Arbeitsgericht Göttingen
Urt. v. 07.10.2009, Az.: 3 Ca 724/08
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Göttingen
- Datum
- 07.10.2009
- Aktenzeichen
- 3 Ca 724/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 45122
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGGOE:2009:1007.3CA724.08.0A
Fundstelle
- EzA-SD 1/2010, 3-4
In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Göttingen auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2009 durch
den Richter am Arbeitsgericht Walkling als Vorsitzenden,
die ehrenamtliche Richterin ...,
den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
- 3.
Der Wert wird auf 8 020,83 € festgesetzt.
- 4.
Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, welche die beklagte Stadt dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 09.12.2008 unter anderem mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetruges ausgesprochen hat.
Der Kläger ist seit dem 01.04.1970, mithin 38 Jahre bei der beklagten Stadt beschäftigt gewesen. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden die Bestimmungen des BAT bzw. sodann die des TVÖD Anwendung. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der tariflichen "Unkündbarkeit" im Sinne von § 34 Abs. 2 TVÖD. Seit Beginn der 90er Jahre war der Kläger als Sachgebietsleiter "Zahlstelle/Parkraumbewirtschaftung" tätig. Dabei oblag ihm unter anderem die Kassettenentleerung der Parkmünzen und die Reparatur von Parkscheinautomaten. Er war daneben mit der Führung der Verwahrunterlagen beauftragt. Diese Tätigkeiten brachten es mit sich, dass der Kläger des öfteren Dienstgänge zu absolvieren hatte.
Mit Schreiben vom 23.04.1998 informierte die Beklagte über die bei ihr geltende Dienstvereinbarung über die flexible Arbeitszeit. Auszugsweise lautet diese Dienstvereinbarung:
"6.1 Elektronische Zeiterfassung
Die Bediensteten, die an der flexiblen Arbeitszeit teilnehmen und deren Arbeitszeit automatisiert erfasst wird, sind verpflichtet, ihre Arbeits- und Abwesenheitszeiten sowie Pausen (wie Betreten und Verlassen des Gebäudes, Besuch der Kantine) an den dafür vorgesehenen Zeiterfassungsgeräten (Terminals) zu erfassen. Die Buchungen sind unter Verwendung einer persönlich zugeordneten Magnetkarte unverzüglich zu tätigen. Das bedeutet, dass die Buchung unmittelbar
vor Dienstbeginn, vor einem Kantinenbesuch, vor einer Ruhepause oder vor einer privaten Abwesenheitszeit
nach einem Kantinenbesuch, nach einer Ruhepause, nach einer privaten Abwesenheitszeit und nach Dienstende vorzunehmen sind (...)
6.2 Handschriftliche Zeiterfassung
Alle Bediensteten, die an der flexiblen Arbeitszeit teilnehmen und nicht elektronisch buchen (können), müssen monatlich einen persönlichen Arbeitszeitnachweis nach Vordruck führen. Die Bediensteten erhalten hierzu von ihrer Organisationseinheit für jeden Kalendermonat ein Zeiterfassungsblatt.
(...) Die einzelnen Zeitpunkte sind jeweils unverzüglich in das Zeiterfassungsblatt einzutragen. (...)
7.2 Abwesenheitszeiten, die nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden:
Private Abwesenheit
Arztbesuche
Ausübung von Nebentätigkeiten
Zeiten, in denen eine Nebentätigkeit ausgeübt wird, sind keine Arbeitszeit. Jede Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit zur Ausübung einer Nebentätigkeit ist entsprechend zu buchen bzw. auf dem Arbeitszeitnachweis einzutragen."
Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterlag den Regelungen dieser Dienstvereinbarung, der Kläger nahm an der flexiblen Arbeitszeit teil. Bei der Beklagten hat sich zudem eine betriebliche Übung entwickelt, nach der die 30minütige Mittagspause bei Vollzeitbeschäftigten nicht durch die Magnetkarte gebucht wird, sondern automatisiert und pauschalisiert für jeden Arbeitstag im Umfange von 30 Minuten abgezogen wird.
Der Kläger ist Mehrheitsgesellschafter der Firma M. GmbH gewesen. Diese Firma hatte ihren Geschäftssitz (...) in Göttingen, der privaten Wohnanschrift des Klägers. Geschäftsgegenstand der Firma M. GmbH war unter anderem das Aufstellen und Montieren von Küchen- und Büromöbeln. Im Jahr 2007 hat der Kläger mehrfach beim Arbeitgeberservice des Landkreises Göttingen vorgesprochen, um Personal für diese Firma zu akquirieren bzw. davon abhängige Fragen (Beantragung von Fördermitteln etc.) zu klären.
Am 28.05.2008 suchte die Zeugin D. die Firma M. GmbH an deren Firmensitz im Franz-Marc-Weg 4 in Göttingen auf. Anliegen der Zeugin D. war es, einigen Beschwerden von Mitarbeitern nachzugehen, welche vom Arbeitgeberservice des Landkreises an diese Firma vermittelt worden waren. Das Gespräch führte die Zeugin D. unter anderem mit der Zeugin Neuschulte. In welchem Umfange und in welcher Funktion der Kläger an diesem Gespräch teilgenommen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Das Arbeitszeitjournal des Klägers weist an diesem Tag im Zeitraum von 12.42 Uhr bis 17.35 Uhr einen "Dienstgang" aus. Für privat veranlasste Abwesenheitszeiten hat der Kläger nicht ausgestempelt (Bl. 68 d.A.).
Mit Versetzungsverfügung vom 27.06.2008 wurde dem Kläger eine Tätigkeit im Fachdienst Wohnraumfragen zugewiesen. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme ist Gegenstand des zur Zeit ausgesetzten Verfahrens 3 Ca 515/08 beim Arbeitsgericht Göttingen.
Am 13.08.2008 ging bei der Beklagten die Anfrage eines Ratsmitgliedes wegen einer angeblichen Nebentätigkeit des Klägers ein. Mit Schreiben vom 01./16.09.2008 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit, zum Vorwurf Stellung zu nehmen, er gehe einer nicht angezeigten Nebentätigkeit nach. Seit dem 03.09.2008 war der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 01.10.2008 äußerte die Beklagte gegenüber dem Kläger ihre Missbilligung wegen mangelnder Mitwirkung bei der Aufklärung der Frage einer etwaigen Nebentätigkeit. Mit Schreiben vom 09. und 24.10.2008 nahm der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten zu der Frage dahingehend Stellung, dass er lediglich finanziell an der Firma M. GmbH beteiligt sei. Im Oktober 2008 hat die Firma M. GmbH ihre operative Geschäftstätigkeit eingestellt. Es folgte ein Insolvenzverfahren.
Mitte November 2008 erhielt die Beklagte Ausdrucke des Arbeitgeberservices des Landkreises über die dortigen Vorsprachen des Klägers. Am 24.11.2008 fertigte der Mitarbeiter der Beklagten, Herr W., einen Vermerk über den Gesamtvorgang, welcher große Ähnlichkeit mit dem Entwurf des späteren Kündigungsschreibens hatte. Dieses Schreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Gelegenheit übersandt, für seinen Mandanten zum weiteren Vorwurf des Zeitbetruges Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 04.12.2008 beteiligte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat unter anderem durch Übermittlung des Entwurfes des Kündigungsschreibens für eine außerordentliche Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 09.12.2008 hat der Gesamtpersonalrat durch Zeichnung der Vorsitzenden Frau B. und der Gruppenvertretern Frau K. dem Kündigungsbegehren der Beklagten zugestimmt.
Mit Schreiben vom 09.12.2008, welches dem Kläger am selben Tage ausgehändigt worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 12.12.2008 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger bestreitet, dass er einer anzeigepflichtigen entgeltlichen Nebentätigkeit nachgegangen sei. Er sei lediglich 85 %iger Mehrheitsgesellschafter der Firma M. GmbH gewesen. Dieses Engagement sei mit dem Halten von Wertpapieren zu vergleichen. Lediglich in Einzelfällen habe er sich als Gesellschafter für die Belange seiner Gesellschaft eingesetzt, indem er das ein oder andere Gespräch geführt habe. Die Gespräche beim Arbeitgeberservice des Landkreises habe er jeweils im Rahmen seiner zeitlich nicht zu fixierenden Mittagspause geführt. Das Gespräch mit der Zeugin D. am 28.05.2008 habe die Zeugin N. geführt. Er sei lediglich zufällig am Ort des Geschehens gewesen, weil er im Rahmen seines Dienstganges Werkzeug geholt habe.
Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe. Bereits mit der Anfrage des Ratsmitgliedes am 13.08.2008 habe die Frist zu laufen beginnen - spätestens jedoch mit der umfassenden Kenntnis des Personalsachbearbeiters W. am 24.11.2008. Der Zeuge W. habe das Kündigungsbegehren gegen den Kläger maßgeblich betrieben und sei daher als eine zur Kündigung berechtigte Person anzusehen, dessen Wissen die Beklagte sich zurechnen lassen müsse. Spätestens mit dem 08.12.2008 sei die 2-Wochen-Frist daher abgelaufen.
Der Kläger bestreitet ferner, dass der bei der Beklagten gebildete Gesamtpersonalrat ordnungsgemäß beteiligt worden ist, diesem sei insbesondere das Entlastungsvorbringen des Klägers nicht mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 09.12.2008 unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei dem Engagement des Klägers für die Firma M. GmbH um eine anzeigepflichtige Nebentätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 3 TVöD gehandelt habe. Zum Einen habe der Kläger zweimal 400,00 Euro als Vergütung von der Gesellschaft erhalten, zum Anderen ziehe er als Gesellschafter wirtschaftlichen Vorteil aus der Firma. Gegenüber der Beklagten habe der Kläger einen Arbeitszeitbetrug begangen, indem er sich in erheblichem Umfange für seine private Firma während der Arbeitszeit bei der Beklagten eingesetzt habe, ohne für diese Zeiträume auszustempeln oder nachträglich auf einem Zeiterfassungsblatt private Tätigkeiten einzutragen. Der Kläger könne nicht mit dem Einwand durchdringen, dass diese Tätigkeiten stets in der Mittagspause gelegen hätten. Die Mittagspause sei unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes spätestens nach 6 Stunden und innerhalb der Mittagszeit zu nehmen.
Bei dem Gespräch mit der Zeugin D. am 28.05.2008 und auch im übrigen Auftreten gegenüber dem Arbeitgeberservice des Landkreises habe sich der Kläger wie ein geschäftsführender Gesellschafter präsentiert. Die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, da ab dem 24.11.2008 dem Kläger zunächst noch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden musste. Hinsichtlich der Personalratsbeteiligung verweist die Beklagte auf das vorliegende Beteiligungsschreiben vom 09.12.2008 und den anliegenden Entwurf des Kündigungsschreibens.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, welchen Gegenstand der Kammerverhandlung am 07.10.2009 gewesen sind, verwiesen. In der Kammerverhandlung am 07. Oktober 2009 hat das Gericht durch Vernehmung der Zeugin D. Beweis über die Frage erhoben, in welchem zeitlichen Umfang und welcher Funktion der Kläger an dem Gespräch am 28.05.2008 teilgenommen hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 202 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 09.12.2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang beim Kläger am 09.12.2008 mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
1.
In dem vom Kläger am 28.05.2008 begangenen Arbeitszeitbetrug liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD.
a)
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu stempeln, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an ( BAG 24.11.2005, 2 AZR 39/05, NZA 2006, 484 - 486).
b)
Im vorliegenden Fall steht nach der am 07. Oktober 2009 durch Vernehmung der Zeugin D. durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger am 28.05.2008 für mindestens eine Stunde seine dienstliche Tätigkeit bei der beklagten Stadt unterbrochen hat, um ein intensives Gespräch mit der Zeugin D. über die Belange der Firma M. GmbH zu führen. Dieses Gespräch hat im Zeitraum von ca. 15:50 bis 16:50 Uhr stattgefunden. Gegenstand dieses Gespräches waren die beim Arbeitgeberservice des Landkreises aufgelaufenen Beschwerden gegen die Firma M. GmbH. Nach den Bekundungen der Zeugin D. ist der Kläger von der Personalreferentin der Firma M. GmbH, Frau N., extra zu diesem Gespräch herbei telefoniert worden. Der Kläger ist bei dem Gespräch die führende Kraft gewesen. Er hat sich der Zeugin D. gegenüber als der maßgebliche Ansprechpartner für konfliktgeladene Personalfragen präsentiert. Der Kläger war während des einstündigen Gesprächs ununterbrochen anwesend. Seine Einlassung, er habe sich am Orte des Gespräches zufällig auf der Suche nach Werkzeug aufgehalten, ist damit widerlegt.
Das Arbeitszeitjournal des Klägers für den 28.05.2008 weist für den Zeitraum von 12:42 bis 17:35 Uhr einen ununterbrochenen Dienstgang aus. Der Kläger hat mithin für das mehr als einstündige Gespräch weder ausgestempelt noch hat er manuell über einen Zeiterfassungszettel eine Unterbrechung seiner Arbeitszeit für private Angelegenheiten oder eine Nebentätigkeit nachgemeldet. Die Beklagte hat daher den Zeitraum von 15:50 bis 16:50 Uhr dem Kläger als Arbeitszeit vergütet. Die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens des Klägers liegt auf der Hand. Sie kann auch nicht dadurch entkräftet werden, dass der Kläger sich auf die Inanspruchnahme einer "kumulierten Mittagspause" beruft. Zwar ist durch die entstandene betriebliche Übung die Regelung hinsichtlich der Mittagspause dadurch recht großzügig, dass diese nicht durch eine Stempelung zeitlich fixiert werden muss. Das zeitliche Höchstmaß der Mittagspause pro Tag liegt jedoch bei 30 Minuten. Das einstündige Gespräch am Nachmittag des 28.05.2008 kann von einer solchen Mittagspause nicht gedeckt gewesen sein.
Diese Feststellungen beruhen - soweit nicht ohnehin unstreitig - auf der glaubhaften Aussage der Zeugin D. im Termin am 07.10.2009. Die Zeugin D. hat die entsprechenden Eckpunkte der Vorgänge am 28.05.2008 bereits in ihrem dienstlichen Vermerk vom 29.05.2009 (Bl. 150 ff d. A.) niederlegt. In der Vernehmung der Zeugin ergaben sich weder eklatante Abweichungen zwischen der schriftlich niedergelegten dienstlichen Stellungnahme und der mündlichen Zeugenaussage, noch waren beide in einem Sinne deckungsgleich, dass vermutet werden müsste, dass die Zeugin D. die schriftliche Stellungnahme nur auswendig gelernt hätte. Die Zeugin D. war in der Lage, Nachfragen bezüglich von Einzelheiten zu parieren: So konnte sie aus ihrer Erinnerung ergänzen, dass mehrere Telefonate von Mitarbeitern der Firma M. GmbH am 28.05.2008 aufgelaufen sind. Die Anliegen der Anrufer habe Frau N. stets an den Kläger weitergereicht. Dieser habe zu technischen Fragen der Montage (Verbleib fehlender Teile etc.) gegenüber den Mitarbeitern der Firma M. GmbH Stellung genommen.
Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung auch als Person einen glaubwürdigen und verlässlichen Eindruck gemacht. Sie hat sorgfältig und mit Gelassenheit ihre Erinnerung für das Gericht reproduziert. Loyalitätskonflikte oder Interessenkollisionen waren nicht erkennbar. Weder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin D. dem Kläger schaden wollte noch besteht eine fortdauernde wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit der Zeugin zur Stadt oder zum Landkreis Göttingen, da die Beschäftigung der Zeugin D. beim Landkreis Göttingen bereits beendet ist. In die Beweiswürdigung hat das Gericht auch mit einbezogen, dass der Kläger nach Vernehmung der Zeugin D. nicht mehr auf seine Version des zufälligen Zusammentreffens mit der Zeugin D. bei der Suche nach einem Akkuschrauber zurückgekommen ist.
2.
Die im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus.
Zu dessen Gunsten war zu berücksichtigen, dass der Kläger seit 1970 über eine mehr als 38jährige Betriebszugehörigkeit verfügt. Mehr als 35 Jahre davon erscheinen nach Aktenlage als beanstandungsfrei. Auch aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters sieht sich der Kläger mit schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. Er ist in einem hohen Maße sozial schutzwürdig. Diesem Umstand trägt auch die tarifliche Unkündbarkeitsregelung in § 34 Abs. 2 TVÖD Rechnung.
Zu Lasten des Klägers war jedoch die durch sein Handeln eingetretene besondere Schwere des Vertrauensbruchs zu berücksichtigen. Allein der am 28.05.2008 begangene Arbeitszeitbetrug hat einen erheblichen Umfang und kann nicht als eine Nachlässigkeit oder ein Versehen des Klägers erklärt werden. Gerade durch die bei der Beklagten vorgehaltenen Zeiterfassungsblätter hätte der Kläger noch die Möglichkeit gehabt, nach dem Gespräch mit der Zeugin D. diesen Zeitraum als private Nebentätigkeit anzugeben. Von dieser Möglichkeit hat er bewusst keinen Gebrauch gemacht.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger den Arbeitszeitbetrug begangen hat, um einer nach § 3 Abs. 3 TVöD anzeigepflichtigen Nebentätigkeit nachzugehen. Dabei kommt es entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht darauf an, dass der Kläger formal nur Mehrheitsgesellschafter der Firma M. GmbH gewesen ist. Die Position des Klägers ist eben gerade nicht mit der eines Aktionärs oder Fondinhabers zu vergleichen. Der Kläger hat sich, wie die Beweisaufnahme beispielhaft für den 28.05.2008 ergeben hat, in erheblichem zeitlichen Umfang für die Belange seiner Firma eingesetzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob er hierfür eine laufende Vergütung bezogen hat oder ein formales Anstellungsverhältnis bei seiner Gesellschaft hatte. Entscheidend ist für die Frage der anzeigepflichtigen Nebentätigkeit, dass diese selbständige Tätigkeit des Klägers auf Nachhaltigkeit und Gewinnerzielungsabsicht hin angelegt war. Dabei musste die Beklagte nicht den Nachweis führen, welche tatsächlichen Gewinne der Kläger aus seinen Anteilen bei der M. GmbH gezogen hat. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit des Klägers auf Gewinnerzielung hin angelegt war. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung fällt der Umstand, dass der Kläger hier seinen Dienstgang unterbrochen hat, um einer nicht angezeigten entgeltlichen privaten Nebentätigkeit nachzugehen, erheblich zu seinen Lasten ins Gewicht. Trotz des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ( § 34 Abs. 2 TVÖD ) ist der Beklagten damit die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten gewesen.
3.
Die Beklagte hat die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Jene beginnt einerseits erst zu laufen, wenn der Kündigungsberechtigte von den Kündigungsgründen Kenntnis erhalten hat und ist andererseits durch zügige und sachangemessene Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich des Kündigungsgrundes gehemmt ( BAG 05.06.2008, 2 AZR 234/07, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7 m.w.Nw.). Im vorliegenden Fall kann nicht auf die tatsächliche Kenntnis des Personalsachbearbeiters W. abgestellt werden. Allenfalls der Personaldezernent der Beklagten Herr S. käme als "Kündigungsberechtiger" im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB in Betracht. Im Übrigen war der Lauf der Frist durch die am 24.11.2008 in Gang gesetzte Anhörung des Klägers zu den Kündigungsvorwürfen gehemmt.
4.
Die Einwände des Klägers gegen die durchgeführte Beteiligung des Gesamtpersonalrats greifen nicht durch. Mit der Vorlage des Anhörungsschreibens und des Entwurfes des ausführlichen Kündigungsschreibens vom 04.12.2008 hat die Beklagte dargelegt, dass dem Gesamtpersonalrat alle zu Beurteilung des Kündigungssachverhaltes maßgeblichen Informationen zu Gebote standen. Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination durfte die Beklagte es damit bewenden lassen, dem Personalrat diejenigen Umstände vorzutragen, aufgrund derer sie den Kläger des Arbeitszeitbetruges für überführt hielt. Am 09.12.2008 hat der Gesamtpersonalrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zugestimmt und damit eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Den Anforderungen des § 75 Abs. 1 Nr. 3 NPersVG damit entsprochen worden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit 91 Abs. 1 ZPO, wonach der Kläger als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Der Wert des Streitgegenstandes wurde gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3 Satz 1 GKG in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern für den Kündigungsschutzantrag festgesetzt.
Gründe für eine gesonderte Berufungszulassung lagen nicht vor.