Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 10.08.2010, Az.: 1 A 146/09

Abfall; Abfallbeseitigungsanlage; Abfallgebühr; Anlieferung; Fremdabfall; Fremdmüll; Gebührenkalkulation; Kosten; Leistungsproportionalität; erlassende Behörde; richtiger Beklagter; unwirksam

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
10.08.2010
Aktenzeichen
1 A 146/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2010:0810.1A146.09.0A

Fundstellen

  • AbfallR 2010, 312
  • AbfallR 2010, 259

Amtlicher Leitsatz

Betreibt ein Entsorgungsträger eine Abfallbeseitigungsanlage, die auf die Entsorgung sowohl von eigenen Abfällen und als auch von angelieferten Fremdabfallmengen ausgelegt ist, ist in der Abfallgebührenkalkulation nur derjenige Kostenanteil ansatzfähig, der sich auf die Entsorgung des im eigenen Gebiet anfallenden Abfalls bezieht.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Abfallbeseitigungsgebühr.

2

Der Kreistag des Beklagten fasste dessen Abfallgebührensatzung durch Beschluss vom 20.11.2008 neu und setzte die Abfallbeseitigungsgebühr für Restabfallbehälter mit einem Füllraum von 60 Litern in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b auf 179,16 € fest. Zugrunde gelegt wurde der Neufassung eine Gebührenkalkulation für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2011. Darin wird zur Berechnung der Restmüllgebühren ein Kostenvolumen von 30.122.000 € eingestellt, das unter anderem voraussichtliche Kosten für die Entsorgung von aus dem Landkreis H. angelieferten Abfällen in Höhe von 11.429.379,58 € und davon in Abzug gebrachte geschätzte Entgelte des Landkreises H. von 8.538.000 € beinhaltet. Die Erstattungsleistungen des Landkreises H. führten nur zu einem Kostendeckungsgrad von 75 %; die Differenz zur Vollkostendeckung müsse durch die Restmüllgebühren ausgeglichen werden. Im Rahmen der Abschreibungen wird der Anschaffungswert für ein ehemaliges, zu einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage umgebautes Kompostwerk mit 5.238.166,73 € angegeben. Die Gebühr für die Restabfallbehälter wurde auf Vorschlag des Abfallwirtschaftsausschusses vom 18.11.2008 - abweichend von der verwaltungsseitigen Gebührenkalkulation - lediglich um 11 % erhöht.

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Durch Bescheid vom 27.02.2009 setzte die Stadt G. gegenüber den Klägern unter anderem eine Gebühr für die Abfallbeseitigung von 179,16 € für das Veranlagungsjahr 2009 fest. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird darauf hingewiesen, dass die Abfallbeseitigungsgebührenfestsetzung im Auftrag des Beklagten erfolge und eine Klage gegen den Abfallwirtschaftsbetrieb des Beklagten zu richten sei.

4

Die Kläger haben am 27.03.2009 Klage erhoben und tragen vor, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen habe, richtiger Beklagter sei. Das sei hier die Stadt G.. Dabei komme es nicht darauf an, ob es sich um eine Auftragsverwaltung handele. Abgesehen davon sei die Rechtsbehelfsbelehrung auch deshalb unrichtig, weil der Abfallwirtschaftsbetrieb keine selbständige rechtsfähige Einrichtung sei.

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Bei der Vergabe des Auftrags zum Umbau des ehemaligen Kompostwerks in die mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage seien die Vorgaben des Vergaberechts nicht eingehalten worden. Hinsichtlich der Planungsleistungen habe es einer Ausschreibung bedurft, weil der Schwellenwert überschritten worden sei. Die Aufteilung der Leistungsphasen durch den Beklagten habe allein der künstlichen Herunterrechnung gedient und sei willkürlich gewesen. Das belege auch die Tatsache, dass der so vom Beklagten errechnete Auftragswert nur geringfügig unter dem Schwellenwert liege. Die Nichtberücksichtigung der beabsichtigten Eigenleistungen sei nicht zur Vermeidung der Überschreitung des Schwellenwertes geeignet gewesen. Zumindest hätte eine Ausschreibung der restlichen, zunächst als Eigenleistung beabsichtigten Bauleistungen erfolgen müssen. Darüber hinaus habe keine Vergabe in Teillosen stattgefunden. Insofern habe der Beklagte keine plausible Begründung abgegeben, weshalb eine "Zerlegung in Teillose technisch und wirtschaftlich nicht möglich" gewesen sei. Weiterhin habe der Beklagte keinen Nachweis dafür erbracht, dass die in Ansatz gebrachten Kosten trotz der Vergaberechtsverstöße dem Erforderlichkeitsprinzip genügten. Das vom ihm angeführte Risiko von Nachprüfungen hinsichtlich der Einzellose sei dem Vergabeverfahren in Teillosen immanent.

6

Die Berücksichtigung der Kosten der Müllanlieferung durch den Landkreis H. in der Gebührenkalkulation sei fehlerhaft. Obwohl die angelieferte Müllmenge aus dem Landkreis H. den bei der Beklagten anfallenden Müll um das Doppelte übersteige, machten die Zahlungen des Landkreises H. lediglich ein Viertel des Gebührenaufkommens aus. Die Ausgleichszahlungen des Landkreises H. seien nicht kostendeckend. Das laufe im Ergebnis auf eine Subventionierung des Landkreises H. durch die Gebührenzahler des beklagten Landkreises hinaus. Es handele sich insofern um gebührenrechtlich nicht erforderliche Kosten sowie um einen Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Gebührenkalkulation leide daher an einem erheblichen Fehler i.S.d. § 2 Abs. 3 NKAG.

7

Die mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage sei erkennbar überdimensioniert und nicht wirtschaftlich zu betreiben, was ebenfalls gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Inwiefern eine kleine Anlage unwirtschaftlicher sei, sei vom Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

8

Darüber hinaus habe beim Kauf des ehemaligen Kompostwerks keine Wertermittlung stattgefunden. Vielmehr sollten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Voreigentümerin, der I. GmbH, durch den Ankauf gelöst werden. Dies habe auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des ehemaligen Leiters des Abfallwirtschaftsbetriebes geführt. Das vom Beklagten nunmehr vorgelegte Wertgutachten stelle ein Privatgutachten dar; es bedürfe weiterhin eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Das Gutachten lasse eine substantielle Begründung für das gefundene Ergebnis vermissen. Statt des vorgelegten Marktwertgutachtens sei ein Sachwertgutachten erforderlich gewesen, weil es für das Objekt keinen Markt gebe. Zudem sei der Kubikmeterpreis von 55 € für die Bio-Grünabfallkomposthalle überhöht; angemessen sei ein Preis zwischen 32 € und 35 €, woraus eine Wertdifferenz von 1.500.000 € bis 1.800.000 € resultiere. Weiterhin seien für die Feststellung des Mittelwertes der BKI-Baukosten 2004 Ausführungen zu den Spezifikationen des Bauwerkes notwendig; abgesehen davon seien die Werte regional unterschiedlich und in G. eher unterdurchschnittlich. Darüber hinaus seien die Kosten für die asphaltierten Fahrbahnflächen allenfalls mit 50 € / m2 statt mit 85 € / m2 anzusetzen, so dass von einer weitere Reduktion des Gutachtenwertes um 100.000 € auszugehen sei.

9

Auch sei die Erforderlichkeit der von Dritten für den Abfallwirtschaftsbetrieb erbrachten Fremdleistungen vom Beklagten nicht dargetan worden. Diese hätten ohne Mehraufwand als Eigenleistungen erbracht werden können.

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Außerdem enthielten die Restmüllgebühren Positionen, die auf anderweitigen Ursachen beruhten. Die Restmüllgebühren fungierten daher als Auffanggebühren für sonst nicht gedeckte Kosten. Für Grünabfälle auf Sammelplätzen werde von Kleinanlieferern keine Gebühr erhoben. Die Mehrkosten für die Sammlung und den Transport von PPK-Fraktionen würden über die Restmüllgebühren finanziert. Auch werde von Privatkunden für Sondermüll keine Gebühr verlangt. Die Differenz zwischen Einnahmen und Kosten der Wertstoffannahme werde ebenfalls auf diese Weise ausgeglichen. Diese Quersubventionierung finde keine Rechtfertigung in § 12 Abs. 5 NAbfG, der lediglich eine eng begrenzte Ausnahmeregelung darstelle. Die Vorschrift erlaube nur solche Kostenverlagerungen, die Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen schafften. Ferner biete die Abfallgebührensatzung den Gebührenzahlern durch das System der Selbsteinstufung bezüglich der Größe der Müllbehälter keinen Anreiz zur Abfallvermeidung und -trennung.

11

Die Kläger beantragen,

  1. den Abgabenbescheid der Stadt G. vom 27.02.2009 aufzuheben, soweit darin eine Abfallbeseitigungsgebühr festgesetzt wird.

12

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

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Er trägt vor, dass der Schwellenwert nicht überschritten worden sei, weil nur die vorgesehenen Auftragsleistungen auszuschreiben seien. Das seien hier nur die Leistungsphasen 1 bis 7 HOAI gewesen, da die Leistungsphasen 8 und 9 HOAI (Bauoberleitung und örtliche Bauleitung) mit eigenem Personal durchgeführt werden sollten. Selbst wenn ein vergaberechtlicher Verstoß vorliege, sei ein angemessener Preis für die Planungsleistungen gezahlt worden. Denn diese würden auf der gesetzlichen Grundlage der HOAI abgerechnet; die Ausschreibung diene dabei nur der Ermittlung des qualitativ besten Gebots. Für die später vergebene Bauoberleitung sei ein Festbetrag im Rahmen der HOAI-Sätze vereinbart worden. Einer Vergabe in Teillosen habe entgegengestanden, dass dadurch die Problematik der Gewährleistungsansprüche in Hinblick auf die Schnittstellen der einzelnen Teillose nicht befriedigend zu lösen gewesen sei und deshalb ein hohes wirtschaftliches Risiko bestanden hätte. Außerdem hätte durch ein mögliches Nachprüfverfahren hinsichtlich der Vergabe eines Teilloses der Bauzeitenplan für alle übrigen Teillose gefährdet werden können. Die mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage, die - den Kauf des ehemaligen Kompostwerks eingeschlossen - insgesamt 18.000.000 € gekostet habe, sei zu einem angemessenen Preis errichtet worden, wie Vergleiche mit anderen Bauprojekten dieser Art zeigten.

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Der Kaufpreis für das ehemalige Kompostwerk sei nicht zu beanstanden. Aus dessen Bemessung in Höhe der Bankverbindlichkeiten des Verkäufers könne nicht gefolgert werden, dass er unangemessen hoch gewesen sei. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, weil Grundstücke als Sicherheit für Darlehen nicht zu 100 % ihres Wertes beliehen würden. Zudem sollte der Kauf des ehemaligen Kompostwerkes auch der vorzeitigen Beendigung des Vertrages über die Entsorgung des Bioabfalls dienen. Andernfalls wären weiterhin jährlich 680.000 € für die Bioabfallsammlung zuzüglich 740.000 € Vergütung für den Betreiber des Kompostwerks angefallen. Der Vertrag habe eine Laufzeit bis 2011 gehabt. Die Biotonne habe jedoch nicht die erforderliche Akzeptanz bei den Bürgern gefunden. Abgesehen davon sei zwischenzeitlich ein Wertgutachten eingeholt worden, das zu dem Ergebnis komme, dass das ehemalige Kompostwerk zum Stichtag 31.03.2004 einen Sachwert von 4.190.000 € gehabt habe. Dabei handele es sich zwar um ein Privatgutachten, das nur substantiierten Parteivortag darstelle. Jedoch seien behördlich eingeholte Gutachten von denjenigen anderer Verfahrenbeteiligter zu unterscheiden, weil Behörden zur Objektivität verpflichtet seien. Das Gutachten genüge daher ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage. Die Differenz zu dem in die Gebührenkalkulation eingestellten Wert von 5.238.166.73 € beruhe auf dem Ablösungsbetrag für den Bioabfallkompostierungsvertrag.

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Die in den Restmüllgebühren enthaltene Quersubventionierung entspreche den Vorgaben des § 12 Abs. 5 NAbfG.

16

Weiterhin seien bestimmte Tätigkeiten (z. B. Mähen der Randböschungen) durch Fremdleistungen auf Grund des ansonsten geringen Auslastungsgrades der erforderlichen Geräte wirtschaftlicher zu erledigen. Anderseits hätten Veränderungen in den Arbeitsabläufen (z. B. Ersetzung des fremden stationären Walzenbrechers durch einen eigenen mobilen Zerkleinerer) zu Kosteneinsparungen geführt.

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Die Müllanlieferungen durch den Landkreis H. seien berücksichtigungsfähig. Eine mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage mit einem größeren Durchsatz sei kostengünstiger als eine kleine. Zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit dem Landkreis H. habe ein gewisses Überangebot für die Abfallabnahme bestanden. Aus den Beschlussunterlagen hinsichtlich der Entschädigungsvereinbarung mit dem Landkreis H. ergebe sich, dass es ohne die Abfallmengen aus dem Landkreis H. zu einer Gebührensteigerung für ein 40 Liter-Gefäß von 8,95 €/a auf 16,82 €/a gekommen wäre. Zudem werde ein Drittel des vom Landkreis H. angelieferten Abfalls, die heizwertreichen Fraktionen, auf Grund der Neufestsetzung der Entgelte in 1. Fortschreibung aus dem Jahr 2007 nunmehr kostendeckend entschädigt.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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A.

Die Anfechtungsklage ist zulässig.

21

Es kann offen gelassen werden, ob die Rechtsbehelfsbelehrung in Hinblick auf die Bezeichnung des richtigen Beklagten ("Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis J.") richtig ist, da dies nur die Verlängerung der Klagefrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Folge hätte. Der "Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis J." ist lediglich ein Eigenbetrieb des Beklagten (§ 1 Abs. 2 Abfallentsorgungssatzung) ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§ 65 NLO i.V.m. § 108 Abs. 2 Nr. 1 NGO) und stellt nicht den Rechtsträger dar, gegen den die Klage zu richten ist.

22

B.

Die Klage ist auch begründet.

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1. Der Beklagte ist passivlegitimiert (vgl. BVerwG, U. v. 03.03.1989, 8 C 98/85, juris Rn. 12). Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. § 8 Abs. 2 NdsAGVwGO findet keine Anwendung, weil der Beklagte als kommunale Gebietskörperschaft nicht Rechtsträger einer Landesbehörde ist (vgl. § 1 Abs. 1 NVwVfG, § 1 Abs. 1 Satz 1 NLO). Nimmt eine Behörde die Aufgaben einer anderen Behörde in deren Namen und Auftrag wahr, ist die den Verwaltungsakt erlassende Behörde i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht die beauftragte, den Verwaltungsakt tatsächlich erstellende Behörde, sondern diejenige Behörde in deren Namen und Auftrag der Verwaltungsakt ergangen ist. Das ist hier der Beklagte. Im Wege der Auslegung des Abgabenbescheides der Stadt G. vom 27.02.2009 nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Gesamterklärungsumstände und des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. VGH BW, U. v. 15.10.2009, 2 S 1457/09, juris Rn. 31ff.) ist noch ersichtlich, dass die Stadt G. den Bescheid in Hinblick auf die Abfallbeseitigungsgebühr für den Beklagten in dessen Namen und Auftrag erstellt hat. Zwar lässt sich dem verfügenden Teil des Abgabenbescheides nicht entnehmen, dass die Abfallbeseitigungsgebühr - im Gegensatz zu den übrigen Abgaben - nicht von der Stadt G., sondern dem Beklagten erhoben wird. Insofern würde eine Trennung verbunden mit dem Hinweis auf die Gebührenerhebung im Namen und Auftrag des beklagten Landkreises zur Klarstellung beitragen; in den das Veranlagungsjahr 2010 betreffenden Abgabenbescheiden hat die Stadt G. dies zwischenzeitlich entsprechend geändert. Auch fehlt der Rechtsbehelfsbelehrung der Hinweis, dass die Abfallbeseitigungsgebühr nicht nur im Auftrag, sondern auch im Namen des Beklagten erhoben wird. Der aufmerksame Betrachter kann jedoch der Rechtsbehelfsbelehrung, in der klargestellt wird, dass "die Festsetzung der Gebühr für die Abfallbeseitigung im Auftrag des Landkreises J." erfolge und eine Klage gegen den "Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis J." zu richten sei, noch entnehmen, dass der Beklagte die erlassende Behörde i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sein soll. Insofern unterscheidet sich der streitgegenständliche Abgabenbescheid von den in der Rechtsprechung (vgl. VGH BW, U. v. 15.10.2009, 2 S 1457/09, juris; OVG S-H, U. v. 24.10.2001, 2 L 29/00, juris) thematisierten Rechnungen von in Privatrechtsform geführten Stadtwerken, in denen nur im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Verwaltungsaktscharakter und den Erlass in fremden Namen und Auftrag hingewiesen wird. Denn das Schreiben der Stadt G. ist ohne weiteres als von einer Behörde verfasster Verwaltungsakt zu erkennen; lediglich die erlassende Behörde ist nicht auf den ersten Blick, sondern erst nach genauer Betrachtung ersichtlich.

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2. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Abfallgebührenerhebung ist § 12 Abs. 1 NAbfG, wonach der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird, für die Abfallentsorgung Gebühren nach den Vorschriften des NKAG mit den Maßgaben des § 12 Abs. 2 bis 8 NAbfG erhebt.

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a. Auf Grund der Erkennbarkeit der erlassenden Behörde für den aufmerksamen Betrachter ist der angegriffene Bescheid zwar nicht nichtig gemäß § 12 Abs. 1 NAbfG, § 11 Abs. 1 Nr. 3b NKAG, § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO.

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Auch findet die Beauftragung der Stadt G. mit der Erhebung der Abfallbeseitigungsgebühren, bei der es sich mangels Übertragung hoheitlicher Befugnisse zur Wahrnehmung im eigenen Namen als Behörde nicht um eine Beleihung, sondern um eine Verwaltungshilfe im Rahmen einer Zweckvereinbarung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NKomZG handelt, in § 6 Abs. 1 Satz 5 NAbfG i.V.m. § 6 Abs. 1 Abfallgebührensatzung eine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rn. 259).

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b. Jedoch ist der vom Beklagten in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b Abfallgebührensatzung vom 20.11.2008 festgesetzte Abgabensatz der Gebühr für Restabfallbehälter mit einem Füllraum von 60 Litern rechtswidrig und daher unwirksam. Ob darüber hinaus die gesamte Abfallgebührensatzung unwirksam ist, bedarf hier mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung. Die (teilweise) Unwirksamkeit der Abfallgebührensatzung des Beklagten hat die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides zur Folge. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 NKAG dürfen kommunale Abgaben nur auf Grund einer Satzung, die unter anderem den Abgabensatz festlegt, erhoben werden.

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Der Beklagte hätte die Kosten der Entsorgung des aus dem Landkreis H. angelieferten Mülls und die dafür erhaltenen Entgelte nicht in die Gebührenkalkulation einstellen dürfen. Die Kosten, die der Gebührenberechnung zugrunde gelegt werden dürfen, werden durch das in § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 NKAG sowie § 12 Abs. 2 Satz 1 NAbfG verankerte Prinzip der Leistungsproportionalität begrenzt (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band 1, Stand: 09/2002, § 6 Rn. 53, 59). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG erheben die Landkreise als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren. Dabei soll das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtungen decken, jedoch nicht übersteigen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 NAbfG soll das Aufkommen aus den Gebühren alle Aufwendungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Wahrnehmung seiner abfallwirtschaftlichen Aufgaben decken. Daraus folgt, dass nur solche Kosten ansatzfähig sind, die der öffentlichen Einrichtung zuzuordnen sind bzw. der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe dienen, d.h. der Entsorgung des im Gebiet des Beklagten anfallenden Abfalls (vgl. Nds. OVG, U. v. 22.06.2009, 9 LC 409/06, juris Rn. 26; Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 01/2009, § 5 Rn. 306). Deshalb dürfen die Kosten für eine Abfallbeseitigungsanlage in die Gebührenkalkulation nur eingestellt werden, soweit sie den Gebührenzahlern für den von ihnen verursachten Abfall zuzurechnen sind (OVG Bremen, U. v. 17.05.1988, 1 N 1/85, NVwZ-RR 1989, 101 ff.; Hess. VGH, B. v. 27.04.1999, 5 N 3909/98, juris Rn. 59). Andernfalls würden die Gebührenzahler einen Gebührensanteil entrichten, für den sie keine Gegenleistung erhalten würden. Im Falle einer vom Entsorgungsträger betriebenen Abfallbeseitigungsanlage, die auf die Entsorgung sowohl von eigenen und als auch von fremden Abfallmengen ausgelegt ist, ist daher nur derjenige Kostenanteil ansatzfähig, der sich auf die Entsorgung des im eigenen Gebiet anfallenden Mülls bezieht.

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Der Beklagte hat in seine Gebührenkalkulation sowohl die Kosten in Höhe von 11.429.379,58 €, die im Kalkulationszeitraum voraussichtlich für die Entsorgung des vom Landkreis H. zugelieferten Mülls anfallen werden, als auch die dafür prognostizierten Anlieferungsgebühren von 8.538. 000 € eingestellt. Das hat eine Quersubventionierung der Abfallbeseitigung des Landkreises H. - und damit zugleich eine nicht von einer Gegenleistung gedeckte Belastung der Gebührenzahler des Beklagten - in Höhe von 2.891.379,58 € zur Folge.

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Die Einbeziehung der Kosten und Erlöse von Fremdmüllmengen kann nicht durch den Verweis auf die hypothetischen Kosten einer gedachten kleineren bedarfsgerechten Abfallbeseitigungsanlage gerechtfertigt werden. Es mag zwar sein, dass eine größere Anlage wegen der damit verbundenen positiven Skalen- und Synergieeffekte kostengünstiger als eine kleinere Anlage zu betreiben ist. Jedoch lassen sich über die Kostenunterschiede allenfalls Spekulationen anstellen. Zudem würde eine solche fiktive Verrechnung dem nach § 12 Abs. 6 Satz 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 NKAG vorrangig anzuwendenden Wirklichkeitsmaßstab nicht gerecht. Denn danach ist die Gebühr grundsätzlich nach Art und Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme zu bemessen. Abgesehen davon würde durch eine derartige Betrachtungsweise das wirtschaftliche Risiko einer von vorneherein auf die Zulieferung von Fremdmüllmengen zu einem festen Entgeltsatz ausgelegten Anlage auf die Gebührenzahler abgewälzt. Im Rahmen der kommunalrechtlichen Vorgaben steht es dem Entsorgungsträger grundsätzlich frei, eine solche - in Bezug auf das Müllaufkommen der eigenen Gebührenzahler - planmäßig überdimensionierte Anlage zu errichten. Insofern stellt sich hier nicht das Problem einer zu Leerkosten führenden echten Überkapazität, die auf einer falschen Prognose über das zu erwartende Müllaufkommen beruht (vgl. dazu: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band 1, Stand: 03/2004, § 6 Rn. 73ff.). Allerdings wird der Entsorgungsträger, wenn er sich dazu entschließt, neben der Entsorgung des auf seinem Gebiet anfallenden Mülls als Dienstleistung für andere Entsorgungsträger auch die Beseitigung fremden Abfalls anzubieten, dadurch außerhalb seines eigentlichen abfallbeseitigungsrechtlichen Aufgabenbereichs fiskalisch tätig. In diesem Zusammenhang ist es nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts, zu bewerten, ob das gewählte Vertragsmodell, in dem der Beklagte - anders als im Rahmen einer Beteiligung an einem Zweckverband oder bei Vereinbarung einer kostenabhängigen Vertragsanpassungsklausel - das gesamte Kostenrisiko der gemeinsamen Entsorgung allein trägt, eine wirtschaftlich und kommunalpolitisch sinnvolle Ausgestaltung darstellt. Wählt der Entsorgungsträger jedoch eine derartige Anlagen- und Vertragsform, muss er das unternehmerische Risiko, dass die Entgelte, die er vom zuliefernden Entsorgungsträger erhält, nicht die Entsorgungskosten decken, selbst - zu Lasten seines allgemeinen Haushalts - tragen.

32

Im vorliegenden Fall hat sich gerade dieses Risiko realisiert. Im Rahmen des Beschlusses seines Kreistages vom 05.12.2002 über die Entschädigungsvereinbarung mit dem Landkreis H. ging der Beklagte noch davon aus, dass die voraussichtlichen jährlichen Erlöse von 2.537.000 € die anteiligen Produktionskosten von 2.552.740,34 € (4.077. 091 € / 55.900 t/a x 35.000 t/a) bei einer Zulieferung von 35.000 t/a annährend decken würden. Für den streitgegenständlichen Kalkulationszeitraum rechnet der Beklagte hingegen damit, dass die mit dem Landkreis H. vereinbarten jährlichen Erlöse von 2.846. 000 € (8.538.000 € / 3) lediglich 75 % der Kosten der Fremdabfallbeseitigung von 3.809.793,19 € (11.429.379,58 € / 3) ausgleichen werden.

33

c. Mangels Entscheidungserheblichkeit lässt die Kammer insbesondere offen, ob die Vergabe der Planungs- und Bauleistungen zur Errichtung der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage den vergaberechtlichen Vorgaben entsprochen hat und ob - falls dies nicht zutreffen sollte - trotzdem dem kostenbezogenen Erforderlichkeitsprinzip genügt worden ist; insofern dürfte noch weiterer Aufklärungsbedarf bestehen. Aus demselben Grund kann dahin gestellt bleiben, ob der in die Gebührenkalkulation eingestellte Kaufpreis für das ehemalige Kompostwerk angemessen gewesen ist und ob es diesbezüglich der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bedürfte.

34

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

35

Einen Grund für die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) vermag die Kammer nicht zu erkennen. Insbesondere ist die Frage der Ansatzfähigkeit der Entsorgungskosten zugelieferter Fremdmüllmengen in der Rechtsprechung geklärt (vgl. OVG Bremen, a.a.O.; Hess. VGH, a.a.O.).