arbeiten zu.
Steht mangelhafte Arbeit des Klägers nicht fest, fehlt es auch an einer Grundlage für Schadensersatzansprüche des Beklagten und Widerklägers, nämlich der Kosten für den weiteren Beschlag durch den Zeugen H. und der Kosten des Tierarztes. Die Widerklage ist abzuweisen.
Kosten: § 91 ZPO, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert ist gem. § 19 Abs. 1 GKG auf 1.318,57 € festzusetzen. Der Wert von Klage und Widerklage ist zusammenzurechnen. Allerdings sind die Entscheidungen zur Klage und Widerklage nicht unabhängig voneinander. Es fehlt aber an der „Nämlichkeit“ des Streitgegenstands.