Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.12.2001, Az.: 7 A 2764/01

Arbeitsverweigerung; Mitwirkungspflichten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.12.2001
Aktenzeichen
7 A 2764/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39574
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Weitergewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt.

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Er erhielt laufende Hilfe bis einschließlich März 2001. Mit Schreiben vom 19.03.2001 lud die .... den Kläger zu einem Gespräch ein, um mit ihm über Form und Inhalt seiner Bewerbungen und über seine Arbeitsbemühungen zu sprechen.

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Da der Kläger keinen Gesprächstermin vereinbarte, beschied die ... mit Bescheid vom 29.03.2001, dass wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01.04.2001 eingestellt werde.

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Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Nachdem es im Laufe des Widerspruchsverfahrens wiederum zu keinem Gespräch kam (zum Teil hielt der Kläger verabredete Termine nicht ein, zum Teil erschien er unabgesprochen zu Zeiten, an denen der Sachbearbeiter keine Zeit für ihn hatte), wies die ... den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2001, zugestellt laut Postzustellungsurkunde am 11.07.2001, zurück, weil er nach wie vor seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.

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Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.07.2001 am 11.07.2001 Klage erhoben.

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Er trägt vor: Er zahle monatlich 444,38 DM an Unterkunftskosten für seine Wohnung einschließlich Nebenkosten. Außerdem zahle er monatlich einen Betrag von 156 DM an Strom und Gas. Er erhalte Wohngeld in Höhe von 219,05 DM (Schriftsatz vom 18.08.2001, der später vorgelegte Wohngeldbescheid erfasst erst den Zeitraum ab Oktober 2001), seine Eltern zahlten aber die Kosten für die Wohnung und die Stadtwerke. Den darüber hinausgehenden ungedeckten Bedarf würden seit der Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt seine Eltern in Form von Sachleistungen decken. Außerdem übersandte der Kläger eine schriftliche Erklärung seiner Eltern vom 01.06.2001, wonach diese ihm monatlich 590 DM zukommen lassen wollen.

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Der Kläger legte im Rahmen des Klageverfahrens eine Reihe von Kontoauszügen vor. Unter anderem waren darin folgende Geldzuflüsse verzeichnet:

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Auszug Nr. 10, Bl. 2 vom 17.05.01

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...- Personalmanagement, Lohn/Gehalt, 135,47 DM am 14.05.01

10

Auszug Nr. 12, Bl.1 vom 01.06.01

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Einzahlung ...., 100 DM am 22.05.01

12

Auszug Nr. 15, Bl. 1 vom 22.06.01.01

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....GmbH, Lohn, 214,24 DM am 19.06.01.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die Beklagte zu verpflichten, ihm ab 01.04.2001 weiterhin laufend Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

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Die Beklagte stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

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Sie tritt der Klage entgegen. Sie meint: Ein Anspruch auf Hilfe bestehe nicht, weil der Kläger erklärt habe, sein Lebensunterhalt werde durch Sach- und Geldleistungen seiner Eltern gedeckt. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ergebe sich weiter, dass der Kläger daneben noch andere Einnahmen gehabt habe, die er nicht angezeigt habe.

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Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 20.11.2001 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

19

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat.

22

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

23

Die Klage ist zulässig.

24

Das Gericht versteht dabei das Klagebegehren des Klägers so, wie es im Tatbestand formuliert wurde.

25

Zwar kann zulässigerweise - abgesehen von den Fällen des § 75 VwGO - eine Klage nicht vor Ergehen des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Das Datum der Klageschrift spricht dafür, dass der Kläger sie bereits vor der Widerspruchsentscheidung abgefasst hat. Er hat sie aber erst am 11.07.2001 durch Boten dem Gericht übermittelt. Am 11.07.2001 wurde ihm auch der Widerspruchsbescheid zugestellt. Da in beiden Fällen keine Uhrzeit festgehalten wurde, ist zugunsten des Klägers anzunehmen, dass die Klage erst nach erfolgter Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben wurde.

26

Die Klage ist jedoch unbegründet.

27

Zu Unrecht hat sich jedoch die ... auf eine Verletzung von Mitwirkungspflichten berufen, weil der Kläger nicht zu den vereinbarten Gesprächsterminen erschienen ist. Zwar besteht nach Art. I § 61 SGB I für einen Hilfeempfänger eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen auf Verlangen, aber nur, soweit dies zur Erörterung des Antrags oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen erfolgen soll. Das persönliche Erscheinen in diesem Sinne ist nur eine besondere Form der Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen. Entsprechend sieht Art. I § 66 Abs. 1 SGB X die Versagung von Sozialleistungen aufgrund fehlender Mitwirkung auch nur insoweit vor, als die Voraussetzungen zur Leistung nicht nachgewiesen wurden. Das von der .... angebotene Gespräch über Form und Inhalt der klägerischen Bewerbungen bzw. seiner Arbeitsbemühungen erfüllt nach alledem die Voraussetzungen für eine Mitwirkungspflicht nicht. Art I § 66 Abs. 1 SGB X bietet insoweit keine Rechtsgrundlage für eine Versagung der laufenden Hilfe. Wegen fehlender Arbeitsbemühungen könnte die Beklagte nur im Rahmen des § 25 BSHG gegen den Kläger vorgehen. Darüber hinaus fordert Art. I § 66 Abs. 3 SGB I eine Belehrung über die Folgen der unterbliebenen Mitwirkung und eine angemessene Fristsetzung zur Mitwirkung. Vor allem an letzteren mangelt es dem angefochtenen Bescheid vom 29.03.2001.

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Gleichwohl kann die Klage auf Zahlung von Hilfe im Zeitraum vom 01.04.2001 bis 06.07.2001 (Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung) keinen Erfolg haben.

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Denn Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen erhält, § 2 Abs. 1 BSHG.

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Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht dargelegt, dass im hier streitigen Zeitraum überhaupt noch ein ungedeckter Bedarf besteht. Er hat vielmehr selbst erklärt, dass seine Eltern seinen Bedarf vollständig gedeckt haben. Darauf, ob seine Eltern damit ihre Unterhaltspflicht übererfüllt haben oder nicht, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr der tatsächliche Mittelzufluss. Hinzu kommen darüber hinaus ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge noch weitere Einnahmen, zu denen der Kläger keine näheren Angaben gemacht hat, die ihm im hier vom Gericht zu prüfenden Zeitraum aber zur Verfügung gestanden haben.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.